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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 30.03.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-190103302
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19010330
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19010330
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-03
- Tag 1901-03-30
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Monat
1901-03
-
Jahr
1901
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zwischen Anmeldung und Ausführung «inet telephonischen Gespräch» rrsp. einer telegraphischen Nachricht in Betracht. Man braucht nicht zu warten, bi« ein früher angrmeldete» Gespräch abgewickrlt ist, man wird sofort verbunden, wenn man sein Gespräch ange> meldet hat, da ja 5, 10, kurz jede beliebige Anzahl von Ge sprächen in Zukunst gleichzeitig erledigt werden können. Endlich werden di« einzelnen Zuleitungen durch eine finnreiche Vorrichtung aus Verlangen gleichzeitig mit Fernleitungen in der gewünschten Anzahl verbunden werden, sodaß man eine Mitteilung gleichzeitig nach den verschiedensten Stationen gelangen lasten kann. In den Kreisen der ReichStelegraphenoerwaltung hofft man, daß alle diese Neuerungen in kürzester Zeit zur allgemeinen praktischen Benutzung werden gelangen können. — Al« ein Freund der Landwirtschaft im Lager der Sozialdemokratie enthüllt sich, schreibt der „Dr. Anz", der wissenschaftliche Hauptvertreter dec sozialdemokratischen Anschauung, Karl KautSky, bei Besprechung der Landwirtschaft in seiner Bro schüre ^Handelspolitik und Sozialdemokratie". Tie Leitsätze, von denen er dabei ausgeht, bilden eine beweiskräftige Rechtfertigung der in Aussicht genommenen Verstärkung dcS Zollschutzes für die deutsche Landwirtschaft. Der sozialdemokratische Nationalökonom hält eS für volkswirtschaftlich unerläßlich, einem Verfall der deut schen Landwirtschaft nach Kräften entgc-euzuwirken. Er erkennt offen die Notlage der deutschen Landwirtschaft an und spottet weidlich über den liberalen Optimismus in der Beurteilung der landwirtschaftlichen Verhältnisse und über besten ebenso sinnreiche wie bequeme Methode, die landwirtschaftlichen Verhältnisse durch Berechnung der Zahl der Champagnerflaschen zu studieren, die einzelne Großgrundbesitzer bei Dressel leeren sollen. Er erkennt ferner unumwunden an, daß diejenigen landwirtschaftlichen Be triebe, welche an den Agrarzöllen interessiert find, auch allein für die Lebensmittelversorgung des deutschen Volkes in Betracht kommen, und schätzt die Bedeutung ihrer Erhaltung für die Ge sundheit unseres VolkSkörperS und unseres Erwerbslebens so hoch, daß er nichts dagegen einzuwendc» hätte, wenn jahraus, jahrein 500 Millionen Mark zur Hebung der Landwirtschaft verwendet würden. Wenn er ferner selbst zugesteht, daß die von ihm zur Hebung der Landwirtschaft in Aussicht genommenen Maßregeln keine baldige Wirkung versprechen, und wenn er insbesondere selbst ausspricht, daß an die von ihm allein vom sozialdemokratischen Standpunkte al- erstrebenswert bezeichnete Nationalisierung des Grund und Bodens, d. h. die Beseitigung des Eigentums an Grund und Boden, auch nicht entfernt zu denken ist, so folgt auS seinen oben zitierten Leitsätzen mit Notwendigkeit, daß man zur Erhaltung der deutschen Landwirtschaft zunächst zu dem ein zigen alsbald wirkenden Mittel, der Verstärkung des Zollschutzes, greifen muß, wenn man das von ihm selbst als im Interesse unseres Volks- und Erwerbsleben- notwendig zu erreichende Ziel, die deutsche Landwirtschaft vor dem Verfall zu bewahren, that« sächlich erreichen will. So erweist sich denn in Wirklichkeit die erste volkswirtschaftliche Autorität der Sozialdemokratie als der wirksame Verteidiger der von der politischen Vertretung der So zialdemokratie so scharf bekämpften Verstärkung des Zollschutzes für die deutsche Landwirtschaft. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Das Alexander-Garde-Regiment ist am Donnerstag vom Kaiser nach der neuen Kaserne geleitet worden. Nach einem ziemlich heftigen Schneegestöber sammelte sich das Regiment auf dem Hofe der alten Kaserne. Gegen ^11 Uhr erfolgte der Ab marsch unter den Klängen des „Muß i denn, muß i denn zum Städtlein hinaus". Im Lustgarten wurde Halt gemacht und der Kaiser erwartet. Nachdem die Fahnen aus dem Schloß geholt worden waren, erschien der oberste Kriegsherr. Er ritt einen hohen Braunen, trug den Feldmarschallstab in der Hand und hatte zur Uniform des Regiments die großen GencralSabzeichen mit dem Orangeband des Schwarzen AdlerordcnS und den grauen Mantel mit Pelzkragen angelegt. Die Truppen, mit den histori schen Blechmützen, präsentierten, die Musik spielte die "National hymne, und so ritt Se. Majestät die Fronten ab. Dann setzte er sich an die Spitze des Regiments und führte es nach der neuen Kaserne. Das Publikum, das längs des Weges Aufstellung genommen hatte, brach in Hochrufen auf den Kaiser aus. Auf dem Kasernenhofe hielt Se. Majestät, nach Berliner Blättern, folgende Absprache an das Regiment: „Alexander-Grenadiere! Wie eine feste Burg ragt dieses neue schöne Regimentshaus in nächster Nahe Meines Schlaffes. Ihr seid darum gewissermaßen die Leibwache des preußischen Königs und müßt bereit sein, Tag und Nacht Euer Leben in die Schanze zu schlagen, Euer Blut zu verspritzen für Euren König! Ich bin der festen Überzeugung und dessen gewiß, daß Ihr, der Tradition und der Geschichte des Regiments entsprechend, Eure Pflicht allezeit treu erfüllen werdet, wenn jemals wieder schwere Zeilen kommen sollten, wie diejenigen, welche dieses Regiment durchgemacht hat. Wenn es aber der Stadt einfallen sollte, sich jemals wieder (wie 1848) gegen ihren Herrscher zu erheben, dann wird das Regiment mit dem Bajonett die Ungehörigkeit des Volkes gegen seinen König zurückwcisen. Tas Regiment möge sich seiner ruhmreichen Chefs und vor allem der Hehren Gestalt des hochseligen Kaisers Wilhelm des Großen erinnern, für w-lchen es dereinst auf den Schlachtfeldern sein Blut vergossen hat. Tapferkeit, Treue und unbedingter Gehorsam mögen die Tugenden sein, welche dieses Regiment auszeichncn, dann wer den seine Leistungen Meine Zufriedenheit finden!" Oberst v. Scheffer dankte und gelobte sestzuhalten an den Sprüchen: „In Treue fest" und „Mit Gott für König und Vaterland". Ein dreimaliges Hurra folgte, und zum Schluß fand ein Parademarsch statt. Hierauf machte der Kaiser einen Rundgang durch die Ka- sernenräume. Beim Frühstück übergab er dem Offizierkorps ein Bild, das die Teilnahme des Regiments an der Schlacht bei St. Privat darstellt. — Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Auf Grund von Informationen, die von einem Zustande des Schwankens in den Vorbercitungcn für den neuen Zolltarif wissen wollen, werden von mehreren konservativen Blättern Befürchtungen geäußert, nach denen sogar ein Ministerwcchsel und schwere Krisen wahr- sckeinlich wären. Eurerseits heißt cS, maßgebende Kreise gingen für den Fall der Ablehnung des Mittellandkanals im Abgeord netenhaus« mit dem Gedanken einer Neugestaltung oder Vertagung des ZolltaiifS um, andererseits wird gesagt, die an der Vorberei tung beteiligten Ressorts seien unter sich nicht einig und betrieben zum Teil Vorschläge, die mit denen des Reichskanzlers nicht ver einbar seien. Nach unserer zuverlässigen Kenntnis der Dinge kön nen wir solche Betrachtungen nur als blinde Sorgen anschcn. Die Voraussetzungen, von d«nen sie außgehen, find falsch. Der Reichskanzler denkt weder daran, die Erledigung de- für die wirt schaftlicht Zukunft de- Reiches hochwichtigen Zolltarife- von dem AuSgangc der Beratungen deS preußischen Abgeordnetenhauses über die Kanalvorlage irgendwie abhängig zu machen, noch ist er ge- neigt, in den ihm unterstellten Ressorts folgenschwere Meinungs verschiedenheiten austommen zu lassen. Die Ressorts haben denn auch in gemeinsamer Arbeit nach den Direktiven deS Reichskanz ler- dir Ausstellung der neuen Zolltarife soweit vollendet, daß der Zeitpunkt nahe beoorsteht, an dem zunächst daS preußische EtaatSministerium sein Votum abzugeben hat, und demnächst der Bunde-rat seine Beschlüsse über den Entwurf fassen wird. — Wege« der „Huuneubriefe" ist der KriegSminister von Goßler nunmehr klagend eingeschritten und hat gegen den verant wortlichen Redakteur de- „Vorwärts" wegen einer Chinanachricht Strafantrag gestellt. Die inkriminierte Mitteilung erschien am 5. Dezember v. I. und enthielt Angaben über einen Streifzug der Kolonne deS Herrn v. Kettelcr, bei dem 22 Boxer zum Tode verurteilt wurden. Uebcr die damalige Tartarennachricht deS so zialdemokratischen Zentralorgans ist also bereits eine richtig stellende Meldung de» Grafen Walversce eingetroffen. Weitere Strafanträge werden zweifellos folgen. — Die außerordentliche Generalversammlung der Preu ßischen Hypothrken-Aktien-Bank, die am Donnerstag in Berlin stattfand, beriet über einen Bericht, dem im wesentlichen daS dem Untersuchungsrichter in Sachen Sanden und Genossen vorliegende Aktenmatcrial zu Grunde lag. Dieser Bericht reicht bereits auS, um feftzustellen, daß in den drei letzten Geschäftsjahren entgegen den buchmäßigen Angaben kein Reingewinn vorhanden war, und daß alle Dividenden und Tantiemen aus dem Kapital gezahlt wurden. Amerika. — Vereinigte Staaten. Nach einer Meldung aus Manila haben die Amerikaner Aguinaldo mit seinem gesamten Stabe in der Nähe von Casiguran, 9 Meilen von Bala, gefangen genommen. Uebec die Art und Weise, wie Aguinaldo von den Amerikanern gefangen genommen wurde, wirb aus Manila berichtet: Wie man meldet, waren es Spione, die dem amerikanischen Obersten Funston halfen, Aguinalvo gefangen zu nehmen, und zwar Leute vom Stamme der Makkabeles. Sie hatten unter dem Vorgeben, Insurgenten zu sein, sich den Filippinos gegenüber erboten, ihnen Funston in die Hände zu spielen. Die List war von Erfolg beglcilet, Aguinaldo wurden gefangen genommen. Der Filippino Lopez in Boston äußerte einem Berichterstatter gegenüber, die Gefangennahme Aguinaldo- bedeute nicht daS Ende des Krieges, andere Führer würden ihn fortsetzen. Vom englisch-transvarier Kriegsschauplatz. Lord Kitchener meldet über den Kampf mit Delarey nunmehr, daß die englischen Verluste 2 Tote und 7 Verwundete, die der Buren 22 Tote und 30 Verwundete betragen hätten. Man er innert sich noch des vor wenigen Tagen übermittelten Siegesberichts der Engländer, dem zufolge die Delareysche Kolonne Hunderte von Leuten durch den Tod in der Schlacht verloren und noch mehr Gefangene gemacht worden sein sollten. Und nun nennt Kitchener nur 22 Tote und 30 Verwundete. Dem ersten amt lichen Berichte hatten also so ungeheuerliche Uebertrcibungen zu Grunde gelegen, daß man nach diesem Beispiel jede Lust verliert, den englischen Kricgsdepeschen überhaupt noch irgend welchen Wert beizulegen. Die ursprüngliche Angabe, DelarcyS Abteilung sei vollständig aufgcricben, wird also durch Lord Kitchener selbst wi derlegt, und wenn der einschränkende Angaben macht, dann darf man ihm wohl glauben. Delarey ist frei und verfügt über seine Leute vollständig unabhängig, ebenso steht es mit Botha, mit Dewet und allen den übrigen Burenkommandanten. Dewet soll 35 Meilen von Standerton mit 400 Buren die Transvaalgrenze überschritten haben. Er befindet sich also in der Gegend, wo der englische General Campbell vor einigen Tagen eine so schwere Niederlage erlitt. Pferdebedarf der Engländer im Burenkriege. Das offizielle Organ der englischen Armee und Marine, die „Army and Navy- Gazette", stellt fest, daß der Pferdebcdarf sür die englische Armee in Südafrika während der Dauer des Burenkrieges die enorme Höhe von 111 232 Stück erreichte. Diese Zahl entspricht dem Friedensbestande der gesamten deutschen Armee. Die in Süd afrika selbst angekauften Pferde (rund 20 000 Stück, einschließ lich derjenigen, welche den Buren abgcnommen wurden), sind in obiger Zahl aber nicht enlhalten. London. Chamberlain erklärte im Unterhaus, BothaS hef- tiger Protest gegen Milner sei gegen dessen Ernennung als Gou verneur von Transvaal gerichtet gewesen. Diese Stimmung wurde von Bothas Leuten wahrscheinlich nicht geteilt. Die Hauptsache sei, einen ehrenhaften und dauernden Frieden zu erreichen. London. Aus Kapstadt wird gemeldet: Gestern find 11 neue Pestfälle, darunter 5 bei Europäern, festgestellt worden. 5 Erkrankte find gestorben. London. Die englische Verlustliste von Südafrika vom 27. d. M. verzeichnet: 2 Tote, 11 Verwundete, 8 Vermißte und 15 an Krankheiten Verstorbene. Die chinesischen Wirren. „Associated Preß" meldet auS Petersburg: Das rusfisch-chi« nesische Abkommen wird wahrscheinlich bald unterzeichnet werden. Die schwebenden Verhandlungen beziehen sich nur auf geringfügige Acnderungen. Durch daS Abkommen wird Rußland kein neues Gebiet gegeben, sondern nur Garantier» für seine bereits bestehen den Interessen und Rechte in der Mandschurei. Keine Macht legte Widerspruch ein, selbst Japan versuchte keine Einmischung. Die Erklärung deS japanischen Ministers deS Aeußeren, daß Ja pan notwendigerweise eine Schadloshaltung verlangen werde, machte keinen Eindruck, da sie eine bloße Drohung ist. DaS russisch-chinesische Abkommen wird die Fähigkeit Chinas, die Ent« schädigungSforverungen zu begleichen, nicht schwächen, weil es in die bestehenden kommerziellen Rechte anderer Nationen nicht ein« greift. China wird Lie Zölle in der Mandschurei nach wie vor selbst einziehcn. Eine französische Auszeichnung hat der Kommandant der s. Z. in Pekin, cingcschlossenen deutschen Scesoldatenabteilung, Ober leutnant Gras Soden, erhalten: das Ritterkreuz der französischen Ehrenlegion. London. „Daily Mail" meldet auS Petersburg: Mehrere bedeutende Gefechte seien im Süden der Mandschurei von den russischen Truppen den Chinesen geliefert worden. Der russische Oberst Abasa soll hierbei gefallen sein. Die Chinesen, welche eine Niederlage erlitten, erhielten Verstärkung. Loudon. Au- Tientsin wird berichtet: Die russische Fahne weht noch immer über dem Gebiet, welche- bekanntlich den Kon flikt zwischen England und Ruhland herbeigesührt hat. Oberst Macdonald hatte die Forderung aufgestellt, daß die Fahne herun« tecgeholt werde. Die russischen Osfizierr sprachen ihr Bedauern auS, daß sein Wunsch nicht erfüllt werden könne. Washington. Die Vertreter von 5 Großmächten begaben sich gestern zum Staatsdepartement, um mit dem Staatssekretär Hay über di« chinesische Frage zu konferieren. London. Das KriegSamt ist gestern darüber informiert wor den, daß China den Mandschurei-Vertrag «ndgiltig abgelehnt hat. Vermischtes. * Im Hafen San Juan (Spanien) kenterte ein Fischerboot. 10 Mann ertranken. * Zwei Güterzüge stießen bei der russischen Station KurSk zusammen. Dabei büßten zwei der Bahnbeamten ihr Leben ein. 22 Wagen wurden zertrümmert. * Am Mittwoch abend hat der Arbeiter Stanislaus Dlougaß in Berlin sJne Geliebte durch zwei Schüsse und am Donnerstag morgen sich selbst mit dem Rasiermesser schwer verwundet. Dlou« gaß ließ vor 7 Jahren seine Frau mit fünf Kindern im Stich und fing ein Liebesverhältnis mit einer gewißen Wilhelmine Bollmack an, bei der er seit 2'/, Jahren wohnte. In der letzten Zeit hatte der Mann durch seine Trunksucht häufig Zwist verur sacht. Am Sonntag schlug er alles kurz und klein. Die Polizei, die zu Hilfe gerufen wurde, wollte sich nicht einmischen, weil an scheinend niemand bedroht war. Die Bollmack lief schließlich da von und fand ein Unterkommen bei einer ihr befreundeten Frau Krause. Mit dieser und deren drei Kindern kehrte sie am Mitt woch abend nach Hause zurück, ohne zu wißen, daß ihr Geliebter in der Wohnung war. Kaum hatten die Frauen die Küche be treten, so stürzte Dlougaß au» der Stube und feuerte auf seine Geliebte vier Schüsse ab, von denen je einer die Stirn und den Unterleib trafen, während zwei fchlgingen. Dann entfloh er, während die Hausgenossen und Frau Krause sich seiner Geliebten annahmen. Dir schwer Verletzte wurde nach dem Krankenhause gebracht. Den Dlougaß, den man zunächst vergeblich sucht«, fanden am Donnerstag morgen Kriminalbeamte in der Wohnung blutüberströmt aus seinem Bett. Er hatte sich mit einem Rasier messer die Pulsader an der linken Hand geöffnet. Jetzt liegt er ebenfalls im Krankcnhause. * In Darmstadt ist nach 5 ^tägiger Dauer ein Kurpfuscher prozeß abgeschlossen worden, der beweist, wie gut sich Geld ver dienen läßt, wenn man aus Not und Leichtgläubigkeit spekuliert. Angeklagt waren der Rentner Schuhmacher aus Bornheim und der praktische Arzt vr. Lang aus Neualbenreuth (Oberpfalz) we gen Betrugs, und ein Apothekenbesitzer aus Sachsen wegen Bei hilfe zum Betrug. Schuhmacher, der es vorgezogen hat, sich der Verantwortung vor dem Strafrichter durch eine „Geschäftsreise" nach Amerika unter Preisgabe der Kaution von 13000 Mark zu entziehen, blickt auf eine ziemlich bewegte Vergangenheit zurück. Ursprünglich Fabrikarbeiter, erwarb er sich während seiner Militär zeit als Lazarettgehilfe die nötigen Kenntnisse, um sich nach seiner Dienstentlassung als Heilgehilfe konzessionieren lassen zu können. Da ihm aber die Ausübung eines ehrlichen Gewerbes zu wenig einträglich erschien, legte er sich alsbald auf die Kurpfuscherei und kam deshalb verschiedentlich mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt; neben einer Reihe von geringeren Strafen war eine Zuchthaus strafe von 2^/, Jahren wegen Betrugs im Rückfall, sowie seine Ausweisung aus München die Folge. Darnach legte er sich auf das Fernheilverfahren, zuerst von Dresden, dann von Wien aus. Als ihm hier der Boden zu heiß wurde, gedachte er sich im Jahre 1896 wiederum in Deutschland niederzulassen und erkor sich Darmstadt zum Sitz seiner „Heilanstalt", der er den verlockenden Namen „Isis" beilegte. Zum ärztlichen Mitarbeiter gewann er den praktischen Arzt vr. Lang, die geschäftliche Leitung behielt er ausschließlich sich selbst vor, die Medikamente lieferte ein Apothe ker. Es wurden Flugschriften und Inserate loSgelaffen und der leidenden Menschheit die Inanspruchnahme der „Heilanstalt JfiS" unter Zusicherung unbedingter Heilung von allen möglichen Krank heiten und Gebrechen dringend ans Herz gelegt, namentlich aber von Nervenleiden, Haut-, Geschlechts- und Frauenkrankheiten. Von der Heilanstalt existierte allerdings wenig oder garnichts, die vorhandenen Räume reichten eben zu Wohn- und Büreauzwecken aus, und medizinische Apparate gab es auch nur der Form wegen einige wenige, doch soll Schuhmacher wirklich die Absicht gehabt haben, eine Anstalt zu begründen, und mehrfach über den Ankauf paffender Grundstücke verhandelt haben. Wenigstens gab er daS seinen Mitarbeitern an, und diese scheinen es in der That ge glaubt zu haben. Einstweilen aber ließ sich die „Isis" nur auf briefliche Behandlung ein und schreckte Patienten, die um Auf nahme in die Anstalt nachsuchtcn, mit dem Vorgeben eines hör« rentcn Platzmangels infolge von Ueberfüllung ab. Mittellose Patienten wurden mit dem Versprechen der kostenlosen Behand lung geködert, mußten aber die verordneten Medikamente so teuer bezahlen, daß Schuhmacher bei der Fülle der Konsultationen «in glänzendes Geschäft macht«, während sein ärztlicher Kompagnon einstweilen bar nur 200 Mark monatlich erhielt und außerdem daS allerdings niemals eingelöste Versprechen der Beteiligung am Reingewinn mit 40 Prozent. Der Apotheker bekam für die Me dikamente nicht mehr als den Taxpreis, sodaß der Profit haupt sächlich dem „geschäftlichen Leiter" zufloß. Während ein« Mit schuld des Apothekers nach der Ansicht der Staatsanwaltschaft zweifelhaft erschien, hielt sie den vr. Lang des Betrugs für über führt und wurde darin durch zwei Sachverständige unterstützt. Diese erklärten daS Fernheiloerfahren überhaupt für Humbug und unzulässig und hielten dir verordneten Medikamente für mehr oder minder wirkungslos. Dagegen erklärte eine ganze Reihe von Sach verständigen, die mit der bayrischen Landarztpraxis, aus der vr. Lang hervorgegangcn ist, des Näheren vertraut waren, daß eS in Niederbayern selbst Amts- oder Bezirksärzte gebe, die daS Fern heilverfahren gleichfalls betrieben; im übrigen könne man dem Vv. Lang glauben, daß er seine Medikamente für heilkräftig gehalten habe, auch wenn zugegeben werden müße, daß die Schulmedizin Mittel von einer solchen Zusammensetzung und homöopathischen Verdünnung für wertlos erkläre. Die Grundsätze und Methoden der angewandten Medizin wechselten so oft und schnell, daß eine unzweifelhaft geltende Norm nicht feftzustellen sei. Der Gerichts hof sprach ebenso wie den fast völlig unbelasteten Apotheker auch den vr. Lang frei. * Wie au» Breslau gemeldet wird, ist der Bankier Schalle
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