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WtOUM W AWm NckSKH Nr. 20. zu Nr. 251 des Hauptblattes. 1929. Beauftragt mit der Herausgabe NegierungSrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandluugtn. (Fortsetzung der 11. Sitzung von Mittwoch, den 23. Oktober 1S2S.) Abg. Sindermann (Komm.) — (Fortsetzung): Das ist uns als Kommunisten vollkommen klar, und wenn die Sozialdemokratische Partei gestern ihren Appell an die Demokraten ergehen ließ, um sie an alte Tradionen von 1848 zu erinnern, so kennzeichnet das diese ganze Pfaffenmoral, die hier an den Tag tritt, um diese Leute wie die bestem Verteidiger des Finanzkapitals für den 9. November zu gewinnen, weil man vor der Arbeiterschaft nicht gern fügen will, daß sie um den 9. November kämpfen foll, der jetzt durch die vereinte Front der Reaktion aufgehoben werden soll. Ich habe hier ein Plakat, das sehr deutlich den Charakter des Volksbetruges dieser Leute kennzeichnet, die heute sich hier hinstellen und die Reaktion betteln, daß der 9. November als Feiertag bestehen bleiben soll. Wenn man hier liest, daß Sozialdemokraten es waren, die damals das Volk betrogen, indem sie sagten: Haltet Ruhe und Ordnung! Der Sozialismus marschiert, die volle Freiheit marschiert! Die Weltrevolution marschiert!, wenn man sich dazu die demagogische Phrase, vorstellt, die da heißt: Der Kapitalismus gehört von jetzt ab einer überwundenen Zeit an!, dann, sage ich, wird die Arbeiter schaft, wenn sie sich auf diese Pamphlete besinnt, Herr Böchel, doch etwas anders denken auch über die jetzige Demagogie Ihrer Partei. (Zurufe b. d. Soz.: Er war ja dabei! — Lassen Sie es doch hängen!) Dieses Pamphlet, von dem wir bestimmt in der Arbeiterschaft Gebrauch machen werden, wird uns dazu dienen, gerade in der Frage, in der Sie gestern in Ihrer Presse wagten uns anzugreifen, daß wir die Verantwortlichen seien für das Fallen des 9. November, die Arbeiterschaft aufzu klären. Denn dieses Pamphlet wird vor der Arbeiter schaft deutlich aufzeigen, wer wirklich kneift vor einer politischen Machtauseinandersetzung mit der Reaktion! (Zuruf b. d. Komm.: In Österreich geht jetzt dasselbe vor sich!) In Österreich sehen wir ebenfalls jetzt die Verhält nisse sich zuspitzen. Dort war es ebenfalls die Sozial demokratische Partei, die dem österreichischen Schutzbund empfahl, seine Waffen abzugeben. Er lieferte sie ab! Nein! Wir stellen mit Bedauern fest, daß in Österreich die Kommunistische Partei leider schwach ist. (Lachen b. d. Soz.) Die Sozialdemokraten sind es, die die Arbeiter schaft abhalten vom Kampfe gegen den Faschismus, das wollen wir in das richtige Licht stellen, Herr Büschel, die sich hier aller Mätzchen bedienen wollen, um die Arbeiterschaft tatsächlich noch über die Periode, in der sie sie bis jetzt betrügen konnten, hinaus zu betrügen. (Der Abg. Sindermann wird zur Ordnung gerufen.) Unsere Stellungnahme zum 9. November ist vollkommen klar. (Lachen b. d. Soz.) Aber wir sagen nicht, daß der 9. November der Tay gewesen ist, der der deutschen Arbeiterschaft das Heil gebracht hätte, das die Sozial demokraten der deutschen Arbeiterschaft hinstellen. Die Arbeiterschaft erkennt immer mehr, daß die kommunistische Partei die Führerin der Revolution ist und daß die Revolution am 9. November faktisch nicht die Revolution gewesen ist, die das Proletariat benötigt. Die Revolution ist steckengeblieben, weil in den Reihen der Arbeiter schaft selbst diese Leute, die sich heute noch Sozial demokratische Arbeiterpartei nennen, es waren, die sich hinstellten und den Kapitalismus stützten. (Leb hafte Zustimmung b. d. Komin.). Diese Dinge sind für die Sozialdemokraten unangenehm zu hören, aber wir werden nicht ruhen, gerade der Arbeiterschaft aufzu zeichnen, daß für das, was am 9. November nicht er füllt werden konnte, als Beispiel genommen werden muß die russische Revolution, der 7. November 1917, daß dies das Beispiel in den weiteren Kämpfen der deutschen Arbeiterklasse sein- muß. Dieses ganze Geschwafel von der Einheit, das Edel los ließ, ist doch weiter nichts, als das Borbereiten eines noch größeren Verrats, als er schon gemacht worden ist, eines noch schlimmeren Betrugs, als er in den letzten 10 Jahren der deutschen Republik an der Arbeiterschaft vor sich ge gangen ist. Das kann man beweisen auch schon dadurch, wie man die Worte eines Karl Marx durch die Worte des Theoretikers Kautski fälscht. Karl Marx schreibt zur Staatsfrage bei feiner Kritik, die er damals bei dem Vereinigungskongreß der Sozialdemo kratischen Partei^Deutschlands, der 1875 in Gotha statt fand, folgendes: Zwischen der kapitalistischen und kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Um wandlung der einen in die andere. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts anderes sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats. Kautski schreibt zu dieser Frage aber etwas anderes: Er verfälscht hier Karl Marx so stilgerecht, daß man glauben könnte, der Kerl ist tatsächlich Marxist (Zuruf b. d. Soz.: Das ist unerhört! Der Bursche!), und zwar schreibt er hier in seinem Buche „Die proletarische Revolution und ihr Programm" das folgende: Zwischen der Zeit des rein bürgerlichen und des rein proletarisch regierten Staates liegt eine Periode der Umwandlung de- einen in den anderen. Dem entspricht auch eine politisch^ Übergangsperiode, deren Regierung in der Regel eine Form der Koalitions regierung sein wird. Wir sagen dem Proletariat, daß es in dieser Linie den schärfsten Kampf führen muß gegen den gesamten Staatsapparat. Das Fundament des Staates ist die Wirtschaft, und diese Wirtschaft hat sich feit der Vor kriegszeit nicht etwa im Sinne oes Proletariats gebessert, sondern im Gegenteil, ist durch die Entwicklung ge zwungen, sich zu konzentrisieren, sich zu monopolisieren und mit verstärkter Wucht auf die Arbeiterschaft zu fallen. Das ist ganz klar, und aus diesem Grunde wird auch ihre Politik bestimmt in den Gewerkschaften von den Gedanken des Verrats, von den Gedanken der Irreführung der Arbeiterschaft, daß keine Kämpfe um die Erhöhung des Tarifs geführt werden, keine Kämpfe um die Verkürzung der Arbeits zeit in der gegenwärtigen Situation, wo die Hindernisse, die Schwierigkeiten der kapitalistischen Ent wicklung, die ganzen Hemmungen der kapitalistischen Entwicklung drastisch durch die Millionen von Arbeits losen widergespiegelt werden, daß sie in diesem Moment eben als die staatsbejahende Partei dazu übergehen müssen, diesen Staat und damit die kapitalistische Wirt schaft zu verteidigen. — (Sehr richtig! b. d. Komm.) Tie Sozialdemokraten wagten zu sagen, daß der Genosse Renner nicht gesagt hätte, wie wir uns den Ausweg und . die Lösung denken. Nun, wir verneinen den kapitalistischen Staat und die kapitalistische Wirtschaft. Wir.führen den schärfsten Kampf gegen die Sozial demokratie deren Handlungsweise dadurch bestimmt wird, daß sie das marxistische Programm vollkommen aufgegeben hat von dem Tage an, als sie vor dem Imperialismus zusammenbrach im Jahre 1914. Das der Arbeiter schaft in aller Offenheit und Klarheit zu sagen, halten wir für nötig. Es wird die Situation kommen, wo die Arbeiterschaft die Waffen wieder hat, und wenn sie keine hat, doch die Laternenpfähle und die Stricke haben wird, nicht nur für diese Leute, die schon gekillt haben, und noch killen werden, sondern auch für die, die als Sozialfaschisten die Arbeiter mit Parabellum und an deren Instrumenten des kapitalistischen Staates abkillen. (Hammer des Präsidenten.) Aus diesem Grunde konzentrieren wir unsere Kraft auf den 7. November, ihn als Symbol hinzustellen vor das internationale Proletariat und als einzigen Ausweg aus dem Elend. Das ist unsere höchste Aufgabe. Daß unser Kampf letzten Endes Opfer kosten wird und dass wir die nicht scheuen werden, daß ist für uns als Kommunisten eine Selbstverständlichkeit. Die Reaktion soll ihre Schlußfolgerungen ziehen. Wir trauern nicht um den 9. November. Wir trauern nicht darum, weil wir hier bei dieser Abstimmung ganz offen erklären, wir werden der Arbeiterschaft (Zuruf rechts: Sie schwitzen ja so!), über den 9. November erklären, was notwendig ist. Wir fordern die Arbeiterschaft auf, durch Wirtschafts- kämpfe und gesteigerte Kämpfe gegen den Kapitalismus auch die Kämpfe um die politische Macht zu führen. Dieser politische Entscheidungskampf um die Macht, um die proletarische Diktatur wird letzten Endes die Krone für die Arbeiterbewegung überhaupt sein, um den Weg zur Freiheit zu finden, den die russische Arbeiterschaft bereits beschritten hat, den Weg zum Sozialismus. (Lebhafte Bravorufe und Händeklatschen b. d. Komm.) Der Abg. Sindermann wird nachträglich wegen der Aufforderung zur Gewalt zur Ordnung gerufen. Abg. vr. Blüher (D.Vp): Zu der Frage der Beibehal tung und Aufhebung der beiden Feiertage ist schon so oft gesprochen worden, daß es wohl nicht möglich ist, viel Neues zu sagen. Wir haben seinerzeit, als das Gesetz vom 10. April 1922 vom Landtag beschlossen wurde, aus wirtschaft lichen und politischen Gründen gegen dieses Gesetz ge stimmt. Aus politischen Gründen vor allem deswillen, weil wir meinen, daß der Zusammenbruch vom November 1918 keinen Anlaß zu einem Feiertag geben kann. Wir begrüßen es, daß nunmehr die Zeit gekommen ist, mit der Aufhebung dieses Gesetzes entweder einen Anfang oder ein Ende zu machen. Die Reaierung hat sich ihrerseits darauf befchränkt, für den 9. November die Aufhebung zu beantragen. Wir halten die Beschränkung der Regierung für richtig, weil sich die Regierung darauf zu beschränken hatte, diejenige Änderung zu beantragen, für die eine sichere Mehrheit vorhanden ist. Darüber kann kein Zweifel sein, daß heute nicht nur die große Mehrzahl der Abgeordneten, sondern auch die über wiegende Mehrzahl der Wahlberechtigten in Sachsen gegen die Beibehaltung des 9. November ist. (Zuruf b. d. Soz.: Darüber täuschen Sie sich gewaltig!) Ich glaube nicht, daß wir uns täuschen. Was die Abgeord neten anlangt, werden wir uns nicht täuschen. (Heiter keit — Zuruf b. d. Soz.: Da haben Sie recht!) Was die Wahlberechtigten anlangt, so steht hier Behauptung gegen Behauptung. Wir haben jedenfalls das Wahl ergebnis für uns. Ob es möglich sein wird, auch für die Beseitigung des 1. Mai eine Mehrheit zu finden, das werden ja die Ausschußberatungen ergeben. Wir stehen auf unserem alten Standpunkt, das wir dafür sein werden, auch den 1. Mai als Feiertag zu beseitigen. Ich beantrage, die Vorlage Nr. 13 und den Antrag Nr. 137 an den Ausschuß zu verweisen, und möchte dem Ausschuß bloß die eine Bitte auf den Weg geben, daß dann, wenn es bei her Aufhebung des 9. November bleiben sollte, dem Inhalt des Gesetzes eine andere Fassung gegeben wird; denn jetzt ist die Fassung so, daß wir uns zum 1. Mai bekennen sollten, und da» möchten wir natürlich nickt, sondern ich meine, dann müßte jedenfalls das Gesetz so geändert werden, daß hinein geschrieben wird: Der 9. November ist kein landesgesetz licher Feiertag mehr. Abg. v. Kittinger (Natsoz.): Wir Nationalsozialisten lehnen den 1. Mai als Feiertag ab. Wir wüßten ja gar nicht, was wir feiern sollten, denn er ist der Feiertag der großen Internationale. Sollen wir die Internationale von Renner feiern oder die Internationale von Böchel feiern, oder sollen wir die zweieinhalbte Internationale feiern, oder etwa die von Mutschmann? Die wird vielleicht auch noch kommen, es wird aber nicht die Internationale sein, sondern die Nationale, die wir dann feiern werden. Was haben Sie mit der Inter nationale erreicht? Gar nichts. (Andauernder Lärm, Lachen und Heiterkeit auf allen Seiten des Hauses.) Wir müssen sie bezahlen, wir bezahlen den Krieg der anderen, und jetzt bezahlen wir die Aufrüstung der Feindbundstaaten. Und nun, bitte, frage ich: Was hat Ihre Internationale dagegen gemacht? Nichts. Wenn man den Boxkampf zwischen Renner und Böchel gestern und heute erlebt hat, dann vergeht einem die Lust für diefe Internationale. Wir lehnen also den 1. Mai ab. Ich komme nun zum 9. November, er ist für uns sehr viel interessanter. Am 9. November hatten wir eine Revolution. Diese Revolution war keine Revolution, sondern eine Betriebsstörung, in der die einen Direktoren abtraten und die anderen Direktoren kamen. Diese Direktoren nannten sich Volksbeauftragte; vom Volk waren sie nicht beauftragt, sie waren beauftragt von den Juden, und sonst weiter nichts. (Andauernde Heiterkeit, Lärm und Lachen.) Revolutionen sehen im allgemeinen ganz anders aus: z. B. die Bolschewistenrevolution — eine seine Sache — die Revolution eines Kemal Pascha, die französische Revolution, das sind Revolutionen. Nun, was haben Sie denn mit Ihrer Revolution den Arbeitern versprochen? Friede, Freiheit, Brot. Friede? Ter Friede ist gemacht worden mit der ewigen Versklavung Deutschlands. Freiheit? Sklaven sind wir. Brot? Dem Arbeiter geht es viel, viel schlechter als vor dem Kriege, es geht ihm sogar dreckig, er hat nicht einmal so viel Geld, um seine Kinder anständig anzuziehen. Wenn der Gummiknüppel von Zörgiebel uns auf den Kopf saust, uns beiden, Renner und mir (Große Heiterkeit), dann ist das unschön und unwürdig, vor allen Dingen, wenn Kinder zugucken. Man hat den Arbeitern Siedlungen versprochen Gesiedelt haben Ihre (nach links) Bonzen in Berlin, da kostet eines Siedlung bei der Siedlung der Bonzen 140000 M. Sie haben geschrien: Nieder mit dem Kapital, hängt die Kapi talisten auf! Jeder kleine Büdchenkrämer war Kapitalist. Warum habt Ihr sie nicht aufgehängt? Sie haben eine antikapitalisiiscke Regierung gehabt, eine sozialistische Regierung. In Berlin l)aben Sie eine kapitalistische Revolution gemacht. Für wen? Für das internationale Judenkapital, was Sie an die Spitze gebracht haben durch Ihre Revolution, weiter gar nichts. Am 9. November hatten »vir eine Flottenmeuterei. Man soll mir nicht weißmachen, daß die ganze deutsche Flotte nur mit Feiglingen besetzt gewesen ist. Nein, da sind Hallunken von Berlin gekommen, die haben anständige Seeleute zu Meuterern ge macht, indem sie sie belogen und betrogen haben. Wir hatten einen unpolitischen Soldaten, das war ein großer Fehler, Sie hatten politische Soldaten, und diese haben ihr Wissen benutzt, um diese große Organisation, das Heer, zu durchwühlen, zu durchseuchen und kaputt zuschlagen. Diese Revolution ist gemacht von Meuterern, Fahnenflüchtigen und Feiglingen. (Großes Gelächter links. — Sehr gut! b. d. Dnat.) Ich weiß nicht, Herr Edel, ob Sie auch an der Front waren, aber anscheinend nicht. Hat doch sogar ein demokratischer Minister gesagt: Der Fahneneid war nur Formsache. Ich möchte die alten Frontsoldaten fragen: Wann ist der Fahneneid Formsache gewesen? Wenn früher ein Soldat oder Unteroffizier, ein Offizier oder General gesagt hätte, der Fahneneid sei Formsache, dann hätte man gesagt: Der Kerl ist besoffen oder ein notorisches Schwein. (Lebhaftes Gelächter.) Aber in der heutigen Republik darf man so etwas sagen, da brüstet man sich damit und sagt, wir haben den deutschen Arbeiter vom preußischen Kommiß stiefel befreit. Und was haben Sie gemacht? Sie haben ihn unter den französiscken Kommißstiefel gebracht. (Sehr gut! und Bravo! b. d. Dnat. — Lachen links.) Die Re- rolution begann, als Spartakus das Haupt erhob, als man den Minister Reuring in die Elbe kippte und Scheibenschießen auf ihn machte, bis er vergluckste, da begann die Revolution, und da wußten die Volksbeauf tragten nicht, was sie machen sollten. Wen haben sie gerufen? Wo waren die Herren aus dem Reichsbanner? Sie wandten sich an uns, an die schwarz-weiß-roten Frontkämpfer, denen das Rückgrat noch nicht gebrochen war, die sich jetzt im »mtionalsozialisti chen Lager befin den, und w,r haben die Karre für ie aus dem Dreck geholt. Deswegen sind wir Hornochsen gewesen (Ge lächter links), wir werden es nie wieder sein. Die Revolution war nichts weiter als eine Unter werfung unter den ^eind. Sie war keine befreiende Tat, sie hat nicht die Niederlage zu verhindern oder abzuschwächen gesucht, nein, sie hat die Niederlage ver vollständigt. (Sehr richtig! b. d. Dnat.) Das war der 9. November, den Ihr feiern wollt. (Aba. Renner: Aber der 7. November in Rußland war anders l) Ja, Ihr habt es bester gemacht, da» stimmt. (Große Heiter keit. — Zurufe b. d. Soz : Wenn wir's in Deutschland