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Rabenauer Anzeiger : 11.03.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-192903114
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19290311
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19290311
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-03
- Tag 1929-03-11
-
Monat
1929-03
-
Jahr
1929
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Das Hauptthema für Genf. Sv Wenn es auh diesmal wieder die Außen minister der europäischen Hauptmächte für notwendig gehalten haben, als Führer der Delegationen ihrer Län der vollzählig zur Ratstagung nach Eens zu reisen, so ist der Hauptanlaß hierfür in der bevorstehenden D e - batte über dieMinderheitfrage zu sehen, die durch die bekannten Vorgänge bei der letzten Rats versammlung veranlaßt worden ist. Obgleich der Schutz der Minderheiten eigentlich zu den Hauptaufgaben der Genfer Liga gerechnet werden muß, wenngleich das Minderheitenproblem als solches unzweifelhaft in der ersten Reihe der Fragen des europäischen Friedens steht, so ist die kommende Debatte doch bezeichnenderweise d i e erste wirklich den Dingen auf den Grund gehende Aussprache, die diese in keiner Richtung zu über schätzende Frage vor dem zuständigen Gremium erlebt Unter diesen Umständen verlohnt es sich wohl, ein mal zu untersuchen, wie eigentlich das Minderheiten problem in seinen Beziehungen zum Völkerbund tat sächlich gelagert ist. Rein formell wird das Ver hältnis des Völkerbundes zu den Minderheiten abgesteckt durch eine ganze Reihe meist zwischenstaatlicher Min- derheitenverträge, für die er die Garantie übernommen hat, sowie durch das eigens eingesetzte Verfahren, auf Grund dessen etwaige Beschwerden solcher Minder heiten, auf die sich diese Verträge beziehen, durch die Genfer Institution behandelt werden sollen. Solcher Minderheitenverträge liegen eine ganze Reihe vor: Die früheren Ententemächte haben ihrerseits mit den Mäch ten der kleinen Entente und mit Griechenland über den Schutz der dort lebenden Minderheiten derartige Ab kommen geschlossen, Minderheitsklauseln befinden sich ferner in einer ganzen Reihe von Friedensver trägen, so denen mit Oesterreich-Ungarn, mit Bul garien, mit der Türkei. Was im Mittelpunkt des In teresses stehen dürfte, ist aber das deutsch-pol nische Sonderabkommen, das seinerzeit in Genf abgeschlossen wurde, und das sich im wesentlichen auf die Minderheiten in Oberschlesien bezieht. Daneben existieren noch eine Reihe von Erklärungen, die eine Anzahl Randstaaten, darunter auch Finnland sei nerzeit bei ihrem Eintritt in den Völkerbund, abgegeben und in denen sie eine Reihe von Verpflichtungen gegen über ihren eigenen Minderheiten auf sich genommen haben. Der Inhalt aller dieser vertraglich oder durch einseitige Erklärung eingegangenen Bindungen ist in den Hauptpunkten etwa derselbe und bezieht sich auf die Rechte, die den Minderheiten zukommen, sei es in Bezug auf ihre Staatsangehörigkeit, Fragen der Rechtsgleichheit, der Religionsübung, der Anwen dung der angestammten Sprache vor Gericht, in eigens zu errichtenden Volksschulen usw., wobei zwischen zahl reichen und kompakten Minderheitsgruppen und klei neren diffusen gewisse Gradunterschiede zu verzeichnen sind. Soweit wäre alles recht schön und gut. Wo die Sache anfängt nicht nur zu hapern, sondern aus die Dauer unerträglich zu werden, das ist die Art, in der die Garantie des Völkerbundes für alle diese Verpflich tungen durchgeführt wird. Nach dem jetzigen Stand der Dinge kann zwar jedes Ratsmitglied die Aufmerksam keit dieser Körperschaft auf V e r l e tz u n g e n der Min derheitenrechte Hinweisen, wozu jedoch in der Praxis ge wöhnlich erst durch eine Beschwerde der Minderheiten Anlaß gegeben werden muß. Solche Beschwerden ge langen aber nicht direkt an den Rat. Ihr Weg läuft über das Sekretariat des Völkerbundes, das sie prüft und über ihre Zulässigkeit entscheidet. Dieser Zu stand ist unerträglich, da er jeden Einfluß der Minder heiten selbst aus den Verlauf des Verfahrens ausschließt Auch der fernere Instanzenweg ist völlig unzuläng lich. Hat eine Beschwerde das Sekretariat glücklich vas- siert, so wird sie dem sogenannten „Dreierkomi tee" des Rates vorgelegt. Dieses besteht aus dem Ratsvorsitzenden und zwei ad hoc ernannten, der Be schwerde führenden Partei rassemäßig möglichst fern stehenden Ratsmitgliedern. Dieser Ausschuß tagt ledig lich während der Ratssitzungen und bereitet notwendi genfalls die Behandlung des Streitobjektes vor dem Plenum des Rates vor, indem es die weiter zu ver folgenden Beschwerden den Mitgliedsmächten des Rates und der rngeschuldigten Regierung unterbreitet. Ledig lich ganz ausnahmsweise können sehr dring liche Fälle — wie augenblicklich der Fall Ulitz — direkt auf die Tagesordnung des Nates gesetzt werden. Vor schriften für die weitere Prozedur im Nat bestehen nicht, der sich im übrigen in früheren Fällen meistenteils da mit begnügt hat, als S ch ! i ch t u n g s i n st a n z ge genüber der angeklagten Regierung aufzutreten. Hätte sonst niemand die Aufmerksamkeit auf diese durchaus unzulängliche und auf das schärfste zu bekämp fende Lage hingelenkt, so würde in der Tatsache des Zusammenschlusses aller europäischen Minderheiten in Form des europäischen Nation alitätenkon- gresses — wobei nationale Gegensätze in vorbild licher Weise beiseite gelassen wurden — eine ausrei chende Kritik an dem Minderheitenstatut des Völker bundes zu sehen sein. Die Enttäuschung der Minder heiten ist allgemein riesengroß. Wenngleich bei der jetzigen Genfer Aussprache naturgemäß der deutsch-pol nische Gegensatz — trotz aller inzwischen auf dem direk ten diplomatischen Wege erfolgten Applanierungsver- spche — im Vordergrund stehen wird, so ist doch im allgemeinen Interesse des europäischen Friedens zu hof fen, daß sich aus der Debatte eine für die Gesamt heit der Minderheiten ersprießliche Neuordnung der Genfer Modalitäten in diesen Fragen ergeben wird. Es steht hier mehr auf dem Spiele, als der politisch Ungeschulte sich vorstellen mag. Der Geheimpakt gefälscht? In Belgien will man den Verfertiger der Dokumente ver haftet haben. — Miß rauen gegen .das „Geständnis". - Bestellte Arbeit. Die Eeheimpakt-Affäre hat eine neue, sensationell Wendung genommen. Aus dem Amsterdamer Expretzzug wurde im Brüsseler Hauptbahnhof der Belgier Frank Heine nebst seiner Frau unter dem Verdacht verhaftet, den in der holländischen Zeitung veröffentlichten belgisch- französischen Gcheimocrtrag gefälscht zu haben. In der Vernehmung soll Frank Heine ein volles Geständnis ab gelegt haben. Ueber die Verhaftung bringen die belgischen Blätter ganz groß aufgemacht« Meldungen. Sie erklären, datz Frank Heine, der ein Enkel des deutschen Dichters Heine sein will (?), ausgesagt habe, daß ihm schon im Jahre 1920 von einer deutschen Spionageorganisation (?) der Auftrag begeben worden sei, belgische geheime Militärakten zu be- schaffen. Da er solche nicht finden konnte, habe er aus Anraten einiger Freunde einfach einen Geheimvertrag ge fälscht und dazu «in altes französisch-russisches Abkommen aus der Vorkriegszeit verwendet. Dabei habe er in acht tägiger Arbeit nur einige Zahlen und Angaben zu ändern brauchen. Deutsche Generäle hätten das Schriftstück «inen Monat lang in Berlin geprüft. Später hätte sich ihm aber Gelegenheit geboten, das Dokument zu einem guten Preise an eine holländische Zeitung zu verkaufen, die es jetzt ver öffentlicht habe. Die Unterschriften hab« er einfach dar- untergesetzt und da» Siegel mit Hilfe eines französischen Geldstückes gefälscht. Ueber die Einzelheiten des Geständnisses, das Frank unmittelbar nach seiner Ankunft in Brüssel abgelegt hat, macht das Pariser „Journal" weitere Angaben. Da nach hat Frank erklärt: Ich glaube nicht, datz ich ein großes Verbrechen begangen habe. Ich habe weder Krankreick noch Belgien verkauft, sondern einfach meinen Käufer hineingelegt, und das ist doch schließlich eine banale Betrügerei. Der Käufer ist ein fremder Journalist der die Dokumente an die Utrechter Zeitung weitekgegeben hat." An sich wäre dem Herrn Heine die Fälschung zuzutrauen, denn er hat eine sehr bewegte Vergangenheit. Zn Frank reich und Belgien wurde er mehrmals wegen Dieb stahls und ähnlicher Delikte verurteilt. Ferner hat er sich auch politisch betätigt. Aber es ist höchst sonderbar, datz Heine von dem sicheren Holland nach Belgien fuhr und sich einfach mir nichts dir nichts verhaften ließ. Auch andere Umstände lassen vermuten, datz das Geständnis des Fäl schers einen Haken haben mug. Man steht daher nicht nur in Deutschland, sondern auch in Holland den sensationellen belgischen und französischen Berichten sehr skeptisch gegenüber und betont, daß man es hier wahrcheinlich mit einer bestellten Arbeit der belgischen Negierung zu tun hat. Es gärt wieder in Mexiko. Die Truppenkommandeure der Staaten Veracruz undSonora befinden sich nach Meldungen aus Mexiko in affinem Aufruhr. Sie beherrschen sämtliche Städte und Festungen in diesen Staaten und haben die Verbindung mit dem Golf von Mexiko in den Händen. Der Zugverkehr zwischen Mexko und Veracruz ist eingestellt. . Nach Meldungen aus Mexiko Stadt hat sich die Auf standsbewegung von Sonora und Veracruz aus auf die Staaten Chihuahua, Durango, Jalisco und Sinaloa aus gedehnt. Der Oberbefehl über die gesamten Rcgierungs- streitkräfte ist Calles übertragen worden. Führer der Auf standsbeweguna ist der General Jesus Aguirre, Ler Militärbefehlshaber von Veracruz. Die Häfen Veracruz und Nogales sind geschloffen wor den. um die Einfuhr von Waffen zu verhindern. Inland «nd Ausland. Im Deutschen Reich gab es am 1. Juli 1927 genau 1732 Gefängnisse, die für 112 000 Gefangene Platz Laben. Sie waren aber nur mit 62 000 Gefangenen belegt. Jeder Strafgefangene kostet durchschnittlich 1219 Mark. Der Ertrag der Gefängnisar- beit beziffert sich auf 28,5 Millionen. Die Titel- und Ordenssrage kann, wie Reichsinnenminister Severing im Haushaitsausschutz des Reichstages erklärte, nicht von der Regierung allein geregelt werden. Wenn der Staatsge- richtehof gesprochen habe, dann sei es eine Angelegenheit einer qualifizierten Mehrheit des Reichstages. Der finanzpolitische Ausschuß des vorläufigen Reichswirt schaftsrates beschäftigte sich mit den Gesetzentwürfen, zur Aende- rung des Biersteuergesetzes, des Einkommensteuergesetzes und des Gesetzes für die Feststellung des Reichshaushaltspianes für t92S, des Vermögenssteuergesetzes, des Erbschastssteuergesetzes und Les Wechselsteuergesetzes. Der Ausschuß stimmte den Gesetzentwürfen zu mit Ausnahme dessen, der die Einkommensteuersenkung vorsieht. Rotsrontkämpserbund und Stahthelm sind, wie Severing erklärte, gleich einzujchätzen. Es komme darauf an, wie der Stahlhelm sich zum Staat einstelle. Danach werde die Stellung der Retchsregierung sich richten. Eine Regierung, die es mit ihrer Pflicht ernst nehme, könne es nicht dulden, daß Beamte, d'e es mit ihrem Treueid auf die Verfassung nicht ernst nehmen, im Dienste verbleiben. Das gleiche gelte auch von der Rotiront. Aus -em Gerichtssam. 8 Wofür Deutschland zahlen mutz! In St. Quentin wird zur Zeit eine neue Kriegsentschädigungs-Betrugsangeleaen- heit vor Gericht behandelt. Eine Hebamme, die Witwe Visbecque, die am Ende des Krieges einen Entschädigungs anspruch von 40 000 Franken geltend machte, hatte es mit Hilse eines Architekten und zahlreicher anderer Mitbeschul digter dazu gebracht, die Eigentümerin mehrerer Häuser zu werden und außerdem eine Kriegsentschädigung von 1,3 Millionen Franken zu erhalten. Der Architekt stellte für die Frau falsche Ausgabebescheinigungen aus. Mit Hilfe be stechlicher Verwaltungsbeamten hatte die Frau eine be trächtliche Summe in erstaunlich kurzer Zeit erhalten. Sie kaufte dann weitere Krieasschädenforderungen, begann die Mederaufbauarbeiten und erhob von neuem auf Grund ihrer gefälschten Schriftstücke Ansprüche gegen den Staat. Schließlich wurden die Behörden doch stutzig, als sie für ganze geringe Erdarbeiten 23 000 Franken beanspruchte. Zm ganzen stehen sieben Angeklagte vor Gericht. Dieser neue skandalöse Vorgang ist ein Beweis dafür, daß chohr Beträge der von den Franzosen so laut verkündeten Wieder- sss-ss--» l»» -ss Frau /Donzas Lebensweg Origina.-Roman von L. Scheidenderg IS > (Nachdr. oerd.) Kann es noch ein zweitesmal solche Augen geben? 21. Mai. Heute beim Frühstück sprachen Onkel und Tante von Rittmeister Smereny. Und mich — großer Gott, was soll das — befiel ein solches Zittern, datz mir der Silberlöffel aus der Hand klirrend aus die Taffe fließ und des Herzens wilde Schläge in den Ohren hämmerten. Warum erfüllte das Interesse, das Tante für ihn an den Tag legte und ihr warmes Lob über seine Eigenschaften als Berufsmensch und Aristokrat meine Seele mit solchem Jubel? Warum dieses erlösende Aufatmen über die ausgesprochene Ansicht, datz die Gefahr, die fein Leben bedrohte, gänzlich ge schwunden scheine? Warum nur, warum? „Ja, vor fünf Jahren sah er freilich zum Erbarmen aus; das war aber nur die Folge der schweren Lungen entzündung. Brustkrank war er nie, nur brustschwach, und das ist für einen Mann wie er der mit Leib und Seele Soldat ist, immerhin fatal. Ware sein Vater nicht dieser notorische Spieler gewesen, der alles verpulverte, so könnte Graf Julius wohl auch leichteren Herzens in die Zukunft blicken", hörte ich Onkel sagen. „Die Sünden der Väter schaufeln gar oft dem Lebensglück der Kinder das Grab", meinte Tante gedankenvoll. O, wie liebe, wie bewundere ich Tante mit ihrer milden Klugheit. Was sie tut, was sie sagt, löst Wärme aus, wirkt wie ein lindes Heilpflaster auf eine offene Wunde. Als ich mich in einem traulichen Gegenüber mit ihr allein befand, kam mir unwillkürlich das gestrige Unbehagen auf die Lippen über die beschämende Verwirrung und Blödheit. Da nahm sie meinen Kopf zwischen ihre Hände und küßte mich: „Sei unbesorgt; selbst wenn du eine Torheit begingest, würde diese so vernünftig aussehen, daß dir niemand zürnen könnte, llebrigens war dein Beflehmen ganz kor rekt, denn " Was sie wohl noch sagen wollte? Ein Klopfen an der Türe hat es abgeschnitten, denn auf das Herein schob sich eine lichte Maste ins Zimmer, ein lächeln des, fröhliches Gesicht — dem aufgehenden Vollmond nicht unähnlich — Herr van Dick. Eine etwas umständliche Be grüßung in dem eigenartig breitspurigen Deutsch folgte nach, eine Begrüßung, aus der die Freude durchleuchtete, daß man wieder im köstlich märchenfrischen Kaltenwäffern ist. Ich schielte nach seiner fleischigen Rechten — leider — ziert sie noch kein glatter Goldreif. War er denn meinem Blick gefolgt? „Meine schöne Käsefarm ist leider noch immer verwaist", sagte er mit einem etwas breiten Lächeln, das nicht ganz frei war von geschmeichelter Eitelkeit. Tante ließ sich allerlei aus dem schönen Haag erzählen ich machte mich aus dem Staub, sobald es anging. „Ich glaube, Onkel hat geläutet?" Denn Onkel zeichnet mich nicht selten durch das Vertrauen aus, ihm in der Apotheke helfen zu dürfen. Und ich bin beglückt, wenn ich mich nütz lich machen kann. 22. Mai. Heinz, der liebe Poltergeist, ist da und stellt das ganze Haus auf den Kopf. Jetzt ist er hinter seiner Mutter drein, gleich darauf bei Onkel in der Apotheke, dann treibt er Allotria mit Anna und Lenz. Er hält alle in Atem, und alle strahlen vor Vergnügen über seine studentische Frohheit. Nur mich behandelt er mit einer Art bewun dernder Ehrfurcht. Ich bin also eine Achtungsperson für ihn geworden. Wie groß und kräftig er schon ist! Bei jeder Wiederkehr um einen halben Kopf gewachsen! Ich sah dem Fortgehenden von meiner Loggia aus nach. Welch entzückender Platz ist das!! Von den zarten, sanftgrünen Ranken des wilden Weins, rotbrauner Kapuzinerchen und Schlingbohnen umsponnen, dazusitzen und zu träumen — kann es etwas Schöneres geben? Ueber den Kirchplatz hinweg sehe ich die blauende Bergkette, das langhinge breitete Hügelland. Und zu finden, daß hinter jeder Berg falte, hinter jeder Maldparzelle Menschen Hausen, von den selben Freuden, von denselben Leiden bewegt, das ist so unendlich fesselnd und beschäftigt die Fantasie überreich, denn sie gibt diesen unsichtbaren Menschen Leben und Ge stalt und bunte Geschäftigkeit. Und ich komme mir zu weilen vor wie ein feudales Rittersräulein, das von seiner unnahbaren Höhe aus demütig auf das Schicksal wartet Ein knirschender Schritt auf dem Kirchplatz unten zog m ine Blicke wieder zur Erde. Welch« wilde Freude durch tobte mein Herz bei diesem plötzlichen Wiedersehen! Gras Smereny streifte in gemächlichem Spazierfchritt vorüber. Seine Blicke umfaßten sehr eingehend, wie suchend. Haus und Garten. O Himmel, wenn sein suchender Blick mir gälte? — Mein lichtes Kleid hatte mich wohl ?"^afen, sein Blick richtete sich auf mich, die Hand flog an die Mütze. - Rätselhafter Weise floh alle sonstige Scheu von mir, ich beugte mich über die Brüstung und dankte mit einer Kopf neigung, die in der Aufregung vielleicht etwas zu tief aus fiel. Glich es nicht einem aufzuckenden Sonnenstrahl, was da über sein — wie mir scheinen wollte etwas um- düstertes Gesicht huschte? .s- Welche schöne Gestalt er hat - wie geschaffen für das kriegerische Kleid. Wie vornehm-edel steine Zuge! Mor was mochte dem sonnengebräunten unliiy diesen von stille'' Schwermut angehauchten Ernst ausgeprägt haben? Ende Mai. st Nie war ein Mai schöner und blütenreicher wie dieser, und nie konnte zwischen den Mauern Kaltenwässerns ein glückseligeres Herz schlagen, als das meine. Diese Blätter sollen ein wahrheitetreues Abbild für spätere Tage bleiben, aber es müßte mir der große Allgeist seine feurige Zunge leihen, um Worte für das farben- schillernde Chaos zu finden, daß ich nie mehr z» brauche: „Was weil jeder Herzschlag eine Ant ¬ wort darauf ist. Und nie wieder werde ich fragen- um?" Denn es gibt darauf nur eine Antwort: „Weil es nicht anders fern kann, als ihn zu lieben von der ersten Sekunde an — ihn lieben, mit der ganzen Kraft der Seele, wie die Blume die Erde liebt, in die sie 'hre Wurzeln schlägt.
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