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H 18 Donnerstag, den 28. Januar 1802 Kl. Jahrgang. Erscheint tag NH mit Ausnahme der Sonn-und Festtage, abend« für den fol- geiideu Tag. Prei» vierteljährlich 1 M. bO Pf., monatlich bi) Pf., Einzelnummer bPs. Bestellungen werden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Aus gabestellen, sowie allen Postanstallen angenommen. Amtsblatt der Königlichen Amtshauptmannschaft Flöha, des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Romberg In Frankenberg i. Sa. — Pruck und Verlag von C. N. Rosiberg in Frankenberg l. Sa. Vom Reichstag. In der 123. Sitzung vom 21. Januar erbat und erhielt Prä sident Graf Balleftrem zunächst die Genehmigung, dem Kaiser zum Geburtstage die Glückwünsche deS Reichstages zu überbringen. Auf der Tagesordnung stehen Wahlprüfungen. Weitstes« be- richtet über die Wahl deS Abgeordneten Boltz-Saarbrücken (nat.- lib.). Die Kommission beantragt Giltigkeit. Leuzman« (fr. Vp.) bemerkt, der Antrag der Kommission sei ihm unbegreiflich. In dem prozessualen Verfahren, das eingeschlagen wurde, hätten die Zeugenaussagen die krassesten Widersprüche ergeben; einige der Zeugen nahmen die Ungeheuerlichkeiten wahr, andere nicht. Red ner beantragt, die Wahl für ungiltig zu erklären. Semmler (n.-l.) stellt als Mitglied der WahlprüsungSkommisfion fest, daß ihr die Auffassung des Vorredners nicht maßgebend gewesen sei. Die nationalliberale Partei mißbillige durchaus die Wahlbeeinflussung. Lei der in Rede stehenden Wahl sei auf beiden Seiten die Grenze überschritten, die bei einem vornehmen Wahlkampfe inne gehalten werden sollte. Immerhin aber genügten die Vorkommnisse nicht, um die Kassierung der Wahl zu rechtfertigen. Die Kandidatur Boltz' sei keine Beamtenkandidatur gewesen. Der Kommisfionsantrag auf Giltigkeit, für den die Konserva tiven, die ReichSpartci und die Nationalliberalen stimmen, wird abgelehnt, der Antrag Lenzmann-DaSbach, die Wahl Boltz' für ungiltig zu erklären, wirb angenommen. Der Kommisfionsantrag auf Giltigkeitserklärung der Wahl Graßmann-Thorn (nat.-lib.) wird debattelos angenommen. Die Wahl Hähnel-Kiel (f>. Vg.) wird nach lebhafter Debatte gemäß dem Kommisfionsantrage für giltig erklärt. Dagegen stimmten die Sozialdemokraten. Die Wahl v. Gersdorff-Vomst-Meseritz (kons.) wird gemäß dem KommisfionSantrage für giltig erklärt. Dann folgt die Beratung der Wahl Sieg (Wahlkreis Grau- denz-EtraSburg) (nat.-lib.). Die Kommission beantragt Ungiltig« keil. Auf Antrag Spahn wird die Prüfung der Mahl Sieg an die Kommission zurückverwiesrn. Mittwoch zweite Lesung des Etats des Reichstages, deS Reichs kanzlers und des ReichSamtS des Innern. Vom Landtag. Auf der Tagesordnung der gestrigen Sitzung der Ersten Kammer stand nach dem Vortrage auS der Registrande und der Beschluß fassung auf die Eingänge 1) der Antrag zu.n mündlichen Berichte der vierten Deputation, die Petition deS Stickers Gottlieb Eisen schmidt in Ranspach, Schadenersatzansprüche betr., 2) der Antrag zum mündlichen Berichte der vierten Deputation über die Petition deS Eisenbahninvaliden Max Hermann Karl Jarisch in Cotta um Erhöhung der ihm bewilligten laufenden Unterstützung und 3) die Anzeige der vierten Deputation über vier für unzulässig erklärte Beschwerden beziehentlich Petitionen. Die Kammer beschloß den DeputationSanträgen gemäß einstimmig und ohne Debatte, die ersten beiden Petitionen auf sich beruhen zu lassen. Hierauf wur den die Beschwerde des Bezirksfeldwebels Baldauf in Pulsnitz, sowie drei Petitionen deS Gustav Bruno Zacharias in Dresden für unzulässig erklärt. Die Tagesordnung der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer bildeten die Schlußberatungen über dir mündlichen Berichte der Beschwerde- und Petitionsdeputation über drei Petitionen, nämlich 1) deS KaviarhändlcrS Gießner genannt Albrecht in Dresden, an geblich unberechtigterweise erhobene DerkehrSabgabe betr., 2) deS emeritierten Lehrers, jetzigen Stadtkafsrnasfistenten Illing in Kirch berg um Dispensation von § 11 des LchrerpenfionSgesetzeS vom 25. März 1892, 3) deS Oberlehrers Hermann Bräuer in Hildes heim, früher in Dresden, um Gewährung einer Entschädigung für entgangenen Gehalt. Tie Kammer beschloß den Anträgen der Beschwerde- und Petitionsdeputation gemäß einstimmig und ohne Debatte, sämtliche drei Petitionen auf sich bemhen zu lassen. Oerttiches und Sächsisches. Frankenberg, 22. Januar 1902. -s Auf vielseitigen Wunsch hat sich Herr Pastor Ehmer bereit finden lassen, seine am 2. Weihnachtsfeiertage gehaltene Predigt über Hebräer 1, 1—8 „Selige Weihnachten" durch Drucklegung zu einer Erinnerungsgabe für seine Konfirmanden zu gestalten und gleichzeitig den Besuchern jenes Gottesdienstes zu ermöglichen, sich diese Predigt dauernd zu eigen zu machen. Wir weisen darauf hin, daß von heute ab diese Predigt zum Preise von 20 Psg. in der Roßbergschen Buchhandlung und in der Schul buchhandlung im Kaufhaust zu haben ist. — Eigenartige DiebeSbeute hatte sich in Waldheim ein Ar beiter auSerselstn. Derselbe rSÜtde in vß» JWOSünpabend von einem Schutzmann auf der Bahnhofstraße betroffen, als er einen schweren Sack fortschleppte. Beim Erblicken des Beamten ergriff der Arbeiter die Flucht und warf den Sack weg. In dem weggeworfenen Sacke wurde ein 47 Pfund schwerer Schleusen deckel gefunden. Der Dieb gestand, zwei Schleusendeckel in der betreffenden Nacht auf der Bahnhofstraße gestohlen zu haben; den anderen hatte er in den Anlagen des DenkmalSplatzeS versteckt. — In Seifersdorf bei Großschirma geriet ein Einwohner beim Reisigsuchen in ein Fuchseisen, aus dem sich allein zu be freien ihm nicht gelingen wollte. Auf seine Hilferufe eilten Leute herbei, welche ihn nun aus seiner fatalen Lage erlösten. — Bei Edle Krone verunglückte der an einer Langholzfuhre beschäftigte G. H. Müller aus Niederhäslich. Er wurde in einer der dortigen Eisenbahnuntersührungen gegen die Seitenwand ge preßt und so schwer verletzt, daß der 26jährige junge Mann am Sonnabend seinen qualvollen Leiden erlegen ist. — Wie Oberbürgermeister Beutler in seiner Ansprache ge legentlich der Einweisung der neugewählten Stadtverordneten be reits erwähnte, wird die städtischen Organe sehr bald der Neubau der AugustuSbrücke in Dresden beschäftigen. In der vergangenen Woche ist nämlich ein Einvernehmen zwischen dem kgl. Ministerium und dem Rat zu Dresden über die Pläne erzielt worden. Von diesen Plänen hat Oberbaurat Klette nicht weniger wie 11 ver schiedene entworfen und der 4. hat nunmehr die beiderseitige Zu stimmung gefunden. Nach diesem Plane wird die Brücke wieder in Stein auSgrführt und der bisherige monumentale Eharakter bleibt gewahrt, nur daß die Bögen eine Spannweite von 40 m erhalten. Die neue AugustuSbrücke kommt genau in die Achse der alten zu liegen. Mit dem Neubau selbst dürste bereits im Herbst dieses Jahres begonnen werden. Das Projekt wird erst noch im Rate durchberaten und gelangt dann vielleicht in drei Monaten an die Stadtverordneten. Während des Abbruchs der jetzt stehenden Brücke und des Neubaues der zukünftigen wird neben derselbe« eine JnterimSbrückd errichtet. Selbstverständlich find mit dem Neubau der Brücke auch wesentliche Veränderungen der Uferan lagen verbunden, namentlich wird die Weiterführung der breiten Uferstraße auf Neustädter Seite unter der neuen Brücke hinweg in Angriff genommen werden. — Die in Dresden veranstaltete ArbeitSlosenzählung ergab, daß in Dresden und den Vororten Löbtau, Cotta, Stetzsch, Leubnitz-Neuostra, Korbitz, Mickten, Kaditz und Trachau 9300, in den hauptsächlichsten Jndustriebezirken des Plaurnschen Grunde« 870, zusammen also 10170 Arbeitslose vorhanden waren. Die Zahl der Arbeitslosen betrug in einzelnen Orten, z. B. in Löbtau, etwa 10 Proz. der erwerbsthätigen Einwohner. — Im königlichen Schauspielhause zu Dresden rief am Montag mitten in der Aufführung des Schauspiels: „Die rote Robe" ein Herr im Parkett „Feuer!" Dadurch entstand eine furchtbare Panik. Alle- stürzte nach den AuSgLngrn und drängte flch da zusammen. Dazu kam, daß plötzlich der Vorhang nieder ging. In den Wandelgängrn beruhigten die Feuerwehrleute und Logenschließer daS Publikum. Der Herr hatte, vom Stücke auf geregt, Echreikrämpfe bekommen und „Feuer" gerufen. Ein Teil der Zuschauer ließ sich bewegen, das Theater wieder zu betreten, viele verließen aber das HauS. Leider hatte keiner der Künstler die Geistesgegenwart, vor die Rampe zu treten und das Publikum zu beruhigen. — Der obenerwähnte Herr, ver „Feuer!" ge rufen hatte, Hofpianofortesabrikant Oskar tzagschiel, wurde daS Opfer des Zwischenfalls. Er erlitt infolge Schrecken« im Theater einen Schlaganfall, an dessen Folgen er in der Diakonifsenanstalt verschied. — In Sieglitz bei Meißen schoß ein Knabe aus Mutwillen mit einem Pfeile nach dem Rücken eines Knechtes. In diesem Augenblicke drehte sich der Mann um und der Pfeil traf so un glücklich in ein Auge, daß es sofort auslief. — Gerade in diesen Tagen, wo die Zweite Ständekammer Alm R-cht und Mchl. Originalroman von vr. Fr. Gödde. <17. Fortsetzung.) (Nachdruck verdaten.> Die Differenz zwischen Elli und Hubert war nicht von lan ger Dauer. Das junge Mädchen hatte eingesehen, daß es sich zuweit hatte himeißrn lassen, es war doch so: Der junge Mensch gehörte zu den Komödianten und Gauklern. Er war freilich ein vorzüglicher Geigenspieler; aber durste sie sich denn von ihrer Begeisterung für die Kunst so Hinreißen lassen? War es denn die Kunst allein, die sie so anzog? Was erregte ihr Empfinden so heftig? Elli sann darüber nach. War das nicht mehr als Schwär merei für des Künstlers Können, galt es nicht auch seiner Person, die vom ersten Moment ab ihre Phantasie berückt hatte? Sein Bild vermochte sie nicht aus ihrer Vorstellung zu bannen. Durfte sie das als Braut eines Mannes, den sie von Kindheit an kannte? Nein, das war schlecht, das war Untreue! Ein tiefes Reuegcfühl bemächtigte sich ihrer, und sie beschloß, jede Begegnung mit dem jungen Menschen zu meiden. So schrieb sie einige Zeilen an Hubert. Sie teilte ihm mit, daß sie an jenem Tage Unrecht ge habt habe; sie bat um Verzeihung. Hubert empfing den Brief am Morgen nach der Konferenz mit Pleffem. Er hatte nie über daS Seelenleben einer Frau nach gedacht, sein ganzes Denken hatte er auf die Handlungsweise deS ManneS konzentriert. Es gefiel ihm, daß sie ihre Opposition aufgab, daß sie zur Einsicht gelangt war. Weiteren Anlaß zum Nachdenken fand er bei der Sache nicht. Der Brief heiterte ihn auf, er bedauerte sogar, daß seine Braut daS Vergnügen der Schlittenpartie aufgegeben hatte; aber mit jenem Manne konnte sie doch nicht fahren, das konnte er doch nicht zugeben, denn er selbst hatte einen Widerwillen gegen denselben. Werner war je doch ein mutvoller Mann, der vor einer Gefahr nicht zucück- schreckte, und so drängte es ihn, Charakter und Art dieses Men schen kennen zu lernen. Gerade jetzt, nachdem Plessrm bei ihm gewesen war, wollte er näheres wissen. Er mußte zu erfahren suchen, wie weit dieser TouSkani über seine Eltern unterrichtet war, wie die Dinge überhaupt lagen und ob es möglich, daß Jörg definitive Beweise erlangen konnte. Aus diesen Gründen trat allmählich der Wunsch hervor, seinen Widerwillen einzudäm men, und wenn möglich, die Schlittenpartie zu stände zu bringen und daran teilzunehmen. Er ging also zu Elli, verdrehte die ganze Geschichte in einen Scherz und erklärte, daß er sich selbst auf eine Schlittenfahrt freue, wenn ihm auch das Zusammentreffen mit diesem Gaukler nicht angenehm sei. Das Mädchen erschrak ob dieser Eröffnung. Schon als Hu bert bei ihr eintrat und sie sein festes, hartes Gesicht sah, that es ihr leid, diesen reuevollen Bries an ihn geschrieben zu haben. ES legte sich wie Eis auf ihr Herz, sie fürchtete sich nor diesem Manne, sic fing an zu weinen. „Ja, was fehlt Dir denn?" fragte er erstaunt. Es ist doch kein Grund vorhanden, zu weinen? Die kleine Differenz ist ja beigelegt; ich war eigensinnig und Du warst gereizt. Laß uns daS vergessen." „Nein", erklärte sie unter Thränen» „ich will nicht mit fahren!" „Du übertreibst!" sagte er begütigend. „Gieb doch die Schwär merei auf. Du hegst die wunderliche Idee von der Gleichberech tigung aller Menschen, und ich widersprach dem. Ueber die Sache kann man nur lachen, und Du weinst!" Elli merkte, daß Hubert sie nicht verstand und nie verstehen würde; sie fühlte die Entfremdung zu ihm immer mehr; aber sie faßte sich und sagte: „Wenn Du cs denn wünschst, will ich ver suchen, eine Partie zusammen zu bringen." Dieser plötzliche Stimmungswechsel frappierte nun wieder Hu bert. „Du bist mir zuweilen ein unlösbares Rätsel", sagte er. „Du mußt mehr an die Luft gehen, Deine Nerven stärken. Schließe Dich mehr an Deine energische Freundin Marie an, die ist immer munter und guter Dinge. Der nähere Umgang mit ihr wird wohlthucnd auf Dich wirken." Elli nickte. Werner wollte sich verabschieden. „Du bist eine extreme Na tur", sagte er, ihr die Hand reichend, „Du mußt Dich in die Dinge zu schicken bemühen. Adieu, mein Kind! Sage mir Be scheid, wann die Fahrt sein soll." Er ging mit einem kalten Händedruck. (Fortsetzung folgt.) Aus Frankenbergs Vergangenheit. Der am Sonntag vom Kaufmännischen Verein abgehaltene erste Vereinsabend deS neuen JabreS zeigte zur Freude der Ver einsleiter eine dicht gedrängte Hörermenge, Damen wie Herren, die erschienen war, um dem Vortrag des Herrn Pastor Rost auS Potschappel „AuS Frankenbergs Vergangenheit" zu folgen. Nach dem der Vorsitzende, Herr Otto Schiebler, die Versammlung mit herzlichem Gruß eröffnet, ergriff Herr Pastor Rost das Wort zu einer eingehenden Definierung von „Heimat" und „Heimweh", wobei er zunächst seine eigenen Empfindungen für Frankenberg kundgab, dann aber die in diesen Worten sich schließenden Gefühle als die Triebfeder bezeichnete, welche u. a. auch die Kreise der Wissenschaft, der Kunst und Litteratur dazu drängt, sich immer mehr der engeren und weiteren Heimat zuzuwenden und auS dem Naheliegenden Anregung und Motive zum geistigen und künst lerischen Schaffen zu entnehmen. So hat im Gebiet der Jugend erziehung immer breiteren Boden gewonnen die Heimatskunde, so hat sich allenthalben der Drang gezeigt, die OrtSgcschichte der Städte und Dörfer zu ergründen. Er, der Sprecher selbst, habe bei der von ihm übernommenen Mitarbeit an dem großen vielbändigen Werke „Sächsische Kirchen geschichte" in den Quellenforschungen über unsere Stadt Franken berg fleißig nach allem gefahndet, waS mit Frankenberg zusammen hängt, und so sei von ihm, trotz der allgemeinen Annahme, Fran kenberg sei historisch arm, doch so vieles gefunden worden, da« der Auflebung in einer Ortschronik wert sei. (Die Vorarbeit zu einer solchen ist ziemlich beendet und ist auch die für 1901/02 geplante Herausgabe noch nicht möglich gewesen, so wird — de« sind wir überzeugt — daS bisher im stillen fortgeschrittene Werk innerhalb der nächsten Jahre an die Oeffentlichkeit gelangen.) An der Hand deS gesammelten Materials gab nun Herr Pastor Rost einige lebensfrische Daten aus der Vergangenheit unserer Stadt. Wir können, da daS Vorgetragcne wörtliche Auszüge auS dem vom Redner zur Bearbeitung übernommenen Zeitabschnitt bis zu Beginn deS 30jährigen Kriege« sind, nur knappe Andeutungen geben, um den späteren Veröffentlichungen nicht zu weit vorzu- greifrn. Die althergebrachte Annahme, Frankenberg sei zur Zeit Karl