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Die letzte Phase. Stand der deutsch-polnischen Verhandlungen. Nach vier«inhalbjähriger Dauer der deutsch-polnischen Verhandlungen scheint nun endlich der letzte Abschnitt be ginnen zu wollen. Seit über vier Jahren befindet sich Deutschland mit seinem Nachbarstaate Polen im Zoll kriege, der nur in der letzten Zeit etwas gemildert wurde durch die gleichzeitig mit dem deutsch-polnischen Holzprovi- jorium getroffene Vereinbarung, wonach neue Kampfmaß nahmen bis Ende d. I. unterbleiben sollen. Da die Zeil nunmehr drängt, hat man sowohl in Warschau als auch in Berlin das Bedürfnis, die Verhandlungen in einem be schleunigten Tempo vorwärtszubringen. Nachdem der Warschauer deutsche Gesandte Rauscher vor einiger Zeit in Berlin weilte, um sich über die infolge der neuen Zölle für landwirtschaftliche Erzeugnisse notwen dig werdenden neuen Richtlinien für die deutsch-pol nischen Verhandlungen zu unterrichten, hat kürzlich das Reichskabinett zu der Frage Stellung genommen und ent gegen den in der Reichshauptstadt umlaufenden Gerüchten Dr. Hermes als Verhandlungsführer erneut bestätigt. Die Gerüchte, die von dem Rücktritt des Hermes wissen wollten hatten begreiflicherweise sofort die „grüne Front" mobil gemacht. Es ist durchaus verständlich, wenn in landwirt schaftlichen Kreisen aus Anlaß der Gerücht« Befürchtungen auchtauchten, daß die Reichsregierung beabsichtige, mit den polnischen Unterhändlern auf völlig neuer Grundlage Füh lung zu nehmen, da durch di« neuen Zölle z. B. für Butter und Kartoffeln die deutsch-polnischen Vertragsfragen selbst verständlich berührt werden. Es ist aber völlig unbegrün det, wenn im Hinblick auf die Rücktrittsgerüchte um Her mes zusammen mit den polnischen Angriffen auf den deut schen Verhandlungsfllhrer in Kreisen der deutschen Land wirtschaft von gefährlichen deutschen Zugeständnissen auf Kosten der deutschen Landwirtschaft gesprochen wird. Nach allem, was inzwischen bekannt geworden ist, kann versichert werden, daß das von der deutschen Landwirtschaft mühe voll Erreichte ihr keinesfalls wieder genommen werden soll. Von einem Ausfuhrinteresse der deutschen Industrie kann gar keine Rede sein. Es kann sich nur darum handeln, den im wesentlichen festliegenden Inhalt des Polenvertrages in Einklang zu bringen mit der neuen zollpolitischen Gesetz gebung des Reichstages. Innerhalb der Landwirtschaft be fürchtet man eine Beeinträchtigung der Interessen beson ders auf dem Gebiete des Schweine- und des Kartoffel marktes durch den abzuschließenden deutsch-polnischen Ver trag. Man spricht geradezu von einer Gefährdung der deutschen Schweinezucht durch die polnische Einfuhr. Dem gegenüber muß festgestellt werden, daß das durch die Be mühungen des Ministers a. D. Hermes in der Schwein«- frage erzielte Kompromiß die Interessen der deutschen Er zeuger durchaus nicht in so weitgehendem Maße berührt, wie dies in landwirtschaftlichen Kreisen anscheinend ge glaubt wird. Bekanntlich ist die Höhe der polnischen Schweineeinfuhr kontingentiert worden. Das polnische Schweinekontingent wird von einem noch zu bildenden deutschen Abnahmesyndikat übernommen. Nun wird aber nicht etwa das ganze Kontingent aus den deutschen Markt geworfen, sondern ein Teil soll unter Ausnutzung alter deutscher Handelsbeziehungen nach westeuropäischen Märk ten weitergeleitet werden. Die tatsächlich vom deutschen Markt zu übernehmende Menge soll zur Schonung beson ders der ostdeutschen Landwirtschaft auf bestimmte Ein fuhrwege verteilt werden. Ganz abgesehen davon, daß, ge messen an der deutschen Schweineproduktion, das vom deut schen Markt aufzunehmende Kontingent keine erhebliche Rolle spielt, sind also alle Sicherungen getroffen worden, um Schädigungen der Landwirtschaft zu vermeiden. Wenn von landwirtschaftlicher Seite behauptet wird, die Folgen der neuen deutsch-polnischen Verhandlungen für die deutsche Landwirtschaft würden darin bestehen, daß di« Reichsregierung ihren eigenen Standpunkt von der Not wendigkeit einer Angleichung der Lebendviehzölle an die Fleischzölle in einem entscheidens» Ausmaß selbst wieder preisgibt, so sind diese Befürchtungen völlig abwegig. Ein vorläufig noch nicht einmal beschlossener Verzicht auf diese Angleichung lediglich für die polnische Schweineeinfuhr würde keineswegs so weitgehende Wirkungen auf die deutsche Produktion ausüben, da das von Polen geforderte Kontingent für lebende Schweine von außerordentlich ge ringem' Umfange ist. Auch in der Kartoffelfrage sind die landwirtschaftlichen Befürchtungen über drohende Gefah ren aus einem Handelsvertrag mit Polen übertrieben. Die Lage der polnischen Wirtschaft ist zurzeit so ungün stig, daß man sich bei den maßgebenden Warschauer Stel len der Notwendigkeit nicht wird verschließen können, noch Ende dieses oder Anfang des nächsten Monats die Ver handlungen wieder aufzunehmen. In Warschauer Regie rungskreisen ist man offenbar nicht abgeneigt, den großen Erfolg eines Abschlusses des Handelsvertrages mit Deutsch land in dem schweren Kampf mit dem polnischen Sejm um die Verfassungsänderung sich zunutze zu machen. Bei Fort dauer der Verhandlungen vom Zeitpunkt des Wieder beginns ab könnte mit einer Paraphierung des Vertrages für den Herbst gerechnet werden. Es ist zu hoffen, daß dann im Dezember bei Ablauf des deutsch-polnischen Holzprovi soriums und der übrigen Vereinbarungen die Ratifizierung des Handelsvertrages schon erfolgt sein wird. Stand »er RMsresorm. Die letzte Tagung der Unterausschüsse der Länderkonse- renz war deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie die Haltung der Ländervertreter .wiedergab. Denn auf dieser Tagung waren neun Ministerpräsidenten der beteiligten außerpreußischen Länder persönlich erschienen. An den Sitzungen beteiligte sich außerdem Reichsminister Curtius. Der bayerische Ministerpräsident ergriff nach den vorgetragenen Berichten die Offensive und erklärte rundweg, daß die Eemeinschaftsreferat« auf den Einheits staat zusteuerten und nicht auf die Dezsntralisiation. Er wandte sich gegen die vorgeschlagene Auftragsverwaltung und erklärte, daß offensichtlich eine Aufsaugung der Länderverwaltung durch das Reich mit der Pumpe der Auftragsverwaltung ge plant sei. Weiterhin kündigte er seine Gegnerschaft gegen die Formulierung an daß in den süddeutschen Ländern die Landtage mit einfacher Mehrheit die Sonderrechte preis geben könnten. In der anschließenden Aussprache ergab sich, daß von Einzelheiten abgesehen, eine gemeinschaftliche Plattform für die kommenden Arbeiten gefunden war. Bayern blieb in dieser Aussprache isoliert und Held er klärte mehrfach, daß durch die Eemeinschaftsreferate das ganze Reich Preußen unterworfen würde. Das wurde von den Anwesenden lebhaft bestritten unter dem Hinweis darauf, daß Preußen im Reichsrat nicht mehr einheitlich auftrete, daß süddeutsche Reichsminister im Norden oft ausschlaggebend mitregieren würden, und daß im Reichstag oft Gruppen wie die Bayerische Volkspartei, den Ausschlag geben könnten. Gerade auf preußischer Seit« hätte man angesichts dieser Tatsachen Be denken, so lange wesentliche süddeutsche Sonderrechte be ständen. Bei den Abstimmungen wurde ein« ganze Anzahl von Vorschlägen einstimmig an genommen. Bei der Frage der Finanzverwaltung wider sprach nur der Ministerpräsident Held. Einstimmig wurde angenommen u a. der Satz, daß den neugebildeten Ländern eine getrennte Gesetzgebung nur zustehen soll, soweit sie ihnen besonders übertragen wird. Für die Berreichlichung der Justiz stimmten neben den Länderministern Paulssen- Thüringen und Schroeder-Mecklenburg. Prosessor Anschütz. Neichstagsabgeordneter Koch- Weser, Staatssekretär Popitz für den Reichsminister Hilferding und Ministerialdirektor Brecht für Preußen. Die Kernfrage dieser Tagung drehte sich um die Son derrechte der Länder Bayern, Sachsen, Württemberg und Vaden. Und hier wurde anstell« des ursprünglichen Vorschlages fol gende Fassung beschlossen: „Die Länder Bayern, Sachsen, Württemberg und Baden behalten die unter 12—15 ge nannten Verwaltungszweige (d. h. Polizei, Hoheitsaufsicht über die Gemeinden. Eewerbeaufsicht. kirchlich« und Schul- angelegenheitens in eigener Verwaltung nach Maßgabe d« sbisherigen Verfassungsr«cht«s. Es muß »och hervorgehoben werden, daß nach dem jetzigen Vorschläge das Reich in Zukunft auch gegenüber Süddeutschtand die Erundsatzgesetzgebung über den Verwal tungsauflau und die Gemeindeverfassung erhalte, soll, fer ner über das allgemeine Verwaltungsrecht und das Prü fungswesen. Man rechnet damit, daß im Spätherbst eine Vollsitzung der Lünderkonferenz stattfinden wird, in der nach Prüfung der Arbeiten der Unterausschüsse die große politische Frage der Gewährung von Sonderrechten an die vier Länder Bayern, Sachsen, Württemberg und Baden behandelt wer den soll. 607 Millionen Mark für Belgien. Der Inhalt des deutsch-belgischen Mark-Abkommens. Amtlich wird mitgeteilt: Die Verhandlungen zwischen den Bevollmächtigte» der deutschen und der belgischen Re. gierung sind zum Abschluß gekommen. Das Abkommen ist in Brüssel unterzeichnet worden. Der wesentliche Inhalt des Abkommens ist folgender: In der Einleitung des Abkommens kommt zum Ausdruck, daß das Ab kommen unter Vorbehalt der beiderseitigen grundsätzlichen Auf fassung unterzeichnet worden ist und den Zweck hat, im Rahmen der Eesamtregeluna der aus dem Kriege herrührenden finan ziellen Fragen auch diejenigen Fragen zu erledigen, die bisher zwischen Belgien und Deutschland wegen der im Zusammenhang mit der Besetzung Belgiens entstandenen besonderen wirtschaft lichen Schäden noch schwebten. Deutschland wird an Belgien während 37 Jahren folgende Zahreszahlungen leisten: Im ersten Jahre 16,2 Millionen RM, in, zweiten, dritten und vierten Jahre je 21,5 Millionen RM., vom sünsten bis 12. Jahre je 2K Millionen NM., vom 13. bis 29. Jahre je 20,1 Millionen RM., vom 21. bis 37. Jahre je 9,3 Millionen RM. Die Gesamtsumme beträgt danach k«7,k Millionen RM. Dis Zahreszahlungen werden in der gleichen Form gezahlt wer den, die in dem doungplan vom 7. Juli 1299 für die allgemeinen Reparationszahlungen vorgesehen ist. Die Zahlungen werden durch die Bank für den internatio nalen Zahlungsausgleich mitverwaltet werden. Falls Deutsch-, land von dem in dem Sachverständigenplan vorgesehenen Zah lungsaufschub Gebrauch macht, werden die Zahreszahlungen in Form von Sachlieferungen entrichtet. Für Meinungsverschieden heiten ist ein Schiedsgerichtsverfahren vorgesehen. Auch die deutsch-belgischen Liquidations- Verhandlungen abgeschlossen. Auf Grund von Verhandlungen, die im Reichsfinanz ministerium von Ministerialrat Fuchs mit dem belgischen Ministerialdirektor de Duytschaever und dem Rechtsbeistand der belgischen Regierung, Marx, geführt wurden, ist in Berlin «in Abkommen über die Freigabe deutschen Ver mögens in Belgien geschlossen worden. Zn diesem Abkommen verzichtet die belgische Regierung mit Wirkung vom 7. Juni 1929, dem Tage der Unterzeich nung des Houng-Planes, auf die Liquidation und Ein behaltung des bis dahin noch nicht liquidierten oder in das Eigentum des Staates übergegangenen deutschen Ver mögens, ferner auf die weitere Auslieferung deutscher Wertpapiere, auf die im Versailler Vertrag vorgesehenen Befugnisse zu Eingriffen in die deutschen gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte sowie auf den noch unbe zahlten Kaufpreis derjenigen Güter, die von ihren deutschen Eigentümern käuflich zurückcrworben waren. Inland NN- Ausland. Die Ratifizierung des preußischen Konkordats ist für den 13. August in Aussicht genommen. Anläßlich des Konkordats« abschlusses hat Prälat Kaas ein Schreiben an die Landtagsfrak- tion des Zentrums gerichtet, das zwar die Ausschaltung der Schul« frage bedauert, aber den Vertrag doch als erfreulichen Fortschritt und bedeutende Annährung an die Freiheit der Kirche bezeichnet. Die „Germania" schreibt, daß durch die Haltung der Deutschna tionalen die Stellung des Zentrums gegenüber den Verträgen mit den evangelischen Kirchen nicht beeinflußt werde. Die Begründung zum Ministerpensionsgesetz führt aus, daß es mit der parlamentarischen Regierungsform unvereinbar sei, den Reichsministern die Stellung von Reichs beamten im Sinne des Beamtengesetzes zu belassen und daß daher sür alle Reichs- Minister eine besondere Mkrikteramtsstellung geschaffen werden müsse. Die Wenderoths Original-Roman von Marie Herling. 2Z ————— sNachdr. verb.) „Lieselotte, Sie verwenden sich für diese Frau, trotzdem Sie wissen, was sie Ihnen angetan?" „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet," spricht das junge Mädchen mit schönem Lächeln. „Man darf nicht alle Menschen mit gleichem Maße messen, Hans, nicht jeder hat in der Stunde der Versuchung die Kraft, zu über winden." „O Lieselotte, daß ich wieder gut machen könnte, was ich an Ihnen verbrochen habe!" Tief senkt Lieselotte den Kopf, heißes Rot umglüht ihre Stirn, als sie leise erwidert: „Alles läßt sich wieder gut machen, Hans, wenn man nur guten Willen hat." Da bricht ein Iubelruf von des jungen Mannes Lippen, einen Augenblick preßt er Lieselottes Hand an seine stür misch klopfende Brust. „Dank, heißen Dank für dieses Wort, Lieselotte! Sie sollen Ihre Güte keinem Unwürdigen geschenkt haben!" Er stürmt hinaus, Lieselotte aber wendet sich der Kranken wieder zu, die noch immer bleich und anscheinend leblos daliegt: dennoch hat sie jedes Wort gehört und jedes Wort wirkte wie ein Schwerthieb für ihr wundes Gemüt. Lange dauert es, bis Frau Erika sich erholt; Gerd hat unterdessen den Wagen kommen lassen. Er geleitet seine kranke Braut heim, damit der weitere Verlauf des Festes nicht gestört wird. Zu Hause angekommen, nimmt Frau Erika wieder zu ihrem Schränkchen ihre Zuflucht. Betäuben, vergessen ist ihr einziger Wunsch. Zurück kann sie ja nicht mehr, seine Liebe ist erdrückt von der Verachtung, darum nur vorwärts, vorwärts, hinein ins Leben! Gut, daß es noch Mittel gab, das Elend zeitweise zu betäuben! V. Die langen, warmen Sommertage sind zu Ende, der Herbst steht vor der Tür. Vereinzelte Spätrostu bladen noch im Assener Park und auf den großen, runden Blumen beeten, zu beiden Seiten der Veranda blühen großsternige, tiefdunkelrote Astern. Malven und Dahlien wetteiferten in bunter Farbenpracht, der wilde Wein, der in üppiger Fülle die Eisenstäbe der Umzäunung umrankt, hat eine satte, weinrote Färbung angenommen. Annemarie im dunklen Jackenkleid tritt durch das Park tor hinaus auf die Landstraße. Ihre Züge tragen ein fast feierlich-ernstes Gepräge und in ihren sonst so freundlichen Augen liegt ein Ausdruck ungewohnter Schwermut. Morgen ist Gerds und Erikas Hochzeitstag und Anne marie will eben schnell noch selbst nach Deerendorf hinaus, nm zu sehen, ob auch alles in Ordnung ist. Die Trauung wird ja in der Dorfkirche stattfinden; daran wird sich ein kleines Festessen auf Haus Assen anschließen. Erika hat jede laute Feierlichkeit abgelehnt, sehr zum Erstaunen ihrer Umgebung und zum Verdruß Lores. Lore ist immer noch auf Assen, sie scheint gar keine Eile zu haben, wieder nach Hause zurückzukehren. Mit Erikas Abreise aber fällt jeder Grund zum Bleiben fort und so muß sie denn nach der Hochzeit wohl oder übel mit den Eltern wieder abreisen. Erikas Eltern und Brüder sind gegen Mittag gekommen. Herrn Feldheim sieht man schon auf zehn Schritte den ver brauchten Lebemann an, Frau Feldheim, mager und hohl wangig, blickt verdrossen und mißmutig in die Welt. Die beiden Brüder sind elegante Stutzer. Beide bemühen sich angelegentlich, der „Landpomeranze", wie sie Annemarie boshaft nennen, den Kopf zu verdrehen; sie blitzen jedoch an Annemaries spöttischer Schlagfertigkeit glänzend ab, aber sie suchen sich selbst vorzulügen, das Landkind verstehe ihre feine Art, die Cour zu schneiden, nicht. Nun ist Annemarie vor der Zudringlichkeit der allzu galanten Brüder in den herbstlich-bunten Wald geflüchtet. Den Wagen hat sie abgelehnt, sie meint, ein Gang durch die frische Waldluft tue ihr nach dem langen Sitzen im Nähzimmer gut. Rüstig schreitet sie vorwärts, sie hat noch einiges wegen der Ausschmückung der Kirche mit dem Küster zu über legen, doch bald ist alles bestens geordnet. In der Kirche, in einem verschwiegenen Eckchen, kniet sie dann noch ein Weilchen, und bittet Gott um Glück und Segen für den geliebten Mann, für sich selbst aber erbittet sie Kraft und Stärke, auf dem Wege der Pflicht zu bleiben! — Golden strahlt die Sonne vom tiefblauen Himmel, süß duften die dunklen Spatrosen und die bescheidenen, noch taufeuchten Reseden, als der Vrautwagen am ander«" Morgen zur Kirche rollt. Annemarie sitzt neben Fra» Wenderoth im Wagen, die Hände im Schoß gefaltet, im Herze» die eine Bitte wiederholend. „Herr, gib ihm und mir Kraft, das Leben zu bezwingen und uns nicht selbst zu verlieren!" Erika ist eine wunderschöne Braut aber so blaß wie die Orangenblüten in ihrem dunklen Haar Gerd geht ruhig und aufrecht neben der schönen blassen Fran, niemand sieht seinem ruhigen, fast heiteren Gesicht die Kampfe und schlaflosen Nächte der letzten Wochen an. Fest und bestimmt klingt sein „Ja!", leise und zögernd dasjenige Erikas. Es ist keine besonders frohe Hochzeitsgesellschaft, die sich nach der Trauung im großen Speisezimmer auf Assen einfindet. Herr Feldheim versucht einigemal« nickst ganz einwandfreie Scherze, aber außer dem meckernden Lachen seiner Spröß- linge geht niemand auf seine Reden ein. Ericha atmet fast erlöst auf, als die Tafel aufgehoben ' wird und sie sich in ihr Zimm« zurüziehen kann,'um sich für die Hochzeitsreise mnzukleiden. Sie hat von dem schweren Tischwein reichlich getrunken, so reichlich daß Gerd ihr scherzend das Glas ans der Hand genommen'. ' „Nun ist es aber genug, Kind bedenke, daß wir eine sehr lange Fahrt vor uns haben." In Erikas Augen hat es da widerspruchsvoll aufge blitzt, jedoch hat sie sich gefügt. , »Ach, wenn Gerd wüßte, wie wenig mir solche leichte Spirituosen anhaben können!" hat sie spöttisch gedacht.