Ehrerbietung die Zuhörer den Darbietungen des Chores . . . lauschten. . . . Der Sonntag begann mit dem gleichen strahlenden Wetter wie der vorhergehende Tag. Die Hitze war unerhört groß, und ich fragte mich, ob das große Publikum — es war alles im voraus ausverkauft — sich wirklich zu den außerordentliche Anforderungen stellenden Veranstal tungen des Tages einfinden würde. Sollte nicht das Neckartal bei einer Temperatur von 32 Grad Celsius im Schatten lockender sein? Meine Be fürchtungen waren indessen unbegründet . . . Um 5 Uhr nachm. wurde der Höhepunkt des Bachfestes erreicht, die Matthäuspassion ohne Striche. Wie sollten die Zuhörer nochmals 41/2 Stunden in dieser furchtbaren Hitze aushalten? Ja, wirklich, nicht ein einziger verließ den Saal, bevor der letzte Ton verklungen war. Man hielt aus! Klugerweise war zwischen den beiden Teilen eine Erfrischungspause von einer Stunde eingeschoben . . . Die Leitung des Werkes war in die Hände von Prof. Otto Richter gelegt worden, worin man eine Anerkennung seiner Auffassung bezüglich seiner Auslegung des gerade in Bezug auf die Wiedergabe so viel besprochenen Passionsdramas erblickte. Der Eindruck war überwältigend! Man hatte gefürchtet, daß die Stimmung weniger gut sein würde, weil die Aufführung aus Räumlichkeitsgründen im Konzertsaal stattfinden mußte, anstatt in der Kirche. Aber bereits nach wenigen Takten hatten die Töne den profanen Raum geheiligt. Der Chor sang mit ungemindertem Enthu siasmus. Die Solisten, die besten für diese Partien, welche in Deutsch land zu finden sind, schienen sich gegenseitig an Wohllaut und Stilreinheit übertreffen zu wollen, und das Orchester, die Orgel und das Cembalo unterstützten das Ganze nach Kräften . . . Und so ist wiederum ein Bachfest zu Ende und die Teilnehmer verstreuen sich, erfrischt und er quickt durch den unbegreiflich großen Sebastian, bereit, in immer weitere Kreise seine Leben spendenden Töne zu verbreiten . . . Prof. Otto Richter aber rief mir bei meiner Abreise von Stuttgart zu: „Wir sind stolz, daß er ein Deutscher war! Musikdirektor David Ählen-Stockholm. „Deutsche Allgemeine Zeitung“, Süddeutsche Ausgabe (Frankfurt a. M.), den 24. Juli 1924. . . . Stuttgart hat das ihm geschenkte Vertrauen im ganzen gerecht fertigt. Verfügte es über keinen eigenen a cappella-Chor, so hat es sich die Mitwirkung des auf einer immerhin achtbaren Höhe stehenden Dresdner Kreuzchors gesichert ... Es ist tief bedauerlich, daß man die Sängerin (Frau L.) . . . nicht in einem großen religiösen Werke, wie der Matthäus passion, verwandt hat, deren von Prof. Richter chorisch im wesentlichen verfehlte Aufführung fast durch die Gesamtheit der eigentlichen Solisten ihrer wesentlichen Wirkung beraubt wurde (!) Jul. Levin. „Frankfurter Zeitung“, den 22. Juli 1924. . . . Die ungekürzte, in allen Teilen vorzüglich ausgestattete Aufführung der Matthäuspassion bildete die bedeutendste Festerhebung. Von dem als Bachinterpret hochgeschätzten Dirigenten des Dresdner Kreuzchors, Prof. Otto Richter, geleitet, bildete sie den Höhepunkt des Festes. O. Sch.