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Er bedeutet ja lediglich, daß der Regierung die Möglich- keü geboten wird, offenstchttiche Ungerecht iakeiten aus der Wett zu schaffen. Jndeffeu hat die Regierung vor- hin den Antrag gestellt, die Materie an den RechtsauS- schuß zuruckzutveifen. Infolgedessen hat eS gar keinen Zweck, jetzt weiter über den Gegenstand zu diskutieren. Ich stelle deshalb den Antrag auf Schluß der Debatte. Nachdem Abg. Renner (Komm.) gegen diesen An- Hag gesprochen hat, wird der Antrag auf Schluß der Aussprache angenommen. Da» Haus stimmt der von der Regierung geforderte« Rückverweisung der Vor lage an den RechtsanSschuß zu. Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung des An trags des Abg. Ar«dt u. Gen. gegen die zur Brot preiserhöhung führende Politik de» Reichsernährungs ministers. (Drucksache Rr. 4S») Der Antrag Rr 430 lautet: Die durch die übertriebene Verknappung der Ge- treidevorrüte bedingte Erhöhung des BrotpreiseS ist ein Alarnueichen, das die Gefährlichkeit der einseitigen Zollpolitik des gegen wärt igen Reichsernährungsministers zeigt. Die Absichten, den BrotpreiS durch Einführung eines minderwertigen Sriegsbrotes künftig niedrig er scheinen zu lallen, find — abgesehen davon, daß sie keinen Erfolg haben werden — entschieden zu ver urteilen. Der Landtag wolle daher beschließen: die Regierung zu beauftragen, 1. bei der Reichsregierung sofort und fchärfstens gegen die Politik des Reichsernährungsminifters Schiele zu protestieren; 2. rm Reichsrat alle Maßnahmen, durch welche die breiten Massen geschädigt und belastet werden, ent schieden abzulehnen. Abg. Kautzsch (Soz. — zur Begründung): Die Öffent lichkeit ist in Deutschland in der letzten Zeit des öfteren von Meldungen überrascht worden, die nicht mehr und nicht weniger bedeuteten als die Ankündigung einer weiteren Verschlechterung der Lebenshaltung. Für die arbeitenden Massen des Volkes, ganz gleich ob sie mit der Hand, ob sie mit dem Kopfe arbeiten, ist in aller- erster Linie ausschlaggebend der Preis für die wichtig sten Lebensmittel, die der Mensch zur Wiederherstellung seiner Kräfte, damit er im Arbeitsprozeß brauchbar ist, anlegen muß, und innerhalb dieser Preise sticht m aller erster Linie wieder der Preis für das wichtigste Lebens mittel, das Brot, hervor. Wir haben leider in der letzten Zeit des öfteren erleben müssen, daß von maß gebenden Leuten sowohl der Regierung wie auch der einzelnen Wirtschaftsorganisationen immer wieder darauf hingewiesen wurde, von unserem Standpunkte aus voll ständig falsch gesehen, daß die Lebenshaltung der Ar beiterschaft in Deutschland weiter gesenkt werden müsse. Man sagt das nicht in so einfachen Worten, sondern man kleidet das so schön in die Formel, daß die Kosten des Produktionsprozesses gesenkt werden müßten, wenn die deMsche Industrie auf dem Weltmarkt wettbewerbs fähig sein könnte. Produktionskosten kann man senken, ohne daß man dem Arbeiter wehetut, Produktionskosten kann man dadurch senken, daß der Unternehmerertrag auf ein Minimum zurückgefchraubt wird, Produktions kosten senken kann man aber auch dadurch, daß man dem schaffenden Menschen die wichtigsten Nahrungs mittel, die wichtigsten Bedarfsartikel zu Preisen zur Verfügung stellt, die sich nicht über die Preise des Weltmarktes erheben. Wir sehen in Deutschland eine beachtliche Bewegung, die unter der Parole der Bekämpfung der Rot der Land wirtschaft versucht, die Öffentlichkeit in ganz gewisser Richtung zu beeinflussen. Wir bestreiten keinen Augen blick, daß von der ungeheuren Weltwirtschaftskrise, die als Folge des Krieges diesmal sehr spät aufgetreten ist, auch tue Landwirtschaft nicht verschont bleiben kann. Wir sind uns ebenfalls darüber klar, daß Teile der Land wirtschaft sich heute nicht den ungeheuren Triebkräften entziehen können, die die Rationalisierung landwirtschaft licher Produkte in den großen Produktionsländern nach sich ziehen muß. Ich glaube, der Mehldrescher, der in Amerika und anderen großen Getreideanbaugebieten in Tätigkeit gesetzt ist, wird einst in der Geschichte der Land wirtschaft als einer der größten Revolutionäre bingestellt werben muffen. Er wertet alle Werte um, und es geht dann den deutschen Landwirten, vor allen Dingen den mittleren und kleinen, wie den übrigen Mittelschichten. Sie tverden zermalmt von diesen ungeheuren Kräften, die der kapitalkräftige Großbetrieb einsetzen kann. Ich gebe mich kernen Augenblick vielleicht der Meinung hm, daß wir in Deutschland überall mit dem Mehldrescher arbeiten könnten. Dazu wäre die Struktur unseres Landes, des Reiches gar nicht geeignet. Aber das Wesent liche ist doch, daß durch den Mehldrescher und vor allen Dingen auch durch die verschiedenen Züchtungsmethoden der wichtigsten Getreideforlen immerhin die Getreide anbaufläche eine größere geworden ist, daß der Ertrag auf den einzelnen Flächen ebenfalls gestiegen ist und daß durch die Anwendung der Mafchinenkraft und vor allen Dingen auch durch die intensivste Bewirtschaftung eine weitere Verbilligung der Getreidepreise einsetzen mußte. Es geht hier der deutschen Landwirtschaft genau so wie den übrigen Industriezweigen Deutschlands, daß sie versuchen muß, sich dieser Konkurrenz des kräftigen Auslandes zu erwehren. Wie versucht man das in Deutschland? Das Pro gramm, das sich die Reichsregieruna, vor allen Dingen der Herr Reichsernährungsminister Schiele gemacht hat, besteht in allererster Linie darin: Baut Zollmauern, auf daß die heimische Landwirtschaft geschützt wird! Man vergißt und übersieht dabei vollständig, daß wir ja nickt nur auf die Einfuhr gewisser Produkte angewiesen sind, sondern daß wir auch sehr stark an der Ausfuhr unserer Produtte interessiert sind. Ich habe bereit» seiner- M, als wir hier die Auseinandersetzung über die Ein- sühkung des Gefrierfleisches pflegten, alle diese Dinge berührt, und ick will heute nicht wiederholen, was rch damals auögcfimrt habe, ich will nur erneut darauf htn- »ve««, daß die Zollpolitik, d:e zurzeit in Deutschland Ame-en wird, die allergrößten Gefahren für die deutsche Arbeiterschaft in sich birgt, weil uns dadurch wichtige Absatzländer auf dem Markie verlorengehen, daß sie die Einfuhr deutscher Produkte sperren, solange in Deutsch land diese ap sich schon überhöhten Schutzzölle immer and immer wieder noch Wetter erhöbt werden. Jckhabe vor mir dxn Antrag Rr. 682 liegen, der in der 5. Wahl periode dem Deutschen Reichstag, von agrarischer Seite gestellt, zugegangen ist. In diesem Antrag wird eigentlich der sogenannte lückenlose Zolltarif bis zur letzten Potenz gefordert, und man sagt nicht zuviel, wenn man das, was da von großagranscher Seite gefordert wird, als schlimmsten AararradikaliSmus bezeichnet. Die Landwirt schaft sagt: Bei der ungeheuren Bedeutung, die der Landwirtschaft im Rahmen des deutschen Volksganzen zukommt, müssen wir diese Zölle haben. Wir nehmen es den Herrschaften durchaus nicht übel, wenn sie versuchen sich zu schützen, aber es ist notwendig, daß wir als Ver treter eines Landes, in welchem die Industrie so außer ordentlich stark vertreten ist, wie in Sachsen, darauf yin weifen, daß durch diese Zollpolitik die Lebenshaltung der Arbeiterschaft außerordentlich verteuert und verschlechtert wird, daß durch diese Verteuerung der Lebenshaltung natürlich in keiner Form die Arbeiterschaft weiteren Lohn senkungen zustimmen kann, daß also durch diese Erhöhung der Lebenshaltung der ganze Reorganisation-Prozeß der gesamten Wirtschaft aufs schwerste gestört wird. Man hat seinerzeit, als man versnchte, unter der Brüning-Regierung in Deutschland die Industrie wieder anzukurbeln, die sonderbarsten Vorschläge gemacht. Man hat aber nur eins durchgeführt, und das war eben, daß man die Löhne der Arbeiter und die Gehälter der Be amten abgebaut hat. Und auch in der gegenwärtigen Zeit wollen die Stimmen nicht verstummen, wonach wettere Lohnkürzungen und weitere Gehaltskürzungen in Vorbereitung feien. Rein wirtschaftlich gesehen, be deutet das, das hat sich heute langsam bis zum kleinsten Krämerladen heromgesprochen, eine wettere Schrumpfung der Kaufkraft und damit eine weitere Verschärfung der Krise, bedeutet das eine weitere Vernichtung einer ganzen Reihe mittelständlerischer Existenzen. Und wer ist der Nutznießer einer solchen Politik? Nicht die Kreise, die vielleicht hier in diesem Hause vertreten werden, nicht die Mittelschichten, nicht der kleine oder mittlere Land wirt, sondern die Kreise, die sich auf starke finanzkräftige Verbindungen stützen können. Und bei der Animosität, mit der man zurzeit in Deutschland das Wirken des Finanzkapitals betrachtet, dürfte es meines Erachtens gar nicht schwer sein, hier in diesem Hause eine einheit liche Front zu finden, die gegen das Stellung nimmt, was wir uns unter dem sogenannten Schieleschen Hunger- proaramm vorstellen. Das Programm, zu dem Herr Schiele sich verpflichtet fühlt, bringt eine ganz gewaltige weitere Verteuerung der Lebenshaltungswsten mit sich. Der preußische Land tag hat in diesen Tagen ebenfalls zu diesem Problem Stellung genommen. Es wurde dort ein Antrag unserer Partei angenommen, der die preußische Regierung beauf tragt, bei der Reichsreaierung und beim Reichsrat vor stellig zu werden, daß die bereits durchgeführten Brot preiserhöhungen rückKdrgig gemacht werden und daß die preußische Regierung bei der Reichsregierung sich dafür einsetzt, daß eine weitere Verteuerung der Lebenshaltung hintangehalten wird. Was der preußische Landtag kann, müßte meiner Ansicht nach der sächsische Landtag eben sogut können. Jetzt ist durch die Neuregelung der Zölle eine ganze Reihe Lebensmittel, für die z. B. die sächsi sche Landwirtschaft als Produktionsfaktor gar nicht in Frage kommt, auch mit erhöht worden, die Zollerhöhungen bei den verschiedenen Fleischsorten betragen durchschnittlich 50—60 Proz. Interessant ist auch, daß gerade die Lebens mittel, die der arme Teufe! noch kaufe» kann, Erbsen und Linsen, bei der Zollerhöhung am allermeisten in Mitleidenschaft gezogen wurden. Es kommt weiter hin zu, daß durch das deutsche Zollsystem es außerordentlich schwer ist, eine Verbilligung auf dem Weltmärkte auch dem deutschen Käufer zugängig zu machen, wenigstens soweit der Zoll in Frage kommt; denn die deutschen Zölle sind ja zum allergrößten Telle keine Wert-, sondern smd Menaenzölle, und dadurch wird natürlich ein Schwan ken, ein Nachlassen der Preise auf dem Weltmarkt sich in der Zollhöhe niemals auswirken können. Also aber mals eine schöne Rückversicherung für die Kreise, die heute in Deutschland von sich behaupten, daß sie denRähr- stand repräsentierten. Der Erfolg dieser Politik ist, daß die Reichsindexzahl in Deutschland vom März zum April nur um einen ganzen halben Punkt gesunken ist, von 137,7 auf 137^, und daß vor allen Dmgen die Preise für die Ernährung nur um 0,3 Proz. zurückgegangen sind. Also, es zeigt sich, daß die sogenannte BerbilligungS- aktion gerade auf dem Lebensmittelmarkt so gut wie gar keine Wirkungen ausgestrahlt hat. Es zeigt sich, daß man auf der einen Seite den Arbeitern den Lohn gekürzt hat, daß inan die Gehälter der Beamten abgebaut hat, daß man aber den anderen Teil dieses Programms gar nicht eingehalten hat. Man kann eS nicht einhalten, tveil eben gewisse Interessentenkreise die Einhaltung einer derartigen Zoll politik verhindern. Man wird sagen, daß die deutsche Wirtschaft in all den Zeiten immer Seite an Seite mit der Landwirtschaft gefochten habe. Wir wollen das nicht bestreiten. Sie haben sich gegenseitig die Dollars, Taler und Goldstückchen in die Tasche gearbeitet. Die Industrie hat mitgeholfen, Zölle für die Landwirtschaft heraus« zuholen, und die Landwirtschaft hat mitgeholfen, Rüstungs programme durchzuführen und andere Zollmaßnahmen zu treffen, die wieder der Industrie zugute kamen. Heute liegen die Dinge so, daß bereit- beachtliche Telle der Industrie über diese Zollmaßnahmen, die getroffen werden, stutzig werden. Das beweisen sowohl Ausführungen im „Dresdner Anzeiger" vom 28. April al« auch im „Hamburger Fremdenblatt". Das sind keine Marxisten, sondern das wird von den Leuten -um Ausdruck gebracht, die sich auch für die deutsche Wirtschaft verantwortlich fühlen, und sonderbar, hier laufen unsere Wege, die Wege der Sozialdemokratie und der Arbeiterschaft und die Wege eines gewissen Teile- der Industrie parallel. Sie müssen zwangÄäusia miteinander verlaufen, weil eben die In dustrie als Erporteur in allererster Lini? die Gefahren sehen muß, dw ihr beim Export dek brutschen Wären entstehe«. Die Ungeheure Übersetzung der Zollsätze brin^ uns ersttN» einmal ein« außerordeMcke Betseu-rung der Lebenshaltung. Sie bringt uns eine Verschlechterung der Volksgesundheit und sie brurgt uns wirtschaftliche Erschwer nisse, weil die Arbeiterschaft zwangsläufig wieder um ihre alten Löhne kämpfen muß Sie bringt un- deshalb wm- schastliche Erfchwernffse, weil da- deutsche Produtt jetzt eben nickt zu dem Preis abgesetzt werden kann, wie ihn sich der deutsche Unternehmer gedacht hatte. Wir haben gesehen, daß die Löhne abgebaut wurden. Wir haben aber auch gesehen, daß da-andere Versprechen, der Preisabbau, nicht eingehalten wurde. Wir haben gesehen, daß im Gegenteil eine Verteuerung der Lebens haltung herbeigeführt wird und daß nun die kapitalistische Gesellschaftsordnung und ihre Regierungen vor einem neuen Dilemma stehen. Dieses neue Dilemma heißt das ewige Defizit im Reichshaushaltplan, heißt das ewige Defizit überall dort, wo Körperschaften kür da- Wohl des Staates oder für das Wohl von Personen zu sorgen haben. Man wird selbstverständlich dort versuchen, zum Schutz der heimischen Landwirtschaft dem schaffenden Teil des Volkes abermals neue Lasten aufzuerlegen. Ich habe davon gesprochen, daß durch diese Methode die Lebens haltung des deutschen Arbeiters auf ein niedrigeres Niveau gebracht wird. Wir haben festgestellt, daß auch der Ge sundheitszustand des deutschen Volkes und des deutschen Arbeiters durchaus nicht gestiegen ist. Gewiß, durch die starke soziale Fürsorge, die wir erfreulicherweise in den letzten 5 oder 6 Jahren treiben konnten, hat sich die Gesundheit des dentschen Bolte- wesentlich gehoben, hat die Kindersterblichkeit sehr stark nachgelassen, haben wir eine ganze Reihe wichtiger erfreulicher Feststellungen gerade auf diesen: Gebiet machen können. Aber wir sehen gerade in der Gegenwart, wie sich die ungeheure Teue rung und die Wirtschaftskrise wieder ganz verheerend auf das so schön und erfreulicherweise so ertragreich Auf gebaute ausgewirkt hat. Es ist mir heute von einem Mitglied dieses Hauses, das nicht unserer Partei angehört, mitgeteilt worden, daß in ganz kurzer Zeit allein im oberen Erzgebirge in der Annaberger Gegend wohl an die 30 Rentner, alte Leute, ihrem Leben freiwillig ein Ende gemacht haben. Ich glaube nicht, daß die Leute das getan hätten, wenn sie im Überfluß hätten leben können. Ich glaube nicht, daß sie das getan hätten, wenn sie nur die notwendigsten Bedarfs- und Nahrungsmittel sich hätten kaufen können, sondern es ist die bittere Not der Gegenwart und es ist vor allen Dingen der finstere Weg, den all die Menschen gehen müssen, die heute kein Einkommen haben, der Weg, der ihnen weder eine Gegen wart und noch viel weniger eine Zukunft zeigt. Auch der Hauptvorstand deutscher Krankenkassen weist aus, daß durch die scharf einsetzende Rationalisierung in Deutschland der Gesundheitszustand gefallen, die Unfall gefahren usw. gestiegen seien. In dem Augenblick, wo die Intensität der Arbeit ge steigert ist, ist es natürlich notwendig, daß der arbeitende Mensch seine ganze Lebenshaltung umstellt. Ein schnell- laufender Motor wird mit anderen Betriebskräften gespeist als eine altmodische Dampfmaschine, und der Mensch, der heute am laufenden Band steht, kann sich nicht mehr früh oder am Mittag oder in der Zwischenzeit den Magen voll Mehlsuppe oder voll Kartoffelbrei oder ähnliche primitive Nahrung stopfen, sondern er braucht Qualitätß- nahrung; denn der Arbeitsprozeß laßt ja lange Pausen zur Einnahme der Nahrung gar nicht zu, der Arbeits prozeß erlaubt gar nicht, daß er den Platz verläßt, um seine Notdurft zu verrichten. Damit ist ohne weiteres der Beweis erbracht, daß der Arbeiter, der jetzt unter diesen neuen Arbeitsmethoden schaffen muß — ganz gleich, ob in: Kontor oder Werkstätte oder im Schockt —, eine vollständige Umstellung seiner Ernährung vornehmen mußte, und die Abwendung vom Roggenbrot zum Weizen brot findet hier bis zu einen: gewissen Grade ihre Ursache. Ich weise weiter darauf hin, daß natürlich der Mensch, der heute im modernen Arbeitsprozeß steht, auch noch andere Bedürfnisse hat; er hat ein Bedürfnis nach Fleisch, vor allen Dingen auch ein Bedürfnis nach Obst und Gemüse, Dingen, die die deutsche Landwirtschaft — gerade das letztere! — heute noch nicht in dem Maße zur Verfügung stellen kann, wie das notwendig wäre. Wenn nckn in dem Agrarprogramm der deutschen Land wirtschaft, das dem Rerchstag vorliegt, eine ganz besondere Erhöhung der Südfruchtzölle gefordert wird, dann bedeutet das abermals einen neuen Schlag gegen den Arbeiter, der heute unter ganz veränderten Verhältnisse:: zu arbeiten gezwungen ist, als ihm das in früherer Zeit möglich war. Man wird natürlich draußen wieder mächtigen Sturm blase::, man wird gerade in Sachsen zu den kleinen Bauern hingehen und wird sagen: Schaut euch die Sozialdemo kraten an, die gönnen euch nicht da» bischen Luft, noch weniger das bißchen Land! Ich weise darauf hin, daß die Frage der Zölle auch in den Kreisen der Landwirst schäft durchaus nicht einheitlich bewertet wird. Ich will darauf verweisen, daß schon bei den großen Agrarvev- handlungen im Deutschen Reichstage am 20. März 1895 der damalige Reichskanzler Hohenlohe gesagt hat, daß die Getreidezölle durchaus nicht allen Landwirten Nutzen bringen; und Hohenlohe schätzte die Zahl der Bauern, die damals von den Getreidezöllen Nachteile hatten, auf 74 Proz. des gesamten deutschen Bauernstandes. Im Reichstage ist der Tett der Bauern, der Nachteil von den Getreidezöllen hätte, jetzt auf 77 Proz. geschätzt worden, wenn man die Grenze bei 20 Morgen Land zieht. „Der Deutsche", das Organ de- Herrn Steger wald, und die „Tremonia", ein Organ der Zentrums bauern im Westen Deutschlands, brachte zu Beginn die ses Jahres eine Entschließung de- westfälischen Bauern- veremS, die am 2. Januar 1931 gefaßt wurde: und da wird festgestellt, daß die heutige Agrarpolitik der Ruin für die westdeutsche Landwirtschaft ist, daß das Eintreten für den lückenlosen Zolltarif ein wirtschaftlicher Unsinn ist, denn er verteuert der Landwirtschaft die Produktions mittel und damit auch die landwirtfchuftlnhen Edel produtte.