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WtaMv W AWk» ZtMtsKW Nr. 98. zu Nr. 158 des Hauptblattes. 1931. Beauftragt mit der Herausgabe RegierungSrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungeu. (Fortsetzung der SS. Sitzung von Montag, den 6. Juli 1931. Abg. Steu (Soz. — Fortsetzung): Die thüringische Denkschrift zu der gleichen Frage ent hielt sogar sächsisches Material, das die sächsische Regie- rung nicht für notwendig gefunden hat beizubringen. Der Rechtsausschuß hat seine Beratung im März ab geschlossen. Die Kirche oder die Regierung hätten, wenn sie eine ernsthafte Beratung des Etatkapitels ermöglichen wollten, genügend Seit gehabt, in den vergangenen Monaten das herbeizuschaffen, was hier an Unterlagen gefordert worden war. Ter Kirche ist sehr viel daran gelegen, hier einen gewissen Schleier über diese Dinge zu breiten und mindestens einen klaren Einblick in die Dinge zu erschweren. Die Kirche ist dann sicher auch von einer gewissen Herrschsucht geleitet, die sie ja die Jahrhunderte über gehabt hat; sie will eben ihren Willen durchdrücken und glaubt, ihn durchdrücken zu können. Man wird an ein Wort Goethes erinnert, daß er zu Eckermann gesagt hat: Es ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche, aber sie will herrschen, und da muß sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die bereit ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe, reich dotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr als die Aufklärung der unteren Massen. Sie hat ihnen die Bibel auch lange genug vorenthalten, solange wie irgend mög lich. Was sollte auch ein armes christliches Gemeinde mitglied von der fürstlichen Pracht eines reich dotierten Bischofes denken, wenn es dagegen in den Evangelien die Armut und Dürftigkeit Christl sieht, der mit seinen Jüngern in Demut zu Fuße ging, während der fürst- Uche Bischof in einer von 6 Pferden gezogenen Ka rosse einherbraust. Dieses Wort paßt treffend auf unsere Etatberatung Auch bei ihr sehen wir die nahe Verbindung zwischen Fürst und Priester. Es zeigt sich in den Aufwertungs sätzen, die der Staat der Kirche bewilligt hat; es sind Aufwertungssätze von 50 Proz., bei einem Posten sogar 120 Proz Gewöhnliche Sterbliche haben derartige Auf- wertungssätzc weder von Gesetzes wegen noch von Ge richts wegen bei der sogenannten freien Aufwertung zu gestanden erhalten Solche Aufwertungssätze finden wir nur noch in den sogenannten Fürstenprozessen, wo die ehemaligen Fürsten mit dem Staate prozessiert haben. Wenn man daran denlt, wie der Staat gegenüber der Schule eingestellt ist, wie er sie beschneidet, soweit sie überhaupt nur beschnitten werden kann, wie der Staat eingestellt ist bei den Positionen, wo es sich um soziale Zwecke handelt, der kann nicht billigen, daß sür die Kirche mit reichen Händen ausgestreut wird. Um eine vernünftige spätere Beratung vorzubereiten, um überspannte Forderungen abzuschneiden, muß man, wie die Mehrheit im Ausschuß dies schon beschlossen hat, die einzelnen Positionen ablehnen. Wir werden aus diesen Gründen heraus auch zur Ablehnung kommen. Ministerialdirektor vr. Wolter: Meine Damen und Herren! Es ist verschiedentlich zum Ausdruck gekommen, daß der Staat bei der Vorlage Nr. 22 die Kirche ein seitig bevorzugt, und die Interessen der Kirche mehr be rücksichtigt habe als die Interessen des Staates. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Demgegenüber möchte ich nur ganz kurz folgendes sagen. Die Regierung — es kommt nicht die jetzige Regierung allein in Frage, sondern wie die Herren wissen, ja auch frühere Regierungen (Abg. Neu: Aber derselbe Herr Referent!) Ich glaube, der Herr Re ferent ist wohl nicht entscheidend bei einer Regierungsvor lage. Die Regierung hat bei der Vorlage nur das getan, wozu sie sich auf Grund der Rechtslage und auf Grund der ergangenen Entscheidungen und Schiedssprüche ver pflichtet fühlte, und wenn sie die Einstellung im Etat so vorgenommen hat, wie sie die Herren jetzt vor sich finden, so beruht das auf einem ausdrücklichen Beschluß des Landtags vom 3. März 1930, Beschlüsse Nr. 67, und sie ist in der Höhe erfolgt, in der sie in dem Ablösungsver trag, Vorlage Nr. 22, enthalten war, in der Höhe, gegen die der NechtSauSschuß des vorigen Landtays keine Ein wendungen erhoben hatte. Es war für die Regierung das Gegebene, nach diesem Beschluß zu handeln. Es wird sonst der Regierung bisweilen vorgeworfen, sie be folge die Beschlüsse des Landtags nicht, und hier wird ihr vorgeworfen, daß sie einem Beschluß des Landtags ordnungsmäßig nachgekommen ist. (Lebhafte Zurufe links.) Sodann darf ich noch auf folgendes Hinweisen. Es ist nicht richtig, daß das Landeskonsistorium die Absicht betätigt habe, den Sachverhalt zu verschleiern. Im Gegenteil, das Landeskonsistorium hat uns auf unsere Anfragen im Verfolg der Sitzung deS Rechtsausschusses Auskünfte erteilt (Abg. Neu: Warum geben Sie die dem Landtag nicht herüber?), soweit eS, wie es schreibt, aus eigener Kenntnis der Verhältnisse dazu in der Lage war. Es hat aber erklärt, daß es wegen der Vermögens- und Stellerverhältnisse der Kirchgemeinden zunächst bei den einzelnen Kirchgemeinden umfragen müsse, was nicht geringe Arbeit verursachen werde; e- werde aber zur Erhebung der einzelnen Angaben gerne bereit sein, wenn es gewünscht werde, obwohl doch die Finanzlage der Landeskirche und der Kirchgemeinden in den An hängen zur Vorlage Nr. 22 in genügender Weise, ins besondere auch in ihrem Verhältnis zu der staatlichen Leistungsfähigkeit klargestellt worden sei. Die Regierung hat es aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen für ausgeschlossen erachtet, daß solche zeitraubenden Erhe bungen zu einem für den Staat günstigeren Ergebnis führen könnten, und hat daher bis jetzt davon abgesehen, die Kirche zu diesen umfänglichen Erhebungen zu veran lassen. (Abg. Tögel: Hört, hört! — Abg. Neu: Sehen Sie einmal die alten Landtagsverhandlungen nach, da handelt es sich nur um 3000 M, und da sind die Er hebungen gemacht worden!) Abg. Löget (Dnat ): Soweit ich die Verhältnisse kenne und durchschauen kann, ist von seiten der Landes kirche eine Aufklärung und Materialbeschaffung durchaus nicht abgelehnt worden. Die Regierung hat meiner Auffassung nach bei der ganzen Einsetzung der Mittel in Kap. 62 die Grundlage genommen, die der ganzen Entwicklung des Tatbestandes entspricht Wenn die Summen regelmäßig in den Etat eingestellt werden müssen, so werden wir bei dieser Festsetzung sehr wahr scheinlich um die Entscheidung durch eine Rechtsinstanz nicht herumkommen. Ich muß auch der Auffassung widersprechen, als könne man die Summen, die in Kap. 62 eingesetzt werden, etwa abhängig machen von der Mitgliederzahl der Kirche oder so ähnlich. Der Abg. Claus ist der Auffassung, eine Entscheidung über die Höhe der Einsetzungen durch den Staatsgerichts hof sei einer vertraglichen Regelung vorzuziehen. Ich möchte das immerhin feststellen, denn dann soll man später der Landeskirche nicht den Vorwurf machen, daß sie diesen Weg gesucht ha», der ihr heute auch empfohlen worden ist. Ich bin aber der Auffassung, daß der Staat sowohl aus materiellen wie auch aus ideellen Gründen genau so wie die Landeskirche großen Wert auf eine schiedlich friedliche Lösung legen und den Weg über den Rechtsstreit vermeiden sollte. Die Landeskirche hat die Entscheidung durch den Staatsgerichtshof nicht zu scheuen. Warum es die Landeskirche bis zuletzt vermieden hat und vermeiden wird, die Klage vor dem Staatsgerichts hof zu erheben, liegt nicht an dieser materiellen Über legung, sondern liegt daran, daß sie ihrer ganzen Struktur und ihrer Sendung nach bemüht sein wird, eine fried liche Lösung einem Streitverfahren vorzuziehen. Die Notlage der Kirche und der Kirchgemeinden ist heute noch größer als die finanzielle Notlage des Staates. Die Kirche hat in sehr vieler Beziehung äußerste Sparsamkeit walten lassen und walten lassen müssen. Zur Erhaltung der kirchlichen Baulichkeiten, Kirchengebäude und Pfarr häuser, zur dringlichsten Erhaltung, die nicht bloß im kirchlichen, sondern auch im Heimatschutzinteresse vielfach notwendig ist, würde z. B. ein Betrag von 20 Mill. M erforderlich sein. Eingestellt sind aber im Landeskirchen- Hanshaltplan 700000 M, über die zum größten Teile durch Darlehnsvorgriffe anderer Jahre schon längst ver fügt ist. Die Sparsamkeit hat die Kirche leider auch üben müssen auf dem Gebiete ihrer sozialen Hilfe. Was sollte werden, wenn die Anstalten der Inneren Mission zusammenbrächen? Dort sind teilweise die allerschwersten Fälle der sozialen Not untergebracht und dort wird diese Hilfe geleistet auch mit einem denkbar geringen Aufwand von Mitteln. Im preußischen Landesdurchschnitt sind 36 Proz. aller Fürsorgezöglinge in Erziehungsheimen der freien Wohlfahrtspflege untergebracht; würden sie in öffentliche Heime gelegt werden, so ergäben sich für die öffentliche Hand ganz beträchtliche Mehrkosten, nämlich 14584000 M. Es ist berechnet worden, daß allein die landeskirchliche und die freie Wohlfahrtspflege auf dem gesamten Gebiet der christlichen Liebestätigkeit der öffent lichen Hand im Jahre mehr als 250 Mill. M erspart. Die Kirche ist leider nicht frei auf dem Gebiet der Kirchensteuergesetzgebung, sondern sie hat durch das Religionssteuergesetz von 1921 eine Zwangsjacke an- gezogen bekommen, wie sie schlimmer nicht gedacht wer den kann. Landeskirchensteuern in heutigem Sinne hat es früher überhaupt nicht gegeben, well die Kirche als mit dem Staate verbunden, soweit die Aufgaben des Landeskonsistoriums und der Mittelbehörden in Frage kommen, vom Staat aus finanziert wurde. Früher hatten wir die Ortskirchensteuer, aber auf einer viel breiteren Grundlage. Sie wurde erhoben als kirch liche Einkommensteuer, als kirchliche Grundsteuer, Kopf steuer, Besitzwechselabgabe usw. Wenn wir heute schätzungs weise im Durchschnitt eine 8prozentige Kirchgemeinde steuer zu Grunde legen, die zu der 4 prozentiyen Landes kirchensteuer hinzuzurechnen ist, so ergibt sich für das Jahr 1929 eine Landeskirchensteuer von 7,5 Mill. RM, und eine Kirchgemeindesteuer von 15 Mill. RM, summ» summ»rum 22,5 Mill. RM. Das ist über 100 Proz. mehr, als die Kirchensteuerbelastung in der Vorkriegszeit betrug Die Zahlen für das Jahr 1930 sind 6,7 Millionen Landes kirchensteuer, 13,5 Millionen Kirchgemeindesteuer, summ» »umm»rum 20,2 Mill. RM Kirchensteuern. Und dabei ist die Kirchensteuerbasis wesentlich geringer, die Zahl der Kirchensteuerpflichtigen ebenfalls viel kleiner geworden. Die Belastung ist unverhältnismäßig viel größer geworden, so daß ein Ausweichen etwa im Wege einer weiteren Steuererhöhung vollständig ausgeschlossen ist. Zugsgeben, daß es Mitglieder der Kirche gibt, die, wenn sie ihren Kirchensteuerbetrag zahlen sollen, am liebsten austreten. Zugegeben auch, daß es für die Kirche besser ist, diese Leute ziehen zu lassen al» ihnen nach- zulaufen Aber die Kirchensteuer ist doch nach Z 1 des Religlon-steuergesetze- abhängig gemacht worden von dem Einkommensteuerbetrag. Dieser Einkommensteuerbetrag unterliegt einer sehr starken Progression bei den hohen Einkommen, und die Kirchensteuer muß dieser hohen Progression folgen. Die Handelskammern und Gewerbe kammern berechnen seit Jahren ihre Beiträge, die auch nach dem Steueraufkommen berechnet werden sollen, nach einer Ersabstaffel, und m der Erlaßpraxcs der Lan deskirche ist diese selbe Ersatzpraxis angewendet worden. So sehen diese Steuererlasse aus, dre hier kritisiert werden In den sozialistisch regierten P-eußen wurden 1927/28 an Leistungen für die Kirche gewährt 787 000 M, m Bayern 38252000 M, in Sachsen 5452000 M, m Würt temberg 14318000 M, in Baden 4157000 M und m Thüringen 3817000 M. Setzt man diese Leistungen in Beziehung zu den Aufwendungen für das Volks- und Berufsschulwesen, so ergibt sich folgendes: Württemberg wendet für die Landeskirche V, der «Lchulaufwendungen auf, Preußen Thüringen Vio, Bayern V«, Baden, Mecklenburg-Schwerin und AnhaltV» und Sachsen Vr«. Dasselbe finden wir auch, wenn wir die Leistungen der Staaten für ihre Kirchen zu ihrer Bevölkerungszahl m Beziehung fetzen. Es wurden in dieser Beziehung für die Landeskirche im Jahre 1927/28 von Bayern 5,18 M, von Württemberg 5,55 M, von Thüringen 2,37 M, von Preußen 1,99 M, von Baden 1,80 M und von Sachsen 1,09 M geleistet. Es scheint immerhin möglich zu sein, daß der Weg des Vertrages nicht mehr durchzuhalten ist. Es muß dann damit gerechnet werden, daß der Staat auf Grund der Rechtsprechung seine Verpflichtungen wird erfüllen müssen. Infolgedessen halten wir es für notwendig, vorausgesetzt, daß beim Antrag Drucksache Nr. 585 die Ziff. I 1 und 2 angenommen werden, daß der Regierung eine Summe zur Verfügung gestellt wird zum Ausgleich von Rechts- Verbindlichkeiten, die ihr erwachsen können. Wir bitten deshalb unserem Eventualantrag zuzustimmen. Abg. Claus (D.Stp.): Ich habe bereits gesagt, daß die Finanzen der Kirche sich wesentlich gebessert haben durch die Erweiterung des Steuerrechts. Das Landes kirchensteuerrecht ist neu hinzugekommen. Ich bedaure nur, daß wir nicht haben erfahren können, wie hoch die Beträge, vor allen Dinaen die Ortskirchensteuern sind, denn darauf kommt es hierbei an. Es ist gesagt worden, die Kirche habe den Weg der Verständigung gesucht und der Landtag habe dieser: Weg abgewiesen. Es ist doch so gewesen, daß unsere Kirche hat erklären lassen, es gäbe für den Landtag nur zweierlei, entweder die Vorlage anzunehmen oder abzu lehnen, an dem Vertrage selbst dürfe nichts geändert werden. Wenn man das eine Verständigung nennt, kann ich das nicht zugestehen Hierauf beantragt Abg. Sachse Schluß der Debatte. Auf der Rednerliste steht noch Abg. Mätzig (Komm.). Der Antrag auf Schluß der Debatte findet An nahme. Punkt 4 und 5 werden miteinander verbunden. Punkt 4: Zweite Beratung über Kap. 32 —Kunst» zwecke — des ordentlichen Ltaatshanshaltplans für das Rechnungsjahr 1931 sowie über die hierzu vor liegenden Eingaben. (Anderweiler mündlicher Bericht deS Haushaltausschusses Drucksache Rr. 599.) Der Antrag Nr. 590 lautet: (Die MtnderheitSantrSge sind durch > besonders bezeichnet.) Der Landtag wolle beschließen: I. 1. » die Einstellung bei Kap. 32 nach der Vorlage Nr. 24 zu genehmigen. Voigt. 2. bei Kap. 32 Abt. die Einstellungen ») in den Tit. 1 bis 6 nach der Vorlage Nr. 24 zu genehmigen; b) in Tit. 7 von 32000RM auf 34000 RM zu erhöhen; o) in den Tit. 8 uird 9 nach der Vorlage Nr. 24 zu genehmigen; 6) 1. den Tit. 10 um 5000 RM auf 15000 RM zu erhöhen; 2. in der Erläuterungsspalte zu vermerken: „5000 RM für Errichtung von Frei tischen"; o) im Tit. 11 nach der Vorlage Nr. 24 zu ge nehmigen ; 3. bei Kap. 32 Abt. 8 ») 1. die Gesamtsumme der Tit. 1 bis 3 von 91000RM um 50000 RM zu erhöhen; 2. die Gegenstandsspalte bei Tit. 3 wie folgt zu fassen: „Erwerbung von Kunstwerken für öffent liche Gebäude und Verteilung von Preisen. Auf den Haushalt 1932 übertragbar."; b) die Einstellung im Tit. 4 nach der Vorlage Nr. 24 zu genehmigen; o) 1. » die Einstellung in Tit. 5 von 26500 RM auf 126500 RM zu erhöhen und die Mehr einstellung von 100000 RM dem Leipziger Gewandhaus zur Verfügung zu stellen; vr. Wallner. 2. die Einstellungen in den Tit. 5 bis 7 nach ,, , der Vorlage Nr. 24 zu genehmigen; a) 1. tue Einstellung im Tit. 8 von 54000 RM auf 145000 RM zu erhöhen; 2. den Betrag wie folgt zu gliedern: 1. Befucherorganisatwnen (Volksbühne und Bühnen- vollsbund) 20000 RM 2. Zur Unterstützung für die m besondere finanzielle Not- läge geratenen Städtischen . Krovinztheater 20000 RA 3 Sächsische Landesbühne . böOOO RM