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Rabenauer Anzeiger : 19.06.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-192906192
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19290619
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19290619
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-06
- Tag 1929-06-19
-
Monat
1929-06
-
Jahr
1929
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Llnsere Finanznöie. Sv Es hieße die bekannten Eulen nach Athen tragen, wollte man erst noch einmal ausdriicklny fest stellen, daß die finanzielle Lage des Reiches zu Beginn des Rechnungsjahres eine außerordentlich trübe und gefahrdrohende war, und daß die Verhältnisse sich inzwischen in keiner Weise gebessert haben. Mit großer Offenheit ist darüber im Reichstag gesprochen worden. Immer und immer wieder mußte der Finanz minister auf die Nöte Hinweisen, die zum großen Teil auf die verfehlte Finanz- und Wirtschaftspolitik ver gangener Jahre zurückzuführen waren, immer und im mer wieder mußte man nach mehr oder weniger lang fristigen Mitteln suchen, um dieser Nöte, wenigstens für den Augenblick, Herr zu werden. Aber bei alledem lag doch noch eine gewisse Aussicht vor, diesen Gefahren die Spitze abzubrechen, wozu sich verschiedene Wege zu bieten schienen. Hierhin gehört zunächst einmal das Bemühen, durch Ersparnisse auf der Ausgabenseite des Reichshaushaltes ein besseres Gesamtbild der Bilanz zu erreichen. Dann verfiel man auf den — an dieser Stelle übrigens von Anfang an kritisch bewerteten — Ge danken einer großen inneren Reichanleihe. End lich hatte man auch noch ein gewißes Recht, anzunehmen, die Pariser Reparationsverhandlungen würden in ihrem Resultat eine nicht unbeträchtliche Er leichterung der auf uns lastenden finanziellen Bedürf nisse mit sich bringen. Nun, wir wissen heute, daß irgend ein Grund, das Pariser Gesamtergebnis mit schallendem Jubel aufzu nehmen, nicht vorhanden ist^ daß sich aber die Erwar tungen zumindest insoweit erfüllt haben, als sich auf Grund des neuen Neparationszahlungsplanes für die ses Jahr etwa 4—500 Millionen Ersparnisse für den Reichshaushalt ergeben. Und, wenn man dieses Er gebnis vernünftig in die allgemeine Bilanz einstellt, so ist das doch immerhin etwas! Was nun die Reichsanleihe angeht, so hat es sich in zwischen wohl ziemlich allgemein herumgesprochen, daß sie sich zu einem recht unangenehmen Mißerfolg ausgewachsen hat. Für 500 Millionen wurde dem Reichsfinanzminister die parlamentarische Genehmigung erteilt, 300 Millionen hat er zunächst auflegen lassen, und was ist eingegangen: Ganze knappe 180 Millionen! Da wendet sich der East mit Grausen! Fast zu einer ebenso großen Enttäuschung scheint sich die Möglichkeit von Ersparnissen auf der Ausgabenseite des Haushaltes auszuwachsen. Zwar haben die Parteien mit großem Eifer sich auf ein S p a r p r o g r a m m ge einigt und erhebliche Beträge abgestrichen, aber auch hier ist unerwartet das dicke Ende hinterheraekommen: Bei Abschluß der Ergebnisse des am 31. März abge laufenen Rechnungsjahres hat sich ein Defizit von 154,4 Millionen ergeben, und außerdem verlautet aus gutinformierten Kreisen des Finanzministeriums, daß sich die Schätzungen, auf Grund deren die einzelnen Steuern in die Rechnung des neuen Haushalts einge stellt worden sind, in der bisherigen Entwicklung als beträchtlichzuhoch erwiesen haben. Während sich so bei den zur Bekämpfung der finanziellen Misere ins Auge gefaßten Mitteln wieder einmal gezeigt hat, daß nicht alle Blütenträume reifen haben sich die fälligen Lasten des Reiches keineswegs verringert. Das Reich hat demnächst aufzubringen 1.) 154,4 Millionen Mark als Fehlbetrag aus dem abgeschlossenen Rechnungsjahr, 2.) den bekannten Drei monatskredit der Banken in Höhe von 180 Mil lionen, der Ende Juli fällig wird, 3.) die, wie man sich erinnert, auf den Ertrag der Reichsanleihe von be stimmter Seite vorgeschossenen 120 Millionen, 4.) die nach den bisherigen Erfahrungen zu erwartenden Min dererträge aus Steuern des laufenden Etatsjahres. Die sen Erfordernissen steht an D i s p o n i b i l i t ä t e n zu ¬ nächst nur der kümmerliche Anleiheertrag mit 178 Mil lionen Mark gegenüber. Hierzu könnten späterhin dann noch die etwaigen Ersparnisse auf Grund des neuen Re parationszahlungsplanes kommen sowie eventuell die Abdeckung von 100 Millionen Mark, die das Reich seinerzeit als Kredit an die Reichsbahn gegeben hat, auf deren baldige Rückzahlung man aber nicht unbedingt rechnen darf. Nun ist aber unsere Aufzählung der not wendigen Mittel insofern unvollständig, als ja jeweils zu Beginn des Monats ca. 300 Millionen für laufende Ausgaben aufgebracht werden müssen, die dann erst im Laufe des Monats auf dem Steuerwege wieder ein gehen, was natürlich auch zu einem Minus an greif baren Mitteln führt, da ein Vetriebsmittelfonds immer noch nicht vorhanden ist. Diese Darstellung der Finanzlage ist aber immer noch in gewisser Beziehung als allzu optimistisch zu be- trachten.Wie man in gutinformierten Kreisen hört, sollen nämlich die aus der neuen Reparationsregelung sich er gebenden Ersparnisse nicht zu einer Verbesserung des Budgets verwandt werden, sondern vielmehr in erster Linie der — wie man ohne weiteres zugeben muß — übermäßig schwer belasteten W i r t schäft zugutekom men und dazu dienen, dieser ihre fiskalischen Lasten, die sie als Steuern und Ausgaben bisher aufzubringen har, zu erleichtern. Es dürfte selbst den gewiegtesten Finanzpolitikern nicht leicht fallen, einen Ausweg aus diesen Wirrnissen und Schwierigkeiten zu finden, und es kann nicht Wun der nehmen, daß von den verschiedensten Seiten unter dem Motto, daß unter den gegebenen Verhältnissen nur eine „Finanzpolitik der starken Hand" helfen könne, ver langt wird, daß die bestehenden Finanzgesetze tiefergreifenden Aenderungen unterzogen werden. Man denkt hierbei u. a. auch an die augenblicklich in Kraft befindliche Verteilung der Steuereinah men zwischen Reich und Ländern und macht geltend, daß der Verteilungsschlüssel im verflossenen Jahr dazu führte, daß das Reich trotz steuerlicher Mehreingänge eine Mindereinnahme zu verzeichnen hatte, da das Steuerplus von 162,4 Millionen auf die von den Län dern beanspruchten Reichssteuern entfiel, während die dem Reich verbliebenen Steuerarten zurückgegangen waren. So erlebte man das Schauspiel, daß gegenüber einem Steuermehrertrag von 162,4 Millionen das Reich 198 Millionen mehr an die Länder abführen mußte, was als eine offenbare Anomalie angesehen wird. Allerdings darf man nicht vergessen, daß auch eine Neuverteilung der Steuereinnahmen dem Reich keines falls flüssige Mittel in genügender Höhe ver schaffen kann. Auf der Suche nach gegeigneten Wegen wird man sich eben doch noch recht gründlich überlegen müßen, ob nicht die Möglichkeit besteht, die Ersparnisse aus der neuen Reparationsregelung einer Erleichterung der Kassenlage dienlich zu machen. Frankreich verschleppt die Räumung. Dte Unterhaltung Briand—Stresemann in Madrid. Zu der Privatbesprechung, die die Außenminister Deutschlands und Frankreichs hatten, meldet der Madrider Lertreter der Havas-Agentur, die beiden Staatsmänner hätten sich zum Erfolg der Sachverständigenkonferenz be glückwünscht und beschloßen, zu gegebener Zeit mit allen interessierten Mächten die praktischen Schlußfolgerungen aus diesem Ergebnis zu ziehen. Sauerwein faßt in einer Madrider Meldung das Ge bot der Stunde in folgende drei Punkte zusammen: 1. Stre semann und Briand können von sich aus keine Entscheidung treffen. All« beide seien der Meinung, daß in Ueberein stimmung mit ihren früheren Besprechungen und mit dem Genfer Protokoll vom September die Annahme des Sach verständigenberichts durch die Regierungen auch die An nahme der Räumung zur Folge habe unter der einzigen Voraussetzung s!). daß ein vertragsmäßiges Regime dazu diene, Zwischenfälle in der entmilitarisierten Zone zu ver meiden. 2. Die verschiedenen Beschlüsse sollten gefaßt wer den entweder von den Signatarmächten des Rheinlandcs oder von den Gläubigerstaaten Deutschlands oder gemein sam von den Besatzungsmächten. Es sei aber klar, daß Deutschland, Frankreich und Belgien bei weitem die inter essiertesten Staaten seien. 3. Die Neuordnung sei drin gend, da Frankreich bis zum 1. August die Schuldenabkommen ratifizieren müsse. Es wär« bedauerlich, wenn Briand und Stresemann in Madrid nicht die Gelegenheit benutzen würden, jetzt schon das Gelände zu erforschen, um kostbare Zeit zu gewinnen Wenigstens eine Entscheidung könne aus ihrem Gedanken austausch hervorgehen, nämlich diejenige, den anderen in teressierten Mächten schon jetzt Ort und Datum der poli tischen Konferenz vorzuschlagen und die vorbereitenden technischen Arbeiten zu beschleunigen. Graf Julius Andrassy Der frühere Außenminister Graf Julius Andrassy, der sich wegen eines schweren Leidens einer Operation unter ziehen mußte, ist um 18 Uhr an den Folgen der Operation im Alter von 68 Jahren gestorben. Graf Julius Andrassy wurde am 30. Juni 1860 als Sohn des bekannten im Jahre 1890 verstorbenen ungarischen Staats mannes gleichen Namens geboren Seit 1881 hatte sich Andrassy. der zunächst als Botschaftsattache in Konstantinopel und Berlin tätig war, der parlamentarischen Tätigkeit im ungarischen Ab geordnetenhaus gewidmet. Kurz vor dem Kriegsende wurde er der letzte gemeinsame Außenminister der Donau monarchien. Die Revolution erhob ihn seines Amtes. Anlaß lich der letzten Wahlen im Dezember 1926 wurde Andrassy weder ins Abgeordneten-, noch ins Oberhaus gewählt. Wieder holt nahm er Veranlassung, sich in scharfen Äußerungen über die gegenwärtige Regierung in Ungarn auszusprechen. Inland VN» Ausland. Ueber die Reformier Arbeitslosenversicherung ist in den Koalitionsbesprechungen eine gewisse Annäherung erzielt worden. Es dürfte eine Erhöhung der Versicherungsbeiträge um ein halbes Prozent und die Ausschaltung der Lehrlinge und der halbbeschäf- ttgten Pensionäre aus der Versicherung kommen. Umstritten ist noch die Ausschaltung der Saisonarbeiter. Rcichstagsprüfident Löbe und Abg. Crtspien werden nächste Woche mit anderen ausländischen Sozialistensührern in Warschau Gäste der polnischen Sozialisten-Partei und des Sejmmarschalls Daszynjki sein. Die Zahl der Arbeitslosen ist in der Zeit vom 15. bis zum 31. Mai weiter gesunken, und zwar in ganz erheblichem Maße- Während es Mitte Mai noch 927 000 Hauptunterstlltzungsem- psänger gab, waren es am Ende des Monats nur noch 807 000. Die neue englische Arbetterregierung hatZdem Internatio nalen Arbeitsamt in Genf mitteilen lasten, daß sie bereit ist, das Washingtoner Abkommen über den Achtstundentag sofort zu rati fizieren. Der deutsche Botschafter in Amerika von Prittwitz und Gaffron wurde zum Ehrendoktor der Universität von Syracuse >m Staate New Pork promoviert. Prittwitz hielt seine Doktor» rede über das Weltbürgertum. »Es sei," sagte er, „eine wesent liche Aufgabe der Diplomatie, dafür zu sorgen, daß die Völker dte Grenzen als Brücken, nicht als Schranken ansehen." Kommerzienrat Colsman wird, wie der Lustschiffbau Zeppe lin mitteilt, in freundschaftlichem Einvernehmen seine Stellung als Generaldirektor des Luftschiffbaus Zeppelin am 1. Juli niever- legen, um sich volkswirtschastltchen Aufgaben zuzuwenden. Mussolini tut alles, um dem auch in Italien beginnenden Rückgang der Beoölkerungsoermehrung entgegenzuarbctten. Jetzt ist das Gesetz, nach dem Soldaten nicht vor dem 25. Lebensjahre heiraten dürfen, ausgehoben worden. VerichtshaUe« Das Düsseldorfer Gericht verurteilte den Landesobersekretär Leeven, der in den Jahren 1921 bis 1928 die Provinzialheil- und Pflege-Anstalt Galkhaus, das Knabenheim Bernardshos und das Reich durch Unterschlagungen um 334000 Mark geschädigt hat, zu 2 Jahren, 4 Monaten Zuchthaus. Das Reichsgericht verurteilte den Musiker Paul Schneider wegen Landesverrats zu 5 Jahren'Festung. Schneider hatte sich im Herbst 1918 tn Marseille, wo er in einem Jnternierten-Lager untergebracht war, der französischen Fremdenlegion verpflichtet. Die vier jungen Burschen, die als blinde Passagiere die Amcrtkasahrt des Zeppelin mitmachen wollten, sind jetzt wegen Hausfriedensbruches zu Haftstrafen verurteilt worden. Die Wenderoths 'Original-Roman von Marie Herling. k - sNachdr. verb) Der Wagen rollt davon, bald ist der junge Forstmann Annemaries Augen entschwunden. Frau Erika hat den Blick nicht zurückaewandt, anscheinend ermüdet, lehnt sie in den Kissen. Tiefes Schweigen herrscht zwischen den Beiden und Annemarie zuckt erschreckt zusammen, als Frau Erika plötzlich in neckischem Tone sagt: „Ein seltsames Zusammen treffen, Fräulein, daß Sie in dem tollen Hans, wie der Oberförster hier genannt wird, einen Jugendfreund er kennen wollen. Ich bin fast geneigt zu glauben, daß hier dem Zufall ein wenig nachgeholfen wurde. Doch, laßen Sie sich von mir warnen, der tolle Hans nimmt es mit solch kleinem Flirt nicht genau!" Annemarie ist während Frau Erikas Worten glühend rot geworden, vergebens hat sie versucht, den Redestrom zu unterbrechen, aus ihren blauen Augen aber spricht jetzt die ganze Empörung ihrer Unschuld. „Gnädige Frau irren sehr, wenn Sie glauben, daß ich um die Anwesenheit des Oberförsters gewußt habe. Ich habe ihn seit zwölf Jahren weder gesehen noch gesprochen, auch keinerlei schriftliche Beziehungen zu ihm unterhalten." „Ei, ei! Zwölf Jahre sind eine lange Zeit! Dazumal mußten Sie ja noch ein kleines Mädel sein! Da hätten wir also die Liebe oder das Erkennen auf den ersten Blick! Ich muß allerdings gestehen, daß mir die ganze Sache ein wenig romantisch vorkommt!" In Annemaries Austen zittern Tränen, als sie jetzt leise, aber bestimmt erwidert: „Es ist wirklich nichts Ro mantisches bet der Sache, gnädige Frau! Die gemeinsam verlebte Kinderzeit läßt doch wohl ein Wiedererkennen nach zwölf Jahren möglich erscheinen. Mein Vater war Rentmeister beim Grasen Hovrecht, Hansens Vater aber Oberförster bei demselben Grafen. Meine Mutter war mit Frau Trautmann eng befreundet. Als diese noch sehr jung starb, nahm meine Mutter sich ihres einzigen Knaben an. Obschon Hans mehrere Jahre älter war als ich, so waren wir dennoch unzertrennbare Spielkameraden, bis der Tod meines Vaters uns trennte. Meine Mutter, die eine geborene Schlesierin war, zog wieder in die Heimat zurück, da sie das Heimweh nie ganz hatte überwinden können. Von der Zeit an gingen unsere Wege auseinander und erst vor einigen Stunden haben wir uns in M. wieder gefunden." Mit kaltem Spott mustert die schöne Frau das von der Erregung gerötete Gesicht Annemaries. „Sind Sie endlich mit Ihrem Vortrag fertig, Fräulein Schmieding? Sie scheinen wohl zu glauben, daß ich großes Interesse an Ihrem Verhältnis zum Oberförster nehme? Da irren Sie aber gewaltig. Mir ist die ganze Geschichte furchtbar gleich gültig,' ich wünsche nur nicht, daß ein Mitglied meines Hauses sich in abenteuerlich« Verhältnisse einläßt. Mein« Schwiegermutter ist noch empfindlicher in solchen Dingen als ich und sie würde unweigerlich Ihre sofortige Entlas sung fordern, erführe sie, daß Sie sich mit dem nicht im besten Ruf« stehenden Oberförster «ingelaßen. Sie sind also hiermit gewarnt und nun wünsche ich in der Ange legenheit nichts weiter mehr zu hören!" Hochmütig blickt die schöne Fran über Annemarie hin weg, als fessele sie der Reiz der Landschaft, und doch sieht sie nichts von dem herrlichen Schauspiel des Abends, ihre Gedanken weilen bei dem Geliebten und sie zermartet ihr Gehirn, um einen rettenden Gedanken zu finden, der sie aus dem Labyrinth führt. Der Wagen ist unterdessen in den zum Gute gehörigen Park eingebogen. Saftig-grüne Rasenflächen, von schönen, alten Vaumgruppen unter brochen, dehnen sich zu beiden Seiten. Rotes Abendfonnen gold schimmert durch das von jungem Laub umsponnene Gezweig, es flimmert auf den silberglitzernden Stämmen der Birken nnd zaubert phantastische Schattenformen aus die freien Glasflächen. Annenmaries scbönheitstrunkenes Auge ruht entzückt auf dem herrlichen Bild, es verfolgt das neckische Spiel der Sonnenkringel, und Ruhe und Frieden senkt sich wieder in ihr erregtes Gemüt. Vor der großen Freitreppe, die in den Hof hinabführt, hält der Wagen still und Annemarie erblickt zum ersten Male ihre neue Heimat. Vom roten Abendlicht umfloßen, bietet das weiße, hohe Haus mit der Reihe blinkender Fenster ein friedliches Bild. Eine schwere, eichene Doppel tür führt in die Halle, ein freundliches Hausmädchen in weißer Schürze kommt eilfertig die Treppe hinab. „Rosa, führen Sie Fräulein Schmieding auf ihr Zimmer! Um acht Uhr eßen wir zu Abend; ich hoffe, bis dahin sind Sie ausgeruht!" Frau Erika rauscht davon, Rosa aber wendet sich freundlich an Annemarie. „Es ist noch ein halbes Stündchen bis dahin, ich Helke Ihnen beim Auspacken; Ihre Koffe sind schon nach oben gebracht!" Sie steigen die teppichbelegten Treppen empor ein breiter Gang mit hübschen Bildern an den Wanden führt zu Annemaries Zimmer. Annemarie ist erstaunt, als sie ihr nettes, luftiges Zimmer betritt. Hubsme, weiß lackierte Möbel, mit geblümtemKreton bespannt, luftige, weiße Gar dinen machen das Zimmer hell und freundlich. Im Erker steht ein zierlicher Schreibtisch nebst einem Nähtisch und einigen Korbsesseln. . „Welch lauschiges Eck«hen! muß Annemarie unwillkür lich denken, und sie fühlt sich froh und glücklich in ihrem kleinen Reich. — ,, , , Eine herrliche Aussicht bietet sich hier oben über den duftenden, blühenden Garten h,n zu dem mäcbtigen Forst, der sich hinter den Parkmauern ausdehnt. Zur anderen Seite des Erkers aber schaut sie hinab in den Hof, der von mächtigen Wirtschaftsgebäuden und Stallungen im Viereck umgeben ist. So neu ist Annemarie dies alles, und dennoch scheint es. ihr schon vertraut; eine Erinnerung kommt ibr an die Kindheit, an das alte Rentmeisterhaus, das auch in solch einem mächtigen Häuserviereck lag. Der Ton der Glocke, die zum Abendbrot ruft, weckt Annemarie aus ihren Träumen. Rosa führt das neue Fräulein, wie die Dienerschaft Annemarie nennt, in das große, eichen getäfelte Eßzimmer, in dem die gemeinsamen Mahlzeiten eingenommen werden. lForts. folgt.)
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