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IW« Mittwoch, den 8. August Ar 182 Frankenberger Tageblatt Bezirks - Anzeiger 65. Jahrgang. vegrundet 1842. AMU für die Königliche DlchuDmW Mft, das Königliche Amlsgerichl and den Kadlral zn Iranöenöerg i. Sa. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Roßberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von T. G. Roßberg in Frankenberg i. Sa. Erscheint an jedem Wochentag abends für den folgenden Tag. Bezugs- preis vierteljährlich 1 50 monatlich SO H. Trägerlohn extra. — Einzelnummern laufenden Monats 5 früherer Monate 10 F. Bestellungen werden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Ausgabe, stellen, sowie von allen Postanstalten Deutschlands und Oesterreichs angenommen. Nach dem Auslande Versand wöchentlich unter Kreuzband. Ankündigungen sind rechtzeitig aufzugeben, und zwar größere Inserate bis S Uhr vormittags, kleinere bis spätestens 11 Uhr mittags des jeweiligen Ausgabetages. Kür Aufnahme von Anzeigen an bestimmter Stelle kann eine Garantie nicht übernommen werden. 51. Telegramme: Tageblatt Frankenbergsachsen. Anzeigenpreis: Die 5-gcsp. Petitzeile oder deren Raum 15 H, bet Lokal- Anzeigen 12 H; im amtlichen Teil pro Zeil« 40 H; „Eingesandt" im Redaktionsteile 30 H. Für schwierigen und tabellarischen Satz Aufschlag, für Wiederholungsabdruck Ermäßigung nach feststehendem Tarif. Au» Nachweis und Offerten-Annahme werden 25 H Extragebühr berechnet. Jnseraten-Annahme auch durch alle deutschen Annoncen-Expeditionen. Eine Bereinigung uns der mittleren Linie. Nachdem die Vertrauensmänner der konservativen Partei im 10. sächsischen Wahlkreis (Döbeln) sich für die Kandidatur Haffe erklärten, und die Vertrauensmänner de« Bunde» der Landwirte letzten Freitag zu dem gleichen Beschluß kamen, hat sich die Aus sicht auf die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Kandidatur be- deutend gebessert. Wie bekannt, hat Prof. vr. Haffe die An nahme der Kandidatur von dem Zusammengehen aller bürgerlichen Parteien abhängig gemacht. Um diese» Zusammengehen zu er möglichen, hat er e» entschieden abgrlehnt, sich auf bestimmt« wirt schaftliche Forderungen zu verpflichten, und man sollte denken, diese Tatsache muffe auch den Freisinnigen den Anschluß erleich tern; ist ihnen damit doch bewiesen, daß Prof. vr. Haffe entschieden gewillt ist, seine Unabhängigkeit zu wahren. S- ist deshalb auch ganz falsch, wenn jetzt wieder in einigen Blättern von einer kon- servativ-nationalliberalrn Kartellkandidatur gesprochen wird. Weder von den Nationalliberalen noch von den Konservativen war, so erklärt die „Sächs. Natlib. Korr.", ein Kartell in dem Sinne beabsichtigt, daß nur diese beiden Parteien über die Kandidatur zu bestimmen haben werden. Was man zu erzielen suchte, war eine Verständigung aller bürgerlichen Parteien und Organisationen, also einschließlich der Anhänger der Freisinnigen, de» Bunde» der Landwirte wie der Vertretung de» Verbände» der sächsischen In dustriellen, der Reformer und der Christlich-Sozialen. Der ein zige, aber auch durchschlagende Grund zu diesem Versuch ist, daß eben nur in diesem Zusammenschluß die Möglichkeit eine» Auf kommen» gegen die Sozialdemokratie liegt. Wenn jetzt, wo dieser Versuch im Werke ist, ein „geschätzter nationalliberaler Politiker" in der auf dem äußersten linken Flü- gel der Partei stehenden „Drcsd. Ztg." ein« ander« Ansicht ver- tritt und behauptet, der Wahlkreis biet« für «inen „entschieden liberalen Kandidaten di« besten Chancen", so ist dir» eben eine persönliche Meinung. Wer die Verhältnisse de» Wahlkreises auch nur einigermaßen kennt, weiß, daß «r zu einem solchen, unter anderen Umständen vielleicht empfehlenswerten Experiment voll- ständig ungeeignet ist. Darüber zu urteilen find doch in erster Linie die Vertrauensmänner der nationalliberalrn Partei berufen, und wenn sie sich für die gemeinsame Kandidatur Haffe einstim mig entschieden, so haben fir allen Grund, di« bessere Kenntnis der Verhältnisse für sich zu beanspruchen. Leider läßt er der „geschätzte nationalliberale Politiker" nicht bei der Empfehlung seiner Meinung bewenden, er stellt vielmehr auch die Vorgänge, die zur Kandidatur Haffe führten, durchaus falsch dar. offenbar, weil sie in seine Beweisführung nicht hineinpaßten. Er schreibt nämlich: „Auf einmal vernimmt man mit Erstaunen, daß im 10. Wahlkreis ein Teil der Nationalliberalen, wahrscheinlich unter Mitwirkung de» genügend bekannten nationallibrralen Landtags abgeordneten Rühlmann, ein Kartell für die Nachwahl mit den Konservativen abgeschlossen hat." Gegen diese herabsetzende Behandlung legen di« nationalliberalen Vertrauensmänner de» Wahlkreises mit Recht Verwahrung ein. Nicht „ein Teil" der Nationalliberalen hat irgendwo die Köpfe zusammengesteckt, sondern die auf Grund der nationalliberalen Parteiorganisation ordnungsgemäß gewählten Vertrauensmänner au» dem ganzen Kreis« haben in sehr stark besuchter osfizieller Versammlung ihren Beschluß gefaßt. Nicht ein „Kartell mit den Konservativen" wurde beschlossen, sondern die Aufstellung der Kandidatur Haffe, unter der Voraussetzung, daß sich alle bürger lichen Parteien anschließen. Die falsche Darstellung de« Verfasse, s macht einen umso unangenehmeren Eindruck, als der „geschätzte Po- litiker" den LandtagSabgeordneten Rühlmann geflissentlich al» „Verführer" hinstellt, obwohl der „genügend bekannte" Abg. Rühlmann an diesen Verhandlungen gar nicht beteiligt war. Bon einem „geschätzt«« nationalliberalen Politiker" sollte man wohl etwa» mehr Takt erwarten. Ganz und gar verfehlt ist zum Schluß die Berufung auf den extrem gesinnten LandtagSabg. Langhammer und dessen „entschieden liberale Politik". Möglich, daß sich der Verfasser diesen Hinwei» auf die Verdienste Lang. Hammer» al» einen besonder» glücklichen diplomatischen Zug ar- rechnet; er hat aber insofern Unglück damit, al» gerade Lang hammer sich bereit» vor einiger Zeit in ganz anderem Sinne aur- sprach. Langhammer hielt nämlich am 20. April in Dresden einen öffentlichen Vortrag über den „Liberalismus in Sachsen", in dessen Verlauf er auf den Unterschied zwischen Landtags- und ReichStagSwahlen wie», sich auf» neue gegen da» Kartell mit den Konservativen auSsprach, dann aber wörtlich fortsuhr: „Darüber ist bei mir kein Zweifel, daß bei den ReichStagSwahlen ein Zu sammengehen der bürgerlichen Parteien notwendig ist." Diese Worte wurden damals in dem Bericht der „DreSd. Ztg." durch Fettdruck heroorgehoben. Ein Zusammengehen der bürgerlichen Parteien — was will man und tut man ander- im Wahlkreis Döbeln-Roßwein?! Und das Zusammengehen mit den anderen Par teien ist nichts weiter, als eine Vereinigung auf der mittleren Linie — ein Kompromiß sämtlicher bürgerlichen Parteien zur Auf rechterhaltung des deutsch-nationalen Gedankens. Ein gefährliche- Experiment dagegen wäre cs, wollte man in bezug aus die Döbelner Wahl den in der „DreSdn. Ztg." zum Ausdruck ge kommenen Vorschlägen Folge leisten. Mit d«m Kopse rennt der Kluge bekanntlich nicht gegen meterdick« Wände. KertNchrs und Sächsisches. D-r Nachdruck unserer ertlichen Originals«richte Ist nur mit genauer Ouellenangab« gestattet.) Frankenberg, 7. August 1V0S. Herr Kreishauptmauu p. Burgsdorff aus Chemnitz beehrte am Montag nachmittag unsere Stadt mit seinem Besuch. In Begleitung der Herren Bürgermeistrr vr. Jrm«r und Stadt rat Stephan besichtigte er verschiedene Teil« der Stadt, mehrere öffentliche Gebäude, in Sonderheit eingehend da» Rathau», und unternahm einen Spaziergang nach dem Lützrltal und der Lützel höhe. Der Herr Kreithauptmann sprach sich über da» Gesrhen« allenthalben hochbefriedigt und mit anerkrnnenden Worten au». -fr. Die gestrige Stadtverordueteufitzuug, die eigentlich auf « Uhr abend» angrsetzt »ar, konnte erst kurz nach ^,7 Uhr — nach Erreichung der BeschlußfähigkeitSziffer — ihren Anfan- nehmen. Den Vorsitz führte in Vertretung de» zurzeit ort»ad- wesenden Herrn Amtsrichter vr. Bähr Herr Vizevorsteher Back hausen. Nach Feststellung der Anwesenheitsliste wurde sosort in die Tagesordnung eingetreten. Zum ersten Punkte lag zunächst vor »ine Mitteilung über da» an den Prinzen Johann Georg, Herzog zu Sachsen, au- Anlaß seiner Verlobung mit der Prin zessin Maria Immaculata von Sizilien-Bourbon gesandte BeglRck- wünschnugSteltgramm, sowie über di« daraushin ting«gang«ae, vom prinzlichen Hofmarschall v. Mangoldt gezeichnrte Antwort- depesche. Ferner gab Herr Vizevorsteher Backhaus-« Kenntnis von der durch Herrn Zigarnnsabrikant Otto Hunger hier in Aussicht gestellten Schenkung von zwei verzierten Standkandelabern, di« der jetzt noch im Bau begriffenen ParrntationShalle auf dem Fried hof zur Ausschmückung dienen sollen. Mit Dank nahm da» Kol legium auch hiervon Kenntnis. Sodann lagen Rechnungsprü fungen vor. Nach Absetzung von drei Prüfungsberichten von d«r TagtSordnung verblieben noch die Rechnungen der Unterstützung»- taffe für die in Ruhestand versetzten Bezirk-Hebammen (Herr Sto. Freund), Schuldentilgung-kaffe (Herr Sto. Kassierer Beyer), An« leihekaffe (Herr Sto. Hunger), Sparkaffe (Herr Sto. Heinse), Ta»« anstalt-kaffe (Herr Sto. Rau) und Schulkaffe (Herr Sto. Kassierer Beyer). Bon den Berichten nahm da- Kollegium Kenntni-, um danach den Anträgen der Referenten aus Richtigsprechung der Rechnun^-werke beizutreten. Hieraus berichtete Herr Stv. vr. Mclgetone. Ronian von B. v. d. Lanke«. (1. 8»rtsr»ung.) (Nachdruck verboten.) 2. Kapitel. Zehn Jahre waren vergangen seit jenem Tage. Auf Helldringen war äußerlich alles ziemlich unverändert. Karl Friedrich von Velten schritt stattlich und ungebeugt einher, nur Haupt- und Barthaar zeigten starkes Ergrauen, und die ihn näher kannten, wollten wahrnehmen, als ob er im Gemüt nicht mehr der lebensfrohe Mann von einst fei, und als ob die vertieften Furchen auf der hohen weißen Stirn nicht die zunehmenden Jahre, son dern geheime Sorgen hineingegraben hätten. Seine Gattin krän kelte weiter, beschäftigte sich noch mehr mit sich selbst und ihre Umgebung mit größerer Ausdauer. Schön, lieblich und anmuts voll aber hatte sich Magelone entwickelt, die, nun zwanzigjährig, ein fast einsiedlerisches Leben mit den Verwandten führte; doch schien sie die Freuden der Jugend und Geselligkeit nicht zu ver missen, vielleicht weil sie dieselben auch noch nicht kennen gelernt hatte, denn Frau von Velten ging von dem Grundsatz aus, „je jünger ein Mädchen in der Gesellschaft austritt, um so rascher wird es alt". In dieser Anschauung begegnete sie sich, vielleicht zum erstenmal, mit der ihres Gatten, und so war erst der nächste Winter dazu bestimmt, Magelone alle möglichen Zerstreuungen zu bringen. Rolf lebte in Berlin: er arbeitete dort als Referen dar am Kammergericht — die schon seit Jahren sich immer ver längernden Trennungen hatten das innige Einvernehmen zwischen ihm und der Kusine nicht zu stören vermocht. Es war Herbst, und auf Helldringen rührten sich alle Hände in Vorbereitung eines schönen Familienfestes — das Veltensche Ehepaar feierte seine Silberhochzeit. Ein glänzendes Diner, le bende Bilder und nachfolgender Tanz waren von Frau von Velten auf das entworfene Programm trotz ihres Gatten Protest gesetzt worden. „Nicht meinetwegen, Karl Friedrich," beteuerte sie seufzend, „nein, gewiß nicht, ich opfere mich für Rolf und Lona." „Für Rolf und Lona?" fragte Herr von Velten erstaunt, „was kann den Kindern," so bezeichnete er sic gewöhnlich — „für Vorteil daraus erwachsen, ob wir unsere Silberhochzeit still und gemütlich oder durch Festdiners feiern, die riesige Ausgaben er fordern und die mir recht ungelegen kommen." „Ihr Männer denkt nicht an die Zukunst und werdet auch nur in den seltensten Fällen ein sorgendes Mutterherz verstehen." „In diesem Fall ist mein Begriffsvermögen allerdings schwach." Frau von Velten zuckte die Achseln und lehnte sich in den weichen Sessel zurück. „Rolf ist vierundzwanzig und Magelone zwanzig Jahre alt." „Jawohl. — Beide sind noch recht jung." „In kurzer Zeit wird Magelone ein- und Rolf fünfund zwanzig." „Das pflegt so zu sein im Leben. — Weiter." „Wir müssen daran denken, sie zu verheiraten und reich zu verheiraten; ich habe für beide gute, standesgemäße Partien im Auge." „Helene." Herr von Velten schüttelte mißmutig den Kopf. „Gras Bornfelds Tochter, Dina, ist aus Gens zurückgekehrt; sie ist hübsch und elegant und bekommt eine Mitgift — hörst Du — eine Mitgift von bar einhundertundachtztgtausend Mark — Erbteil ihrer verstorbenen Mutter, später, wenn der Graf stirbt, fällt ihr mindestens noch einmal so viel zu." Karl Friedrich von Velten stand am Fenster — sein Blick glitt über den Hof und weiter über die Felder und den Wald, der sich an dieselben schloß — er seufzte tief und schwieg. „Nun, wäre das nicht eine brillante Partie für Rolf?" fuhr seine Gattin fort. Er seufzte wieder und legte die Hand über Stirn und Augen. „Wenn er sie lieben könnte — warum nicht!" „Wenn er sie lieben könnte! Warum soll er sie nicht lieben können? Sie ist jung und hübsch." „Armer Mann, der an seinem Weibe nichts weiter liebt als Jugend und Schönheit, diese beiden rasch vergänglichen Güter," sagte Friedrich Karl nicht ohne Bitterkeit. „Nun, höre weiter! Herr von Krümmel hat sein Gut über nommen, er ist freilich weder hübsch noch elegant, aber er ist gut mütig und sehr wohlhabend, er würde für Lona passen." Herr von Velten lachte hell auf, was seine Gattin veranlaßte, die feinen Finger gegen die Ohren zu pressen und das bleiche gepuderte Gesicht schmerzlich zu verziehen. „Nein, Lenchen," rief ihr Gatte. „Ihr Frauen seid doch un erreicht in Eurem Kombinationstaleut, wenn es sich ums Hcirats- stiften handelt. Da soll ich mir nichts dir nichts ein paar hun dert Mark zum Fenster hinauswersen, nur damit sich — möglichen Falls — mein Junge in ein hübsches Mädel und ein braver, un beholfener Junker in unsere reizende Lona verliebt; den» weiter würde dieser Plan gewiß nicht gedeihen. Magelone würde den guten Krümmel doch unter allen Umständen niemals heiraten." „Weshalb nicht? Sie ist arm!" Herr v. Velten wurde abgerufen; seine Gattin wickelte sich in ihren Umhang und nickte ein paar mal mit dem Kopf, wie jemand, der die feste Ueberzeugung hegt, doch sein Ziel zu er reichen. Und sie hatte recht; als ähnliche Zwiegespräche sich eine volle Woche lang wiederholten, hatte Frau v. Velten ihre Fest lichkeit erkämpft und Herr v. Velten fand, wonach er sich sehnte — Ruhe. Ein paar lebenslustige junge Damen dct Nachbarschaft nahmen dann, durch Magelone angeregt, die Sache in die Hand; die Offi ziere der nahen Garnison wurden mit hinzugezogen und bald befand sich die ganze Umgegend in lebhafter Erregung. Die „Helldringer Hochzeit" war das Schlagwort, daS iung und alt in Bewegung setzte. Magelone war wie umgcwandelt; die Beratungen, gegenseitige Besuche und Proben brachten sie mit einem Male mitten in einen ihr bis dahin unbekannten, geselligen Verkehr, und ihr junges, lebhaftes Naturell gab sich rückhaltlos den Ineuen, bunten Ein drücken hin. Ihre Briefe an Rolf sprudelten über von launigen Berichten über alles, was sich um sie her vollzog. Rolf hatte geschrieben, daß er zwei Tage vor dem Fest ein treffen und einen Freund, Baron Gaston von Preuß, mitbringen würde. Und an einem wunderschönen Septembernachmittag trafen denn auch beide junge Herren in Helldringen ein. Karl Friedrich v. Velten begrüßte Sohn und Gast an der Haustür in seiner herzlich ungezwungenen Weise und führte sie ins Wohnzimmer, wo Frau Helene bleich und abgespannt, aber in gewählt eleganter Toilette wie immer in einem Sessel ruhend, dem Baron die durchsichtig zarte Hand zum Kuß reichte und die Stirn ihres Sohnes, der sich liebevoll zu ihr niederbeugte, mit ihren schmalen kalten Lippen flüchtig berührte. „Ich hoffe, mein lieber Herr v. Preuß, Sie machen s sich hier bei uns sai>8 geva, so behaglich wie möglich," sagte der Haus herr, „allzu einsam dürfte es Ihnen in dieser Zeit nicht werden." „Wo ist Lona?" fragte Rolf, sich umsehend. „Ja — wo ist Lona?" lächelte der Vater, „darauf mußt Du keine bestimmte Antwort erwarten; seit Wochen, möchte ich sagen, ist sie überall und nirgends." Ein Schatten huschte über Rolfs hübsches frisches Gesicht. Als er den Freund dann aber »ach seinem im oberen Stockwerke gelegenen Zimmer führte, trafen sie an der Treppe mit der Ge suchten zusammen. Die Strahlen der scheidenden Sonne, die durch die Dachfenster auf den großen Hausboden fielen, fingen sich in Magelones lockigem Haar, daß cS goldig auflcuchtete, und warfen einen rosigen Schimmer über das reizende Gesichtchen, aus dem die herrlichen Augen, jetzt ganz dunkel erscheinend, mit einem Ausdruck halb Verlegenheit, halb Neugier, über den Fremden hinalitten. Gastvus Hand, die auf dem Arm des Freundes ruhte, zuckte; unwillkürlich hemmte er seinen Schritt. „Im Salon mit der Vorstellungszeremonic beginnend, kann ich sie auf dem Boden beendigen," scherzte Rolf. „vr. jur. — Baron v. Preuß — meine Kousine. Guten Tag, Herzensmädel," sie schüttelten sich warm die Hände, während Gaston sich mit der vollendeten Sicherheit des Kavaliers verneigte. Dann folgten ein paar hübsche Phrasen, die Herren traten zur Seite, Magelone eilte die Treppe hinab. „Ist dies reizende Kind mit dem pikanten Gesichtchen und den berückenden Augen Deine Kousine Magelone, von der Du immer so viel erzählt hast?" fragte der Baron im Fremdenzimmer, Hut und Handschuhe auf den Tisch, sich selbst ins Sofa werfend. „Ja, das ist Magelone Dhrfurt; aber sie ist kein Kind mehr, sie zählt zwanzig Jahre," antwortete Rolf kühl, ablehnend. Herr v. Preuß lachte. „Nun freilich, freilich; verzeih, daß ich meiner Bewunderung etwa« die Zügel schießen ließ. Aber Mäd- chen von zwanzig Jahren, besonders solche Miniaturausgaben, zähle ich immer noch zu den Halbkindern; mein dreißig Jahre gebe« mir ,a gewissermaßen ein Recht dazu." (Fortsetzung folgt.)