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825 ÄckqMU M WM AMtiiW 73. - zu Nr. 110 des Hauptblattes. 1931. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße in Dresden. --— ' - Landtagsderhandlunge«. 41. Sitzung. Dienstag, den 12. Mai 1931. Präsident Weckel eröffnet die Sitzung 13 Uhr 5 Minuten. Am Regiexungstisch die Staatsminister vr. Manns- feld und Richter sowie andere Regierungsvertreter. Vor Eintritt in die Tagesordnung beschließt das Haus entsprechend einem Vorschläge des Vorstands, die Vor lage Rr.27überdie Brandversicherungskammer, die in der letzten Sitzung dem Haushaltausschuß v über wiesen worden ist, an den Rechtsausschuß zu über weisen. Punkt 1 der Tagesordnung: Zweite Beratung der Barlage Str. 28, den Entwurf eiues Gesetzes «der die Grundsteuer für das Rechnungsjahr 1SS1 betreffend, (Mündlicher Bericht des RechtsansfchuffeS, Drucksache Nr. 434.) Uber den Inhalt der Vorlage Nr. 28 tvurde gelegent lich der ersten Beratung in der 37. Sitzung vom 19. März berichtet (vgl. Landtagsbeilage Nr. 66 zu Nr. 68 des Hauptblattes, S. 299). Der Antrag Nr. 434 hat folgenden Wortlaut: (Dte MinderheitsantrSge sind durch > besonders bezeichnet.) Der Landtag wolle beschließen: 1. ») den 8 1 der Vorlage unverändert anzunehmen; b) » dem 8 1 der Vorlage anzufügen: „Die Ein hebung der Grundsteuer erfolgt künftig nach fol genden Grundsätzen: bis 10060RM Einheitswert steuerfrei, von 10 060 bis 15 000 RM des Einheitswertes 0,50 RM pro Tausend, von 15000 bis 20 000 RM des Einheitswertes 1,25 RM pro Tausend, von 20 000 bis 25 000 RM des Einheitswertes 2,00 RM pro Tausend, über 20 000 RM des Einheitswertes 3,00 RM pro Tausend."; Herrmann (Leipzig), Schneider (Crottendorf). 2. den 8 2 der Vorlage unverändert anzunehmen; 3. den 8 3 der Vorlage unverändert anzunehmen; 4. den 8 4 der Vorlage unverändert anzunehmen; 5. den § 5 der Vorlage unverändert anzunehmen; 6. deu § 6 der Vorlage unverändert anzunehmen; 7. den 8? der Vorlage unverändert anzunehmen; 8. im übrigen die Vorlage famt Überschrift, Eingang und Schluß unverändert anzunehmen. Die Landvolksraktion hat zur Vorlage Nr. 28 noch einen Abänderungsantrag eingebracht, wonach die in 8 4 des Gesetzentwurfes vorgesehene Herabsetzung der Grundsteuer für das Rechnungsjahr 1931, die im Erlaß wege eintreten kann, wenn der Unterschied zwischen den breiten Einheitswerten mehr als „ein Drittel" des der Grundsteuer für das Rechnungsjahr 1931 zugrunde liegenden Einheitswertes beträgt, bereits eintreten kann, wenn dieser Unterschied „15 v. H." beträgt. Ber.-Erst. Abg. Kunath (Wirtschp): Der Gesetzentwurf sieht vor, daß die am 31. Dezember 1927 gültig gewesenen Einheitswerte auch «och für die Grundsteuererhebung von 1931 maßgebend bleiben sollen. Die Regierung hat bei der Beratung im Rechtsausschuß erklärt, daß es sich bei dieser Regelung nicht etwa um ein Geschenk an die Hausbesitzer oder an die Grundsteuerpflichtigen handele. Der Reichsfinanzminister habe mitteilen lassen, daß ganz zweifellos eine nicht unwesentliche Erhöhung der Grund steuer eintreten werde, wenn die neuen Einheitswerte statt der von 1925 zugrunde gelegt werden sollten. Das sei aber in einer Zeit, in der die vom Hausbesitz durch Erhöhung der Zinsen und manche anderen Ausgaben zu tragenden Lasten sich gesteigert hätten, nicht nur nicht zu verantworten, sondern das sei auch unvereinbar mit den Vorschriften der vom Reichstag gebilligten Verord nung des Reichspräsidenten vom Dezember 1930, die jede weitere Erhöhung der Grundsteuer- und Gewerbe steuerlasten ausschließe. Die einschlagende Bestimmung in der Reichsnotverordnung lautet: Mit Wirkung vom 1. April 1931 ab dürfen die landes- und gemeinderechtlichen Vorschriften über die Realsteuern und die Gebäudeentschuldungssteuern für die Steuerpflichtigen nicht ungünstiger sein, als sie am 31. Dezember 1930 bestanden. Für die Sozialdemokratische Fraktion erklärte im Aus schuß Abg. Rebrig, sie werde die Vorlage ablehnen, weil sie nicht überzeugt sei, daß durch Anwendung der neuen Einheitswerte überhaupt eine Grundsteuererhöhung ein treten werde. Seit 1925 hätten sich die Verhältnisse auf dem Grundstücksmarkt total verändert, insbesondere sei durch Freilassung aus der Zwangsgebundenheit vielen Besitzern die Möglichkeit geboten worden, die Einnahme aus ihrem Grundbesitz zu steigern. Darauf hat die Regierung entgegnet, es lägen leider außerordentlich viele ziffernmäßige Nachweisungen darüber vor, daß es namentlich in den Großstädten mit dem wirt schaftlichen Ertrag dieser Grundstücke so schlecht bestellt sei, daß einem anast und bange werden müsse Für die Kommunistische Fraktion brachte der Abg. Schneider den Antrag ein, die Grundsteuersätze zu staffeln so, wie es aus der Drucksacke Nr. 434 zu ersehen ist. Diesen Antrag mußte die Meyrheit des Ausschusses ab lehnen, weil er mit der Vorlage Nr. 28 überhaupt in keinem Zusammenhänge steht und weil eine solche Vor schrift lediglich für das Rechnungsjahr 1931 noch Geltung erlangen könnte, daß sie vom 1. April 1932 ab aber wieder außer Kraft zu setzen sein würde, weil die Reichs gesetzgebung von diesen: Zeitpunkte ab jede Staffelung der Grundsteuersätze verbietet. Die Mehrheit des Ausschusses entschied sich dafür, dem Landtag die Annahme des Gesetzentwurfes in der Fassung der Vorlage Nr. 28 zu empfehlen. Ich habe als Berichterstatter zu bitten, dementsprechend zu be schließen. Die Frage, die um den Abäuderungsantrag der Landvolkfraktion angeschnitten wird, hat im Ausschuß schon eine Rolle gespielt. Dabei hat die Regierung er klärt, es käme ihr nicht so sehr darauf an, ob der Satz von einen: Drittel bestehen bliebe oder ob mau eine andere Grundlage wünsche. Hierauf wird die Aussprache eröffnet. Abg. Schneider (Crottendorf — Komm): Die Forderung, die in dem kommunistischen Antrag ent halten ist, ist jetzt eher berechtigt als früher. Durch die Notverordnung waren wir leider gebunden, nicht eine Höherziehung und eine Staffelung für die größeren Besitzer vorzunehmen. Wir konnten nur eine Abstufung der Grundsteuersätze nach unten Vorschlägen. Es ist be dauerlich, daß wir die größeren Vermögen auf Grund der Notverordnung nicht heranziehen konnten. Man hätte glauben sotten, daß durch die Not- verordnuug auch den kleinen Besitzern eine etwas bessere Existenz gegeben würde. Aber dem ist nicht so. Eines teils wird ihnen dort etwas gegeben, aber andernteils wird ihnen durch die Notverordnung, durch die indirekten hohen Steuern usw. das Doppelte und Dreifache wieder ans der Tasche gezogen. Die gesamte Wirtschaftslage ist dazu angetan, den Gewerbetreibenden, Handwerkern und Kleinhändlern, die diese kleinen Besitzungen be wirtschaften, in ihrer ganzen Existenz und ihren Ein kommen immer mehr zu schmälern. Deswegen ist es nach unserer Memnng auch^ klfte berechtigte Forderung gerade dieser kleinen Besitzer, wenn ihnen ein Nachlaß bei der Grundsteuer zugute käme, und deshalb soll ihnen unsere Staffelung zugute kommen. Bei der Landwirtschaft war die Veranlagung zur Gruudsteuer nach dem früheren System gerechter. Da wurde die Grundsteuer zunächst nach der Bodenbonität der einzelnen Parzellen festgelegt und dann wurde die Höhe der Einheiten festgelegt, woraus sich dann die ge samte Grundsteuer ergab. Heute fragt man nicht mehr nach der Bodenbonität, nicht mehr nach der Ertrags fähigkeit des Grund und Bodens, sondern nur nach dem Wirtschaftskomplcx. Der Großgrundbesitz mit seinem großen Einkommen hat es schon im voraus verstanden Abwehrmaßregeln zn treffen, um sich zu entlasten und den: kleinen Besitz, je kleiner, desto mehr Stenern anf- zuhalsen. In den Rahmensätzen nach dem Reichs- bewertungsgesetz von 1925 wurden alsSteuerwert proHektar bei einen: Besitz bis zu 5 brr 2000 M für angebracht erachtet, von 5 bis 20 ÜL ist der Stenerwert 1239 M, von 20 bis 50 k» 1075 M, von 50 bis 100 ba ein Wert von 994 M, von 100 bis 1000 ka ein Ertragswert von 931 M, und dann bei den großen Besitzungen, bei den Latifundienbesitzungen, die also über einen Komplex von über 1000 b» verfügen, ist der Hektar durchschnittlich bloß noch 665 M wert. Da sehen wir also die kolossalen Unterschiede, die zwischen dem Großgrundbesitz und den arbeitenden Bauern liegen. Die Einheitsbewertung erfolgt heute nach dem gesamten Komplex der Wirtschaft, also inklusive Gebäude und Inventar. Prozentual haben die kleinen Besitzer be deutend mehr Wert an Inventar und Gebäuden als die Großgrundbesitzer mit ihren großen Flächen. Nach einer amtlichen Auskunft sind die Ertragswerte im Einverständnis mit dem Landbund sestgeleat worden. Daraus sehen wir auch das jämmerttche Geschrei und das demagogische Spiel, das getrieben worden ist, als eine Welle der Unruhe durch die Bauern ging und der Landbund sagte: Wir sind gar nicht schuld, sondern das verfluchte marxistische System ist schuld. Bielen kleinen Bauern bricht das Dach über dem Kopfe zusammen und sie können ihre Wirtschaft nicht mstand halten. Sollen diese Wirtschaften erst vollends zusammenbrechen, damit die Leute dann auf der Straße sitzen, oder wäre es nicht angebrachter, daß wenigstens die sächsische Regierung und die Volksvertreter, die sich bürgerliche Ordnungsparteien nennen, auf die Reicksregierung einen Druck ausübtei:, damit die Reichsüberweisungen an Länder, Gemeinden und Bezirksverbände nicht wie bis her immer nur gekürzt werden, sondern erhöht werden? Wir werden die Grundsteuervorlage von der Annahme unseres Antrages abhängig machen. Wird unser Antrag abgelehnt, so werden wir auch die Grundsteuervorlage, so wie sie uns vorliegt, ablehnen. (Bravo! b. d. Komm.) Abg. vr. Troll (Laudv.): In jedem Ort wird ein bestimmter Einheitswert an einem beliebig heraus gegriffenen Objekt festgelegt und dann auf tue anderen Flächeneinheiten übertragen. Nur in ganz besonderen Fällen wird einmal für uberinventar ein kleiner Zuschlag erhoben, aber es ist durchaus nicht so, daß etwa, je kleiner dieser Besitz ist, dieser Zuschlag überhaupt obli gatorisch wäre und sich dann noch steigerte. Die 28er Einheitsbewegung trifft den richtigen Wert besser als die 25er Einheitsbewegung. Wenn die Re gierung trotzdem, da die 25er Einhettswerte niedriger waren, entgegenkommenderweise an dieser Grundlage für die Steuern festgebalten hat, so begrüßen wir das. Wir müssen aber anderseits doch auch bedenken, daß die 28er Werte genauer sind, und dann dort, wo die 28er Werte eine niedrigere Bewertung ergeben haben, im Interesse der Gerechtigkeit auch versuchen, möglichst weit gehend diese 28er Werte zugrunde zu legen. Unser Abänderuugsantrag will deshalb, daß mau statt der Differenz von schon eine Differenz von 15 Proz. genüge:: lassen möchte, um die ueuen Einheits werte, also die genaueren, besseren, richtigeren Einheits- Werte zur Geltung kommen zn lassen. Wir bitten deshalb, um diese Gerechtigkeit nach Möglichkeit zu wahren, unserem Abänderungsantrag zuzustimmen. (Beifall rechts.) Ministerialdirektor Lorey: Meine hochverehrten Damen und Herren! Die Regierung steht vor einer neuen Sachlage. Es ist jetzt aus der Mitte des Land tags heraus der Antrag gestellt worden (Abg. vr. Troll: Im Ausschuß!), daß in 8 4 das Wort mit deu: Wort „15 Proz." vertauscht werden soll. Es ist richtig, daß im Ausschuß über diese Frage gesprochen worden ist und daß ich seinerzeit als Regierungsvertreter auch gesagt habe, daß die Negierung es sich noch einmal überlegen würde, ob denn in dieser Beziehung entgegen gekommen werden könne. Tas ist auch geschehen. Unter keinen Umständen aber ist es möglich, bis auf 15 Proz. herabzugehen. Wenn überhaupt eine Herabsetzung und damit eine Abweichung von den: bisher geltenden Recht stattfinden soll, so würde es in: allerhöchsten Fall mög lich sein, daß eine geringfügige Herabsetznng stattfinden könnte. Voll überblicken läßt sich im gegenwärtigen Augen blick dieser Antrag nicht. Infolgedessen sehe ich mich ge nötigt, zu beantragen, daß die Vorlage an bei: Rechts ausschuß zurückverwiesen wird. Abg. Rebrig (Soz.): Unsere Absicht ist nur, die Grund steuer gerecht zu gestalte::. Die Reichsbewertungsgrund sätze werden aller 3 Jahre festgesetzt, weil sich m den 3 Jahren die Verhältnisse ändern könnew Verschlechtern sie sich, so wird der Besitzer des Grundstücks niedriger zur Grundsteuer eingestellt werden, verbessern sie sich, so wird er entsprechend höher zur Steuer herangezogen werden. Seit den: Jahre 1927 sind auch in Sachsen und erst in neuerer Zeit wieder eine sehr große Menge von ertragfähigen Grundstücken aus der Zwangswirtschaft herausgenommen worden, so daß die Besitzer Gelegen heit hatten, ihre Mieten zu steigern. Aber bei der Steuer für das Grundstück wird nun diese Steigerung der Mieten, die sie vornehmen können, einfach unberücksichtigt gelassen, weil man die Werte, die 1925 festgelegt sind, zugrunde legt. Es ist richtig und notwendig, das; wir die Einheits bewertungssätze für 1931 nehmen, die für 1931 festge setzt werden. Es wird von der Regierung gesagt, daß die Notver ordnung vom Dezember dem gegenüber stände. Aber die Regierung widerspricht sich hier, denn sie sagt in der Begründung zu der Vorlage selber, daß die Verordnung des Reichspräsidenten selbst mit der Möglichkeit gerechnet habe, daß einzelne Länder die dritten Einheitswerte — also das sind die neuen — ihren Grundsteuern für das Rechuuugsjahr 1931 zugrunde legen. Also kann es doch nicht verboten sein. Cs besteht hier auf der einen Seite das Geschenk — auch wenn es vom Herrn Berichterstatter bestritten wird — an diejenigen, die ihre Mieten steigern konnten. Auf der anderen Seite muß ein Mann, der steuerlich ein Recht hätte, niedriger eingestuft zu werden, im Wege eines Gnadengesuches um Steuererlaß nachkommen. Der Abg. Troll hat vorhin gesagt, die 1928er Ein- heitsbewertuna sei gerechter als die von 1925. Trotzdem hat der Abg. Troll mit seiner Fraktion bisher jedes Jahr, wenn diese Vorlage gekommen ist, es abgelehnt, die ge rechteren Sätze von 1928 anzuwenden, sondern er hat an den Bewertungssätzen von 1925 festgehalten. Nach dem Antrag der Kommunisten braucht ein Millionär, der ein paar schöne Landhäuser mit einem Einheitswert von 10000 M besitzt, keine Grundsteuer zu zahlen. In dem Antrag ist gar keine Grenze gezogen, ob der Besitzer des Grundstückes in der Lage ist, die Steuern zu bezahlen oder nicht, und da glauben die Herren, sie könnten anderen einen Vorwurf machen, wenn man einen solchen kompletten Unsinn ablehnt. Wir machen das Grundsteuergesetz von sozialen Grundsätzen und von sozialen Gedanken abhängig, um nicht in Bausch und Bogen den Leuten Steuern zu schenken, die Steuern bezahlen können. Der kommunistische Antrag bedeutet eine Abände rung des Grundsteuergesetzes. Wir sind gern bereit, sozial wirkende Anträge — und haben solche bereits gestellt — und Steueranträge bei der Abänderung des Grunosteuer- gesetzes, die uns wahrscheinlich noch in: Laufe dieses Jahres beschert werden wird, zu stellen. Wir lehnen die Vorlage ab und werden nur den 88 3 und 4 zu stimmen, weil sie eine Vergünstigung für die Leute bringen, die bei Anwendung der Einheitswerte von 1928 daS Recht einer niedrigeren Steuerzahlung hätten. (Bravo! b. d. Soz.) Abg. vr. Wilhelm (Wirtschp ): Die Wirtschaftspartei wird der Vorlage Nr. 28 zustimmen. Die Vorlage ist im Reichsrecht begründet, und sie ist gerecht in ihren Auswirkungen. Den sympathischen Antrag Schladebach u. Gen. w:rd die WirtschaftSvartei ebenfalls annehmen.