in ein „Heil“ auf den Führer ausklingt, erschließt dem Männer chor das Zeitalter der Polyphonie. Die Fis-moll-Messe (1890/91), die Kretzschmar in der Thomaskirche aus der Taufe hebt, bestätigt seinen Ruf als führender Kirchenmusiker. Den bis dahin größten Erfolg seines Lebens hat er bei der Dresdner Uraufführung seiner „Herrat“. Jüdische Intrige verkehrt ihn in das Gegenteil. Damals rief Draeseke aus: „Im Anti semitismus liegt unser einziges Heil!“ Der Schwerenttäuschte vereinsamt mehr und mehr. Bevor er aber gänzlich „vertrocknet und versumpft“, tut er den natürlichsten Schritt zur Selbsterhaltung: Im Mai 1894 heiratet er eine ehemalige Lieblingsschülerin, Frida Neuhaus. Die damit eintretende Lebenssteigerung führt zu erneuter Schaffenssteigerung. Dem glücklichen Abschluß seiner besten Oper „Bertran de Born“ folgt der heitere Einakter „Fischer und Kalif", diesem das cis-moll-Quartett, das Stelzner-Quin tett, die Jubelouvertüre. Eine wahre Flut von Schülern bricht herein. Desungeachtet liegt im Frühjahr 1899 abgeschlossen die Oratorien-Trilogie „Christus" vor, mit der das neue Jahrhundert begrüßt wird. Und während sein zwei bändiges Kontrapunktwerk „Der gebundene Stil" 1901/1902 weite Verbreitung findet, erreicht er in seiner letzten Oper „Merlin“ 1903/1904 sein späteres Ideal des frei gestalteten lyrischen Dramas. Seinen vielerorts gefeierten 70. Geburtstag beschattet das Gewölk, das sich am deutschen Musikhimmel zusammenballt. Der neudeutsche Haudegen zieht noch einmal und schleudert samt einer Serie von Aufklärungsschriften den Mahnruf „Die Confusion in der Musik“ gegen die beginnende Zersetzung. Mit dem Erfolg, daß Petri auf der herausfordernden Dresdner Tonkünstlerversammlung 1907 sich weigert, das Quintett von Schönberg zu spielen. Die kulturpolitischen Richtlinien für die folgenden Kämpfe auf musikalischem Gebiet sind damit ausgegeben. Bayreuth dankt zuallererst und sieht in ihm den Testamentsvollstrecker Wagners. Fern allem Getriebe besteigt der Altmeister die höchste Höhe seiner Kunst und schreibt A-cappella-Werke, in denen er über die Jahrhunderte hin weg Heinrich Schütz die Hand reicht. Mitteldeutsche Kantoren treten nun für ihn ein. Nikisch wirkt bahnbrechend für die „Tragische“, Edwin Fischer für die Klaviersonate. Die Ent scheidung für ihn fällt im Frühjahr 1912 in Berlin, durch Bruno Kittels Gesamtaufführung des „Christus", die in Dresden wiederholt wird und ihm augenblicklich den Ehren doktor der Berliner Universität bringt. Man feiert ihn dabei als „Führer in der deutschen Tonkunst nach J ohannes Brahms“. Nachdem sein Leben von Moll nach Dur gegangen, erhält sein Gesamtschaffen den Scherzo-Schluß: die „Symphonia comica", die der humorvolle Süddeutsche im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte mit 77 J ahren schreibt. Er erlebt ihre Urauf führung ebensowenig wie die des „Merlin" in Gotha. Am 26. Februar 1913 legt er die Waffen nieder. Eines seiner letzten Worte war: „Meine Zeit wird schon noch kommen." EINFÜHRUNG IN DIE WERKE von Dr. Erich Roeder, Berlin A-cappella-Messe a-moll op. 85 (1908) Als Sprößling zweier bekannter Theologengeschlechter war Draeseke in ungewöhnlichem Maße für geistliche Musik begabt. Er hat jahrelang gearbeitet, bis seine Kunstfertigkeit dieser Begabung entsprach. So wurde er aber der „souveräne" Kontrapunktiker seiner Zeit und auch ihr unumstritten größter (Fortsetzung siehe Seite 14) Schlußtakte der „Symphonia tragica" Ein Brief des Meisters an Hans v. Bülow aus dem Jahre 1888