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A LOH Mittwoch, den 7. Mat 1002. 61. Jahrgang Ers4«t«t t»«Nch mit Ausnabme der Sonn- und Festtage, abend- sür den fol- genden Tag. Preis vierteljährlich 1 M. bO Pf., monatlich 50 Pf., Einzelnummer bPf. Bestellungen werden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Aus gabestellen, sowie allen Postanstallen angenommen Aaferal-Helühre» t Die 5-gesp. Petitzcile oder deren Raum 15, bei Lokal < Inseraten 12 Pf.; im amtlichen Teil prv Zeile 10 ist ; „Gm„r>andt" im Nc- daktivnSteile 30 Pf. Bei fchn irrigem und tabellarischem Satz Ausschlag nach Tarif. Für Nachweis und Offerten - Annahme 2b Pf. Extragebühr. Amtsblatt der Königlichen AmtstMptmannschaft FM des Königlichen Amtsgerichts und des StadtratS zu Frankenberg» Verantwortlicher Redakteur: Ernst Romberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von C. G. Rosiberg In Frankenberg i. Sa. Aufforderung. Die hier wohnhafte« «rme» Verwandten der zu Dresden verstorbenen Frau Emilie Agnes verw. Gnamk, geborene Eckhardt, welche bei der am 20. Mai d Js stattfindenden Vertheilung von StistungSgeldern berücksichtigt zu werden wünschen, werden hiermit ausgefordert, sich spätestens / bis zum 13. dieses Monats in unserer Stadthauptkaffe, Rathhaus 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. II, persönlich zu melden und ihre Abstammung nachzuweisen. Frankenberg, am 5. Mai IS02. Der Stadtrat h. »r. Mettig, Brgrmstr. tz. Zwangsversteigerung. DaS im Grundbuche für Frankenberg, Blatt 223 auf den Namen des Müllers Gustav Lonis Beyer eingetragene Grundstück soll am 1. Juli 1902 Vormittags 19 Uhr an Gerichtsstelle im Wege der Zwangsvollstreckung versteigert werden. Das Grundstück ist nach dem Flurbuch« — Hektar I3,l Ar groß und einschließlich Zubehör als Mahlmühle mit Bäckerei auf 25 270 M. — Pf. geschätzt. Es besteht aus Wohn- und Mahl mühlengebäude nebst Anbau, mit Backofen, Stall, Mehl- und Getreideboden, einem Schweinestall- gcbäude, Hosraum, Garten und Mühlgrabenareal, trägt die Flurbuchsnummern 886 und 886», die Brandkatasternummer 241, ist mit 105,56 Steuereinheiten belegt und hat 15 230 M. Brandkasse Die Einsicht der Mittheilungen deS Grundbuchamts, sowie der übrigen daS Grundstück be treffenden Nachweisungen, insbesondere der Schätzungen, ist Jedem gestattet. Rechte auf Befriedigung aus dem Grundstücke sind, soweit sie zur Zeit der Eintragung de» am 18. Avril 1902 verlautbarten Bersteigerungsvermerkes aus dem Grundbuche nicht ersicht lich waren, spätestens im Versteigerungstermine vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten anzumelden und, wenn der Gläubiger widerspricht, glaubhaft zu machen, widrigenfalls die Rechte bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt und bei der Vertheilung des Berstei. grrungscrlöseS dem Ansprüche des Gläubigers und den übrigen Rechten nachgesetzt werden würden. Diejenigen, die ein der Versteigerung entgegenstehendes Recht haben, werdm aufgefordert, vor der Ertheilung des Zuschlags die Aushebung oder die einstweilig« Einstellung de» Verfahrens h-rbeizusühren, widrigenfalls für das Recht der Versteigerungserlös an die Stelle des versteigerten Gegenstandes treten würde. Frankenberg, den 3. Mai 1802. Königliche» Amtsgericht. Morgensterns Konkurs. Die Bestände an Chvcoladcn- und Zuckerwaaren werden im Geschäftslocale, Baderberg Nr. II, parterre, ««-Verkauft. Justizrath Reinholdt, Konkursverwalter. Vom Reichstag. In der 182. Sitzung am 5. Mai teilt der Präsident Graf v. Ballest«« mit, daß der Abg. Friedel-Oberfranken auf dem Wege von der Heimat nach Berlin bei einem Eisenbahnunfall ge tötet wurde. „Wir beklagen schmerzlich den Verlust des Heim gegangenen, der auf dem Wege zur Pflicht den Tod erlitt." Die Abgeordneten erheben sich zu Ehren des Verstorbenen. Der Gesetzentwurf, betr. Diäten für die Mitglieder der Zoll- tariskommisfion, wird in dritter Lesung nach den KommisfionSbr- schlüffen und sodann in der Gesamtabstimmung gegen die Stimmen d«r Freisinnige« und der Sozialdemokraten angenommen. Die dritte Beratung der Novell« zum Gesetze, betreffend die Schutztruppen in den afrikanischen Schutzgebieten und die Wehr pflicht daselbst, wird aus Antrag Bassermann von der Tagesord nung abgesetzt. Bassermann (nat.-lib.) fügt zur Begründung seine» Anträge» aus Absetzung der Novelle, betreffend das Schutztruppengcsetz, von der Tagesordnung hinzu: „Kollege Haffe teilte mir telegraphisch mit, daß er beabsichtige, zu dieser Novelle ein Amendement ein zubringen, aber durch dos Eisenbahnunglück, dem der Kollege Friedel zum Opfer fiel, zurückgehalten ist." In der Fortsetzung der am Sonnabend abgebrochenen Beratung des Toleranzantrages wird ß 2b nach längerer Debatte unter Ab lehnung aller Amendements in der Kommisfionssassung angenommen, lautend: Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten darf ein Kind nicht zur Teilnahme an dem Religionsunterricht oder Gottes dienst einer anderen Religionsgemeinschaft angehalten werden, als es den in § 2 und Z 2a getroffenen Bestimmungen entspricht. Dagegen stimmten die Konservativen. Die übrigen Paragraphen des Toleranzantrages werden nach unerheblicher Debatte in der Kommisfionssassung angenommen. PM-ist. Roman von Georg Höcker. 2». z»rtsetzu»g.> verdolm.i Angelika atmete auf. Sie wußte selbst nicht, warum ihr wieder etwas leichter um das Herz werden wollte — wenn Sencken schwieg, dann war sie gerettet, denn jetzt, wo Werner tot und sein unbändiger Rachedrang sür immcr zum Schweigen verurteilt worden war, hatte sie von diesem nichts mehr zu befürchten. Aber im nächsten Augenblick« schon schämte sie sich dieser egoistischen und herzlosen Anwandlung! Wahrlich, > daS hatte Werners treu- liebendes Herz nicht um sie verdient, daß sie in seinem Tode nichts anderes sah, als einen erlösenden Ausweg aus einer sie persönlich bedrückenden Verlegenheit! Wenn die Schilderung seine- Bruders d«r Wahrheit entsprach und er namenlos empört über ihren vermeintlichen Treubruch ge wesen war, war er ausschließlich nicht in seinem vollen Rechte gewesen? Er konnte freilick nicht wissen, daß kein einziger seiner sehnsuchtsvollen Briefe sie erreicht hatte, sondern daß ihr« ver storben« Mutter sie allesamt unterschlagen hatte! Er konnte nicht wissen, daß sie in gutem Glauben an seinen Tod, nur den Bitten der Mutter gehorchend, ihrem jetzigen Gatten die Hand zu dem ehelichen Bunde gereicht, er hatte all die heimlichen Thränen nicht sehen können, die sie in den ersten Jahren ihrer zweiten Ehe ihrem so früh schon auSgeträumten Traum sonnighellcr Jugend liebe nachgcweint hatte. Erst nach Jahren hatte sie sich an ihren Gatten gewöhnen und dessen Liebkosungen dulden können. Aber die aufrichtige Achtung, die sie dem Ehrenmann« cntgegenbringen mußte, hatte sich ganz allmählich in Liebe umgewandelt und fast ohne e» selbst zu wissen, war sic allmählich zu einer der glück lichsten und auch zusrirdenstrn Frauen aus dem weiten Erdenrund geworden I Eine tiefe Wehmut kam Angelika jetzt plötzlich an, daß sie dem Herzen, da» so treu an ihr bis zum Tod gehangen hatte, nicht mehr ihre Unschuld beteuern und beweisen konnte; daß der Mann, dem ihre erste und heißeste Lieb« gehört, unversöhnt und Es folgt die Beratung der Brüsseler Konvention und deS Zuckersteuergesetze». Reichskanzler Graf Bülow erörtert die Ein wendungen, die gegen den Abschluß der Brüsseler Konvention ge macht werden, und bestreitet insbesondere, daß die Brüsseler Ver handlungen mit einem Siege Englands abgeschlossen hätten und daß die Interessen der deutschen Landwirtschaft durch die Konven tion beeinträchtigt würden. Der Reichskanzler erörtert sodann die Prämienfrage. Die Initiative zur Konferenz sei nicht von Deutsch land ausgegangen; Deutschland mußt« sich aber an der Konferenz beteiligen, nicht aus Nachgiebigkeit gegen da» Ausland, insbeson dere gegen England, sondern weil Deutschland sonst Gefahr ge laufen sei, da- englische Absatzgebiet Di verlieren, ohne ander« Märkte zu gewinnen, und weil die Zuckerindustrie sonst einer Katastrophe entgegengegangen wäre. Die Beteiligung geschah im Sinne der im Reichstage gegebenen Direktiven. Die beteiligten Kreise werden hoffentlich die Vorteile der Konvention allmählich einsehen. Unsere Bemühungen, daß die Konvention erst am 1. September 1804 in Kraft treten sollte, find gescheitert. Die ver bündeten Regierungen sind überzeugt, daß die Festsetzung über den Ueberzoll genügen wird, um den fremden Zucker von unserem Ge biete sernzuhalten. Die Zuckersteueroorlage paßt sich der neuen Lage an. Tie verbündeten Regierungen wünschen keineswegs eine Durchpeitschung der Vorlage, müssen aber im Interesse deS Landes von einer Verschleppung ernstlich abraten, sie würde in jeder Be ziehung schädlich wirken. (Zustimmung.) Tie verbündeten Re gierungen haben geglaubt, die Verantwortung für das Scheitern der Konvention nicht übernehmen zu können; die Verantwortung ruhe nunmehr beim Reichstage. „Im Interesse der Zuckerindustrie, vcs wichtigsten landwirtschaftlichen Nebengewerbes, bitte ich daS HauS, die Vorlage anzunehmen." (Bravo!) Nach dem Reichs kanzler sprack Becker (Zentr.) und beantragte Kommissionsüber weisung. Wiemer (freis. Vg.) stimmt vollkommen o-n AuS- mit bitterem Groll im Herzen gegen sie gegangen war, um klagend vor Gottes lichten Weltthron zu treten! Seltsame Unbeständigkeit deS Weibes! Jetzt zog cs sie mit einem Mal« mit tiefinnerlicher Sehnsucht, der sie kaum zu ge bieten vermochte, zu demselben stillen Schläfer hin, vor dessen Be gegnung sie, als er noch unter den Lebenden weilte, voller Angst zurückgcbebt war! Angelika war allein zu Hause an diesem Abend. Ihr Gatte war in seinen Klub gegangen. Er hoffte, in diesem, dem viele Juristen angehörten, offenbar nähere Aufschlüsse über Scnckens Verhaftung zu bekommen. Dora aber hatte sich frühzeitig zur Ruhe begeben. Die furchtbare, erneute Gemütscrschütterung des Vormittags hatte sie über Gebühr ergriffen und sie zum Nieder legen gezwungen. Da tauchte in Frau Angelika de: Gedanke aus, sich in der noch ziemlich frühen Abendstunde — es mochte etwa halb neun Uhr sein — nach dem Leichenschauhause zu be geben und durch eigenen Augenschein sich davon zu überzeugen, daß cS wirklich Werner gewesen, der heimgekehrt war, um so schmählich zu sterben! Zuerst wollte Entsetzen die zartnervige Frau bei dem Gedanken beschleichen, einzutreten in jene Halle, welche keines Lebenden Ruhestätte war, sondern nur die Toten aufzunehmcn hatte. Aber die Sehnsucht, dem Jugcndgeliebten, ehe er sür immer von dieser Welt der Täuschung schied, noch einmal in das vom Tode erstarrte Gesicht zu schauen, erwies sich stärker, als die allen denkenden und fühlenden Menschen gemeinsame, bei einer zarten Frau begreiflicherweise aber doppelt stark ausgeprägten Scheu vor den Toten. Nach kurzem Besinnen hüllte Frau Angelika sich in «inen ein- fachen Sommerumhang und ging aus di« Straße hinaus, auf welcher nun schon maßvoll die Abendschatten auSgebrcitct lagen. Sie durchmaß die wer,gen Schritte bis zur Ecke der Prinzenstraße und bestieg dort, kurz entschlossen, »inen OmnibuS der Linie Gör- litzer Bahnhof- Neue» Thor. An der Kommunikation des Neuen ThoreS ist die Morgue gelegen, zu welcher sie ihre Schritte zu lenken entschlossen war. sührungen deS Reichskanzlers zu und ist mit der Herabsetzung der Verbrauchsabgabe auf 16 M. einverstanden. Er bitte, von der KommisfionSverhandlung abzusehen, v. Levetzow (kons.) spricht sich für die Beratung in einer 28gliederigm Kommission au». Wurm (Soz.-Dem.) drückt seine Freude au», endlich eine deut liche Erklärung der Stellung der Regierung zur Zuckerfrage er halten zu haben, v. Kardorff (kons.) spricht sich sür dir Kom« misfionSberatung aus, da die Sache einer wochenlangen Beratung bedürft. (Aha! links.) Der Präsident schlägt für die Tag«»- ordnung am Dienstag vor: Schutztruppengesetz, Zuckersteueroorlage, Petitionen. Sieg, v. Kardorff und v. Staudy bitten, die Branntweinsteuernooelle auf die Lag«»ordnung zu setzen. Richt« und Bebel widersprechen dem. Es entspinnt sich eine lebhafte Geschäftsordnungsdebatte. Richter bezweifelt die Beschlußfähigkeit deS Hauses. Die Auszählung ergiebt die Anwesenheit von 162 Abgeordneten, da viele der Linken den Saal verließen, also die Beschlußunfähigkeit. Es bleibt bei dem Vorschläge de» Präsi denten. Vom Landtag. Die Erste Kammer beschäftigte sich in ihrer gestrigen Sitzung nach Verlesung zweier Ständischen Schriften durch Bürgermcist«r Wilisch und Gras Brühl, dem Vortrag auS der Registrande und der Beschlußfassung auf die Eingänge mit dem Berichte der ersten Deputation über da» königl. Dekret Nr. 18, den Entwurf eine» Gesetzes über die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen und hierzu eingegangene Petitionen betreffend. Ohne Debatte nahm die Kam mer den Gesetzentwurf in der von der Deputation vorgeschlagenen Fassung an und beschloß, die hierzu eingegangenen Petitionen von Gabriel, Straube, Baffenge und Genoffen der königlichen Aber als sie nachher über den menschenleeren Luisenplatz schritt und die Kommunikation betrat, welche nur gar spärlich von wenigen trüb brennenden Laternen erhellt wurde, da sank ihr Mut wieder, und als nun gar jenes unheimlich«, kastenähnliche Gefährt heran« gerollt kam und die unschlüssig Vorwärtsschreitende überholte, in welchem die Toten zur Morgue gebracht werden, da ging ein banger Schauer durch ihre Glieder. Aber dennoch ging sie bis an den Eingang des HofeS, in drssen Mitte das LeichrnschauhauS sich erhebt. Sic hörte den schweren Wagen über das holprige Pflaster dröhnen und blieb stehen. Zufällig sah sie den Wächter, welcher eben da» Einfahrtsthor hinter dem Wagen schließen wollte. Kopfschüttelnd betrachte» er die dunkel gekleidete Frau, welche bewegungslos, einer Statue gleich, an den Laternenpsahl gelehnt stand. „Sie wollten wohl Nachsehen?" srug er in zutraulichem, aber mitleidsvoll gedämpftem Tone, denn er vermutete in der Einsamen eine Mutter, Schwester oder Gattin, die gekommen war, um das ihr gehörige Opfer der Großstadt zu rekognoszieren. Ein leises Stöhnen ging über Angelikas Lippen. „Ich bin gekommen, um — um einen Herrn Brown zu sehen, welcher —" „Ah so, ganz recht — der Amerikaner — ist heut« Nacht eingeliesert worden," kopsnicktc der Wächter. „Wird sich aber schwer machen, gute Frau — ist schon zu spät und keine Bc- sichtigungsstunbe mehr — müssen morgen früh wiederkommen — aber beeilen Sie sich, denn um 11 Uhr wird er begraben." Wieder glitt ein weher Seufzer über die Lippen der Unglück lichen. Sie wendete sich wortlos und wollte sich entfernen. „Warten Sie noch 'mal," ries der Wächter ihr nach. „Haben Sic ein besonderes Interesse an dem Amerikaner?" Angelika war stehen geblieben und nickte jetzt mit dem Kopfe. „Ich kannte ihn — einst," murmelte sie dann leise. „Und kommen vermutlich weit her — hm, eS ist zwar nicht in der Ordnung — ober kommen Sie nur, denn morgen früh kommen die Herren Gerichtsärzte noch einmal, da kommen Sie vielleicht gar nicht 'ran — zudem liegt er im Leichenkeller, weil er ja bekannt ist." (Fortsetzung folgt.)