Volltext Seite (XML)
er wohl einst das Zeug dazu gehabt hatte, den jungen Mädchen die Köpfe zu verdrehen. Sein Gesicht war wohlgebildet, der lange Vollbart, der jetzt wieder in tadelloser Schwärze glänzte, gab ihm etwas Imponierendes. Seine dunklen Augen konnten auch wohl noch heute feurig blitzen und seine Zähne waren wohlgcpflcgt und schimmerten in weißem Schmelz. Seine Stirn war noch bewölkt, als er daS Wohnzimmer betrat, wo ihn seine Gattin mit dem Frühstück erwartete. „Na, Fränzchen, wo fehlt's denn wieder?" fragte sie und füllte ihm die große, mit der Aufschrift: „Für den Haut Herrn" versehene Tasse auS der dampfenden Kaffeekanne. Der Gefragte ließ sich ächzend auf das Sofa fallen und schnitt eine schmerzliche Grimasse. „Der Magen!" seufzte er. „Nicht'ne Spur Appetit habe ich." Frau Jawer gestattete sich ein Lächeln. „Ihr seid wohl sehr spät vom Ball nach Hause gekommen?" bemerkte sie. „Bewahre!" gab er unwirsch zurück. „Es war kaum zwei Uhr. Das wird man doch wohl noch vertragen können. Ich bin doch kein Greis." „Freilich nicht, freilich nicht", stimmte die nachgiebige Gattin sogleich bei. „Es wird wohl so sein, wie der Arzt sagt. Dir fehlt die Beschäftigung, Franz. Du rßt gut, läßt Dir nichts abgehen und bist in Deinen besten Jahren. Du arbeitest Dich nicht aus." Herr Jawer machte eine unwillig abwehrende Gebärde. „Was soll ich denn arbeiten?" brauste er auf. „Soll ich vielleicht Holz hacken? Ich bin doch Rentier. Geh' ich nicht jeden Tag meine zwei bis drei Stunden spazieren, so langweilig mir's auch manchmal ist, bloß weil es der Arzt so verordnet hat?" Frau Jawer beugte sich zu ihrem grollenden Gatten hinüber und schlang beschwichtigend ihren Arm um seine Schulter. „Rege Dich nur nicht auf, Fränzchen!" begütete sie. „Das bekommt Dir nicht. Klopf' Dir noch ein Ei auf! Sic sind ganz weich, wie Du sie liebst. . . . Meinst Du nicht, es wäre besser gewesen, Du hättest das Geschäft noch eine Weile weiter geführt? Wenigstens hast Du Dich damals, als Du noch thätig warft, viel wohler gefühlt." Herr Jawer zuckte mit den Achseln, während er dem Zureden seiner Gattin folgte und eines der vor ihm in einer Schüssel liegenden Eier auslöffclte. „Es ging doch nicht", sagte er dabei. „Aus Rücksicht auf Helmuth konnte ich nicht gut anders. Als Maurermeister war man doch sozusagen ein einfacher Handwerker und daS paßt doch nicht, wenn man einen Sohn hat, der Offizier ist. Und wir haben's ja auch nicht mehr nötig." Das Gespräch wurde durch das abermalige Lärmen der Flur klingel unterbrochen. Herr Jawer horchte auf. Elastische Schritte ertönten aus dem Flur und dazu Sübclgcrasscl. Wunderbar, wie sich sogleich das Gesicht des Griesgrämigen erhellte! Seine Stirn cntwölkte sich und seine Augen leuchteten auf. Die Thür wurde von außen kräftig aufgcrissen und ein junger Jnfantcrieleutnant trat lebhaft ins Zimmer, „'n Morgen, Papa!" begrüßte er seine Eltern, „'n Morgen, Mama!" Er küßte der Letzteren die Hand; mit einem Gemisch von Stolz und Beschämung ließ sie es sich gefallen. Mit seinem Vater tauschte der junge Offizier einen kräftigen Händedruck. „Na, Papa, der Kafinoball gut bekommen?" Der Rentner machte eine Handbewegung, als wenn er sagen nommen. Sodann vertagt das Haus die Weiterberatung auf Dienstag. Oertliches und Sächsisches. Frankenberg, 18. Februar 1901. -f Auch der gestrige Sonntag brachte durch zahlreiche Schlit- tcnpartieu reges Leben in unsere Stadt; war doch der Schlit tenverkehr hier ein derartiger, daß die Stallräumlichkeiten der hie sigen Gasthöfe zur Unterbringung der Pferde nicht ausreichten, sodaß Privatställe in Anspruch genommen werden mußten. Im großen Publikum hat man jedoch allgemach genug von den Win terfreuden und sehnt sich nach dem Lenz, dem Bringer milder sonniger Witterung. -j- Größere Pakete für unsere Chiuakämpfer können mit dem vom Reichsmarineamt gemieteten Dampfer „Andalusia" be fördert werden. Die Pakete an jeden Offizier und oberen Be amten dürfen bis zu 50 Kilogramm, an jeden Unteroffizier, Ge meinen und Unterbeamten bis zu 80 Kilogramm wiegen. Sie müssen bis spätestens 3. März seetüchtig verpackt, fracht- bezw. portofrei unter der Adresse des Dampfers „Andalusia" in Wil helmshaven eintreffen. Die Sendungen müssen mit deutlicher Aufschrift nach folgendem Muster versehen werden: An Dampfer „Andalusia" in Wilhelmshaven für Gefreiten Eduard Müller, 1. Ostasiatisches Infanterie-Regiment, 5. Kompanie. Die Post paketadressen bezw. Frachtbriefe sind mit gleicher Adresse und einer Angabe des Inhalts der Sendung auSzustatten. Die Beförderung der Pakete von Wilhelmshaven aus erfolgt gebührenfrei. -f Ein Gesetzentwurf behufs Einführung der sogenannten „lotter dvxv8", verschließbaren Abholungsfächern für Post sachen, ist jetzt dem Bundesrate zugcgangen. Danach soll in das Gesetz über das Posttaxwcsen folgende Bestimmung ausgenommen werden: Gebühren für Postscheine über die Einlieferung von Sendungen zur Post und Packkammergeld sind nicht zu erheben, ebensowenig Gefachgebühren für abzuholende Briefe und sonstige Gegenstände, sofern nicht die Postverwaltung dem Empfänger auf scineu Antrag ein ihm unmittelbar zugängliches, verschließbares Abholerfach überläßt. Die Bedingungen für die Ueberlassung solcher Fächer werden durch die Postordnung festgesetzt. — Die Einrichtung von Isttor doxs8 ist in Bremen und Mannheim bereits bekannt und erfreut sich bei dem Handelsstande dieser Städte großer Beliebtheit. In neuerer Zeit haben die Handelskammern in großer Zahl die Einführung der lottor boxos als für den Handelsstand dringend erforderlich und von erheblichem Nutzen befürwortet. Die Gebühr, welche die Postverwaltung erheben will, soll zunächst auf jährlich 12 M. für ein Fach von gewöhnlicher Größe, und auf 18 Mark für größere Fächer fistgesetzl weiden. Die verschließbaren Abholungsfächer sollen dem Publikum außer während der gewöhnlichen Schalterdienststunden auch zu anderen Zeiten zugänglich gemacht werden. -j- Niederwiesa. Einen jähen Tod fand der Arbeiter Schubert aus Oberwiesa, während er einen Transport Fässer begleitete. Der Lastschlitten zerbrach, sodaß ein Faß herabstürzte, welches Schubert so unglücklich traf, daß er sofort eine Leiche war. — König Albert verbringt den größeren Teil des Tages außer Bett und nimmt die Mahlzeiten mit regerem Appetit ein. Die lokalen Erscheinungen erfordern noch weiterhin eine gewisse Schonung und Ruhe. In dem Befinden der Königin ist zwar in den letzten Tagen weitere Besserung eingetreten, jedoch fühlt sich die hohe Frau noch sehr angegriffen und bringt nur einige Stunden des TageS außer Bett zu. — Ein grausiger Vorfall hat sich in der Nacht zum Sonn abend gegen */,1 Uhr in Mittweida zugelragen, indem sich die Frau eines auf der Schillingstraße wohnenden Eisenbahnbeamten mit samt ihrem Kinde aus der zweiten Etage auf die Straße herabstürztc. Die Frau erlitt einen Bruch deS linken Oberschenkels, sowie einen Bruch des Unterkiefers und eine Gehirnerschütterung, während der 4jährige Knabe einen Bruch des rechten Oberschenkels davongetragen hat und infolge schwerer Gehirnerschütterung völlig bewußtlos ist. Die Mutter dürfte mit dem Leben davonkommen, dagegen erscheint das Leben des KindcS ernstlich gefährdet. — Tödlich verunglückt ist am Freitag nachmittag beim Bahn bau in Markersdorf bei Burgstädt ein Bahnbauarbeiter durch einen von »hm gelegten Sprengschuß. — Dem Untcrstützungsverein für Kaufleute zu Chemnitz sind von einer ungenannt sein wollenden Dame zum bleibenden Ge dächtnis an ihren verstorbenen Mann 5000 Mark für die Witwen- und Waisenkaffe überwiesen worden. — Eine originelle Schlittenpartie unternahm am Sonnabend der Turnverein von Lengefeld nach Eppendorf. Auf kleinen Ruschelschlitten, welche aneinander gekettet waren, fuhr die fröh liche Turnerschar ahends Uhr ab. Je zwei kräftige Pferde zogen in zwei langen Reihen die Ausflügler hinter sich her. — Die Arbeiten der Pioniere, daS aufgestaute Muldcncis bei Grimma zu sprengen, erwiesen sich infolge der ausgetretenen strengen Kälte als aussichtslos und find daher zunächst eingestellt : Pre> miede- 10 T. I., und ms, B. rd immer^ über daS so darf re Hand- n genau >TabakS- me dank mit un- Dienstag, i-e« Lt» Aebrnar 60. Jahrgang ffrschetal täglich mit Ausnahme der Sonn-und Fefttaae abend« für d„ M monatlich 50 Einzelnummer 5 Ps. Bestellungen werden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Aus gabestellen, sowie allen Postanstalten angenommen. -aserat-HeSühre«, Die ö-gesp. P-lnzrtt« oder deren Naum 15, bei Lokal-Jnierale» 12Ps.; im amtlich« Teil pro Zeile 4vPs.; „Eingesandt" ini No» daltionStrile 30 Pf. Bei schwierigem und tabellarischem Satz Aufschlag nach Tarq. Kür .Nachweis und Osserten-Annahm« 25 Ps. «rttagebichr. Amtsblatt der Königlichen AmLshauptmannschafLM des Königlichen Amtsgerichts und des Stadlrats zu Frankenberg.. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Norberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von C. G. Roßberg in Frankenberg i. Sa. Grundsteuer. Nachdem die 14tägige Frist zur Einzahlung der am 1. Februar dss. JahrcS fällig gewesenen ! Grundsteuer abgelaufen ist, werden die Restanten zur sofortigen Einzahlung ihrer Reste mit ! dem Bemerken aufgefordcrt, daß wir nunmehr die Zwangsvollstreckung verfügen müssen. Frankenberg, am 16. Februar 1601. Der Stadtrath. Mettig, Bürgermeister. U. Bekanntmachung. Am heutigen Tage ist der bisherige Kontroleur beim Baupolizeiamt Chemnitz Herr Hermann Kurt Schelzel als Stadtbaumcister und Baupolizeisachverständiger für den hiesigen Stadtbezirk eidlich verpflichtet worden. Frankenberg, am 18. Februar 1901. Der Stadtrath. Mettig, Brgrmstr. M. > Nie Sparkasse Lu verzinst alle Einlagen LV« und ist jeden Werktag Vormittags von 8 bis 12 Uhr und Nachmittags von 2 bis Vr5 Uhr geöffnet. Es wird auch schriftlich expedirt. Einlagen, welche bis zum 15. des Monats bewirkt werden, werden vom 16. des Monats an verzinst, die übrigen Einlagen vom 1. des nächsten Monats an. Ebenso werden bei Rück zahlungen, die in der zweiten Hälfte des Monats erfolgen, die Zinsen bis zum 15. des Monats gewährt. Bei etwaigen Rückzahlungen ohne Kündigung findet Zinsenabzug oder Berechnung von Provision nicht statt. Nach Orten außerhalb des deutschen Reiches und Oesterreichs, soweit solche im Gebiete des Weltpostvereins liegen, geschieht der Versand unseres Tageblattes mit wöchentlichen Kreuzbandscn- düngen von uns unter Portoansatz von 2 M. — Pf. per Vierteljahr. Helle. Bom Reichstag. In der 50. Sitzung vom 10. Februar erklärt bei Fortsetzung der Debatte des Postetats Graf Oriola (nl.), nur die politischen Zeitungen und die polnische Agitation seien allein schuld an der gegenwärtig in Posen herrschenden Erregung. Fürst Radziwill (Pole) meint, die Polen-Debatte sei nicht von seiner Partei, son dern von der Gegenseite hervorgerusen. Die Uebersetzungsstellen, die der Staatssekretär eingerichtet habe, seien eine Art von Qua rantäne gegen die Pest des Gebrauchs der polnischen Mutter sprache. Wenn ein Volksstamm freiwillig auf das ihm von Gott gegebene Gut ver Muttersprache verzichte, verdiene er Verachtung. Oertel (kons.) führt auS, Fürst Radziwill signalisierte unsere Thätigkeit dahin, als entspränge sie dem Hasse gegen das fremde Volkstum. DaS könne er nicht zugeben. Aber unsere polnischen Mitbürger, die gleiche Rechte genießen, haben auch gleiche Pflichten zu erfüllen. Hier liege aber eine gewisse Agitation vor. Da- beste Zeugnis stellte eigentlich der Abg. Singer der Postverwaltung aus, da er gegen sie nichts anderes vorbringen konnte, als den hübschen Biererlaß. Redner bittet den Staatssekretär, dafür zu sorgen, daß der Presse für ihre Nachmittagszeitungen Erleichterun gen gewährt werden, daß besonders eine Regelung im Vorortver kehre eingeführt werde. Jeder, der nur einigermaßen eine Anlage zur Zufriedenheit habe, werde von der Thätigkeit deS Staatssekre tärs befriedigt sein. (Beifall.) Glebocki (Pole) »erlangt Beweise dafür, daß die Post von den Polen chikaniert «crve. Staats sekretär v. Podbielski meint, wenn die Uebersetzungsstellen nicht genügten, dann würde er nicht mehr so milde verfahren können; er müßte dann alle polnischen Adressen als nicht expedierbar zu rückweisen. Daran seien dann die Herren selber schuld; hoffent lich erkennen sie bald, daß sie auf dem Holzwege sind. Auf An regung des Abg. Stöcker erwidert der Staatssekretär, die Sonn tagsruhe solle den Beamten möglichst gesichert werden, aber ganz könne der Betrieb nicht eingestellt werden. Gleichfalls auf An regung des Abg. Stöcker führt UnterstaatSsrkretär Fritzsch aus, die Frage der Rechtschreibung auf dem Gebiete des Postwesens hänge nicht in erster Linie »on der ReichSpostoerwaltung ab. Verhand lungen hierüber seien eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen. Tiedemanu-Bomst (Rp.) hebt hervor, es handle sich um einen mutwilligen, wenn nicht frivolen Vorstoß der Polen gegen die Postverwaltung. Nach weiterer unwesentlicher Debatte, woran sich Ledebour, Glebocki und Fürst Radziwill beteiligen, wird der Titel 1 „Staatssekretär", sowie mehrere weitere Titel ange- Die Schule der Armut. Roman von Arthur Zapp. ' - (Nachdruck virboten.) I. Es war Sonntag Morgen. Herr Jawer stöhnte und ächzte wieder einmal. Er war in seinem Schlafzimmer bei der Toilette; eigentlich war er damit schon fertig, nur noch eine letzte, diskrete Verrichtung hielt ihn zurück. Er färbte nämlich seinen Bart, eine Prozedur, die er an jedem Sonntag vormittag vornahm und bei der er sich jedeSmal in seinem Schlafzimmer einriegelte. Nicht einmal seine Frau hatte dann Zutritt und wehe dem, der ihn bei dieser wichtigen Beschäftigung störte. Draußen im Flur klingelte eS. „Zum Donkliwetter, wer ist denn da schon so früh?" schrie Herr Jawer hinaus. „Ach nur ein Bettler, Papa", antwortete im Flur eine sanfte Mädchenstimmt, „ein reisender Handwerksbursche, der keine Arbeit hat." „Soll sich zum Teufel scheren!" „Aber Papa", flüsterte die sanfte Stimme durch die verschlossene Thür, „der arme Mensch! Darf ich ihm denn nicht eine Kleinig keit geben?" „Unsinn!" schrie Herr Jawer zornig. „Den Müßiggang auch noch unterstützen — daS fehlte! Soll sich Arbeit suchen, der Vagabund. Habe ich nicht auch gearbeitet?" Nach ungefähr einer halben Stunde hatte Herr Jawer daS VerjüngungSgeschäft zustande gebracht. Man hätte ihn nun kaum für einen Fünfziger gehalten. Er war ein stattlicher, nur ein wenig zu korpulenter Mann. Noch heut« sah man ihm an, daß