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MGieilU W WW» NMitiiU Nr. 24. zu Nr. 260 des HanMattes. 1929. Braufkragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße in Dresden. Seudtegs^rheedluezen. ll> Litzxng. Mittwoch, den S. November WS». Präsident Weckel eröffnet die Sitzung 13Uhr 5 Min. Am Regierungstisch Ministerpräsident vr. Bünger, die Minister Elsner, vr. Krug v. Nidda und v. Fal kenstein, Richter und Weber, sowie Regierungsver treter. Präsident: Die Sitzung« ist eröffnet. Bor Eintritt in die Tagesordnung gibt der Abg Lippe (D. Bp.) folgende Erklärung ab: . Der Herr Abg. Ferkel hat m der 14 Sitzung des Landtags vom 1. November d. I. behauptet-, ich hätte seinerzeit als Mitberichterstatter des Untersuchungsaus ausschusses für den Spülkippeudammbruch in Böhlen er klärt, ich könne deshalb den Bericht nicht erstatten, weil ich das Material nicht zur Verfügung gestellt er halten hätte. Ihm sei leider viel zu spät mitgetcilt worden, daß ich das Material tatsächlich zur Verfügung gehabt hätte. Herr Abg. Ferkel stellt die Behauptung auf, ob wohl der Vertreter der Regierung, Herr Ministerialrat Kirsch, in jener ersten Arbeitssitzung des Untersuchungs ausschusses vom 8. September 1927 lt. der amtlichen stenographischen Niederschrift „bedauerte, daß infolge eines Versehens während seines Urlaubes die Unter lagen den Berichterstattern und Ausschußmitgliedern nicht rechtzeitig zugestellt worden sind." Herr Ferkel hat diese Unterlagen nach eigener Angabe am 15. Juli 1927 erhalten, während sie mir erst am 8. September 1927 — also einen Tag vor der ersten Arbcitssitzung des Ausschusses — zugegangen sind. Wie unangenehm dem Finanzministerium dieser Vorfall gewesen ist, erhellt daraus, daß nur Herr Finanzministcr Weber ein vom 15. September datiertes eigenhändiges Schreiben sandte, welches ich auf den Tisch des Hauses niedergelegt habe uud welches folgenden Wortlaut hat: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe lebhaft und sehr bedauert, daß Sie als Mitberichterstattcr des Untersuchungsausschusses Böhleu in dessen zweiter Sitzung an: 8. September d. I. nicht Bericht erstatten konnten, weil Ihnen vorn Finanzministerium die Unterlagen, die der Hauptberichterstatter Herr Landtagsabgeordneter Ferkel rechtzeitig erhalten hat, nicht zeitig genug zugesandt worden sind. (Hört, hört! rechts. — Zuruf b. d. Soz.: So etwas macht er nur gegenüber Lippe! — Finanzministcr Weber: Es wird jeder gleich behandelt! — Widerspruch b. d. Soz.). Die Angelegenheit habe ich selbst untersucht lind ich gestatte mir, Ihnen ergcbenst mitzuteilcn, daß ein Verschulden des zuständigen Sachbearbeiters, des Ministerialrats Kirsch, der noch vor Antritt seines Urlaubes Anweisung zur sofortigen Absendung der fertigzustcllendcn Truckbcrichte schriftlich gegeben hat, nicht vvrlicgt, (Abg. Liebmann: Tas ist doch bestellte Arbeit!). daß bedauerlicherweise eine Unaufmerksamkeit in der Kanzlei der Bergregistrande vorliegt, wodurch die nicht rechtzeitige Übersendung an Sie cingetreten ist. (Abg. Geiser: Na also, da sind doch die Schuldigen ge funden !). Ich habe der in Betracht kommenden Stelle meine Mißbilligung zum Ausdruck gebracht und versichere Ihnen, daß ich diese mir recht unliebsame Angelegen heit besonders bedauere. Mit vorzüglicher Hochachtung bin ich Ihr ergebener gez. Weber. Ich habe meinen Bericht dann am 5. Oktober 1927 an die Landtagskanzlei abgesandt, habe also insgesamt 28 Tage — einschließlich des Tages, an den: mir die Unterlagen zugingen, und einschließlich des Abgangs- tages meines ersten Berichtes an den Landtag — be nötigt, um den Bericht abzusassen, (Abg. Liebmann: Also doch 28 Tage nicht blos 2!). nicht also „volle 7 Wochen", wie Herr Ferkel in aller Öffentlichkeit behauptet, sondern wesentlich kürzere Zeit. Ich stelle demnach fest, daß die Behauptung des Herrn Ferkel nicht den Tatsachen entspricht. (Abg. Böchel: Das genügt doch!). Was im übrigen das über meine Arbeit im letzten Bohlen-Ausschuß abgegebene Werturteil des Herrn Abg. Ferkel anlangt, glaube ich, wohl nicht mit Unrecht sagen zu dürfen, daß mir die Sachkenntnis des Herrn Ferkel nicht ausreichend erscheint, (Abg. Kautzsch: Das ist eine Frechheit! Der freche Kerl fängt schon wieder an!). um seinem Urteil irgend welche Bedeutung beizumessen. Die Behauptung des Herrn Abg. Ferkel als das zu kennzeichnen, was sie ist, überlasse ich im übrigen der Öffentlichkeit. Der Abg. Kauchsch (Soz.) erhält einen Ordnungsruf. Die Erklärung wird zur Kenntnis genommen. Tine Aussprache darüber kann geschäftsordnungsmäßig nicht stattfinden. Tas Wort außerhalb der Tagesordnung erhält sodann Abg. vr. Blüher (D. Vp. — zur Geschäftsordnung) : Der Herr Präsident hat, nachdem er die letzte Sitzung infolge der dauernden Störungen der Linksparteien vorzeitig geschlossen hatte (Zurufe b. d. Soz. und Komm ), dis* heutige Sitzung ^nit der gleichen Tagesordnung einberufen. Wir erheben gegen diese Tagesordnung Widerspruch (Hört, hört! liE) uud begründen ihn wie. folgt. Nach dein vorzeitigen Schluß der letzten Sitzung haben sich die beiden Herren Vizepräsidenten vr. Eckardt und v. Hickmann mit mir zum Herrn Präsidenten Weckel begeben und ihn gebeten, uns eine Unterredung zu ge währen. Das hat er eine Stunde nach Schluß der Sitzung auch getan. (Zuruf links: Sehr anständig von ihm!) Er zog die Herren Kollegen Böchel und Edel zu. Wir haben in dieser Besprechung dem Herrn Präsidenten die Frage vorgelegt, wann er denn glaube, die zwecke Beratung der Vorlage Nr. 13 über die Aufhebung des 9: November als Feiertag rind die gleichzeitige Beratung des dazugehörigen deutschnationalen Antrags vornehmen zu können, und wir haben unsererseits den Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß das am vergangenen Sonnabend geschehen solle. Der Herr Präsident lehnte das ab (Sehr richtig! links) und erklärte, er habe sich aus den Akten des Landtags überzeugt, daß man den Bericht erstattern in ähnlichen Fällen eine Frist von einer Woche gegeben habe (Zuruf links: 28 Tage hat Lippe gehabt!), und er leitete daraus her, daß er die Sitzung für diesen Mittwoch in Aussicht nehmen würde. Wir erhoben dagegen Widerspruch und stellten den formellen Antrag, der Herr Präsident solle die Sitzung am Sonnabend einberufen und für den Fall, daß er Bedenken tragen würde, diesem Antrag zu entsprechen, für Sonnabend den Ältestenrat zusammen treten lassen. Ter Herr Präsident hat daraufhin den Ältestenrat für Sonnabend mittag 12 Uhr einverufen. Er hat aber noch am Freitag abend die Einladung für den heutigen Tag mit der letzten Tagesordnung, alfo ohne die Vorlage Nr. 13 und den deutschnationalen Antrag, hinausgehen lassen. (Bravo! links. — Zurufe b. d. Soz.: TaS hat er recht gemacht!) Infolgedessen hat der Ältestenrat, als er am Sonnabend mittag zu- sammeuirat, erklärt, das; er bei diesem Verhalten des Herrn Präsidenten eine Besprechung im Ältestenrat für überflüssig halte, und hat sich sofort wieder entfernt. (Abg. Graupe: Herr Blüher kam zu spät! — Zuruf links: Sie hätten eher kommen müssen, Herr Blüher!) Wir sind nach § 40 Abs. 13 der Geschäftsordnung be hindert, die Geschäftsführung des Herrn Präsidenten hier zu kritisieren. (Sehr richtig! links ) Wir behalten uns aber selbstverständlich vor, außerhalb dieses Hauses dieses eigenartige Verfahren des Herrn Präsidenten aus reichend zu kritisieren (Zuruf b. d. Soz.: Das habt Ihr ja schon gemacht!), und wir werden uns auch Vorbe halten müssen, an die Frage heranzugehen, ob wir nicht eine Änderung der Geschäftsordnung in bezug auf die Personeustellung des Herrn Präsidenten vornehmen müssen. (Zuruse links.) Für hente beantragen wir, indem wir Wider spruch gegen diese sechs Punkte erheben, an deren Stelle die zweite Beratung der Vorlage Nr. 13 und des der; tsch nationalen An trags, sowie die neu eingegangene An frage der SPD. Nr. 2 21 auf die Tagesordnung zu setzen. Wir wissen, daß der Widerspruch eines einzigen Abgeordneten genügt (Zuruf b. d. Soz.: Also!), nur diesen Antrag zu Fall zu bringen (Lachen links), und da wir mit allen Möglichkeiten rechnen müssen, auch mit der Möglichkeit, daß ein solcher Widerspruch erhoben wird, so stellen wir für den Fall, daß dieser Widerspruch erfolgen sollte und es infolgedessen nicht möglich sein sollte, die Sache heute zu beraten, den Antrag, die heutige Sitzung auf morgen vormittag 11 Uhr zu vertagen mit der von mir eben angegebenen Tagesordnung. Wir bitten Sie, wenn Widerspruch ein gelegt werden sollte, diesem Eventualantrag zuzu stimmen. Abg.Dobbert(Soz.— zur Geschäftsordnung): Der Herr Kollege vr. Blüher hat soeben in seiner Geschäftsordnungs- rede verlangt, daß die heutige Tagesordnung abgesetzt werden soll, daß morgen eine Sitzung über die Vorlage Nr. 13 und die dazugehörigen Anträge stattfinden soll. Wir erheben dagegen geschäftsordnungsmäßigen Widerpruch. Dann hat Herr Kollege vr. Blüher auch noch Aus führungen gemacht, die den Herrn Präsidenten treffen und die die Handhabung der Geschäftsordnung durch den Herrn Präsidenten — sagen wir nicht: kritisieren —, sondern das tun, was man geschäftsordnungsmäßig kritisieren nennt. (Widerspruch des Abg. vr. Blüher.) Tie Tinge liegen doch so, daß der Herr Präsident die Verpflichtung auf Grund der Geschäftsordnung hat, die Rechte der Minderheiten zu wahren. (Zurufe links: Sehr richtig! — Zurufe rechts: Auch die Rechte der Mehrheit!) Die Rechte der Windcrherten sind aber in flagranter Weise verletzt worden (Zurufe links: Sehr -- ---- - . -SES-—-—» richtig!) von der Mehrheit dieses Hauses. (Abg. Dieckmann: Tas sind ja Kmfftruktionen!) Nein, das sind keine Kon- trukkionen, Herr Kollege Dieckmann, sondern das ist eine elbstverständliche parlamentarische Feststellung. Weim chon einmal eine Geschäftsordnung besteht, die Mit- lerichterstatter vorsieht, die die schriftlichen Begründungen der Berichterstatter, darunter also auch der Mitbericht erstatter und der Minderheitsberichterstatter schlechthin verlangt, dann muß diesem selbstverständlichen Recht der Minderheiten Rechnung getragen werden. (Zuruf links: Sehr wahr!) Wohin sollen wir denn in unserer parla mentarischen Praxis kommen, wenn solche selbstverständ liche Dinge beiseite geschoben werden sollen! (Zuruf b. d: Soz.: Sehr wahr!) Es würde das eine vollständige Lahmlegung des parlamentarischen Apparates bedeuten. (AVg. Kautzsch: Sehr richtig !) Wenn Sie keine Lahm legung dieses Apparates wollen, dann heißt es hier nicht nur nach dem ganz selbstverständlichen Sinn und dem eindeutigen Wortlaut der Geschäftsordnung zu verfahren, sondern dann heißt es mich, das Mindestmaß von Loyali tät aufzubringen, das notwendig ist, um überhaupt eine reibungslose parlamentarische Arbeit zu gewährleisten. Ter Herr Präsident hat von seinem Rechte Gebrauch ge macht, die Minderheiten zu schützen. (Abg. vr. Blüher: Nein!) Er hat von der Geschäftsordnung Gebrauch ge macht, indem er den Minderheitsberichterstattern eine Frist gesetzt hat, während der sie ihre Berichte fertigmachen können. Er hat eine Frist von einer Woche gewählt. Der Herr Kollege Lippe hat soeben in seiner Erklärung gesagt, daß er zur Fertigstellung seines Berichtes 28 Tage gebraucht hat. Was dem einen recht ist, das muß dem anderen billig sein (Sehr richtig! b. d. Soz.), und wenn Recht und Billigkeit, Sinn und Wortlaut der Geschäfts ordnung zusammentrcffen, dann dürfen Sie nicht Her kommen und einfach, weil Sie zufällig die Mehrheit in diesem Hause haben, kraft der Majorität dieses Recht beiseite setzen. (Sehr richtig! links.) Tas würde einfach zu einer parlamentarischen Anarchie führen. Tas ist im Interesse der Arbeit dieses Parlamentes einfach untrag bar; und Sie müssen sich auf den Rechtsboden stellen, den Sie verlassen haben, als Sie einfach diktierten, daß die Vorlage Nr. 13 in: Ausschuß und im Plenum durch- gcpcitscht werden solle. (Sehr richtig! links.) Nun verlangen Sic, daß morgen eine Sitzung statt finden soll, in der wiederum die Vorlage Nr. 13 auf der Tagesordnung erscheinen solb. Tas steht in vollem Wider spruch mit der Geschäftsordnung. (Sehr richtig! links.) In § 22 der Geschäftsordnung ist ausdrücklich festgelegt, daß die Bericbterstattcr, darunter die Mitverichterstattcr, wie überhaupt die Minderheiten ihre Auffassung gedruckt vorlegen sollen. Wenn wir morgen zur Beratung schreiten würden, hätten wir gar nichts zur Hand. Wir hätten die Drucksachen nicht, wir wären überhaupt nicht im Bilde. Tie Geschäftsordnung sieht ausdrücklich vor, daß zwischen der Verteilung dieses Berichtes als Drucksache und der Beratung in der Vollsitzung ein voller Kalendertag liegen muß. (Zuruf links: Sehr wahr!) Deswegen können Sie auf Grund der Geschäftsordnung gar nicht verlangen, daß die Vorlage Nr. 13 und die dazugehörigen Gebiete morgen auf die Tagesordnung gesetzt werden sollen. Wenn Sie verlangen, daß überhaupt noch eine Sitzung in dieser Woche stattfinden soll, dann müßten Sie angesichts der furchtbaren Notlage, angesichts der Wirtschastskatastrophe, in der sich Sachsen befindet, in erster Linie verlangen, daß die Arbeitsbeschaffungsanträge (Sehr wahr! links) der Sozialdemokratischen Fraktion in Schlußbcratung erledigt werden sollten. (Präsident Weckel macht den Redner darauf aufmerksam, daß die 5 Minuten Redezeit abgelaufen sind.) Deshalb bin ich der Auf fassung, daß die Ausführungen des Herrn Kollegen Blüher weder geschäftsordnungsmäßig tragbar sind und weder den: Rechtsboden, noch der politischen Gesamtlage, unter der Sachsen heute steht, entsprechen. Wir haben unseren Widerspruch angemeldet, und wir erwarten, daß die Mehrheit dieses Hauses sich nicht vom Rechtsboden ent fernt und die Möglichkeiten offen läßt, die allein durch die Geschäftsordnung vorgcschriebcn sind. Abg. Opitz (Komm ): Wir haben schon von vornherein den Kampf um die Vorlage der Feiertage als einen politischen Vorstoß der gesamten Reaktion gegen das werktätige Proletariat gekennzeichnet (Sehr richtig! b. d. Komm), und von diesem unseren Standpunkt aus wollen wir auch heute bemerken, daß die kommunistische Fraktion mit allen Mitteln verhindern wird, daß morgen erneut die Reaktion Gelegenheit hat, zu diesen Fragen hier in diesem Hause Stellung zu nehmen, («ehr wahr! b. d. Komm.) Es nützt nichts der Apcll an das Rechts gewissen des Bürgertums. Sie (nach rechts gewendet) pfeifen auf die Rechte, Sie pfeifen auf die Verfassung, wenn es von Ihnen für nötig erachtet wird, hier einen verstärkten Vorstoß gegen das sächsische Proletariat zu unternehmen. Und wir glauben auch in diesem Hause erklären zu müssen, daß der Landtagspräsidcnt Weckel keine Ursache hatte, heute eine Sitzung erneut anzube- raumen, um damit der Reaktion Gelegenheit zu geben, erneut diesen Vorstoß zu unternehmen. (Zustimmung b. d. Komm.) Die angekündigten Demonstrationen der Sozialdemokratische Partei sind ebenfalls zurückgezogen worden. Weshalb und warum? Warum haben die Ge werkschaften und die Sozialdemokratische Partei die Arbeiterklasse Sachsens nicht zum stampf gegen den reaktionären Vorstoß aufgerufen- Man stellt sich auf