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Rabenauer Anzeiger : 11.11.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-192911111
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19291111
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19291111
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-11
- Tag 1929-11-11
-
Monat
1929-11
-
Jahr
1929
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Geheimnisvolles Drama auf hoher See. Von einem geheimnisvollen Drama auf hoher See wird aus Soentborg berichtet. Einige Fischer von der Insel Langeland haben etwa zw^? Stunden von Bogenkomp ent fernt ein gesunkenes lettisches Schiff gefunden, von dem nur die Masten über dem Wasser emporragten. Der Dampfer einer deutschen Gesellschaft, der das Wrack untersuchte, fand unter dem Deck die Leichen des Kapitäns und Steuermanns. Der Kopf des Kapitäns wies ein großes Loch auf und dem Steuermann war die Kehle durchschnitten. Ferner wurde festgestellt, bah sich an Bord des Schiffes eine Frau, einige Kinder und drei oder vier Mann befunden haben müssen, die das Schiff wohl in einem Rettungsboot vor dessen Untergang verlassen haben. Da dieses aber nirgends aufgetancht ist, muh angenommen werden, bah sie alle umgekommen sind. Der Zustand der Leichen gibt zu der Vermutung Anlaß, daß sich an Bord entweder eine Explosion ereignet hat, oder daß der Kapitän und der Steuermann während einer Schlägerei getötet wurden. Man nimmt an, daß das Schiff während des heftigen Sturmes vor etwa drei Wochen untergegangen ist. Neues «ms aller Welt- A Nächtlicher Probeflug des englischen Luftschifes „R 101". Das Luftschiff „R 101) führte den ersten Nacht flug aus, der Offiziere und Mannschaften mit den bei Nacht bestehenden Verhältnissen vertraut machen sollte. Das Schiff verließ um etwa 20.30 Uhr den Ankermast, überflog London, ohne bei der außerordentlich schlechten Sicht vom Publikum gesehen zu werden und nahm südlichen Kurs aus die Insel Wight. Bei der Landung wurde die Spitze des Luftschiffes gegen den Verankerungsmast gedrückt und die Hülle erheblich beschädigt. Das Luftschiff hatte unterwegs Motorenschaden an drei Motoren erlitten. In allen Fällen handelt es sich um Sprengungen an den Kühlrohren, sie in je einstündiger Arbeit durch Verwendung von Eummi- schläuchen beseitigt werden konnten. H Bombenanschlag auf die belgisch-italienische Handels kammer in Brüssel? Ein Polizeibeamter fand auf dem Bürgersteig vor der belgisch-italienischen Handelskammer in Brüssel eine kleine Höllenmaschine mit einer Zündschnur. Er schnitt die Zündschnur ab und brachte seinen Fund ins Hauptpolizeiamt, wo festgestellt wurde, daß die Metallhülle Pulver und andere Bestandteile enthielt, die näher unter sucht werden. A Am Grabe des gefallenen Sohnes. In Mestre bei Ve nedig brach eine Frau an dem Grabe eines deutschen Sol daten, der im Kriege dort bestattet wurde, ohnmächtig zu sammen. Friedhofsbesucher leisteten ihr Beistand, und als sie wieder zu sich gekommen war, gab sie an, daß sie Elisa beth Stolzenberger heiße und aus Neumarkt in Bayern nach Mestre gekommen sei, um am Grabe ihres Sohnes zu beten. 12 Jahre habe sie alles Geld zusammengespart, um einmal zum Grabe ihres Sohnes kommen zu können^ der in Mestre gefallen sei. 4K Kesselexplosion auf einem Dampfer. Wenige Meilen vor dem Hafen von Bilbas ereignete sich auf einem mit Ze ment beladenen Dampfer eine Kesselexplosion. Das Schiff sank sofort. Neun Mann der Besatzung ertranken. G Heftige Gewitter über Venedig. Wie aus Venedig gemeldet wird, gingen dort bis spät in die Nacht hinein heftige Gewitter mit wolkenbruchartigen Regengüssen nie der. Zur Zeit der Flut überschwemmte das Meer die nied rig gelegenen Stadtteile. Auch der Markusplatz wurde von den Wellen überspült. In der Nähe von Venedig brach der Sturm einen Baum um, der auf die Starkstromleitung fiel und sie zerstörte, so. daß ein Teil der Stadt im Dunkeln lag. Die elektrische Eisenbahn der Linie Venedig—Treviso sowie die Telephon- und Telegraphenverbindungen waren gestört. In der Provinz Basilikata (Süditalien) verschüt tete ein Erdrutsch eine Eisenbahnstrecke Die Erdmassen liegen stellenweise mehrere Meter hoch auf der Strecke. Erdbeben in Bukarest. Bukarest wurde von einem Erdbeben erschüttert, das 45 Sekunden dauerte. Da die seis- mogvaphischen Apparats durch dis Erschütterung zerstört worden waren, konnte die Stärke der Erdbebens nicht fest- gestellt werden. Doch wird sie von dem Leiter der Erd oebenstation auf 7 bis 8 Grad geschätzt. Bei einer Stärke von 0 Grad wäre da« Grdb-ben katastrovbal aewesen. Es spielten sich in vielen Häusern, besonders in öffentlichen Ge bäuden und Schulen, furchtbare Panikszenen ab. Im Fi nanzministerium und im Landwirtschaftsministerium sowie in vielen Privathäusern entstanden in den Mauern tiefe Risse. Von dem Dach der katholischen Kathedrale stürzten zwei steinerne Figuren ab und töteten eine 50jährige Frau. Weitere Todesopfer wurden nicht gemeldet. Auch in den übrigen Städten Rumäniens wurde das Erdbeben verspürt. 1MM WM M Wberucp-uLdrztz-üen HWkkMemchep. WhonLkgeSen. . SeaossenLcbsften 1S-0-19L- G Kranzniederlegung der flämischen Frontkämpfer am deutschen Kriegerdenkmal in Brüssel. Anläßlich des Aller heiligen-Festes legte eine Abordnung früherer flämischer Frontkämpfer Kränze an den belgischen, deutschen, fran zösischen und englischen Kriegerdenkmälern auf dem Brüsse ler Friedhof nieder. Der Kranz am deutschen Kriegerdenk mal trug die flämischen Farben mit einer flämischen und einer deutschen Inschrift. Die deutsche Inschrift lautete: Flämische Frontkrieger an ihre gefallenen deutschen Brüder. Unbekannte junge Leute versuchten die Inschrift den Blicken der Passanten zu entziehen, doch legte ein deutscher Be sucher die Inschrift auf ihren alten Platz zurück. Fälschung von portugiesischen Schatzanweisungen im Gefängnis. Die Lissaboner Polizei deckte großzügig ange- legts Fälschungen von staatlichen Schatzanweisungen in Höhe von 3 Millionen Escudos auf. Die Fälscher hatten auf chemischem Wege Titel von 10 000 zu Titeln von 100 000 Escudos umgefälscht. Der Führer der Fälscher- bande ist ein seit 8 Jahren im Gefängnis sitzender Gauner, der vom Gefängnis aus verschiedene Diebstähle geleitet hat und auch dis oben erwähnten Fälschungen im Gefängnis persönlich vornahm. Die Polizei konnte alle Beteiligten festnehmen und aller SKatzanweilunaen habhaft werden. 4s Der Stand der dänischen Bevölkerung. Auf der Grundlage der Jahreszahlen an Geburten und Sterbefällen sowie der Auswanderung nach Uebersee schätzt das Statisti sche Amt Dänemarks Bevölkerung am 1. Juli 1929 aus 3 518 000 gegenüber 3 497 000 am 1. Juli des Vorjahres. Vom 1. Juli 1928 bis zum 1. Juni 1929 ist die Bevölkerung also um 21 000 Köpfer oder um drei Fünftel vom Hundert gestiegen. Im Jahre vorher betrug der Zuwachs 22 000. Da die Auswanderung im letzten Jahre gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang aufweist, muß die geringere Be- völkerungszunahme^-auf die ständig fallenden Geburten ziffern in Verbindung mit einem geringfügigen Ansteigen der Sterbeziffer zurückgeführt werden. 1li/i Millionen von Notar Aron unterschlagen. Der Scha den, den der flüchtige Rechtsanwalt und Notar Siegfried Aron durch seine Betrügereien angerichtet hat läßt sich jetzt einigermaßen übersehen. Es handelt sich um etwa 1^« Millionen Mark. Ge- schädiat wurden vor allem die Städte Waldenburg in Schlesien und Dresden, sowie einige kleinere Stadtverwaltungen, u. a. auch in der Mark. Die Forkschen Erben, die zunächst Millionenver luste befürchteten, find durch den ungetreuen Anwalt um 235 000 Mark betrogen worden. Die erste Vermutung, daß Aron mit seiner Frau Selbstmord begangen habe, ist durch neue Feststellungen hinfällig geworden. Allem Anschein nach ist das Ehepaar nach der Türkei geflüchtet. Aron hatte sich nämlich, wie man jetzt er fährt, als Vorsitzender des von ihm gegründeten „Vereins für Rechtskunde" beim Auswärtigen Amt erkundigt, welche Balkan länder bei gewissen Strafsachen die Schuldigen nicht ausliesern. Aron erhielt die Auskunft, daß die Türkei nur bei ganz schweren Verbrechen, wie Mord und Raub an die deutschen Behörden aus liefere. Daraufhin verschaffte der Notar sich einen türkischen Paß und verschwand mit seiner Frau au« Berlin. Das Oberamt Geislingen (Württemberg) verurteilte einen Schofför zu 10 Mark Geldstrafe, weil er eine Strafe von 11 Mark wegen zu raschen Fahrens teilweise in Kupfergeld übersandt hatte. Das Oberamt steht auf dem Standtpunkt, daß der Schofför da durch die einer Behörde schuldige Achtung verletzt habe. Ein guter Fang in Prag. In Prag wurde der Direktor der Frankfurter Allge meinen Versicherungsgesellschaft Siegfried Sauerbrey im Deutschen Haus in Prag verhaftet. Die Verhaftung spielte sich in einer so diskreten Weise ab, daß keiner der zahlreichen Besucher eine Ahnung davon hatte, was eigentlich vorging. Alles war sehr erstaunt darüber, daß man den großen, ele ganten, schwarzhaarigen Herrn verhaftete, der seit vierzehn Tagen Stammgast des Restaurants war, der sich so gut zu benehmen wußte und der doch eigentlich nicht aussah wie ein Verbrecher. Er nannte sich Siegfried Heinrich und besaß den Paß seines Schwagers Seeger, den er dadurch verändert hatte, daß er an Stelle des Bildes des Paßinhabers sein Bild aus die betreffende Stelle klebte. Bei seiner Verhaftung fand man bei ihm 1000 Mark und 1000 Kronen. Bei seiner An kunft in Prag soll Sauerbrey 3000 Mark besessen haben. Die Vermutung, daß sich Sauerbrey in Prag befände, rührte daher, daß sich ein Paßkontrolleur in Eger erinnerte, einen Paß, der auf den Namen Seeger oder Saeger lautete und in Frankfurt ausgestellt worden war, an der Grenze gesehen zu haben. Da Seeger der Name von Sauerbreys Schwager ist, lag der Bedacht nahe, daß sich der flüchtige Direktor des Passes seines Schwagers bemächtigt hatte, der sich dann auch bewahrheitete. Vermischtes. L> Gut verzinste 50 Mark. Ein altes Mütterchen in Altona machte dieser Tage die erfreuliche Erfahrung, daß es doch noch dankbare Menschen gibt. Sie hatte kurz vor Ausbruch des Krieges einem jüngeren entfernten Ver wandten, der nach Amerika auswandern wollte, 50 Mark geborgt, weil ihm diese an dem zur Ueberfahrt usw. nöti gen Eelde fehlten. Er hatte ihr versprochen, sobald es ihm möglich sein werde, diese 50 Mark nebst Zinsen zurückzuer statten. Inzwischen ist aus der damals schon bejahrten Frau ein altes Mütterchen geworden, das die 50 Mark eigentlich schon längst in den Schornstein geschrieben hat; sie hat niemals wieder etwas von dem jüngeren Verwand ten gehört. Man begreift daher ihr freudiges Erstaunen, als dieser Tage ein mit vielen Siegeln und auslän dischen Briefmarken versehener Einschreibebrief in ihre Hände gelangte, dessen Inhalt aus einem Handschreiben und einem Scheck bestand. Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut: „Liebe Tante Marie! Hoffentlich finden Dich diese Zeilen noch bei guter Gesundheit und am Leben. Leider konnte ich meine Schuld nicht früher tilgen,- denn so einfach kommt man hier nicht vorwärts, auch wenn man sehr fleißig ist. Aber nun habe ich es doch so einigermaßen geschafft und kann Dir die SO Mark mit Zins und Zinses zinsen zurückerstatten. Vielen und herzlichen Dank noch mals dafür! Anbei ein Scheck über 1000 Dollar (4200 Mark)." Man muß sagen, daß dies gut verzinste 50 Mark sind. Für Geist und Gemüt. November. Vollendet ist der Erde Schaffen, sie sehnt sich nun nach weichem Bett, streift ab die goldenen Gewänder, dehnt schläfrig sich, legt ab kokett die letzte weiße Chrysantheme aus wlndzerzaustem, fahlen Haar, der Hagebutte Purpurkrone, entläßt der Sänger müde Schar; ? - des Regens graue Melodien r» . ... zerstören kalt den letzten Rausch — die Erde friert und streckt die Armes nach warmen Hermelines Flausch. Jutta Kracht. Humor. Eine Künstlerfamilie. „Ich sage Ihnen, das Näschen der Frau Werner ist ein Gedicht!" — „Und die Nase ihres Mannes ein Kupferstich!" Ein Kunstkenner. „Haben Sie in Rom auch die Sixtinische Kapelle kennen gelernt?" — »Natürlich — Kerle spielen großartig!" Les Ireundes Schuld und SWe. Original-Roman von Ludwig Berger. 6 „Gewiß nicht," erwiderte Grete zaghaft. „Ich habe so fort deine Partei genommen. — Nun setze dich zu uns und er zähle uns ausführlich, wie die Geschichte zusammenhängt." Haarklein schilderte er den ganzen Zusammenhang und zu seiner aufrichtigen Freude nahm er wahr, wie des ge liebten Mädchens Miene sich mehr und mehr aufhellte und wie ihre Augen, die unverwandt auf ihn gerichtet waren, wieder den Glanz vom Abend vorher annahmen, der ihm die freudige Gewißheit ihrer Gegenliebe gab. — Za, sie glaubte dem Manne, dem ihr ganzes Herz in keuscher Liebe geweiht war, sie verstand ihn, und alle früheren Wolken, die der Semmelkatrine Bericht wie der Mutter Ver mutungen über ihren lachenden Glückshimmel heraufbe- Ich^^bn hatten, wichen dem hellsten Sonnenschein. — Anders verhielt sich ihre Mutter; die kam von dem Arg wohn nicht los, und die Vorstellung, Wilhelm könne mit der Tannenhoferin doch auf vertrauterem Fuße stehen als er emraumen mochte, löste ein ganzes Heer von Gedanken in 'hr ID I"' wenn der Junge diese lebenslustige Witwe k-Aa gratete, dann wäre das schließlich gar nicht so übel. Man brauchte wegen der im nächsten Jahr fälligen Hypothek wenigstens nicht in Sorge zu sein. — Und noch etwas: Gretchen wurde von der Ucberzeugung loskommen, daß ihr HerZ.nur für den Jugendfreund in Liebe glühen könne. Sie fände am Ende Gefallen an Karl und würde womöglich doch dieses steinreichen Mannes Gattin. — „Nun, ich will die Witwe Hochfeld nicht schlechter machen als sie ist," sprach Frau Agnes jetzt weiter. „Man darf nicht allen Klatsch glauben. Sie ist eben anders als andere Frauen, geht auf die Jagd und hat so ihre besonderen An schauungen." „Lassen wir doch dieses Thema jetzt endlich fallen," fuhr Wilhelm ihr ins Wort. „Ich denke, es gibt Ergötzlicheres, über das wir uns unterhalten können." — Der Meinung war auch Gretchen, und bald war der Friede wieder völlig hergestellt. — Vater Normann kehrte erst zur Mittagsstunde vom Felde heim. Natürlich konnte die redselige Gattin nicht um hin, auch ihm Wilhelms Abenteuer sofort zu berichten. Da zog er die struppigen Augenbrauen hoch und wurde recht nachdenklich. — Frau Hochfeld war seine Gläubigerin, und viel hing für ihn von ihrer Gnade ab. — Wenn Wilhelm in der Hypothekensache etwas tun könnte, so würde ihm eine schwere Sorge abgenommen. — —. Am Nachmittag durfte der Gast mit Gretchen ganz allein in der Laube sitzen. Es stand fest bei ihm, schon heute das entscheidende Wort zu sprechen. Aber es fiel ihm schwer, es über die Lippen zu bringen: Wenn das geliebte Mädchen nun doch nichts anderes als Freundschaft für ihn empfände? Wäre es denn nicht auch vermessen, um ihre Hand zu werben, wo er ihr gar so wenig zu bieten vermochte? — Gewiß, man könnte warten, brauchte nicht schon in diesem Jahre zu heiraten. Sie ahnte offenbar nichts von dem, was ihn im Augenblick bedrückte, denn sonst würde sie nicht so harmlos geplaudert haben. — Jetzt ergriff er ganz un vermittelt ihre Hand, schaute ihr voll in die Augen, und die bange Frage, von der so unendlich viel für ihn abhing, brannte auf seinen Lippen. Erschreckt blickte Gretchen ihn an, und purpurne Glut flutete ihr ins Antlitz. Aber dann riß sie jäh die Hand aus seiner Rechten, sprang empor und rief im Ton höchsten Unmuts aus: „Wilhelm, wir werden belauscht! — Sieh, dort steht Karl hinter dem Kirschbaum! — Oh, nun werden wir ihn so bald nicht wieder los. — Er ist gar zu aufdringlich." — Und richtig, da tauchte die lange Gestalt des Afrikaners in einem Hellen Tropenanzug wirklich auf. — Die weißen Zähne blitzten durch seine schmalen Lippen und ein Aus druck von Spott lag auf dem tiefgebräunten Gesicht, indem er ausrief: „Oh, ich störe gewiß! — Bitte vielmals um Entschuldi gung! — Wollte nur eine Bestellung an Tante Agnes aus richten und suchte sie vergebens im Hause." „Mutter ist ins Dorf gegangen," erwiderte Grete kühl. „Um was handelt es sich denn?" — Lachend ließ er sich ebenfalls auf der Bank in der Laube nieder, ohne dazu aufgefordert zu sein, und sprach dann in jenem scherzenden Ton, den er so gerne anschlug: „Deine Mutter findet Gelegenheit, sämtliche Wäsche stücke für deine Aussteuer äußerst preiswert zu kaufen. So eben wurde mir durch einen Bekannten ein Angebot ge macht, das mich geradezu verblüfft hat. Mein Bedarf ist ja freilich gedeckt. Doch Tantchen sprach neulich von Neu anschaffungen. Darum bin ich also hier, und ich denke, du wirst mir gestatten, bestes Kusinchen, die Rückkehr deiner Mutter bei euch abzuwarten. Und Sie, mein lieber Herr Hartung," wandte er sich daraus an diesen, „waren gewiß gerade dabei, Ihrer Jugendfreundin von einem interes santen Abenteuer im Walde zu berichten. — Hähähä! — Sind ein Schwerenöter, das muß ich jagen!" Entrüstet fuhr Wilhelm zusammen, maß den witzigen Herrn mit ein paar keineswegs liebenswürdigen Blicken und erwiderte dann sehr ernst: „Bitte, unterlassen Sie solche Scherze! Ich bin kein Abenteurer und weiß nicht, was Ihnen Veranlassung zu dieser Bemerkung gegeben haben könnte." „Nun, nun, nur nicht gleich böse werden!" fuhr Karl Normann mit höhnischem Grinsen fort. „Ich wollte Sie keineswegs kränken. Aber man sprach in Kunzmüllers Wirtschaft vorhin von Ihnen, und der Pächter Gabler be richtete, er habe Sie mit der schönen Tannenhoferin im Walde an einem lauschigen Plätzchen — auf einer Moos bank glaube ich — überrascht. — Die edle Weidmännin soll äußerst charmant gegen Sie, ihren einstigen — Verehrer gewesen sein." — Da flammte es wie ein blauer Blitz in Wilhelms Augen auf und mit bebender Stimme schrie er: „So werde ich dieses Klatschmaul zur Rede stellen! — Es ist eine Beleidi gung, wenn er mich den ehemaligen Verehrer einer Frau nennt, die mir im höchsten Grade unsympathisch ist! — Wie kommt der Mensch darauf?" „Rege dich nicht aus, Wilhelm," suchte Grete den Zor nigen zu beschwichtigen. „Gabler ist als Schwätzer allge mein bekannt. Er verdient es nicht, ernst genommen zu werden." (Forti. iolllt-I
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