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29. Jahrg. Nr. 38 unsere Zeitschrift „Stahl und Eisen“ durch die Fülle der den Thomasprozeß betreffenden, darin niedergelegten Arbeiten einen Beweis für die große Energie, mit welcher die weitere Aus bildung dieses Verfahrens angestrebt und er reicht wurde. Von allen Industrieländern zogen Deutsch land und Luxemburg den größten Vorteil aus der Thomas’schen Erfindung, danach Frankreich, Oesterreich und Belgien, während sich in England der Thomasprozeß nur langsam entwickeln konnte. Die großen Erzmengen in Lothringen und Luxemburg bildeten die Hauptgrundlage des mächtigen Emporblühens unserer Flußeisen erzeugung. Wie vorteilhaft der Thomasprozeß auch für Werke geworden ist, die in anderen Gegenden Deutschlands auf dortige, weniger umfangreiche Vorkommen phosphorhaltiger Erze angewiesen sind, beispielsweise für die Jlseder Hütte und die Maximilianshütte, ist allgemein be kannt. In Oesterreich-Ungarn kam der Tho masprozeß in erster Linie der Eisenindustrie in Böhmen, ferner den mährischen und schlesischen Hüttenwerken zu statten. In regelmäßigem Be trieb wurde der Prozeß dort zuerst in Witko- witz durchgeführt und rasch entstanden dann die Thomasstahlwerke zu Kladno, wo bereits im März 1879 die Vor versuche ausgeführt worden waren, ferner zu Teplitz und Trzynietz b. Teschen. Während bis dahin die österreichischen Alpen länder auf der Basis ihrer vorzüglichen Spateisen steine die Hauptmenge der dortigen Stahlerzeu gung geliefert hatten, verschob sich nun diese Pro duktionsziffer zugunsten der obengenannten Pro vinzen, deren Eisenindustrie mit billigen phos phorhaltigen Erzen und auch mit billigem Brenn stoff arbeiten konnte. Den ersten eingehenden Bericht über den Beginn der Ausübung des Thomasprozesses in Oesterreich erstattete im Mai 1880 eine aus den Herren P. Tunner, F. Kupelwieser, A. Krautner und noch drei anderen Herren bestehende Kommission.* Die Ursache der langsamen Entwicklung des Prozesses in England beruht vorwiegend auf der für die Herstellung von Thomas roheisen viel weniger geeigneten Zusammen setzung des hauptsächlichsten Teiles der in Großbritannien vorhandenen phosphorhaltigen Erze, insbesondere der Cleveland - Erze mit ihrem hohen Gehalt an Kieselsäure und Ton erde, ihrem unbequemen Gehalt an Schwefel und mit ihrem verhältnismäßig niedrigen Phos phorgehalt. Um den Schwefel im Roheisen auf ein zulässiges Maß zu bringen, ist man bei Ver arbeitung der Cleveland-Erze genötigt, einen heißen Hochofengang zu führen und demzufolge * „Zeitschrift des Berg- und Hüttenmännischen Vereins für Steiermark und Kärnten“, 1880, S. 217 bis 260. graues Roheisen zu erblasen, das bei hohem Siliziumgehalt nur wenig Phosphor besitzt. In folgedessen arbeiteten längere Zeit hindurch die Cleveland - Roheisen verwendenden englischen Thomasstahlwerke unter ungünstigeren Bedin gungen als die Hütten auf dem Festland; die Ausfütterung ihrer Birnen wurde rascher zer stört, sie mußten eine größere Menge basischer Zuschläge zur Erzielung einer stark basischen Schlacke aufwenden und hatten größeren Eisen verlust. Diesem Uebelstand wurde später ent weder durch Zusatz von manganhaltigen Erzen bei der Roheisendarstellung zur Erzielung eines siliziumärmeren, manganhaltigen Roheisens und neuerdings durch eine andere Führung des Prozesses abgeholfen, indem zunächst nur so viel basische Zuschläge, vornehmlich Kalk und Eisen oxyde, in den Konverter gebracht werden, daß gleich im Anfang des Prozesses durch das Ver brennen des Siliziums eine hinreichend flüssige Schlacke gebildet wird, die zu sauer ist, als daß sie irgend erheblichere Mengen Phosphor säuren aufnehmen könnte und daß diese dann möglichst vollständig abgegossen wird. Nach Entfernung dieser ersten Schlacke erfolgt dann unter Zusatz der weiter nötigen Kalkmenge die Entphosphorung des Metallbades und das Fertig machen der Charge.* In England lag der lang same Gang der Weiterentwicklung des Thomas prozesses also nicht etwa daran, daß man ihn zur Wahrung der bis dahin herrschenden Stellung der Bessemerwerke absichtlich gehemmt hätte, sondern an den vielfach durch die chemische Zusammensetzung der dort zur Verfügung stehen den phosphorhaltigen Erze bedingten Schwierig keiten; ebensowenig wie man auch, was neuer dings vielfach geglaubt zu werden scheint, in den Vereinigten Staaten stellenweise nicht deshalb zu dem basischen Herdprozeß übergeht, weil man besondere qualitative oder wirtschaft liche Vorteile davon erwartet, sondern aus dem sehr einfachen, aber desto zwingenderen Grunde, weil dort, wo es geschieht, die Beschaffen heit der zum Abbau gelangenden Erze den Windfrischprozeß nicht durchführbar erschei nen läßt. Auch die Flußstahlerzeugung im Flamm ofen erfuhr durch die Entwicklung der Her stellung brauchbarer basischer Ziegel einen wesentlichen Aufschwung, indem es dadurch er möglicht wurde, auch im basisch ausgekleideten Flammofen phosphorhaltiges Rohmaterial in vor zügliche Flußeisenqualitäten umzuwandeln. Nach dem die Anwendung des basischen Futters in * Dieses für die Verarbeitung von siliziumreichem und phosphorarmem Roheisen von Dr. OttoMassenez angegebene Verfahren (unter Nr. 167 962 durch Deut sches Reichspatent geschützt) ist in Middlesbrough sowie in Schottland erfolgreich eingeführt. Die Redaktion.