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Tie geehrten auswärtigen Abonnenten ersuche« wir, die Bestellungen auf das mit L. Juli deginnende 3. Quartal »ufere» Blatte» bei den zuständigen Postanstalten rechtzeitig er neuern z« wollen. Nach deutschen und österreichischen Bädern, Sommerfrischen »c. liefern wir da- Tageblatt in allabendlich 7 Uhr hier abgehenden Kreuzbandsendungen und berechnen wir dafür insgesamt 40 Pfg. für die volle Woche. IVI« LirpSiLItl«»» «Le» W r«»lLei»t»eegee V»g«L»I»tte». Htmiis-m LMnlnW ji Lin- ni MtMitst Sonntag, den 6. Juli 1SV2, Nachmittag 3 /, Uhr findet im Restaurant „Lesch", Oberwiefa, außerordentliche Generalversammlung statt. Tagesordnung: Anderweit« Beschlußfassung über den ll. Statuten-Nachtrag. Der Vorstand. Mar Strunz, Zt. Bors. Oertliches und Sächsisches. Frankenberg, 28. Juni 1V02 -j- In der Verordnung, die Landestrauer sür König Albert betreffend, heißt eS, daß die Einstellung der Musik und öffent lichen Lustbarkeiten im ganzen Lande auf die Zeit vom 20. Juni bi« zum 28. Juni beschränkt wird. Gegenüber Zweifeln, die darüber laut geworden find, ob sich diese Einstellung aus den 29. Juni selbst noch zu erstrecken hat, teilen wir mit, daß die Anordnung auf die Zeit bis mit 29. Juni gilt. -j- Einen interessanten Wettbewerb veranstaltet der Verein sür Deutsches Kunstgewerbe in Berlin, nämlich eine PreiSausschrei- d««g für auf deutschen Nähmaschinen hergestellte Kunst stickereie». ES find Preise von 50 bis 1000 M., insgesamt 4000 M. ausgesetzt. Preisrichter find: Frau Prof. Kaselowsky, Vorsteherin des LettevercinS, Geheimrat Pros. Or. Lessing, Direktor de- König!. Kunstgewerbe-Museums, Pros. E. Doepler der Jüngere und die Vorstandsmitglieder deS Vereins deutscher Nähmaschincn- Fabrikanten. An die Prämiierung schließt sich eine Ausstellung der eingereichten Arbeiten, von denen außer den preisgekrönten noch eine größere Anzahl nach Wahl erworben werden soll, im Festsaale deS Künstlerhauses zu Berlin. Die PreiSarbeiten müssen bis zum 15. Oktober an die Geschäftsstelle deS Vereins sür Deut sches Kunstgrwerbe in Berlin eingeliesert sein. Die näheren Be stimmungen find kostenfrei vom Borfitzenden des Vereins deutscher Nähmaschinen-Fabrikantcn, Direktor A. Rommel, in Durlach (Ba den) erhältlich. -f Beim Wohnungswechsel empfiehlt es sich, die neue Woh nung nicht nur dem Briefträger des Bezirks genau anzugeben, sondern auch dem Postamte rechtzeitig entsprechend kurze M tteilung zu machen, damit die Wohnungsverändcrung schon beim Verteilen der Briessendungen berücksichtigt werden kann und Verzögerungen in der Bestellung thunlichst vermieden werden. -j- Die Gerichtsferien beginnen am 15. Juli und endigen am 15. September. Während dieser Zeit werden nur in Ferien« sachrn Termine abgehalten und Entscheidungen erlassen. Ferien- sochrn find: 1. Strafsachen, 2. Arrestsachen und die rine einst weilige Versügung betreffenden Sachen, 3. Meß- und Markt sachen, 4. Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern von Wohnung-- und anderen Räumen wegen Ucbcrlassung, Benutzung und Räumung derselben, sowie wegen Zurückhaltung der vom Mieter in die Mieträume eingebrachten Sachen, 5. Wechselsachen, 6. Bausachen, wenn über Fortsetzung eines angcfangenen Baues gestritten wird. Das Gericht kann auf Antrag auch andere Sa chen, soweit sie besonderer Beschleunigung bedürfen, als Ferien sachen bezeichnen. Dir gleiche Befugnis hat vorbehältlich der Entscheidung d«S Gericht- der Vorsitzende—Zur Erledigung der ^»«-.Tfachen können oer oen Landgerichten Ferienkammcrn, bei den LberlandeSgerichten und dein Reichsgerichte Fcriensenate ge bildet werden. Auf daS Mahnverfahren, das Zwangsvollstrcck- ungSversahren und das Konkursverfahren sind die Ferien ohne Einfluß. Durch die GerichtSscrien wird der Lauf einer Frist ge hemmt; der noch übrige Teil der Frist beginnt mit dem Ende der Ferien zu lausen. Fällt der Anfang einer Frist in die Ferien, so beginnt der Laus der Frist mit dem Ende derselben. Diese Bestimmungen finden auf Notfristen und Fristen in Feriensachen keine Anwendung. Notfristen sind nur diejenigen Fristen, die in dem Gesetze als solche bezeichnet werden. Diese Ausführungen gründen sich auf § 201 deS GcrichtsoersassungSgesetzes vom 27. Januar 1877 und § 201 der Zivilprozeßordnung. Wer daher noch einen rechtskräftigen Titel vor den Ferien erlangen will, mag sich mit Einreichung der Klage beeilen, noch ist es Zeit, um den Schuldnern nicht zwei Monate unfreiwillige Frist gestatten zu müssen. Bei den Amtsgerichten von größerem Geschäftsum« fange empfiehlt eS sich, mit Einreichung der Klage die Bitte um Verhandlung der Sache noch vor den GerichtSfeiien zu verbinden. — Prinz Max von Sachsen wird nach einer Dresdner Meldung auf Wunsch König Georgs vom August ab seinen dauernden Aufenthalt am Dresdner Hof nehmen. Wie man sich in evangelischen Hofkreisen erzählt, ist Prinz Max für das aposto lische Vikariat im Königreiche Sachsen auSersehen. — Diese Mel ¬ dung beruht, wie das „Leipziger Tageblatt" aus authentischer Quelle erfährt, lediglich auf tendenziöser Erfindung. Prinz Max hat die Leiche seines Onkel- nicht mit am Bahnhof empfangen, er ist nicht mit im Leichenzug gegangen, er hat sich nicht mit unter den Geistlichen befunden, die den Kondukt an der Hoskirche erwarteten, er hat bei der Feierlichkeit nicht als Geistlicher sich beteiligt, sondern als Leidtragender in der dritten Reihe gesessen. ES ist ihm nicht einmal gestattet worden, vorgestern daS Requiem, bei dem nicht gepredigt wird, abzuhalten. Die Berufung deS Prinzen in das apostolische Vikariat ist schon deshalb ein Unding, weil der Prinz zu dieser Stellung viel zu jung ist. — Das Testament König Alberts ist am Dienstag er öffnet worden. Das gesamte Prioatvcrmögen bis zu drei Vierteln einschließlich der Schlösser geht in den Besitz der Königin Karola über. Zahlreiche letzte LiebeSspenden an die Dienerschaft und die königlichen Hofbeamten in Höhe von 500000 M. find vorgesehen. — Am Montag nachmittag wurde an der Sophienkirche in Dresden ein Postkartenhändler dabei betroffen, wie er ein auf Täuschung des Publikums berechnetes Geschäft ausübte, indem er einen Posten Karten, die noch von der Trauerfeier anläßlich deS TodeS Kaiser Wilhelms 1. herrührten, an den Mann zu bringen versuchte. In dem großen Menschengewühl« schi n daS Geschäft de» Händlers ganz gut zu blühen, bis ihm schließlich ein Polizist ein Ende machte. Der Fall zeigt übrigens auch, wie leicht sich das Publikum besonders bei Mafsenansammlungen täuschen läßt. — Von den beiden Männern, die, wie wir schon berichteten, bei einer Gasausströmung in einer Leipziger Anstalt bewußtlos aufgesunden und inS Krankenhaus gebracht worden waren, ist dort der eine, ein 56jähriger Arbeiter, gestorben. Der andere, ein 49 Jahre alter Klempner, befindet fich aus dem Wege der Besserung. — Im Leipziger Bankprozeß erhoben die Mitangeklagten Auffichtsräte am Mittwoch Vorwürfe gegen die Direktoren. Diese seien wiederholt um eine Aufstellung über die Verbindlichkeiten der Träbergesellschaft ersucht worden, hätten aber immer Ausflüchte ge habt. Uebrigens sei die Thätigkeit deS Ausfichtsrats „ungeheuer" gewesen. Die Herren bezogen aber doch hohe Tantiemen, 8000 bis 20000 M. jährlich; dafür kann man sehr viel Arbeit ver langen. Dem Hauptangeklagten, Exner, wurde vorgehalten, daß er in einem Briefe an Träber-Schmidt schrieb: „Es ist uns ge lungen, eine geradezu glänzende Bilanz aufzustellen." Er meinte, der Leiter einer Aktiengesellschaft müsse bemüht sein, der Bilanz ein „möglichst angenehmes Aussehen" zu verleihen. Was schadet es auch, wenn dadurch Leute verlockt werden, ihr Geld Schwind lern anzuvertrauen! — In der Nacht zum Montag wurde zwischen den Stationen Reuth und Schönberg der Strecke Hof—Reichenbach auf den Nacht- V-Zuq Nr. 21 mit Steinen geworfen. In dem Zuge befanden sich unter anderen Prinz Ludwig von Boyern, Herzog und Herzogin Karl Theodor von Bayern, der Herzog von Genua und Herzog Urach von Württemberg. Zwei ziemlich große Steine zertrüm merten eine Scheibe eines DurchgangSwagens am Seitengange und der eine Stein drang in das Koupee des Herzogs Urach ein, ohne dort jedoch weiteren Schaden anzurichten. — Die katholischen Eiferer, die im vorigen Sommer die pro testantische Versammlung in Zinnwald bei Teplitz sprengten, muffen ihre Ausschreitungen schwer büßen. Sie erhielten Strafen von sechs Wochen Haft bis zu drei Monaten schweren KerkerS. — Die Ehefrau des Südfruchthändlers Jäger aus Oybin bei Zittau, der in dem bekannten Mordprozcsje am 14. Mai d. I. zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, hat einen Selbstmord versuch begangen. Die Frau stürzte sich am Sonntag abend in die Neiße, wurde aber von nach Gcottau zum Tanze gehenden Mädchen noch lebend aus dem Wasser gezogen. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — DaS Kaiserpaar weilt seit Mittwoch in Kiel. Der Kaiser kam dort morgens 8 Uhr auf seiner Dacht „Hohenzollern" von Kuxhaven auS an. Gleich darauf nahm Se. Majestät Mel dungen hoher Seeoffiziere entgegen. Die Kaiserin traf, aus Plön kommend, gegen 10»/, Uhr ein und wurde von ihrem Gemahl empfangen. Beide Majestäten begaben sich an Bord der „Hohen« zollern". Di« Kieler Woche hat mit der Ankunft deS Kaisers be« gönnen. — Die Zolltariskomwission de» Reichstages be«ndigt« in ihrer gestrigen 70. Sitzung die Verhandlungen über die Garn- zöllr. ES wurden sür eine ganz« Reihe von Positionen die Zoll- sätze der Regierung, sür eine nicht minder große Anzahl von Po sitionen jedoch Anträge der Abgg. Münch-Ferber und Brömel an genommen. Am heutigen Donnerstag setzt die Kommission ihre Beratungen fort. — Im „Reichsanzeiger" ist daS Gesetz, betr. die Gewährung von Tagegeldern in Gestalt eines Pauschalquan- tums, an die Mitglieder der Kommission veröffentlicht worden. Schweiz. — Die Jubelfeier deS Germanischen Museum- zu Nürnberg hat in der Schweiz rin häßliches Nachspiel g.habt. Der Berner Universitätsprofessor Vetter hatte bei der Feier in Nürnberg in einer Rede gesagt: „Als Schweizer sind und bleiben wir Deutsche!" DaS hat die Berner Studenten augenscheinlich geärgert, denn sie führten vor dem Hause deS Professors Lärmszenen auf und schlu gen auf die Polizei, die sie zerstreuen wollte, mit Knütteln ein. Es mußten zahlreiche Verhaftungen oorgenommen werden. Rrotzbritau«1e«. — Um 10 Uhr vormittag- erschien am gestrigen Mittwoch ein ärztliches Bulletin, demzufolge der König bis 1 Uhr nachts recht unruhig gewesen war, dann aber in leichten Schlummer ver fiel. Schmerzen hat der König nicht. Ob Fieber vorhanden ist, wie es mm den Kräftezustand deS Patienten steht, ob die Auf nahme von weiterer Nahrung möglich war, alles daS verschweigt der amtliche Bericht, der deshalb auch nirgends Beruhigung, viel mehr überall die Besorgnis erweckt hat, daß der Zustand des Kö nig» nur wenig Hoffnung auf Genesung biete, da günstige Symp tome unter allen Umständen mitgeteilt worden wären. Es hängt, wie weiter verlautet, alles davon ab, ob eS gelingt, die Entzün dung der um den Blinddarm liegenden Gewebe zu beseitigen, die schon weit vorgeschritten sein soll. Die Operation am Dienstag, welche osfiziell als schlechthin erfolgreich bezeichnet wird, war dies nur insoweit, als es gelang, di« nach Durchbrechung der Blind, darmwandung entstandene Geschwürmaffe zu entfernen, «S gelang aber nicht, die Entzündungsherde in den äußeren Geweben zu be- seitigen, welche jetzt eine Bauchfellentzündung befürchten lassen. Es he ßt, die Operation sei auch insofern nicht ganz erfolgreich gewesen, als sür den König die Gefahr einer Blutvergiftung fort» besteh«. — Nach einem Prioattelegramm der „Post" erklärt ein Lon doner Blatt unter Berufung auf einen der hervorragendsten Lon don«» ltranKnhaus-Cbiruraen. die Merzte de? König» Kälten eine falsch« Diagnose gestellt, als sie Blinddarmentzündung annahmen. Als vr. TrewcS einen Einschnitt in die rechte Se te des Kran ken machte, fand er im Unterleib eine große Ansammlung fauli gen Eiters, die entfernt wurde. Die Operation wird als nicht vollendet betrachtet und cs besteht die Frage, ob vielleicht Eiter in daS Bauchfell eingedrungen ist. — Noch beunruhigender lauten weiter« Gerüchte, denen zufolge die Hcrzthätigkeit nachläßt und das Fieber rin sehr hohes ist. Schon in der ersten Nacht nach der Operation mußte dem Könige eine Nitroglycerineinspritzung unter die Haut gemacht werden, da die Herzthätigkcit sehr schwach geworden war. Der König gewann darauf wicoer das Bewußt sein und erkannte einige der an seinem Bett stehenden Personen, verfiel alsbald jedoch wieder in Schlafsucht. Die Temperaturstci- gerung erweckt die Befürchtung einer Entzündung des Bauchfells, die unabwendbar den Tod herbeiführen müßte. Ohne die An wendung stimulierender Mittel ist die Herzthätigkeit in den letzten 24 Stunden überhaupt nicht zu erhalten gewesen. — Nach einem Kopenhagener Telegramm der „Berl. L.-A." erhielt die dänische Kronprinzessin von ihrem in London weilen, den Gemahl die Nachricht, daß der Zustand deS König» Eduard als hoffnungslos gelten könne. — Von der englischen Regierung ist die Stellvertretung des Königs, wie sie sür den Fall einer längeren Dauer der Krankheit nötig werden könnte, bereits erwo gen worden. Gerhards Fra«. Erzählung von Martin Bauer. ri. gorNktzuuc-l «Noitdruck «rdoUr.I Gerhard zog seinen Schnurrbart leicht durch die Zähne und wars dann einen Blick auf seine Nachbarin, die, gerade ausgerichtet wie rin Soldat, mit sest zusammengepreßten Lippen neben ihm rinhermarschiertr. Ohne Zweifel, „das Kind" fühlte sich durch seine gelinde Zurechtweisung beleidigt. Und diese Zurechtweisung war mehr wie gelind gewesen, wahrhastig, er war nahe daran, seine bewiesene maßvolle Ruhe noch nachträglich zu bewundern. ES war ein Glück, daß in diesem Moment Helmuths stattliche Gestalt vor ihren Augen austauchtc, denn cs war sonst gar nicht unmöglich, daß di« beiden ausrührerischcn Geister nun wirklich ernstlich aufeinander losplatzten. Sofort gab Lili ihre trotzige Haltung aus und zwang sich zu einer gleichgiltigen Bemerkung gegen Gerhard, denn Helmuth, das war der Gedanke, der sie dazu antrieb, durste beileibe nicht merken, daß sie unrinS geworden. Gerhard antwortete höflich, wenn auch ohne den leichten Ton von Neckerei, den er sonst Lili gegenüber meistens anschlug, und so schien denn sür den Augenblick der Friede wieder zwischen ihnen geschlossen. Helmuth kam langsam ihnen entgegen, seine Kopsbedeckung in der Hand haltend, sein Gesicht unbekümmert den Sonnenstrahlen prei-gebend. Als cr bei ihnen angelangt war, blüb er stehen und schloß fich ihnen ohne weiteres an. Und hätte es Lilis Leben gegolten, sie hätte die Frage nicht zurückhalten können, die sich ihr förmlich aus die Lippen zu drängen schien, die Frage nach Erna. Eine Wolke zog fich auf Gerhards Stirn zusammen, und ein finsterer Blick streiste den vorlauten, kleinen Mund, der «S absolut nicht lernen konnte, die Wahrheit d«S alten Sprichworts zu begreifen, daß Schweigen Gold ist. Helmuths Unbefangenheit war geradezu klassisch. Eine leuch tend rote Rose, die cr spielend zwischen den Fingern hielt, durch die Luft schwenkend, daß wirbelnde rote Kreise zu entstehen schienen, zuckte er die Achseln. „Bcdaure, mit der verlangten Auskunft nicht dienen zu können, schönstes BäSchen." Aber Lili war wirklich manchmal unausstehlich und von einer unerhörten RücksichtSlosigkeir. Sie sah Helmuth bitterböse an und sagte spitzig: „Wunderlich, Du scheinst eS doch sonst ganz genau zu wissen, wo Erna sich aushält, wenigstens bist Du für gewöhn lich in ihrer Nähe zu finden." Helmuth sah sie an und lachte, ein Lachen, das seine schnee weißen Zähne aus wahrhaft bezaubernde Weise unter dem schwär- zcn Schnurrbarte hervorlcuchten ließ. Dann sang er — wirklich, er sang, als habe cr Lilis Bemerkung gar nicht gehört — mit hübscher, weicher, wcnn auch gedämpster Stimme: „Röslein wehrte fich und stach, Half ihm doch kein Weh und Ach, Mußt es eben leiden." „Ein reizendes Lied, nicht wahr, Vetter Gerhard? Lili, ich glaube, diese Rose würde Dich vortrrfflich kleiden, sie stimmt so gut zu Deiner Haarfarbe, vielleicht gestattest Du, daß ich Dich schmücke." Er n achte eine Bewegung mit der Hand, welche die Rose hielt, und Lili trat entrüstet einen Schritt zurück, als habe fit rin unerhörtes Attentat von ihrer Person abzuwehren. „Danke, bemühe Dich nicht, ich brauche Deine Rose ganz und gar nicht," dabei daS „ich" ganz besonders betonend. „Nicht? Schade, ich hätte Dich so gern mit der Rose ge schmückt gesehen; Mädchen und Rosen, daS paßt so gut zusammen." „Rosen und junge Frauen, daS paßt auch nicht schlecht zu sammen, vielleicht hast Du anderwärts Verwendung sür die Rose," sagte Lili anzüglich. „tzur vivra, verra!" „Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein aus der Heiden!" DaS klang fast ein wenig melancholisch von seinen Lippen, und mit einer raschen Bewegung schleuderte er die unschuldige Rose davon, daß sie einen weitrn Bogen durch die Lust beschrieb und dann inmitten des weiten, grünen Rasenplatzes, der fich ihnen zur Linken auSdehnte, liegen blieb und wie ein Blutstropfen herüber schimmerte. „Um anderweitiger Verwendung oorzubeugen," sagte er gelassen freundlich zu Lili, die, «in wunderlich«» Gefühl im Herzen, wie verzaubert zu jenem roten Fleck hinüberstarrte, und dann wandte er fich zu Gerhard, mit dem «r geschickt «in Gespräch anzuknüpfen verstand. Lili blieb zurück, sie verkürzte absichtlich ihre Schritte, und keiner bemerkte es oder wollte r» bemerken. Nun noch daS schützende Gebüsch zwischen ihnen und ihr — ah, endlich war sie allein! Sie horchte auf die verhallenden Fußtritte, wie der KieS leise knirschend unter ihnen zurückwich, dann atmete sie tief auf, flog wie ein Vogel über die Rasenfläche hin, und der rote Punkt war verschwunden. „Lili, wo bleibst Du denn?" fragte fünf Minuten später Gerhard verwundert, er schien eS eben erst bemerkt zu haben, daß da- junge Mädchen verschwunden war. „Hier," antwortete Lilis Stimme, wenige Schritte nur zurück, hinter einem Syringengebüsch hervor, sie kam langsam näher, in ruhiger Haltung, eine gleichgiltigr Miene zeigend, aber die Wangen brannten und die Finger umschloffen in der Tasche verborgen ein weiche», duftige» Etwas, als sei es ein kostbarer Schatz, den sie gegen einen Angriff verteidigen müsse, (Fortsetzung folgt.)