Der 2. Satz, ein nächtlich düsterer Heldengedächtnis- Marsch, ist in großem symphonischem Atem als Chaconne durchgeführt. Das 2 mal in eigentümlicher Beleuchtung vor getragene Thema wird mehrfach in den Bässen angespielt und zieht dann in absteigender Form zuerst in Moll, dann in Dur durch die Instrumente. Drei Trompeten errichten ein schaurig schönes Heldenbild von majestätischer Größe. Ein Anhang verklingt mit echoartiger Motivbeantwortung. — In dem trio artigen Mittelsatz leuchten zwei erbauende Melodien auf. In kämpferischer Überleitung geht es zum Wiederholungsteil, der in freierDurchführung verläuft. Nach einem dramatischenHöhe- punkt werden die Fanfarenstelle und das klagende Hauptmotiv in mannigfachem Instrumentationswechsel weiter ausgeführt. Der 3. Satz bringt einen schweren deutschen Tanz, eben falls in Chaconne-Form. In gegensätzlichen Veränderungen mzieht das Thema vorüber und erstrahlt in der abschließendes •). im barocken Freudenglanz von drei Trompeten. Das ent zückende Trio wirkt wie das Zwiegespräch zweier Liebenden. Der Meister ergeht sich hier in kammermusikalischen Spiele reien mit einfachem, doppeltem Kontrapunkt und Umkehrung. Das Schlußrondo bringt den bei Draeseke nie fehlenden heiteren Satz, das Scherzo. Unter Triangel-Schlägen führt die Klarinette das Thema ein, Flöte und zupfende Geigen wieder holen es. Dem gemütvollen, breiten Gesang des 2. Themas folgt der Hauptsatz. Sein abgetrenntes Schwänzchen wird zum Thema einer köstlichen Fuge, bei der im Konzertsaal wieder gelacht wird. In dem weiteren Wechselspiel der Themen humpelt das 1. in trunkener Veränderung einher. In einer symphonisch ausholenden Coda erstrahlt es dann zweimal in schwungvoller Verbreiterung als Freudenhymnus. „Christus“-Mysterium op. 70—73 (1864). 1895—1899 Auch auf dem Gebiete des Oratoriums hat Draeseke Ent scheidendes geleistet. Seine Trilogie „Christus“ steht in dieser Gattung einzig da. Seine beiden Urbegabungen, die drama tische und die religiöse, vereinigen sich hier in herrlicher Ergänzung. Das seit Händel meist in erstarrten Formen dahin siechende Oratorium fand Anschluß an das Musikdrama. Alle mit ihm in Übung gekommenen Kunstmittel verbinden sich mit polyphon gesteigerten Chören. Was der fast auf den Tag 250 Jahre vor Draeseke geborene Schütz in seinen nordisch- •Talistischen „Historien“ zum erstenmal versucht, findet hier zeitgemäße Erfüllung. In besonderer Form nimmt Draeseke auf deren musikalische Errungenschaften der christlichen Bekenntnisse (Choral, Gemeindelied) Bezug und hebt dadurch sein Riesenwerk über die Grenzen der Bekenntnisse hinweg ins Überkonfessionelle, allgemein Menschliche. Das erkannte sogleich Cyrill Kistler, der ausrief: „Kiel hat einen protestan tischen, Liszt einen katholischen, Rubinstein einen jüdischen Christus geschrieben. Den Christus der Menschheit haben Sie geschaffen, und das ist Ihr ungeheures Verdienst!“ Die Trilogie wurde 1864 entworfen, ausgeführt in den ersten Jahren seiner glücklichen, späten Ehe, die unter dem Zeichen einer unheim lichen Lebenssteigerung und Schaffensverdichtung stand. Sie behandelt das gesamte Leben Jesu und beginnt mit einem Ora- tonen-Vorspiel. Die Geburt des Heim An seinem Anfang steht die gewaltige Portal-Fuge in h-moll, „Finsternis umhüllet das Erdreich“, die mehrfach unterbrochen wird. Ein lebhaft bittendes Chorfugato „Komm, du Trost" wird von der Melodie „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ als Posaunen-Cantus-firmus durchzogen. Die letzte Durchführung „Wann kommt“ schließt fragend auf der Dominante Fis. — Von einer Trompete angekündigt, er scheint der Engel Gabriel und verkündigt den Hirten unter Klängen des 1. Christus-Motives die Geburt des Herrn, zu der die Engel den dithyrambischen C-dur-Chor „Ehre sei Gott" anstimmen. Einer kurzen Pastorale folgt der wundervolle Männerchor „Sei gegrüßt", diesem das schlichte Danklied der Maria. In den Flageolettönen der Geigen leuchtet der Stern auf. Die Heiligen Drei Könige kommen und bringen ihre Huldigungen dar. — Im Tempel von Jerusalem singen die Versammelten den Psalm „Wie lieblich sind deine Woh nungen", der einen Vergleich mit der Brahmsschen Vertonung spielend aushält. Bei der Begrüßung des Jesusknäbleins durch den alten Simeon erstrahlt zu den Prophezeiungsworten „Ein Licht, zu erleuchten“ in der Trompete das 2. Christus-Motiv. Die Stimmung der herben Verheißung „Es wird ein Schwert durch seine Seele gehen" klingt in dem aufgeregten c-moll- Chor „Die Hoffärtigen" nach, der im Es-dur-Teil ins Zuver sichtliche umschlägt. — Zum Schluß erscheint der Engel Gabriel erneut und warnt Joseph und Maria. Von Harfentönen sanft übergossen, singen die Engel den volkstümlichen Chor „Der Herr hat seinen Engeln befohlen", der mit einem sanften „Auf Erde Frieden" ausklingt. Es folgt das 1. Oratorium: Christi Weihe Auf Pfitzners „Palestrina" hinweisend, beginnt es mit einem Vorspiel über das gregorianische Johannesthema, das dreimal unterbrochen wird von dem Ruf des Täufers „Tut Buße!" Volk und Priester nahen („Wer bist du"). Von dem am Ende verkehrten Christus-Motiv begleitet, antwortet Johannes auf ihr stürmisches Befragen: „Ich bin nicht Christus." In scharfer Rede wendet sich der Bußprediger gegen das „Ottergezücht" der Pharisäer. Der Volkschor „Kommt, wir wollen") schließt diesen Teil mit einem Loblied auf Gott ab. — Von dem 2. Christus-Motiv eingeführt, tritt Jesus zu Johannes, um sich taufen zu lassen. Ein eigenartig beleuchteter Chor: „Wir sehen seine Herrlichkeit“ wird mit einem Kanon über das 1. Christus-Motiv weitergeführt. In fesselnder Klang pracht tut sich „der Himmel auf". Aus der Höhe erschallt eine Stimme: „Sieh, dies ist mein lieber Sohn.“ In kraftvollem Gegensatz dazu steht die Schilderung der Machtverleihung an Christus. Sie wird eingeleitet von feier lichen Palestrina-Akkorden und einem wuchtigen Hinweis auf den Allvater. Bevor Jesus die Herrschaft übernimmt, hat er Prüfungen zu bestehen. Er wird vom „Geist in die Wüste geführt“. — Die folgende große Versuchungsszene stellt den dramatischen Höhepunkt des Christus-Oratoriums dar. In einem aufgeregten f-moll-Vorspiel über das rhythmisch scharfe Satansmotiv erscheinen die bösen Geister und singen ihr wildes Lied auf den ausgestoßenen Fürsten der Finsternis. Ihr Hin weis auf die eigene Klugheit wird von einem schmeichlerisch gleißenden 9/8-Motiv begleitet. Von ihm bestärkt, versucht der Satan den Fastenden unter ironischer Wendung des Christus- Motives („Daß diese Steine Brot werden"). Jesus weist ihn männlich zurück und wiederholt dies, sobald er ihm die Reiche der Welt in verführerischem Glanz zeigt. Nach diesem Sieg singt der Engelschor den schwungvollen 100. Psalm. In den Männerstimmen beginnend, krönt diesen Teil der volks tümliche Schlußchor: „Machet die Tore weit!" Tod und Sieg des Herrn Nachdem das 2. Oratorium das Wirken des Propheten Christus behandelt hat, beginnt das 3. mit der Schilderung seiner letzten Tage. Feierliche Klänge leiten die Abendmahls szene ein. Der Heiland befiehlt das Abendmahl vorzubereiten.