Leitung von Otto Richter in voller Gröhe aufgerichtet worden. Eine große Menge ausgezeichneter künstlerischer Kräfte hat dabei geholfen und eine mächtig ergriffene große Kunstgemeinde hat wieder verehrungsvoll an ihr emporgeblickt zur Meisterhöhe reichster und reinster Kunst . . . Die Frage, ob die ungekürzte Wiedergabe unter allen Umständen, auch außerhalb eines besonderen festlichen Rahmens zu fordern sei, und welche Teile wohl zur Vermeidung einer Überlastung der Aufnahmefähigkeit der Hörer ausgelassen werden dürften, soll hier nicht erörtert werden. Es war eine Festaufführung, die als seltenes Kunsterlebnis abseits von der Not wendigkeit solcher Abwägungen steht. . . . Die aus dem Oratorienverein Eßlingen und dem Dresdner Kreuzchor zusammengestellte imposante Chormasse und das verstärkte Orchester des Landestheaters gaben unter der beherrschenden und stark anregenden Führung des Dresdner Chor meisters kraftvoll geschlossenen und ausdrucksvollen Klang. S. „Augsburger Neueste Nachrichten", den 21. Juli 1924. . . . Dieses eigentümliche Wesen Bachs trat aber auch beim 12. deut schen Bachfest in ganz besonderer Weise zutage. Der Meister des be rühmten Dresdner Kreuzchors, Prof. Otto Richter, war es, der das Er lebnis Bachs nicht nur technisch vollendet, sondern vor allem innerlich in einer Größe des Ausdrucks zur Tat werden ließ, wie eben nur ein großer Könner gleicher Glaubenskraft vermag. Es gibt eine objektive Dar stellung der Kunst — sie reicht bis zur Grenze, tritt aber nicht hinein in das Gefilde des Ewigkeitsgedankens. Diesen Schritt tut Richter, nicht aus Wollen, sondern weil er ja nicht anders kann. So wurden denn die von ihm geleiteten Chorwerke die unvergeßlichen Höhepunkte des Festes, um die sich die anderen ausgezeichneten Darbietungen gleichsam gruppierten . . . Der 1. Tag begann mit einer „Motette“ in der Stiftskirche, die unter dem Zeichen des Kreuzdiors unter Otto Richters Leitung stand. Die in ge waltigste Tiefen des Evangeliums tauchenden Motetten „Komm, Jesu, komm" und „Der Geist hilft" (beide 8 stimmig) wurden in geradezu er- schütterndster Eindringlichkeit hergestellt, und das mit einer überirdischen Klangschönheit, die nur den Leistungen des Berliner Domchors oder der Leipziger Thomaner verglichen werden kann. . . . Welche Kultur wird in diesen Stätten ältester Tradition doch gehütet! . . . An die Mitglieder versammlung schloß sich um 6 Uhr ein Kurrendesingen des Kreuzchors vor dem Schlosse an (die Leitung hatte der Chorpräfekt), dem eine ge waltige Menschenmenge ergriffen lauschte . . . Am 2. Tage war die un gekürzte Wiedergabe der Matthäuspassion in Richter’scher Bearbeitung. Ich kann hier nur auf meine einleitenden Gedanken hinweisen — die Erhabenheit der Aufführung steht über jeder auch nur versuchten An deutung. Das gleiche gilt vom Abschluß des letzten Festtages (Magnifikat, Kantaten). Hier schaute man weit über die Grenzen der Menschheit in jeder Beziehung. Was Richter da mit dem zusammengestellten Chore leistete, war fabelhaft! Bescheiden wollte er jeden Beifall ablehnen — aber ele mentar fühlte die Masse der Zuhörer sich gezwungen — ihm — eigentlich einem anderen! — zu danken. Dieser Beifall war kein weltlicher . . . Musikdirektor Siegfried Choinanus.