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Sein letztes Wort. Von I. Frfr. von Schilling. (Nachdruck verboten.) Langsam, vorsichtig hatte inan ihn heimgebracht, teils im Auw, teils im Sciüafwagcnabteil des Expreß. Denn cs war sein heißester Wunsch gewesen, heim ;a toinmcn in das schöne, ruhige Lums, dessen großer Part es schied vom värm der Stadt, der Welt. Man war seinem Wunsche nachgekommen, trotzdem man wusste, daß er dem Tode cntgegenging, nicht dem Leben der Genesung. Die Wunde in der Lunge wollte sich nicht schließen, «rotz aller Kuust der Ärzte, trotz sorgsamster Pflöge. Und alle Abcudc kehrte das Lieber wieder und raubte ihm die Kraft, langsam, unaufhaltsam. So auch heute. Professor Berthold richtete sich aus seiuer gebückten Stellung ans nnd schob den Fiebcrmcsscr in sein Etui zurück. Sein Blick begegnete dem der Diakonissin, die am fußende des breiten Bettes stand. ,11 Grad!" sagte er halblaut und hob die Achseln. „Sie haben alles genau vorbereitet, Schwester, nicht wahr? Sollte der Patient unruhig werden, so legen Sie sofort den Eisbeutel auf und alle Stunde« geben Sie ein Pulver!" „Sehr wobl, Herr Professor!" Sie reichteu sich die Hand, die in ihrem schweren Beruf gealterte Diakonissin nnd der Arzt, sie kannten einander Wohl. Immer, wenn Professor Berthold einen schweren Fall hatte, wünschte er nnr mit Schwester Maria zu „arbeitet»". So auch diesmal. Der da vor ihm lag, war ihm noch mehr als ein Patient, dessen kostbares Leben er zu retten hatte, er war ihm zugleich eiu Freund. Sie hatten beide ihren Weg ge macht. Der eine als Arzt, als Leiter einer großen Klinik, der andere als Beamter. Tann war der Krieg gekommen, der das Glück der Menschen zusammenbrcchcn ließ wie Kartenhäuser. Und doch.war die junge Frau Lona so tapfer gewesen, hatte lächeln können beim Abschied, hatte lächeln können beim Wiedersehen, als er totwund und fiebernd ihr ins Haus getragen wurde. Denn die blonde Frau Lona war stark im Schmerz aus Liebe zu ihrem Gatten. Vielleicht weil sie so viel jünger war als er, lag etwas An betendes, Vergötterndes in dem Gefühl, das sie ihm entgegengebrachte, vielleicht weil er der erste, der einzige war, der ihr das Rosentor der Liebe erschlossen hatte . . . „Herr Professor, ans ein Wort!" Er wandle sich um nach ihr, die aus einem der Hellen .Ummer ihm nachgecilt war in den eleganten Porraum, Ivo ein tiefroler Teppich jeden Schritt lautlos machte. Tic breUcu Spiegel, die die Ecken füllten, warfen ihr Bild zurück, die schmiegsame Gestalt in dem dunklen Tuch- Neid, das seine ibm zugewandtc Profil, den schweren, blonde» Haarknoicii „Lagen Sie mir die Wahrheit — die ganze Wahrheit! Wird er leben?" Tas Ivar die Frage, die er erlvartet, die er ge» fürchtet hat. Er zieh» den Pelz ein wenig höher hinauf, wie fröstelnd. „Meine gnädigste Frau —" beginnt er zögernd. „Unser Leben sicht in Gmies Haud! Ich . . ." „Sagen Sic mir die Wahrheit! Ich muß die Wahr heit wissen, ich babe eine Recht dazu! . . . und Sie sind fein Freund . . Sic können mich nicht belügen! Haben Tic cinc Hoffnung, daß cr lcbcn wird?" Sic spricht ganz ruhig, uud ihre Augen treffen die feinen. Er kann nicht mehr täuschen: „Gnädigste Frau ich habe keine Hoffnung!" Uber ihre hatbosfencn Lippen drängt sich ein schwerer Atemzug ein Seufzer. „Ich danke Ihnen, lieber Freund! Ich danke Ihnen im Namen meines Gatten für alte Stunden, die Sic uns geschenkt babcn, für die letzten Nächte im besonderen . . ." „Gnädigste Frau . . . ich tat nur meine Pflicht als Arzt!" Sic starrt an ihm vorüber Ivie, in weite, weite Fernen. „Wenn irgendmöglich, komme ich in zwei Stunden noch cinmat!" Sackt führt er ihre Hand an die Lippen, cbc cc hastig die breiten, niedrigen Treppenstufen hinabcilt. Vor dem breiten Trottoir hält sein Knpcc. Er drückt sich in die dnukclstc Ecke und zündet sich eine Havanna an. Noch gönnt cr sich nicht die Ruhe seines behaglichen Juug- gcsellcnhcims, er will noch einmal einen Rundgang machen in seiner Klinik. Professor Berthold ist immer ruhelos, wcuu cr cmsicht, daß alle Wisseuschaft ohnmächtig ist gegen dc» unsichtbaren Feind, der ihm bei seinen „schweren" F ällcu gegcnübcrstcht. Schade um den Heinz . . . Schade, schade! War er nicht doch zu brutal gegen die Frau vorgegangen, daß er ihr keine, auch gar keine Hoffnung gelassen? — Aber konnnte er gegen sein Wissen und Verstehen ein Urteil geben, wenn solch ein heißes dringendes Fragen ihm die Seele durchforschte? Nein! Er konnte nicht anders, nicht Hoffnung heucheln, wo keine mehr war. Die Zigarre schmeckte ihm nicht mehr, er warf sie aus dem offenen Wagenfenster. Und jetzt bog der Kutscher in die Beerenstraße ein, wo seine Klinik lag. Er sah das große Gebäude, wo überall noch Licht schimmerte. Hier war seine Welt, sein Heim, sein Haus. Für all die Kranken hatte er Zeit, für sich selbst nie mals. Wenn er einmal hilflos darnieder lag, sterbend wie jener, den er eben verlassen, würde nie die Verzweiflung zwei Augen so starr, so dunkel machen — würde n i e die Frage laut werden, so heiß, so dringend: „Haben Sie noch Hoffnung, daß er leben wird?" — „Möchten gnädige Frau nicht etwas ruhen?" fragt die sanfte Stimme der Schwester Maria, während ihre Augen mitleidig aus der jungen Frau ruhen, die da seit Stunden sitzt, starr wie ein Steinbild zu seilen des Leiden den. „Ich bin nicht müde, Schwester! Ruhen Sie noch ein wenig drüben, ich bleibe hier!" — Die schweren Portieren fallen hinter Schwester Marias Gestalt zusammen, wiederum ist Frau Lona allein bei dem Kranken. Sie hat das dunkle Tuchkleid mit einer Matinee aus weichem, Weißen Stoff vertauscht, denn in Weißen Kleidern hat er sie immer am liebsten gesehen. Bis aufs letzte hat sie nur den einen Gedanken, was ihm Freude mache« könnte — was ihm wohltun könnte. So ist ihr ganzes Leben gewesen. — Sie lehnt den blonden Kopf an die hohe Lehne des Sessels, und ikB- halb geschlossenen Augen streifen den Raum, den die ' . Ampel mit einem Weichen, geheimnisvollen Däm».el.c füllt, einem beruhigenden Halblicht, aus dem nur die breite, französische Bettstatt mit ihrem Wandgobelin, ihrem aus goldenen Säulen ruhenden Spitzenbaldachin sich ab hebt von dem lichten Blau der Wände. Auf de.« Toiletten- tisch schimmern die Silberstöpsel der Flakons, die Griffe der Bürsten, der Kämme, der Spieg-l alles matt ver schwommen zurückgeworfen von dem blicken Spiegel, der die halbe Wand dahinter ausfüllt. Wie oft hat sie davor gesessen, geschmückt zum Fest. Wie oft ist ihr Gatte dann herangetreten, um ihr eine Blume in's Haar zu stecken .... Ein Wort, ei« holdes, zärtliches Wort, ihr zuflüstern . . . wenn sie heimgekommen . . . Wie glücklich sie gewesen war. Ein einziger Sonnen, tag war ihre Ehe gewesen. Von keinem Schatten verdunkelt. Jeden Wunsch hatte er ihr an den Augen abzulesen verstanden und sie eingehüllt in eine warme, sorgende Zärtlichkeit ohne Ende . . . . ohne Ende. Warum eigentlich war gerade sie so glücklich ge worden? Sie, die doch nicht annähernd so schön war, wie Gina, ihre ältere Schwester, die da oben in Ostpreußen an der russischen Grenze verheiratet war, die selten nur noch schrieb aus ihrem weltverlorenen Dorf. So selten nur noch. Und doch war Gina einmal ein halbes Jahr hier bei ihnen gewesen, während der Schwager sich von seinem anstrengenden Beruf, von dem rauhen Klima, im Süden gesund atmen wollte. Es war eine so schöne Zeit gewesen. Der Flieder unten im Park hatte geblüht, geduftet und man war den ganzen Abend auf dem Balkon gewesen und drinnen irn Zwinger hatte Gina gesungen. Allerlei Lieder, die sie nicht kannte. Wundersame polnische Liedchen mit einer eintönigen Begleitung in Moll, und die schwermütigen Weisen hatten zu der Sängerin gepaßt, zu der jungen, schlanken Frau, in deren wundervollen, dunklen Augen eine Welt von Sehnsucht be graben lag.... Warum hatte Gina so selten, fast kaum mehr ge- schrieben? Frau Lona richtete sich plötzlich auf, wie lauschend. Reben ihr stöhnt der Kranke leise auf, halblaute Worte flüsternd. Sie neigt sich über ihn, ganz nah. Wozu ihn quälen mit der Kampferinjektion, mit Pulvern und Pillen — er geht ja doch — Und wenn er gegangen ist, wird sie ihm folgen. Sie mag das Leben nicht ohne ihn. Sie wird es fortwerfen wie eine nutzlose Sache. Sie bleibt bei ihm — immer. Auch den dunklen Weg, den keiner kennt, keiner ahnt, auch diesen Weg folgt sie ihm — Sie kann nicht leben ohne ihn — „Bist du endlich .... endlich gekommen?" flüstert er matt. „Und im weißen Kleid — du Süß- D-w» Augen sink wie ein MKPen . . i Wie »in schönes trauriges Märchen . . . o Gina — Gina . . . Uber ihn geneigt sitzt die blonde Frau regungslos, atemlos, jedes Wort von seinen Lippen lesend. Aber er schweigt, nur noch röchelnde Atemzüge drän- cen sich über die halboffenen Lippen . . . langsamer, immer langsamer. „Es ist vorbei!" sagt Schwester Maria und zieht die junge Frau sanft empor. „Sie müssen ruhen, gnädige Frau! —" Frau Lona geht durch die stillen Zimmer, sie steht im Arbeitszimmer des Toten. Schlafen? — Jetzt schlafen? — Nein, erst Gewißheit haben — Gewißheit, daß sie eben nur heiß und wirr ge träumt bat — einen traurigen Traum. Sie ist so ruhig — so klar denkend, wie noch nie — niemals in ihrem Leben. . Am Schreibtisch stehend öffnet sie Schubfach um Schubfach. In jedem die peinliche Ordnung, die ihm immer eigen gewesen, alles korrekt in Reib und Glied — so, wie sein Leben gewesen war. Hier seine persönlichen Akten, aller hand geschäftliche Notizen nach Nummern und Datum ge ordnet. Dann ein Kuvert mit der Aufschrift: Fran Gina Leonhardt!" - „Inhalt: Verfallene Talons Leipziger Bankkrach." Warum hatte er die Papiere aufgehoben, die doch wertlos waren? Tie wog den Brief in der Hand und hielt ihn gegen das Licht, aber das Papier war stark, un durchsichtig. Sie konnte ja der Schwester die Papiere schicken oder selbst überbringen, sie hatte ein Recht zu dem, was sie jetzt tat. Ein scharfer Schnitt ritzte den Umschlag. Zwei Talonbogen fielen ihr entgegen, ein Briefblatt lag da zwischen mit der Schrift ihres Gatten. Sie las: „Ich soll Dich vergessen, Gina, aber das ist doch unmöglich! Ich kann Dich nicht vergessen! Ich brauche Dich wie die Luft zum Atmen, mir ist, als sei mein Herz gestorben und ich ginge unter den anderen umher ohne Freude, ohne Hoffnung, mit einer so grenzenlose« Gleichgültigkeit — denn Tu bist fort! Du kommst nie wieder! Ich weiß das so gewiß, als Du nie mehr ein Wort geschrieben hast! Du willst ja tot sein für mich . . . ! Als ob das möglich wäre, wo wir doch beide atmen, leben und unfere Sehnsucht zueinander wach ist Tag und Nacht! — ich träume zuweilen von Dir . . . Ich sehe Dich den schmalen Weg unter den Tannen mir cntgegenkommen in dem weißen, lichten Kleid . . .! Gina, antworte mir — komme wieder! Nur einmal — ein einziges Mal, auf einen Tag ... auf e.'ne Stunde . . ." Fran Lona hält noch immer das Blatt, das keine Unterschrift trägt, sie starrt darauf nieder, bis sie die Worte auswendig weiß! Diese Worte, die sie anmuten wie eine fremde, heiße, süße Melodie — die nicht an sie, sondern an eine andere gerichtet sind! Er war immer so korrekt gewesen selbst in seinen Briefen, die so liebevoll nach ihrem Ergehen, ihren Er lebnissen fragten. Aber wie anders sprachen die Worte dieses Blattes, wie von einem ihr ganz fremden Menschen — und doch war es seine Hand gewesen, die diese Buchstaben formten. Ter Schrei > r Leidenschaft und der Verzweiflung hatte hier Worte gefunden in der betörendsten Variation, aber für eine andere, nicht für sie! Und sic hatte sterben wollen? — Jugend, Schönheit, Leben von sich werfen wollen wie eine nutzlose Sache — »ni ihn? Sie hatte ihm nacheilen, ihm folgen wollen, ihm, der sie betrogen hatte mit jedem Kuß, mit jedem Liebeswort, der gestorben war mit dem Namen „Gina" auf den Lippen. Welch eine lächerliche Parce ist doch das Leben! Wie sinnlos, in di<cker Komödie milzuspielen, das waren Frau Lonas Gew. ke«, als sie inmitten der anderen an der Gruft stand, d , mit Kränzen und Palmen geschmückt, bereit war, den S. rg aufzunehmen. Ein unabsehbares Trauergefolge füllte den Friedhof. In der Nähe der jungen Witwe stand Professor Berthold, der Freund des Verstorbenen. Seine Blicke hafteten an der schmiegsamen Gestalt in der eleganten Trauertoilette, die so hochaufgerichtet stand, die so ruhig, so 'alt herniederschaute auf den mit weißen Rosen überflutete.. Sarg. Und immer wieder lautete das Resumö seiner Gedanken: „Wunderschön sieht sie aus in dem düsteren Schwarz, das wie geschaffen ist für ihre blonde Schönheit, wunderschön, nur zu gefaßt!" W Die uns anläßlich unserer Vermahlung so unerwar- W tel vielseitig erwiesenen ^ulmerlcsamßeiten, Glückwünsche Z und Oeschcnke haben uns sehr xeeürt und erfreut, und E wir danken allen Ziehen aufs herrlichste, ruxleich im säumen unserer Ellern. Oierseli unc! krem H H» Vlar^arethe §eb. Köber. W 5. dubilüums-Oeflü^el-Scliuu dos Kreises Dresden I verbunden mit der 30. ullxomem. Oeflü^el- lind Kunmcben-8clmu dc'8 Lellüxel- und lianincken- rüchter-Vereios siabensu und llmxereod UNI Sonnlux, den 17. nnd IVontux, den 18. November im OusHiok /nm Imtslios, Dubomm. böse 1.— Ulc. Inüerdem Tombola. Dunptxewinn: Xwei kisssnxünse. Em xniixen Aisprueb ersuebt die äuzztelluoxrieitune. GWstSlM krausm. u. tcchn. gebildet für Stuhl branche, zeichn, bef., gesucht. Off. mit Geh.-Anspr. erb. u. M. 76 an die Geschst. d. Bl. Einen tüchtigen Ml- null 8smlBem stelle ein. Zu Ostern nächsten Jahres nehme ich je 2 Tischler-, Stuhlbauer und Poliererlehrlinge in gewissen hafte Ausbildung an. l.ou>8 vaekmann, Mdelfsbnili Nadenau. Nächsten Mittwoch: Empfehle ab 8 Uhr ff. Leber- mttrstcheu und Wellfleisch, später frische hausschlachtene Wurst. Gustav Bernhardt, Liudenstr. 14 Deckreistg empfiehlt Gärtnerei Hänsel. Zum MOllllW empfehle Deckreistg, Blumen, Kränze und Bindereiartikel aller Art. OIxs« LHLpfelwein und Lüneburger ^Jodsalz a. Pak. —.30 RM. wieder frisch eingetroffeu. smbler NelmWgmck» Ink. LijnItlSp Böller Obere Dresdner ZtraLe 109 Fernsprecher 1006 reinixt und kürbt ullos. Annahmestelle in Rabenau: 2xarrenxeschäkt Otto^lemi'icli. Pa. EmM empste^ Paul Brückner M Mele Kaffees empfiehlt Paul Brückner ^Ile ^eits^rikten, aiodtoreitmieen v. kiek«rlio,»werk« liefert jede V^oche frei ins Klaus vuekdinliepsi NNsx Ofenrohre n. Kniee empfiehlt Fritz Pfotenhauer KaKss riaA empfiehlt Paul Brückner.