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für das Leben", so schreibt er, „bleibt mir unklar... Ich wünschte aufdie Gefahr hin, für einen Böotier gehalten zu werden, daß in solchen Schulen auf Roßen von Latein und Griechisch die lebenden Sprachen, neuere Geschichte, Deutsch, Geographie und Turnen mehr in den Vordergrund gestellt würden ... Haben wir uns nicht seitdem in harten Rümpfen und schwerer Arbeit eine eigene Ge schichte, eine eigene Literatur und Runst geschaffen? Bedürfen wir nicht, um im Weltverkehr unsere Stellung richtig einnehmen zu können, weit mehr der lebenden als der toten Sprachen?" General vonEisenhartRothe, sein spaterer Gene ralquartiermeister, erzählt einen spaßigen Vorgang, der den Generalfeldmarscball als einen geschwore nen Gegner der humanistischen Bildung zeigt. Es war an einem Februartage des Jahres )9)S, wahrend der winterschlacht in Masuren. Das Oberkommando-Ost war auf der Fahrt von Posen nach Ostpreußen. In Bromberg war man gegen b Uhr morgens angekommen und hatte eine Stunde Aufenthalt, die benutzt wurde, um die dort ein gegangenen Telegramme zu erledigen. „Der Feldmarschall ging", so schreibt der Mit- arbeiterHindenburgs, „etwas frierend und unlustig, auf dem Bahnsteig auf und ab, ich neben ihm, als ein älterer Hauptmann des Beurlaubtenstandes sich bei ihm meldete, soweit ich mich entsinne, als Bahnhofskommandant. Hindenburg hörte ihn gütig an und erkundigte sich nach feinen persön lichen Verhältnissen. Als der über die Auszeichnung strahlende Mann voll Stolz erwiderte, er sei Ober lehrer am humanistischen Gymnasium, brach das Unwetter los. Der Feldmarschall kanzelte den nun mehr ganz verblüfft und verdattert Dastehenden energisch ab: wozu die armen Jungens all den Unsinn lernen müßten, namentlich die griechischen Verben auf mi? Die Mädels hätten es viel besser, dafür beherrschten sie aber auch die modernen Sprachen bedeutend gründlicher als die schon über trainierten Jungens. .Haben Sie einen Jungen in der Rlasse, der Französisch oder Englisch wirklich kann? Zweifellos keinen! Na', setzte er freundlich und begütigend hinzu, ,Gie können ja nichts dafür.' Das Gesicht des Oberlehrers werde ich nie ver gessen." Der Generalfeldmarschall war schon als Junge daran gewöhnt, auf Ordnung zu halten. Da es nun Abschied vom elterlichen Haufe zu nehmen galt, fo fetzte er sich hin und machte fein „Testa ment". Gein Bruder erzählt: „Es war vielleicht ein Zug der Vererbung, daß er, ähnlich wie der Vater als Rind, das Bedürf nis hatte, Gaben auszuteilen, bescheidene, den Ver hältnissen entsprechend. Da saß er vor seiner gro ßen Gpielschublade auf dem Boden und las fein Testament vor und verschenkte die Spielfachen an Bruder und Schwester. Seine Mutter hatte auf seine Bitte ihm jeden Tag für einen unbemittelten Schulkameraden eine Frühstücksfemmel mitge geben; das sollte nun, wo er fortging, ja nicht vergessen werden. Deshalb fckloß das Testament, ordnungsmäßig datiert, Glogau, den März jsSy, mit: .Otto soll dem Schreiger alle Tage eine Semmel mitnehmen.' Dieser Wunsch wurde pstichtmäßig erfüllt. Dann folgte die Beglaubi gung: .Daß ich dies wahr und wahrhaftig ge schrieben habe, bescheinige ich hiermit.' In einer Ecke war unten noch hinzugefügt: .Frieden und Ruhe bitte ich mir für immer aus!'" Nun, feine Ruhe hat der Herr Generalfeldmar schall und Reichspräsident auch in den schwierig sten Lagen zeit seines Lebens bewahrt. Mit elf Jahren heißt es nun Abschied nehmen von feinem Vater, der ihn nach Wahlstatt gebracht hatte. Der Trennungsschmerz läßt ihm die Augen feucht werden. Er schämte sich der Tränen, die ihm auf den Waffenrock sielen; in diefem Rleide dürfe man nicht schwach sein und weinen, fuhr es ihm aber dann durch den Sinn, und der Rnabe bekämpfte mannhaft die so natürliche und ver ständliche Regung. Spartanisch streng war damals die Erziehung in den Radettenhäusern, „des Dienstes ewig gleich gestellte Uhr" war auch für den Heranwachsenden Rnaben maßgebend. Die Schulen von altpreußi scher Einfachheit; von der Verpflegung galt das gleiche, denn zu Zierpuppen und Muttersöhn chen sollten die zukünftigen Offiziere nicht erzogen werden. Auf einen Glückwunsch, den der spätere Rom- mandeur des wahlstätter Radettenkorps Graf Schliessen namens aller Offiziere, Lehrer, Beamten und Radetten dieser Anstalt an Hindenburg an läßlich seiner Ernennung zum Generalfeldmarschall gesandt hatte, erhielt dieser von dem ehemaligen