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Rabenauer Anzeiger : 19.04.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-192904190
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19290419
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19290419
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-04
- Tag 1929-04-19
-
Monat
1929-04
-
Jahr
1929
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Das GeheinmiS'des Erfolges. Nicht die geringste Schwierigkeit einer Eini gung bei den Pariser Verhandlungen über die künftige Höhe der jährlichen deutschen Reparationsleistungen liegt darin, daß von mehreren alliierten Staaten darauf hingearbeitet wird, eine enge und unlösliche Verbin dung zwischen den deutschen Leistungen und denSchul - denverpflichtungen der alliierten Län der gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika herbeizuführen. Verknüpft wird ein solcher Versuch mit dem Argument, daß es dann ja nur an Amerika liege, die deutsche Schuldsumme erträglich zu gestalten, da jede Erleichterung, die die Vereinigten Staaten ihren frühe ren Verbündeten zubilligten, alsdann Deutschland zu gute kommen und die Reparationsschuld entsprechend verringern müsse. Amerika aber als „einziger Nutznießer des Krieges" könne angesichts seiner einzig dastehenden Prosperität sehr wohl darauf verzichten, die von ihm während des Krieges an seine Verbündeten ausge liehenen, dann aber in Form von Warenkäufen und Lie ferungen doch wieder in die Wirtschaft der Vereinigten Staaten fast restlos zurückgeflossenen Summen, in ihrer ganzen Höhe wieder zu beanspruchen. — Es ist bekannt, daß Amerika bisher auf diesem Ohr vollkommen taub geblieben ist, und es dürfte es auch fernerhin bleiben! Ist denn nun die Prosperität Amerikas tatsächlich so enorm, wie man allgemein in der Welt annimmt, und welches sind die Geheimnisse des sagen haften amerikanischen Erfolges? Was die erste Frage angeht, so kann man sie — ohne allerdings die weitere Zukunft in das Feld der Betrachtungen ein beziehen zu wollen — ohne weiteres bejahen, wie sich dies auch aus den im Folgenden noch näher zu er örternden Einzelheiten ergeben wird. Was aber die Ge heimnisse des amerikanischen Erfolges angeht, so geht das Urteil über die Gründe dieses, in der modernen Ge schichte beispiellosen Aufschwungs in den Vereinigten Staaten selbst sehr weit auseinander. Während ein großer Teil der Fachleute die Prosperität der amerikani schen Wirtschaft restlos dem Umstand zuschreibt, daß man eine eben ganz ungewöhnlich günstige Konjunk- t u r mit besonderem Glück und ungewöhnlichem Geschick auszunutzen verstanden habe, legen andere vor allem in politischen und wissenschaftlichen Kreisen fußende Beur teiler der Lage das Hauptgewicht auf den Reichtum Amerikas an den Durchschnitt weit übertreffenden Führernaturen. Wie weit der Glaube an den „Wirtschaftsführer" in U.S.A. geht, zeigt eine Rund frage, die dieser Tage von der Harvard-Univer sität an 15 000 Leiter größerer wirtschaftlicher Unter nehmungen gerichtet worden ist, und in der diese Män ner um „das Geheimnis ihres Erfolges" befragt wer den. Das Charakteristische hierbei ist, daß die bei dieser Universität bestehende Milton-Stiftung, an die die Antworten der 15 000 Wirtschaftsführer gehen wer den, die ihr zur Verfügung stehenden Millionen ledig lich dazu anwendet, den autorisierten Erziehern des Heranwachsenden amerikanischen Geschlechts, nämlich den Schul- und Seminariendirektoren, Professoren usw., alle erfahrungsgemäßen Tatsachen zur Verfügung zu stellen die geeignet sind, das Heranblühen einer Genera tion von befähigten Wirtschaftlern zu erleichtern. Aber mindestens ebenso starken Eindruck, wie dieses zielbewußte, wissenschaftliche Bemühen „Wirtschaftsfüh rer" sozusagen in der Retorte auszukochen, machen denn doch auch einige Z a h l e n, die der bekannte Präsi dent der Internationalen Handelskammer, Dr. Alberto Pirelli, nach einer amerikanischen Reise vor der Handelskammer von Manchester zur Erklärung der wirtschaftlichen Uebermacht Amerikas geltend machte. Die Entwicklung der Vereinigten Staaten ist seit der Kriegskonjunktur in wahnsinniger Hast vor sich gegangen: In U.S.A. befinden sich heute nicht weniger als zwei Drittel aller bankmäßigen Reserven der Welt mit 56 von 86 Milliarden Dollars. Die Be völkerung ist in den letzten 25 Jahren um 60 Prozent angewachsen — dieindustrielle Produktion um 300 Prozent. In den letzten 7 Jahren fiel die Er höhung dieser Produktion um ein Drittel mit einer Verminderung des Personals um 8^ Prozent zusam men. was eine entsmeckiende Vermehrung des maschi nellen Arsenals bedeutet. Durch die Rationali sierung — so hat man ausgerechnet — ist die Hand arbeit in Industrie, Landwirtschaft und Eisenbahnen um 2 Millionen zurückgegangen, während in der gleichen Periode das Personal der Telephongesellschaften, die Automobilchauffeure, die Hotel- und Gastwirtschafts- kellner und die Friseurgehilfen um etwas mehr als dis gleiche Zahl zugenommen haben. Bei einer Einwohner zahl von 6 Prozent der ganzen Weltbevölkerung ver fügen die Vereinigten Staaten über 80 Prozent aller Automobile, 60 Prozent der Telephone und Telegraphen, 33 Prozent der Eisenbahnen. Das Land verbraucht 35 Prozent der gesamten elektrischen Kraft der Welt. Sein Export ist in 5 Jahren um 1 Milliarde Dollars an Wert und 40 Prozent an Um fang gestiegen. Es produziert 70 Prozent des Petro leums, 60 Prozent des Weizens und der Baum wolle, 50 Prozent des Kupfers und 40 Prozent des Blei- und Kohlenertrages der ganzen Erde. Seine 120 Millionen Einwohner verfügen über eine größere Kaufkraft, als die 500 Millionen Europäer zu sammen, ganz zu schweigen von der Milliarde Asiaten. Es ist eins überaus beredte Sprache, die diese Zah len sprechen. Wie wäre es, wenn man sie fein säuber lich auf Seidenpapier druckte, und wenn man Herrn Morgan und den übrigen amerikanischen Sachver ständigen, die in Paris die Leistungsfähigkeit Deutsch lands gegenüber der Möglichkeit für Amerika abzu wägen haben, die alliierten Schulden zu streichen und auf diese Weise das Problem der Reparationen zu lösen, jeden Morgen die belegte Stulle, die sie zum Frühstück mit in die Sachverständigenkonferenz nehmen, in ein derartig bedrucktes Stück Seidenpapier einpackte? Wirtschaftsumschau. Erfreulicherweise hat die Belebung des Frühjahrsge schäftes weitere Fortschritte gemacht. Am besten zeigt sich das in dem neuen größeren Rückgang der Arbeitslosenzis- fer, die für die beiden letzten Wochen um mehr als 400 000 nachgelassen hat. Allerdings ist hierbei zu bedenken, daß diesmal die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahre ganz beträchtlich höher gewesen ist und daß demgemäß auch jetzt noch ein bedeutender Rückgang erforderlich ist, um wenig stens den vorjährigen Stand zu erreichen. Interessant ist, daß der soeben herausgekommene Vier teljahrsbericht der Vereinigten Stahlwerke, des größten deutschen Montanunternehmens, für den 31. März d. I. eine Vermehrung der A r b e i t e rz a h l auf 171076 oder um mehr als 4000 gegenüber dem Jahresanfang fest- ftellt und gleichzeitig eine erhebliche Steigerung des Üm- mtzes auf 358,64 Millionen gegenüber 275 Millionen im Vorjahre erzielt werden konnte. Bei diesem Vergleich ist zwar zu berücksichtigen, daß das letzte Viertel des verflosse nen Jahres durch die Novemberaussperrung in der Eifen- industri« eine außergewöhnliche Beeinträchtigung erfahren hatte. Ein Zeichen der Besserung der Geschäftslage ist jedoch unbedingt die Zunahme des Auftragsbestandes am 31. März d. I. gegenüber dem Jahresanfang um volle 10 Prozent. Gleichzeitig wird aber auch aus der Bau-llnter- nehmungein fortschreitendes Wachsen der Beschäftigung gemeldet, wenngleich die andauernde Schwierigkeit der Kapitalbeschaffung und namentlich auch die Ver teuerung der Zinsen und Baukosten im allgemeinen noch immer ein großes Hindernis bedeutet. Man fordert desto lebhafter die Bereitstellung öffentlicher Mittel für zweitstellige Beleihungen und eine größere Beteiligung des Privatkavitals mit der Vorausfetzüna. daß besonders der Inland und Ausland. Was die Reichsbahn nebenher einnimmt. Die Einnahmen aus den Bahnwirtschaften betrugen im Jahre 1928: 13,6 Millio nen, aus den Buchhandlungen 2,1 Millionen, aus den Automaten 1,5 Millionen und aus sonstigen Verkaufsständen, Wechselstuben usw. 3,16 Millionen Mark. Die Reichsmittel sür den Luftschiffbau Zeppelin, 4,5 Mil lionen, sollen, wie der württembergische Finanzminister mttteilt, infolge der Sparmaßnahmen beim Reichsetat sortfallen, so daß auch die Bereitstellung von 2 Millionen Mark aus württem- bergischen Landesmitteln fraglich geworden ist. Ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums will in Berlin versuchen, wenigstens einen Teilbetrag für Friedrichshafen zu retten. Die Wiederherstellung der Beziehungen Englands zu Sowjetrußland, die staatliche Unterstützung aller wirtschaftlich Notleidenden, sowie die Revision der Frledensverträge, insbesondere des Artikels über die Kriegsschuldfrage hat Macdonald in einer Wahlrede in Glasgow gefordert. Der neue Vorsitzende des Ausstichtsrates der Internatio nalen Werst in Danzig, der Franzose General Le Rond, ließ einem großen Teil deutscher Beamter, Angestellter und Arbeiter nahelegen, auf ihre Stellungen zu Gunsten französischer Techniker und Facharbeiter zu verzichten. GerichlshaUo ( ) Versassungvfeier ist Schulpflicht! Ein Vater oder Erziehungsberechtigter, der schulpflichtige Kinder an der von der Schule veranstalteten Netchsverfassungsfeier nicht teilnehmen läßt, macht sich einer llebertretung-des preu ßischen Schulgesetzes schuldig. Diese Entscheidung ist vor kurzem vom ersten Strafsenat des Kammergerichts getrof fen worden. Das Schulgesetz sieht für derartige Uebertre- rungen Geldstrafe bis zu 25 Mark vor. Der Einwand des Erziehungs-Verantwortlichen, daß die ihm anvertrauten Kinder durch die Verfassungsfeier etwa in einer partei politischen Richtung beeinflußt würden, die seiner eigenen politischen Ueberzeugung widerspräche, sei kein ausreichen der Entschuldigungsarund für das Versäumen einer Ver anstaltung, die von den Schulbehörden angeordnet ist. Lohnaufwand keine weitere Erhöhung mehr erfährt. Aber gerade nach dieser Richtung hin liegen die Verhältnisse nach wie vor nichts weniger als günstig. Die Gegensätze zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, besonders soweit es sich um die Tarifverträge und Lohnforderungen handelt, treten fortgesetzt in höchst unerfreulicher Weise vor. Offensichtlich wird hierdurch die Unternehmungslust im allgemeinen noch immer stark gehemmt. Eine weitere Sorge bereitet unentwegt die Entwicklung der Eeldverhältnisse, namentlich soweit der internationale Markt in Betracht kommt, von dem der deutsche Markt in hohem Maße abhängig ist. Besonders in Neuyork ist der Zinssatz nach einem Rückgang bis auf 6 Prozent in den letzten Tagen schon wieder auf 10 Prozent gestiegen. Die befürchtete Neuyorker Diskonterhöhung ist allerdings noch nicht eingetreten, vielmehr ist seitens maßgebender Stellen erklärt worden, daß man drüben ohne eine derartige Maß nahme durchzukommen hofft. Dessenungeachtet stockt der Zufluß von Äuslandsgeldern nach wie vor noch gänzlich. Interessant ist, daß die schon seit einigen Wochen in Neu york weilenden Direktoren der J.E. Farbenindustrie sFar- bentrustj infolge der fortdauernden Schwierigkeiten des amerikanischen Geldmarktes ihre Verhandlungen ebenfalls noch nicht zu einem Abschluß bringen konnten. Hier hat die Nachfrage nach Dollar nach einem -zeitweiligen Rück gang neuerdings zugenommen, obgleich man immer wieder behauptet, daß eine Uebertragung deutscher Gelder nach Neuyork zur Ausnutzung der dortigen höheren Zinssätze nicht erfolgt. Auch der Dollarkurs ist neuerdings gestiegen und hat für Dollarnoten bereits den ungewöhnlichen Stand von über 4,22 erreicht, so daß die Gefahr von weiteren Gold-Ausgängen aus der deutschen Neichsbank fortbesteht. Das muß um so mehr beunruhigen, als der letzte Aus weis der Reichsbank allein für die erste Aprilwoche einen neuen Eoldverlust von über 103 Millionen Mark er gabt, wozu noch Devisen-Ausgänge von mehreren Millionen Mark kommen. Gegenüber den früheren, recht erheblichen Gold- und Devisenbeständen ist nunmehr bereits eine be trächtliche Verminderung zu verzeichnen. Der an sich immer noch recht stattliche Goldbestand ist bereits um mehr als MO Millionen niedriger als zur gleichen Zeit des Vor- juhre^ zeigt indessen gegen das Jahr 1927 auch jetzt noch eine Erhöhung von mehr als 700 Millionen. Ser GelMiestrSger. Von Hermann Wagner. (Nachdruck verboten.) Niemand ist heutzutage so angesehen wie ein Mann, der Geld hat. Aber wer hat heutzutage noch Geld? Niemand. Wenn also heutzutage trotzdem jemand noch Geld hat, dann ist er kein Niemand. Dann ist er ein Jemand. Wer aber möchte in diesen mageren Zeiten nicht gern ein Jemand sein? Auch ich möchte das natürlich, obwohl ich vermöge meines leeren Geldbeutels nicht den mindesten Anspruch daraus habe. Ich bin, Weitz Gott, der reinste Niemand, und wenn es jemand gab, der mich aus diesem Grunde auf das tiefste verachtet hat, dann war das Frau Petermann, bei der ich ein möbliertes Zimmer gemietet habe. Als Frau Petermann die Gewogenheit hatte, mir gegen eine Monatsgage von fünsundsechzig Mark ihr fein-möbliertes Zimmer znr Verfügung zu stellen, da unterzog sie mich zunächst einem strengen Verhör, indem sie mich vor allen Dingen fragte, was ich denn mache. Nun im allgemeinen mache ich nicht sehr viel, woran meine natürliche Veranlagung schuld ist, die dahingehl, mich möglichst zu schonen. Ich sagte also, ich schreibe. „Sie sind ein Schreiber?" ^Wo schreiben Sie?" .Auf meiner Schreibmaschine." Fran Petermann fragte: „Was?" Ich sagte: „Was mir gerade so unter die Maschine kommt. Liebesbriefe, Gedankensplitter, Kalendergeschichten, Schüttel reime, Sensationsromane, Witze und Operntexte." „Bringt das was ein?" „Oh", sagte ich, „Sie werden staunen!" Frau Petermann war zu diesem Staunen gern bereit. Es wäre mir leicht gewesen, nicht nur ihre Achtung, sondern ihre vorzügliche, ausgezeichnete und ganz ergebene Hochachtung zu erringen, wenn wenn nur der Geldbriefträger, der mir meine Honorare zu bringen pflegt, öfters zu mir ins Haus gekommen wäre. Aber er kam höchst selten Es lag ihm offenbar nicht viel an mir. Das war der Grund, weshalb Frau Petermann nichts von mir hielt. Sie meinte, die Sachen, die ich schrieb, könnten nicht viel taugen, da sich der Geldbriesträger gar so selten bei mir blicken lieb. Sie hatte sich Vas ganz anvers vorgestellt. Sie hatte ge glaubt, daß, wer Operntexte schriebe, im Geld nur so wühlen müsse. „Liebe Frau", sagte ich zu ihr, „Sie verwechseln Opern texte mit Opereltentexte... Wissen Sie, datz der Dichter des schönen Liedes ,Jch hab' das Fräulein Lu gesehn', zwei Mil lionen Mark daniit verdient hat?" „Run also", sagte Frau Petermann, „warum schreiben Sie nicht solche Sachen?" „Nur Geduld", sagte ich, „das kommt noch." Und ich grübelte unablässig darüber nach, wie ich die Mitz- achtung, die Frau Petermann gegen mich empfand, in Hoch achtung, Bewunderung und Devotion verwandeln könnte. All meinen Ehrgeiz strengte ich an, erfand Geschichten mit den verblüffendsten Pointen, und schrieb in einem so rasenden Tempo, datz meine Schreibmaschine Baumöl schwitzte. Das Ergebnis war trotzdem kläglich. Der Geldbriefträger kam nach wie vor wöchentlich höchstens einmal... „Nun?" sagte Frau Petermann höhnisch. „Oh!" rief ich verzweifelt aus, „Sie werden schon noch Augen machen!" Und Frau Petermann machte tatsächlich Augen. So grotz wie Wagenräder. Sie riß Mund und Ohren auf. Denn was geschah? Es regnete plötzlich Postanweisungen auf mich nieder! Der Geldbriefträger kam von jetzt an täglich. Er kam früh nnd nachmittags. Und er wäre auch abends gekommen, wenn oas postalisch möglich gewesen wäre. ' Woran lag das? „Ich schreibe jetzt Operettenschlager", sagte ich schlicht zu Frau Petermann. Frau Petermann erzählte das natürlich weiter. Bald wutzle es das ganze Haus. Dann wußte es auch die ganze Straße. Und schließlich sprach man im ganzen Bezirk davon. Mit einem Schlage war ich ein Jemand. Alle Leute grüßten mich devot. Die Frauen lächelten mich an. Und die Kinder sagten, ich sei ein Dichter. „Höre", sagte ein Freund neiderfüllt zu mir, „ist es wahr, datz bei dir täglich der Geldbriefträger ein und aus geht?" „Ich kann es nicht leugnen", gab ich zur Antwort. „Willst du mir nicht verraten, wie du das machst?" „Oh", sagte ich, „sehr einfach. Ich gebe täglich zwei Post anweisungen an mich selbst auf. Das kostet zwar Porto, aber die kleine Auslage lohnt sich, weil mein persönliches Ansehen dadurch steigt." Trotzdem- ärgerte ich mich ein wenig, als Frau Petermann heute zu mir sagte: „Ach, Herr Doktor, Sie verzeihen. Es han- velt sich um die Miete. Sie nehmen es mir doch nicht übel, wenn ich diese um zwanzig Mark erhöhe? Sie haben es ja dazu! Nicht wahr?" M Wrung der Nobelpreise. Von " Otto Saft. (Nachdruck verboten.) Es ist nicht allgemein bekannt, datz die ersten großen indu striellen Erfolge Alfred Nobels von einem kleinen Orte an der Südspitze der Provinz Schleswig-Holstein aus- gegangen sind. Wenn wir mit einem der Lauenburger Dampfschiffe von dem alten und interessanten Städtchen Lauenburg aus ew- abwärts fahren, so gelangen wir alsbald nach d/m „ Tesperhude, den wir, wegen seiner schönen Lage auf °en be waldeten Geesthöhen, das Blankenese der Oberelbe nennen können. Von Tesperhude erreichen wir nach kurzer Wanderung an dem reizvollen Elbnfer entlang die ehemalige Dynamlt- fabrik Krümmel oder, wie ihr osfiztewer Name lautete: Dynamit-Aktiengesellschaft, vormals Alfred Nobel LEo. Nicht ohne leise Scheu nahten wir uns früher de': Anlage, auf dem die zahlreichen Erdhütten uns das Gewhrl ehe der Dhnamit- fabrikation andeuteten. Einst war die Favril die bedeutendste Dynamitfabrik des Kontinents; von hier aus ging zuerst das gewaltige Mittel der modernen Sprengtechnik, das wir Alfred Nobel, dem Stifter der Nobelpreise, verdanken, in die Welt. Schon als Mitarbeiter srj"rs Vaters war Alfred Nobel be müht gewesen, ein gutes Sprengmittel herzustellen. Im Jahre 1862 stellte er zuerst das NUrbAhZerm ,m her; und nun schritt er zur Errichtung der ^"vurltfabrik Krümmel an der Elbe, die nicht ^'letzt wegen ihrer vorzüglichen Lage (an der großen Wasserstraße der Elbe und nicht weit von der Hansa- stadt Hamburg) we g^ Europas ward. Das Dynamit ha'sich ^!l^>na^ ein furchtbares, aber auch als ein nützliches "'a"ch großes Werk der Jngcmeur- kunst, ww oer Bau von Tunnels in Gebirgen, wäre ohne das Dynamtt nicht zustande gekommen - A von der Dynamitfabrik Krümmel ent- hamburgischen Gemeinde Geesthacht die ehe- mallge Pulverfabrik Düneburg, die eine Niederlassung der Koln-Noliwetter Pulverfabrik war. Beide Fabriken — Krüm- mel und Tüneburg — sind der Zwangsabrüstung zum Opfer gefallen; heute dienen sie der Herstellung von Linoleum und anderen harmlosen Gegenständen. Schwer aber lasten noch jetzt die wirtschaftlichen Folgen dieser Umstellung auf den Orten, die an dem Gedeihen dieser Fabriken wirtschaftlich interessiert waren. Die Stadt Geesthacht hat prozentual die größte Zahl Arbeitsloser von allen deutschen Städten.
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