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LMKilU W AW» NMitiiq Nr. 23. ' z» Nr. 2ö« de« Hauptbl-ittes. 1929. Beauftragt mit dar Herausgabe NeglerungSrat Brauße in Dresden. L««dtegs»trha»dlii»gen. 14. Hitzung. Freitas, den 1. November 1929. Präsident Weckel eröffnet die Sitzung 13 Uhr 5 Min. Am Regierungstisch Ministerpräsident vr. Bünger, die Minister vr. Krug v. Nidda u. v. Falle nstein, Weber und Negierungsvertreter. Präsident: Ich darf wohl im Hinblick auf die letzte Sitzung erklären, daß ich als Präsident des Lairdtags diese Vorgänge auf das tiefste bedaure. (Zuruf b. d. Goz.: Wir auch! — Zurufe rechts.) Ich erkläre weiter als Präsident, daß diese Vorgänge nichts mit dem politischen Inhalte der Vorlage zu tun haben. Ich glaube, daß es bei all diesen Larmszenen nicht um den Inhalt des 9. November, um nichts Po litisches gegangen ist, sondern daß es hier um weiter nichts geht, als um eure Auslegung der Geschäftsordnung. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Sämtliche Beratungen und sämtliche Streitigkeiten, die jetzt ausgefochten werden — das erkläre ich vor dem ganzen Lande und mit innerster Überzeugung —, sind keine politischen Dinge, sondern sind reine Geschäftsordnungsdinge. Ich als Präsident werde gerade auch im Hinblick auf den Präsidenten Winkler, der mir in den bürgerlichen Zeitungen immer als vorbildlich hingestellt worden ist, der seinerzeit die bürgerlichen Minderheiten geschützt hat, meine Hand nie dazu bieten, daß die zufällige Minderheit der SPD. und KPD. durch die Geschäftsordnung und ihre Auslegung irgendwie vergeloaltigt wird. (Sehr richtig! und Bravo! b. d. Soz. u. Komm.) Ein Präsident hat nach den Geschäftsordnungsdebatten, die sich an die neue Geschäftsordnung während der Zeit ihrer Beratungen angeknüpft haben, die Verpflichtung, eine reibungslose, eine geordnete Parlamentsarbeit zu gewährleisten. (Zurufe rechts und links.) Und hier gehen nun die Ansichten auseinander. (Abg. vr. Blüher: Sehr richtig!) Rechts wird diese Ausfassung vertreten, links wird diese Auffassung vertreten. Ich werde nichts tun, was nicht in der Geschäftsordnung zu den Rechten des ' Präsidenten gesagt worden ist. (Abg. Böchel: Damit sind wir vollkommen zufrieden!) Ich werde aber anderseits auch nichts tun, was irgendwie so aussieht, als ob der fozialdemokratische Präsident Weckel die Geschäftsordnung habe mißbrauchen lassen. (Sehr richtig! und Bravo! b. d. Soz.) Außerhalb der Tagesordnung wünscht Herr Abg. vr. Blüher eine Erklärung abzugeben (Abg. Renner: Das ist schon schade ums Papier! — Zuruf b. d. Komm.: Eröffnet nur gar nicht erst das Theater hier.) Abg. vr. Blüher (D. Vp ): Ich habe folgende Er klärung abzugeben: Nach der Verfassur»q geht die Staatsgewalt vom Volke aus. (Zurufe links.) Sie wird nach der Verfassung vom Landtag ausgeübt. Der Wille des Landtags wird durch die Mehrheit der Stimmen festgestellt. So ist insbesondere die Einführung der beiden Feiertage im Jahre 1922 mit einer Stimme Mehrheit beschlossen worden. Die Landtagsberatuugen haben also den Zweck, den Willen der Mehrheit im Grundgedanken und in der Wortfaffung festzustellen. Da in der Frage der Feiertage die Stellung der Parteien von Hanse aus klar war, iväre die Abstimmung in der ersten Beratung möglich gewesen, da die Aus- schußberatung keine Änderung der Stellung der Parteien erwarten ließ und die Förmelung des Textes des Gesetzes keine Schwierigkeiten gemacht hätte. Die im Ausschuß angenommene Fassung ist tat sächlich nur eine Änderung des Wortlautes des Gesetzes ohne Änderung des Inhalts. Die jetzige Geschäftslage ist dadurch entstanden, daß die Sozialdemokratie mit den Kommunisten den Grund gedanken der Verfassung, daß der Wille des Landtags durch Stimmenmehrheit festgestellt wird, grundsätzlich verlaffen hat (Lebhafter Widerspruch und Lärm b. d.Soz.—Aba. Kautzsch: Das stimmt nicht! — Abg. Gerlach: Gegen die Halunkerei soll man sich wohl nicht einmal wehren !) Präftvent (unterbrechend: Herr Abg. Gerlach, ich rufe Sie wegen des Ausdrucks zur Ordnung! — (Abg. Gerlach: Das sollen wir uns wohl gefallen lassen!—Zuruf b. d. Soz.: Der ist verrückt!) — Ich rufe auch den Zurufer „Der ist ver rückt- zur Ordnung. (Fortgesetzte Unruhe und Zurufe b. d. Soz. — Zuruf: Wer ist verrückt?) Das müssen Sie selbst feststellen. Ich bitte doch, die Erkläruug ruhig anzuhörcn. Abg. vr. Blüher (sortfahrend): mit dem Schlagworte, die Landtagsmehrheit wolle der Arbeiterschaft die Feiertage „rauben-. (Zustimmung b. d. Soz. u. Komm. — Abg. Edel: Sehr ' richtig! — Abg. Liebmann: Die Erklärung ist unwahr!) Das Schlagwort ist unwahr, denn die Mehrheit will nur die Aufhebung des 9. November durch einen verfassungsmäßigen Landlagsbeschluß. (Abg. Renner: Ihr seid glänzende «urschen! — Zurufe o. d. Natsoz. — Abg. Edel: Natürlich wollen Sie die Feiertage rauben!) Der Borwurf des Raubens ist also unbegründet. Des halb ist auch der Beschluß der Sozialdemokratischen Landtagsfraktion, den „Raub- durch Obstruktion ab zuwenden, unbegründet. (Abg. Kautzsch: Wo ist der gefaßt worden? Sie behaupten ja Unwahrheiten!) Da er den Zweck hat, die verfassungsmäßige Willensbildung des Landtages zu hindern, ist er eine Verleugnung der Demokratie und der Verfassung. (Stürmisches Lachen b. d. Soz.u. Komm. — Abg. Böchel: Hüter der Demokratie!) Präsident (unterbrechend:) Das Wort hat Herr Abg. vr. Blüher zu einer Erklärung. Ich bitte um Ruhe. (Lebhafte Zurufe b. d. Soz. u. Komm. — Ab. Kautzsch: Der Ministerpräsident Bünger war der Geburtshelfer dabei!) Abg. vr. Blüher (sortfahrend): Die Herren Vertreter der SPD. und der KPD. haben in der letzten Landtagssitzung die Behauptung ausgestellt, daß durch die Behand lung im Rechtsausschuß und durch das Verlangen der Mehrheit, die zweite Beratung über den Gesetzentwurf wegen Aufhebung des Revolutions feiertages am 1. November vorzunehmen, die Ge schäftsordnung verletzt worden sei. (Lebhaftes: Sehr richtig! b. d. Soz. u. Komm. — Abg. Kautzsch: Gebrochen haben Sie sie! — Abg. Edel: Das haben wir auch bewiesen!) Diese Behauptung entspricht nicht den Tatsachen und muß mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden. (Stürmischer Widerspruch b. d. Soz. und Komm.) Die Herren Vertreter der SPD. und KPD. haben von dew Rechten Gebrauch gemacht, die im § 38 Abs. 5 und § 39 Abs. 3 der Geschäftsordnung der Minderheit eingeräumt surd (Abg. Müller (Planitz^: Na also!) und die dahin gehen, daß die Minderheit einen eigenen Berichterstatter bestellen darf und daß ihr Antrag und seine Begründung gedruckt werden. (Aba. Renner: Die Mehrheit bemüht sich, dieses Recht der Minderheit zu beschneiden und sie an der Ausübung dieses Rechtes zu verhindern!) Diese Rechte sind im Ausschuß in keiner Weise be stritten (Lebhafter Widerspruch b. d. Soz. u. Komm. — Aba. Kautzsch: Das ist ja ganz unwahr, was Sic da erzählen!) und ihre Ausübung ist in keiner W.eise gehindert worden. (Erneuter lebhafter Widerspruch b. d. Soz. u. Komm.) Die Herren Vertreter der SPD. und KPD. haben diesen Vorgang nicht beachtet, als sie von einem Mit berichterstatter sprachen obwohl, sie im Ausschuß nur einen Berichterstatter der Minderheit (Abg. Edel: Das ist ja eine üble Demagogie!) Präsident (unterbrechend): Herr Abg. Edel, ich rufe Sie wegen dieses Ausdruckes zur Ordnung. (Abg. Kautzsch: Das ist eine Verdrehung von Tatsachen! — Abg. Liebmann: Das war aber eine parlamentarische Bemerkung!) Abg. vr. Blüher (sortfahrend): nach den ungezogenen Bestimmungen der Ge schüftsordnung verlangt und bestellt haben. Der An trag der Minderheit und seine Begründung unter liegen nach der Geschäftsordnung nicht der Ge nehmigung des Ausschusses und waren daher dem Ausschuß nicht vorzulegen. (Abg. Edel: Das ist ja unerhört!) Die Herren der SPD. und KPD. haben von dem in den erwähnten Bestimmungen der Geschäftsord nung der Minderheit zugebilligten Rechte, einen Minderheitsberichterstatter zu bestellen, in ausgiebigster Weise Gebrauch gemacht, (Widerspruch b. d. Soz. u. Komm, und Zuruf: Der Schwindel wird immer größer!), indem sie nicht weniger als vier Mindcrhcitsbericht- erstatter bestellt haben. (Hört, hört! rechts. — Abg. Müller sPlanitz): Das ist doch kein Unrecht!) Auch diese weitgehende Ausübung ihres Rechtes ist ihnen nicht bestritten worden. (Abg. Edel: Well Sie es nicht können! und Zuruf b. d. Goz.: Sehr gnädig!) Diese vier Herren hatten auch, nachdem die sachliche Beratung im Ausschuß an: Montagabend beendet worden war, bis zum Freitag, den 1. November, ausreichend Zeit, ihre Anträge (Lebhafter Widerspruch b. d. Soz. u. Komm, und Zu ruf: Das bestimmen Sie doch nicht!) und die Begründung dazu abzufassen und drucken zu lassen. (Widerspruch b. d. Soz. u. Komm. — Abg. Renner: So sehen Sie aus! — Zuruf b. d. Komm.: Das ist ja Schwindel!) Präsident (unterbrechend): Ich rufe den Zwischenrufer, der das Wort Schwindel gebraucht hat, zur Ordnung. (Zuruf b. d. Komm.: Gegen alle Wahrheit!) Abg. vr. Blüher (fortfahrend): Bon einer Verletzung der G^chäft-ordnung durch die Attsschuhmebrheit und durch den AuSschußvorsitzen- den kann danach keine Rede sein. (Zurufe b. d. Soz.: Geradezu unerhörstz In der Landtagssitzung vom 29. Oktober 1929 haben Mitglieder der Linken planmäßig und dauernd die Verhandlungen durch Ordnungswidrigkeilen gestört, (Zurufe b. d. Soz.: Gemeinhnit! — Sie haben sie ge stört! — Abg. Renner: Das geht Sie gar nichts an!), indem sie fortgesetzt Beleidigungen der Vertreter der Mehrheit ausgesprochen und durch Lärmen, insbesondere durch Schlagen mit Pultdeckeln sich bemüht haben, die Verhandlungen unmöglich zu machen. (Sehr richta! rechts.) Wir ersuchen den Herrn Präsidenten, solchen Störungs versuchen mit Energie entgegenzutreten. Der Herr Präsident hat die heutige Tagesordnuilg entgegen dem Beschluß des Vorstandes, der dem Hause bereits mitgeteilt war, ander- festgesetzt. Wir wollen gegen diese heutige Tagesordnung trotzdem keinen Einspruch erheben (Lärmende Zurufe links ), Präsident (unterbrechend): Ich bitte, Herrn Abg. vr. Blüher doch bei der Erklärung nicht zu stören. (An haltende Zurufe links. — Abg. Edel: Sie glauben das ja selber nicht, was Sie sagen!) Abg. vr. Blüher (fortfahrend): — — unter der Bedingung, daß uvor »die zweit« Beratung der Feiertagsangeleaenheit auf morgen, Sonnabend vormittag 11 Uhr festgesetzt wird. (Lachen und Zurufe links. — Abg. Edel: Bedingungen werden überhaupt nicht gestellt!) Präsident: Tas Wort zu einer Erklärung hat Herr Vizepräsident v. Hickmann. Aba. v. Hickmann (D. Bp ): Zu den in der Sitzung vom 29. Oktober abgegebene» Erklärungen der Fraktionen der SPD. und KPD. gegen die Geschäftsführung des Vorsitzenden und gegen die Stellungnahme der Mehrheit in den Sitzungen des Rechtsausschusses vom 24., 25., 28. und 29. Oktober habe ich fcstzustellen: Die Behauptung, daß Vorschriften der Geschäftsordnung verletzt worden sind, um eine Minderheit zu vergewaltigen, entspricht nicht den Tatsachen. (Abg. Edel: Tas ist ja bewiesen! —Abg. Kautzsch: Das ist Ihre Auffassung, Herr Vizepräsident! — Abg. Edel: Der Zweck heiligt die Mittel! — Anhaltende Zurufe links.) Präsident (unterbrechend): Ich bitte, dock) die Er klärung in Ruhe entgegenznnehmen. . , Abg. v. Hickmann (sortfahrend): Die einzelnen beanstandeten Maßnahmen meiner Geschäftsführung sind unzutreffend dargestellt. 1. ttber Eingaben, die erst eingegangen waren, als bereits ein Antrag auf Schluß der Beratung gestellt worden war (Abg. Edel: Das stimmt nicht! Das wird entschieden bestritten! Sie wissen ganz genau, daß das nicht stimmt. — Zurufe links — Abg. Edel: In der Bibel steht, man sott sich an die Wahrheit halten! — Zuruf b. d. Soz.: Ter kennt ja die Bibel nicht!), wurde nach Schluß der Beratmig noch besonderer Bericht erstattet. Ein Antrag der Minderheit, nach dem die Eingaben als Obstruktionsmittcl verwendet werden sollten, (Abg. Edel: Ist ja recht, haben Sie ja anerkannt?), indem verlangt wurde, sie in vollem Umfange vor zulesen und eine besondere Aussprache über sie zu eröffnen, fand allerdings Ablehnung, zumal sich aus der Berichterstattung ergeben hatte, (Zuruf b. d. Soz.: Wieder eine Vergewaltigung!), daß die nachträglich eingegangenen Eingaben nichts anderes enthalten, als die früheren, die bereits be raten waren. (Abg. Edel: Das behaupten Sie bloß!) Durch Berichterstattung und Beschlußfassung sind auch diese Eingaben ordnungsgemäß nach GO. 8 45 Abs. 2 erledigt worden. (Abg. Kautzsch: Gegen unseren Protest, Herr Präsident!) 2. Wenn behauptet wird, der Vorsitzende habe sich ge weigert, einen Antrag der Mi nderheit zur Ab stimmung zu bringen, (Abg. Edel: Jawohl, hat er!), so beruhte der hier berührte Vorgang auf einem Mißverständnis. (Abg. Edel: Ist wieder einmal ein Irrtum!) Abg. Edel hatte Donnerstag vormittag einen Antrag gestellt, der dem Borsitzendenden nicht schriftlich übergeben worden war. (Abg. Edel: Doch, das ist geschehen; Sie haben ihn ver lebt! — Lachen b. d. Soz. — Zuruf b. d. Soz.: Es steht ogar im Protokoll, daß Sie ihn bekommen haben!) Daher wurde dieser Antrag Montag abend zunächst nicht zur Abstimmung gestellt, um so weniger, als er sich inzwischen dadurch erledigt hatte, (Abg. Edel: Nicht wahr! Er hatte sich nicht erledigt!) daß der Regierungsvertreter die hier geforderte Aus kunft bereits am Freitagvormittag erteilt hatte. Nachdem indessen festgestellt worden war, daß dieser Antrag, obwohl er sich sachlich erledigt hatte, den noch festgehalten werden sollte, wurde auch über ihn noch abgestimmt. (Abg. Edel: Weil Ihnen nichts mehr weiter übrig btieb, das müssen Sie hinzufügen!) S. Der Anspruch der Minderheit«» auf Bericht erstattung ist nicht bestritten worden- Ohne ge-