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Hundert Jahre! Nun zerreiße du Schleier, der die Ver gangenheit verhüllt. Steig' empor aus deinem Grabe, großer Tag, an dem unsere Väter jubelnd gedankt über dem aus Schutt und Trümmern durch schwere Opfer und jahrzehnte lange Mühen neu erstandenen Heiligtum. Hundert Jahre! Nun zerreiße du starrer Bann, der auf dem Herzen so gerne liegt und den Quell froher Lieder so oft verschließt. Wenn heute die Steine schreien und die Quadern dieses Gotteshauses predigen und lobsingen, wie sollte ungehört verklingen der alte Aufruf: Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Ja, dies Wort, das letzte des ganzen Psalters, sein mächtiges Finale, dereinst in der Stunde der Schöpfung der Morgenchor der rein und schön aus Gottes Hand hervorgegangenen Welt, das Lied zugleich der letzten Zukunft, gesungen am Stuhle des Lammes von aller Kreatur, die iin Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und im Meer, der goldene Rahmen für des Meisters unsterblichen Lobgesang, der jetzt erklingen will — das Wort dieser Stunde soll es sein, weckend die Toten, weckend die Schläfer, klingend in die Herzen, dringend zum ^Himmel, deutend die Vergangenheit, deutend die Zukunft. Hundert Jahre, beglänzt von dem „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!" Nun zerreißet Hüllen und Nebel vor diesem Licht! Stehe vor uns, vergangenes Jahrhundert, als das, was du bist — ein Geistesdom. Heut' gilt's deine Weihe. Der Lobpreis Gottes ist beides — 1. der Baumeister, der dich den Lebenden übergiebt' 2. der Priester, der dich für die Zukunft weiht.