Volltext Seite (XML)
H »« Donnerstag, den « Februar SVV2 Kl. Jahrgang Erscheint ttglich mit Ausnahme der Sonn-und Festtag«, abends für den fol» genden Tag. Preis vierteljährlich I M. 50 Pf., monatlich 50 Pf., Einzeln ummer 5 Pf. Bestellungen i «erden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten undAus- gabestelleu, sowie ollen Postanstalten angenommen. -«feral Fsbchhrea« ,T>I- > gesp. PeUtM« odc deren Renan lk, bei Lokal «Jnsemte» 12 Ps; tm amtlich«, Teil proZette 40Ps.; ^Eingesandt' i« N»> daktiausUUeRIPs. Bel schmteetgi« und tadellartsche» Satz «uftchta, nach Leäß. Für ^iachmet« «ch Offerten-Amuchnu »Ps. PgtingckWk. A nttsb!att der Königlichen Amtshauptmannschaft N des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Ro'tzbcrg In Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von C. G- Rostberg In Frankenberg I. Sa. Bekanntmachung, Vom l. April 1902 ab werden alle Unterosfiziere und Mannschaften der Reserve, Land wehr I und II, sowie die Dispositionsurlauber und einige Mannschaften der Ersatz-Reserve eine Mittheilung — Kriegsbeorderung oder Paßnotiz — über ihre Verwendung im Falle einer Mobil machung, gültig für das nächste Mobilmachungs.Jahr (vom I. April bis 31. März nächsten Jahres) bereits im Frieden auSgehändigt erhalten. Die Uebersendung der Kriegsbecrderungen (aus rothtM Papier) und der Paßnotizen (auf weißem Papier) erfolgt zwischen dem 1. und 15. März durch hierzu besonders bestimmte Personen. Alle dem Bezirks-Kommando noch nicht zur Meldung gebrachte Wohnungswechsel sind sofort zu melden. Können Mannschaften deS Beurlaubtenstandes, ausgenommen Ersatz-Reservisten, an den vor- strhend bezeichneten Tagen nicht selbst zu Hause sein, so haben sie einen erwachsenen Anverwandten, Mitbewohner, den Quartierwirth u. s. w. mit der Empfangnahme des Befehls zu beauftragen. Jeder Unteroffizier und Mann der Reserve, Landwehr I und II und jeder DiSpofitionS- urlauber, der bis zum 15. März eine KriegSbeorderung oder Paßnotiz nicht erhalten, hat dies UMFtßkUd dem Bezirks-Kommando schriftlich oder mündlich zu melden. Die Ersatz-Reserve hat diese Meldung nicht zu erstatten. Chemnitz, den 1. Februar 1902. Königliche» Bezirtt-Kommando. Born Reichstag. In der 134. Sitzung am 4. Februar wurde die zweite Beratung deS' Etats des Reichsamts des Innern beim Kapitel „Statistisches Amt" fortgesetzt, v. Tiedemann berichtet über die neu zu schaffende Abteilung für Arbeiterstatistik. Pachnicke (fr. Vg.) führt aus, seine Partei stehe der neuen Abteilung mit gemischten Empfindungen gegenüber und tritt für Schaffung eines Beirats rin. Bebel (Soz.-Dem.) fordert die Gründung eines ReichsarbcitS- amteS. Haffe (nat.-lib.) wünscht obligatorische Einführung des Dc- klarationszwangeS zur besseren Ermittelung deS Wertes der Ein fuhr und Ausfuhr. Graf Posadowsky hält cs für unpraktisch, in der neuen Abteilung ständige Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu haben, viel praktischer sei eS, in den einzelnen Fragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu hören, die sämtlich Sach verständige find. Direktor Wermuth meint, das Urteil der ver schiedenen Handelskammern über den Wert des obligatorischen Dc- klarationSzwangeS sei sehr verschieden. DaS Kapitel wird hieraus angenommen. Bei Kapitel „Patentamt" rügt Gamp (Rp.) den ungenügen den Patentschutz in der Schweiz. Paasche stimmt dem Vorredner zu. Bereits seit acht Jahren bestehe in der Schweiz ein förm liches AuSplündern unserer chemischen und anderen Jndustrieen. Graf Posadowsky führt aus, die Uebelstände betreffs des Pa tentwesens seien allerdings sehr schlimm. Wir wandten uns an die Schweiz um Abhilfe und erhielten die Antwort, daß die An gelegenheit nicht zur Kompetenz deS Bundesrats gehöre, sondern daß hierzu ein Referendum nötig sei. Müllcr-Meiningcn (fr. Vp.) hält die Prüfung der Personalien derer, die Patentanwälte werden wollten, für ungesetzlich. Die Befugnisse des Präsidenten des ReichspatcntamteS seien zu ausgedehnte. Graf Posadowsky betont, daß eine Vorprüfung der Personalien eine gesetzlich er laubte Thätigkeit sei. Stadthagen (Soz.-Dem.) führt aus, man könne von der Schweiz nicht verlangen, daß sie den Deutschen mehr Recht cinräume, als den eigenen Untcrthanen. Geheimrat Hauß bezeichnet die Auffassung des Vorredners als schief. Die Schweiz mache uns auf dem Weltmärkte und sogar im Jnlande Konkurrenz mit Waren, da sie unter Verletzung des Patentgesetzcs dieselben hcrstelle. Schließlich wird daS Kapitel „Patentamt" an genommen. Bei dem Kapitel „ReichsoersichcrungSamt" behandelt Stadt hage» (Soz.-Dem.) ausführlich die Berufsgenossenschaften; er ta delt die zu hohen Entschädigungen mancher Berufsgenoffenschafts vorfitzender. 10000 Mark und mehr seien keine Entschädigung mehr, sondern Gehälter. ES scheine, daß die Macht der Indu ¬ striellen in den Berufsgenoffenschasttn so hoch gestiegen sei, daß ihnen gegenüber das Gesetz schweigen müsse. Redner bespricht eingehend den Fall Fchlisch von der BauberufSgenoffcnschast, in welchem eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Mangels eines öffentlichen Interesses abgewiesen worden sei. Also so weit erstreckte sich der Einfluß des Kapitalismus. Redner kritisiert da rauf abfällig daS Institut der Vertrauensärzte. Die Vertrauens ärzte seien durch ihre Stellung abhängig von den Bcrufsgenossen- schaften. Es sei ihre Gewohnheit, die Rente zu drücken. Der Prozeß gegen den vi-. BlafiuS habt gezeigt, daß die Aerzte di rekt, ohne Untersuchung der Patienten nach Tabellen die Renten bestimmten, welche von der Berufsgenossenschaft aufgestellt werden. Das sei unmoralisch und gegen die Wissenschaftlichkeit, der Arzt werde zum Hausknecht der Berufsgenossenschaft. Es muffe end lich einmal mit dem Mißbrauch au^eräumt werden, der ein fort währender Raub an dem armen Arbeiter sei. Die Lasten der Unfallversicherung für die Unternehmer betragen pro Kopf und Tag Bruchteile von Pfennigen. 8s ist eine Unfallversicherung von den Berufsgcnoffenschasten veröffentlicht worden, an sich eine höchst wünschenswerte Sache; ab« das Werk ist tendenziös und unzuverlässig. Die Zählkarten find pon den Berufsgenoffenschasttn selbst in ganz einseitiger Weise -usgefüllt worden. (Präsident Graf v. BaLestrem: Sie dük^ Lze MmsSgiMffeMMy .hier, nicht solcher Sachen beschuldigen, da» verstößt gegen die Ordnung des Hauses.) Stadthage« (fortfahrend) : Die ganze Statistik ist von dem Wunsche durchtränkt, daß die Fahrlässigkeit nicht ver- ficherungspflichtig ist. Ueberall herrscht daS Bestreben, die Schuld auf die Arbeiter abzuwälzen. Wir müssen verlangen, daß die Arbeiter teilnehmen an der Verwaltung der Unfallversicherungs körper. Daraus, daß die Berufsgenoffenschaften sich hiergegen wehren, folgt, daß sie ein Interesse an der Häufung der Unfälle haben. Zur Herabsetzung der Zahl der Unfälle müssen wir vor allem den achtstündigen NormalarbcitStag fordern. Staatssekretär Graf v. Posadowsky: Der Minister des Innern hat eine Verfügung erlassen, wonach es unter allen Um ständen verboten ist, die Lasten der Unfallversicherung durch Zu schläge zu irgendwelchen kommunalen oder sonstigen Steuern zu betreiben. Die ZiegeleiberufSgenoffenschaft befindet sich in einer gewissen Umwälzung. Viele Ziegeleien werden als landwirtschaft liche Ncbenbetriebe der Landwirtschaft zugewiescn. Ich habe wie derholt betont, daß nichts gefährlicher ist, als eine schematische Festsitzung der Invaliden« und Unfallrente. Ich bedauere, wenn solche schematische Festsetzungen vorgekommen find. Ich werde mich darüber informieren und das Reichsversicherungsamt nochmals anweisen, daß in jedem Falle konkret unter gründlicher Vertiefung in den Einzclfall entschieden werden soll. Jedenfalls hat der Geschädigte immer noch das Recht, neben dem Vertrauensarzt noch einen anderen Arzt als Begutachter seine» Leiden» zu fordern. Die schweren Vorwürfe gegen den Präsidenten de» ReichSoerfiche« rungsamtes weise ich zurück. Die Festsetzung der Entschädigungen erfolgt durch kollegialischen Beschluß. DaS ReichSverficherungSanit hat den Grundsatz aufgestellt, daß auch die früheren Entschädi gungen auf Grund der Novelle zum Unfallversicherungsgesetz neu zu prüfen und festzusetzen find. Diese Festsetzungen find in allen Fällen erfolgt. Was den Fall Fchlisch angeht, so kann ich nur wiederholen, daß die an Fehlisch gezahlte Entschädigung in An« betracht der Zeitversäumnisse und der Fülle der wahrzunehmenden Geschäfte keineswegs zu hoch bemessen ist. Was die Ausarbeitung de» statistischen Materials betrifft, so werden die Zählkarten ja von den BerufSgenoffenschaften ausgefüllt, aber auf Grund de» ihnen vorliegenden politischen Materials. Wir werden weitere Erfahrungen sammeln und eine neue Statistik wird vielleicht besser ausfallen. Hierauf vertagt sich daS HauS auf Mittwoch. Vom Landtag. Aus der Tagesordnung der gestrigen Sitzung d« Ersten Kammer stand der Bericht der zweiten Deputation üb« Kap. 27 und 28 deS Staatshaushaltsetats für 1902/03, aus denStaat»- Men ruhende" JährcSrenten üttd Mlösvng der dem Domänenetat nicht angehörigen Lasten, sowie Abfindungszahlungen bei Rechtt- streitigkeiten betreffend und allgemeine Debatte zum Staat-Hau»- Haltsetat für die Finanzperiode 1902/03. Den Bericht zu den erwähnten beiden Kapiteln des Staatshaushaltsetats «stattete v. Wächter. In seinen allgemeinen Ausführungen zum Etat forderte «, daß die oft empfohlene Sparsamkeit im Staat»- Haushaltsetat endlich durchgeführt werde. Für Bewilligung d« WohnungSgeldzuschüffe erklärte er den gegenwärtigen Zeitpunkt für sehr ungünstig; das Vermögenssteuergesetz wünsche er durch die Erste Kammer, deren Gleichberechtigung mit der Zwesten Kammer Redner besonders betonte, abgelehnt zu sehen. Doch würden für dringende Bedürfnisse die Deckungsmittel geschafft werden. — v. Trebra-Lindenau wünschte im Falle der Ablehnung d« Woh nungsgeldervorlage für einzelne Beamtenkategorien eine Gehalt»- aufbcfferung nach dem Prinzip der Dienstaltersstufcn. Redner führte aus, daß die Ansprüche an die Lebenshaltung vielfach über triebene seien, schließt aber mit dem Wunsche, daß unser pflicht bewußtes Beamtentum, sobald es unsere Finanzlage erlaubt, in die Lage gesetzt werde, seine Lebenshaltung gleichmäßig mit der jenigen der entsprechenden anderen BeoölkerungSklassen zu steigern. — Rittergutsbesitzer Pfeiffer - Burkersdorf meint, die Stände trügen die Hauptschuld daran, daß nicht sparsam genug gewirt schaftet werde, sic sollten nicht immer ohne weiteres Bewilligungen Um Uechl «nd Wicht. Originalroman von vr. Fr. Gödde. <2S. Fortsetzung.) kNochdruii verboten.« Während der kurzen Kampsszene zwischen der Dame und Pierre war daS Publikum wie gebannt; gefesselt von dem Unerwarteten starrte eS auf die Bühne, wo sich die Vorgänge blitzschnell abspielten. Ein Direktionsmitglicd brachte zur Kenntnis, daß man aufs tiefste über daS Geschehene erschüttert sei. Der Künstler sei sofort in ärztliche Behandlung gegeben worden, jedenfalls wird eine Gehirn erschütterung das Schlimmste sein, der jähe Fall sei ein recht unglücklicher gewesen. Man möge Nachsicht üben bei den noch restierenden beiden Programm-Nummern. Niemand hatte wahrgenommcn, daß in dem Moment, da Feodor zu wanken begann, aus einer der Orchestcrlogen ein herz zerreißender Schrei ertönte; nur Herr Börmann und Herr Berg waren zusammcngesahren, weil er neben ihnen von Elli ausgestoßen wurde, und bevor die beiden Herren nur zum Bewußtsein dessen, was sich ereignete, gekommen waren, hatte Elli die Logenthür aufgerissen und war durch die glücklicherweise nicht verschlossene Verbindungsthür auf die Bühne geeilt. Da stand sie nun mitten unter denen, die sich mit Feodor beschäftigten; was sich neben ihr abspieltc, sah sie gar nicht. Bleich und mit aufgerissencn Augen stand sie neben Feodor, den man hinter der Szene aus eine Matratze gebettet hatte, indem ein Arzt die erste Hilse leistete. Man entdeckte in Feodors linker Wade einen kleinen besederten Pfeil. Also nicht die Leiter allein, sondern auch den Künstler hatte der Bube getroffen. Nun trat auch Signora Gianini näher; sic blutete im Gesicht und an den Armen, ihr Atem ging schnell, ihre Augen leuchteten ! noch wie die eine» wütenden Raubtieres. Als sie Elli neben ! Feodor erblickte, ward ihr Gesicht fahl; sie trat an Fräulein Börmann näher heran und fragte mit gedämpfter Stimme: „Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?" Elli hörte und sah nichts, gab auch keine Antwort. Jetzt waren auch die Herren Börmann und Berg hinter der Szene erschienen; beide sahen auch bleich und erschreckt aus, aber aus verschiedenen Gründen. Börmann faßte seine Tochter bei der Hand und wollte sich mit ihr entfernen, aber das Mädchen stand wie eine Bildsäule. „Was treibst Du, Kind!" flüsterte er. „Komm, laß uns gehen! Was kümmert Dich der fremde Mann? Komm!" Elli hörte nichts. Auch Herr Berg begann jetzt seine Ucberredungsversuche, aber mit derselben Erfolglosigkeit. Erst als Herr Börmann seine Tochter gewaltsam fortzichen wollte, entwand sie sich ihm und sagte: „Laß! Ich gehe nicht! Hier ist mein Platz! DaS beste wäre, wir ließen den Acrmsten in unsere Wohnung bringen." „Wen?" fragte erstaunt der Vater. „Nun Feodor Touskani." „Feodor Touskani?" Der Vater war sprachlos und auch Berg schüttelte verwundert den Kopf. „Man soll einen Wagen besorgen; mir haben Platz genug im Hause, und ich werde ihn pflegen." Elli sagte diese Worte geistesabwesend. „Nein", sagte eine Stimme, „das wird nicht geschehen!" Es war Signora Gianini, die diese Worte sprach. „Ich werde den Mann, den ich auch nicht im Krankenhausc wissen möchte, pflegen; als Kollegin steht mir das Recht zu." Nun sah Elli erst das Mädchen in dem zerfetzten Anzuge. „Wer ist das?" fragte jetzt Elli Börmann. „DaS kümmert Sie nicht!" Der Arzt, der den Kranken untersuchte, gebot Ruhe. Die Künstlerin betrachtete die feine Dame, sie gestand sich, daß sie eS mit einer schönen, aristokratischen Person zu thun hatte. Elli hatte aber wenig Sinn, ihre Gegnerin zu taxieren, angstvoll ver folgten ihre thiSnengefüllten Augen die Bewegungen des Arztes. Die Gedanken der Künstlerin wurden wieder zu Feodor geleitet, der noch bewußtlos dalag. „Der Mann hat eine schwere Erschütterung erlitten", sagte der Doktor, „möglich auch, daß der Pfeil vergiftet war; rin Rippenbruch läßt sich ebenfalls konstatieren. WaS die Zukunft bringt, läßt sich bei einer so oberflächlichen Untersuchung nicht feststellen. Elli weinte laut. Man hatte den Patienten schon vor der ärztlichen Untersuchung in eines der Unterhaltungszimmer gebracht; die Thüre wurde eben geöffnet und ein Polizeikommiffar trat ein. „Es soll bei dem Vorkommnis", begann der Beamte, „ein Verbrechen vorliegcn." „Diese Dame kann darüber Auskunft geben", erklärte der Direktor, auf Fräulein Gianini deutend. „Bitte, geben Sie Ihre Mitteilung ab." Die Signora wischte sich mit dem Rücken der Hände die ebenfalls hervorgetretenen Thränen aus den Augen und erklärte, daß sie gesehen habe, wie der amerikanische Schütze zweimal sein BlaSrohr, ungeheuer schnell hinter einander, an den Mund gc- führt habe; darauf sei Touskani gestürzt. „Wer ist der amerikanische Schütze?" fragte der Beamte. „Ein« unserer Künstler", erklärte der Direktor, „ein Mexi kaner, der bei uns gastiert." „Und wo ist d« Mann?"