Volltext Seite (XML)
NWMMMTlizM Wochen- und Nachrichtsblatt zugleich ßesWr-IüMl für Mndors, Udlitz, Amsdorf, Mors, Kl. Wim, KeimiHrorl, Mrimw mb Mlsm. Amtsblatt füv den Stadtrat zu Wittenstein. —-— »7. Jahrgang. — Rr. 122. ü"—' Sonnabend, den 29. Mai '"rr.'",?.'?" 1897. Liefe« Blatt erscheint täglich (außer Sono- und Festtag«) abend« für de» folgenden Tag. Bterteltährltcher Bezugspreis 1 Mark 25 Pfennige. — Einzelne Nummer 10 Pfenni«. — »e-ellunge« »ehmeu außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 17S, alle Kaiser!. Postanstalten, Postbote«, sowie die AuStrLger entgegen. — Inserate werden die vieraespave» SorpuSzeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bi« spätesten« vormittag 10 Uhr. Aus Stadt und Laud. *— Lichtenstein, 28. Mai. Henie abend concertieren die hier bekannten und beliebten Brauer'- Roßweiner Sänger (sog. Muldrnthaler) iw Saale de« goldneu Helm. Wer sich einige amüsante Stun den verschaffen will, besuche diese« Covcert. *— Callnberg, 28. Mai. In der ver gangenen Nacht brachen in der Wohnung de« Weber meister« Gerber hier, Grünestraße, Diebe ein. Den selben fiel der Inhalt einer Kasette, 120 Mark in barem Gelbe, sowie derselbe eine» Sindrrportemon- naies zum Opfer. Die Diebe, deren Zahl unbe kannt und von denen bis jetzt jede Spur fehlt, gaben ihrem bösen Wille« noch dadurch Ausdruck, indem sie das Schlüsselloch der HauSthür mit Streich hölzchen verstopften. Hoffentlich gelingt ,« der Po lizei, da» freche DiebrSgesindel baldigst zu ermitteln. — Die „SSchs. Schalzeitung" bringt in Nr. 21 folgende Mitteilung und beachtenswerte Betrach tung: Dresden, Amtsgericht. Der aus Leipzig ge bürtige 15jährige Schulknabe Walther Dörfel, wegen schweren und einfachen Diebstahls bereits zu Gefäng- strafe verurteilt, die a-er auf dem Gnadenwege in einen Verweis verwandelt wurde, stand abermal- vor dem Schöffengerichte wegen Diebstahls eine« Geldbetrages von 25 Mark, auSgeführt zum Schaden einer Schankwirtin, und verwirkte eine Gefängnis strafe von 2 Monaten. Hieraus steht man recht deutlich, wohin Milde und Gnade bet jugendlichen Verbrechern führen können. Vielleicht wäre dar zweite Verbrechen von D. unterbliebe», wenn schon beim ersten Vergehen recht nachdrücklich an daS körperliche Schmerzgefühl appelliert worden wäre! — Dresden, 25. Mai. Bor dem Schwur gericht begann heute vormittag unter ungeheurem Zudrange des Publikum« die Hauptoerhandlung gegen die Mörder deS Rentiers Pfordte in Meißen. Au geklagt war als Haaptthäter der 1876 geborene Dienstknecht Breitenfeld aus Jessen und der 1878 geborene Arbeiter Schilling. Die Verhandlung konnte erst gegen Abend zu Ende geführt werden. Dem Wahrspruche der Geschworenen gemäß wurde Schil ling kostenlos freigesprochen, dahingegen Breitenfeld wegen MordeS, schweren Diebstahls und gefährlicher Körperverletzung zum Tode, sowie zu 5 Jahren Zucht haus and EhrenrechtSverlust verurteilt. — Leipzig, 26. Mai. Der „L. Z." zufolge stürzte ein i« Bau befindlicher Eiskeller derDampf- brauerei Zwenkau ein, wobei 3 Maurer, sämtlich Familienväter, sofort getötet wurden. — Am Donnerstag, den 10. Juni, findet im Restaurant „Schwanenschloß" in Zwickau die Generalversammlung des Landwirtschaftlichen Kreis- verein- im Erzgebirge statt. Am gleichen Tage ver- anstaltet der Fischerei-Verein für da- Königreich Sachsen im Garten desselben Restaurant» eine Fischerei-Ausstellung. — Die Städte Hohenstein-Ernstthal find wieder der BeretnigungSfrage näher getreten und scheint nach den stattgefundenen Sitzungen bereits ein Einvernehmen erzielt worden zu sein. Die Vereini gung soll 1898 in Kraft treten und wird der Name d er beiden Städte in H ohenstein-Ernstthal verschmolzen. — Innerhalb kurzer Zeit haben sich in GerS- dors (Bez. Zwickau) zw« Unglücksfälle ereignet, welche beweisen, wie unvorsichtig e» ist, di« Kinder längere Zeit sich selbst zu überlasten. Ein 10jähriger Knabe belustigte sich mit mehreren AlterSgenoffen damit, daß er eine Flasche mit ungelöschtem Salk und Wasser füllte. Al« er sich über dieselbe beugte, zersprang die Flasche, sodaß die Splitter ihn im Gesicht erheblich verletzten. Er maßte sofort «ach Eheurnitz gebracht werde«, woselbst durch den Arzt festgestellt wurde, daß jedenfalls ein Aage verloren fei. — Daun spielte eia 2jährige« Kind ohne Auf ficht aaf der belebte« Dorfstraße, al- es von de« Pferde eine» vorüberfahreodeo Sohleugeschirre« auf den Brustkaste« getreten wurde, sodaß der Tod sofort eintrat. — Für da« zweite Sächsische KreiSturnfest, das am 18. Juli in Plauen begiaut, sind bereits gegen 5000 Turner angemeldet. Auch die Turner au- Oesterreich werden eiugeladen und jedenfalls in großer Zahl erscheinen. — I« der zweiten Abteilung der Grube „Him melsfürst" in Brand bei Fretberg ist eine Stufe gediegenes Silber im Gewicht von 180 Pfund ge funden worden. — Bad Elster, 26. Mai. Ihre Durchlaucht Prinzessin Elisabeth von Schönburg Waldenburg ist hier mit Gefolge ,um Surgebrauche eingetroffen und hat im „Wettiner Hofe" Wohnung genommen. Deutsches Reich. 8 Berlin, 26. Mai. Im Prozeß Tausch wurde die beantragte Vernehmung deS Ministers v. d. Recke abgelrhat. Di, Geschworenen verweigern die Annahme eine- an sie gerichteten Schreibens, das uneröffnet der Post zurückgestellt wurde, v. Tausch besragt, warum Leckert in dem Prozeß bei den fal schen Anschuldigungen Lützow» gegen Kuklltsch ge schwiegen, erklärte, er habe wegen der Fälschung keine Strafverfolgung Lützow« eingeleitet in de« Gefühl, daß eS dem StaatLintereste nicht entspreche, wenn in öffentlicher Verhandlung ein Kampf zweier Mimst« in Erscheinung trete. Er habe de-halb auch bei dem Verhör de» Kakutsch geschwiegen, weil er nicht direkt befragt wurde. Der Oberstaatsanwalt hebt hervor, de, Zeugeneid verpflichte auch, nichts zu verschweigen. Tausch bittet, in Betracht zu ziehe«, daß er nicht wie ein andere, Zeuge dageftanden, sonder« al» Beamter mit bestimmten Aufträge«. Wäre Kakutsch verhaftet worden, so wäre « sofort vorgetreteo, ihn zu entlasten. (Bewegung.) § Müschen, 25. Mai. Prinz Ludwig von Bayern nahm auch an der 33. Wanderversammlung bayerischer Landwirte Teil. Auf die Begrüßung durch den Direktor Anzenhofer gelegentlich eine« AaSflug« nach Friedenfels antwortete der Prinz: „Meinen Gefühlen auf die Rede de» Herrn Direk tor« kann ich wohl keinen besseren Ausdruck geben al« mit den Worten König Ludwig» II., die ich ja schon einmal gebraucht habe: „Ich fühle Mich Eins mit Meinem Volk". Durch die Opfer, die Dynastie und Volk sei Jahrhunderten brachte, ist der beste Beweis de, Zusammengehörigkeit «bracht. Schein bar besteht jetzt «in Widerstreit zwischen den In teressen der Industrie und Landwirtschaft. Wenn ein solcher thatsächlich bestände, würde er jedem Stande schade», und da- sollte mich nicht daran hindern, die- zu betonen. Industrie, Groß- und Kleinbesitz sollen nicht gegen einander streiten, dieses würde zum Nachteil Aller ausfallen; aber nicht eine Vertretung der einzelnen Interessen beklage ich, wohl aber eine feiudliche Bekämpfung der einzelnen Stände. Mein Wunsch geht dahin, daß alle Stände zusam menhalten uud jeder sich ein menschenwürdige» Da sein schaffe. Daß Industrie und Landwirtschaft recht gut Hand in Hand gehen können, beweist gerade die Lage in Friedenfels. Die Industrie macht eS mög lich, daß Kinder einer Familie, die sonst die heimat liche Scholle verlaffen müßten, lohnenden Verdienst finden, während die Anderen, die auf dem elterlichen Gut wirtschaften, ebenfalls besser daran sind al- früher, und so bleiben die Familien erhalten und man ist nicht zum AuSwauderu gezwungen. Die verschiedenen Stände sollen sich nicht als Gegner, sondern al- Glieder eine« Volke» betrachten. Ich trinke nicht auf da» Wohl eines einzelnen Stande«, soudern auf da» Wohlergehen gavz Bayerns. Bayern hoch!" 8 Eberswalde, 26. Mai. I» Dorfe Paarsteio ist am Sonnabend der im^Neubau be- griffeue Kirchtur« eingestürzt. Der Bau, welcher iw Anschluß an die bi-h« turmlose Kirche aus einem besondere« Fundamevt enichtet wurde, bestaub io feinem untere» Teile auS 1,16 Met« starken Wän den, die auS Felssteinen hergestellt wäre«. Darüber erhob sich in 5 Meter Quadrat eine Fortsetzung in Ziegelsteinen, zu der bi» Sonnabend 40 Tausend Steine schon verwauert waren. Am Sonnabend nachmittag 4 Uhr bemerkte der aufsichtführende Po lier, daß der Turm unten am Fundament eine Be wegung nach außen machte. Er ließ sofort die Ar beit etnstellen und schickte die Leute nach Haase. Saum hatten die Arbeiter sich' von dem Platze ent fernt — nur eine Frau war trotz aller Warnung zurück geblieben —, da gaben die untersten Wände «ach, und der Turm stürzte mit dumpfem Krachen in sich zusammen. Die Frau kam mit dem Schreck davon, ober der Korb, den sie am Arme trug, wurde von den falleuden Steinen ihr entrissen. Jetzt ist die Stelle, an welcher sich der Turm erhob, nicht» al» ein riesiger Trümmerhaufen. Der Bau wurde auf Kosten der Regierung und unter Leitung deS KreiS- bauinsp-ktorS Mundt in Angermünde auSgeführt. Die Untersuchung ist eingeleitet. 8 Lübeck, 26. Mai. In dem nahen Ratze burg sind infolge Einatmen» von giftigen Brunnen- gasen vier Menschen verunglückt. Der Unfall er eignete sich, als man beschäftigt war, daS Bronnen gerüst auf der Wafferstatiou der neuen Bahn Oldes loe—Ratzeburg—Hagenow, die am 1. Juli eröffnet werden soll, herauSzunehmen. Bon den Verun glückten sind der Vorarbeiter und sein Gehilfe au» Magdeburg tot, die anderen beiden sind lebensge fährlich verletzt. Dieselben sollen dem Krankenhaus« in Lübeck zugeführt werden. 8 Eisenach, 26. Mai. Im Werrathal bei Hörschel richtete »io Wolkenbruch große Verwü stungen an. 8 Da» Schiedsgericht in der lippische» Thron solgefrage tritt bekanutlich am 21. Juni in Dresden zu einer Sitzung zusammen, zu der die Bevollmäch tigten der Parteien geladen werden. E» geschieht dies in Gemäßheit de« Artikels und de» SchiedS- vertragS, nach dem den Parteien vor der Fällung der Endentscheidung Gelegenheit zu gebe« ist, ihre Ansprüche vor dem Schiedsgericht in widersprechen der mündlicher Verhandlung zu begründen. Ob hiernach der Schiedsspruch gleich in derselben Sitzung gefällt oder hierzu ein weiterer Termin anberaumt wird, ist noch ungewiß. Da« Urteil mit Begrün dung wird jeder der drei Parteien in schriftlicher Ausfertigung zugestellt und erst bei der Zustellung wirksam. Jedenfalls ist nunmehr, so wird auS Det mold geschrieben, die Entscheidung nahegerückt, wa» gewiß allseitig mit Befriedigung begrüßt wird, den» wenn man sich auch unter den derzeitigen Verhält nissen durchaus wohl fühlt, so sind endgiltige Zu stände immer provisorischen vorzuzieheu. Ausland. ** In Bern sieht man «inen alten großen Herrn, gebeugt, in abgetragenen Slridern etuher- gehen. Der greise Mann ist froh, wenn er ab und zu einen bessern Filzhnt, eine neue, nettere Kleidung bekommt oder eine Einladung zu einem Schöppleia guten Weines erhält. Der Manu bekleidet i« Ver waltungsgebäude d« Jura-Simplon-Bahn irgend eine kleine, wenn'S gut geht, mit 100 Franks im Monat bezahlte Schrrtberstelle. Er kann auS der Einnahme augenscheinlich nicht leben. Die also ge schilderten alten Tage de» Greise- können keine» fühlenden Schweizer gleich sein, denn d« Greis, Konstant Fornerod von AreucheS, war in den Jahren 1857, 1863 und 1869 schweizerischer Bundespräsident. Heute geht die Menge an ihm achtlos vorüber. Welche Gedanken müssen den arme«, geistig »och ganz rüstigen Herrn erfüllen, wenn er, in der VundeSstadt selbst wohnend, sich vergegen wärtigt, daß er einst hier, begrüßt und geehrt von jedermann, die höchste Ehrenftelle der schweizerischen Republik bekleidet and jetzt nicht «ehr hat, wa» zu de» LebevS Notdurft gehört!