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78 1929. 2. Fortsetzung zur Landtagsbeilage Nr. 16. Ber^Erft. Abg. Giegert (Dnat.): Ich würde gern auf -.Bericht verzichten, aber ich halte da- nicht gerade für würdig, und zwar angesichts der Bedeutung des ganzen großen Rechnungswerte- und vor allen Dingen der Riesenarbeit, die hier der StaatSrechnungS- hof geleistet hat. Ich glaube, der Landtag ist es dem StaatsrechnungShose wohl schuldig, ihm dafür die An- erkennung auszusprechen. Ich will aber trotzdem meinen Bericht auf da- allernotwendigste beschränken. Im Bericht des Staatsrechnunashofes ist festgestellt worden, daß auf Grund der Prüfung des Staatsrech nungshofes die Ausführung des Staatshaushaltplanes für das Jahr 1927 ordnungsgemäß gewesen ist; und die verschiedenen Überschreitungen und Planabweichungen sind auf Grund des Berichtes des Staatsrechnungshofes hier von den gemeinsamen Ausschüssen und V durch gesehen, als begründet angesehen und genehmigt wor den. Infolgedessen legen die beiden Haushaltausschüsse den Antrag auf Drucksache Nr. 160 vor, und ich h.^be die Pflicht, die Annahme dieses Antrages zu empfehlen. Abg. Renner (Komm.): Ich erkläre dazu nur, daß wir gemäß unserer Stellung zum Staate und unserer politischen Auffassung ganz selbstverständlich auch gegen die zu erteileude Entlastung stimmen. Der Antrag wird gegen die lommnnistifchen Stim men angenommen. Letzter Punkt der Tagesordnnng: Zweite Be- ratung der Vorlage Rr. 6 über die Beteiligung de» Staate» an der Aufbringung der Mittel für den Aus- bau des Sächsischen Krüppelheims in Dresden. (Münd- kicher Bericht des Hanshaltausschusses .4, Drucksache Rr. 163.) Der Antrag Nr. 163 lautet: (Die Minderheitsanträge sind durch > besonders bezeichnet.) Der Landtag wolle beschließen: 1. die in der Vorlage Nr. 6 beantragte Zustimmung zu erteilen; 2. » die Regierung zu ersuchen: ») baldigst eine Vorlage vorzulegen, die die Über nahme aller privaten oder halbprivatcn Wohl- fahrtSpslegeeinrichtungen an den Staat Vor sicht; Frau Nischwitz, Siegel, Sindermann. d) Verhandlungen aufzunehmen zu dem Zwecke, das in der Vorlage Nr. 6 bezeichnete sächsische Krüppelheim auf den Staat zu übernehmen. Arndt. Ber.-Erst. Vr. Blüher (D. Vp.): Die Tatsache, daß die Vorlage erst vor kurzem in Ihre Hände gekommen ist und daß vielleicht nicht alle Kollegen über den Sachstand ausreichend unterrichtet sind, nötigt mich zu einigen wenigen Worten. Die Orthopädie und vor allem die Hilfe für die Krüppel ist ja ein Arbeitsbereich der Medizin, das in den letzten 20 bis 30 Jahren erst ausgenommen worden ist, und insbesondere hat sich auch die öffent- liche Fürsorge mit der Frage der Krüppelfürsorge erst in den allerletzten Jahren befaßt. Daher sind wir heute in Sachsen noch nicht auf demjenigen Punkte, auf dem wir sein sollten, und zwar hat im Zwickauer und im Chemnitzer Bezirk vr. Kuckel das Verdienst für sich .in Anspruch nehmen können, daß dort ein Krüppel heim errichtet worden ist, und seit zwei Jahren haben Wir im Leipziger Bezirk an der Universität Leipzig ein Krüppelheim. Für Ostsachsen, also die B.rutzner und Dresdner Regierungsbezirke, fehlt cs noch; dort hat sich seit 1909 ein Verein Krüppelhilfe Dresden mit der Sache befaßt, dem auch fast sämtliche Be- zirkSverbände der Regierungsbezirke Dresden und Bautzen und vor allen Dingen die meisten Städte angehören. Aber dieser Verein Krüppelhilfe in Dresden hat bisher noch kein ausgebautes Krüppelheim, er hat nur eine Klinik in der Pillnitzer Straße, die auch nur 50 Betten hat, und dann hat er in der Jnngen Heide, in Trachen berge, ein kleines Krüppelheim, das Platz hat für etwa 75 Kinder. ES fehlt ein große- Krüppelheim, e- fehlt vor allem eine Lehrwerkstätte, in der die verkrüppelten Kinder für den Lebensberuf tauglich gemacht werden können; und es ist nunmehr selbst nach langer Arbeit in Ost sachsen eine Möglichkeit gegeben worden, zu einer Ein richtung zu kommen, die uns auf die Höhe bringen wird. Der Verein Krüppelhilfe will sein Grundstück in der Jungen Heide und auch die Klinik, die er hat, zur Ver fügung stellen. ES soll draußen in der Jungen Heide einen Neubau errichtet werden, für den 700000 M. zum Teil durch Darlehen der Landesversicherungsanstalt, zum Teil durch die Kreditgemeinschaft gemeinnütziger Selbst. Hilfeorganisationen -zu billigen Zinssätzen gewährt werden. Den Rest wird der Verein aus eigenen Mitteln hinzufügen; und es handelt sich nun darum, daß der Staat Sachsen, die Landesversicherungsanstalt und die Bezirksfürsorgeverbände, vor allen Dingen die Stadt Dresden, den Verein von den Schulden für diese beiden Darlehen entlasten. Diese beiden Dar lehen verlangen Schuldzinsen von jährlich 36000 und 25 000 M., zusammen also 61000 M. Die Schuld zinsen werden etwa 30 Jahre dauern. Von diesen 61000 M. soll der Staat die Hälfte tragen, also 30500 M. DaS ist jedenfalls die billigste Lösung, wie man der Sache bcikommen kann; denn wenn der Staat etwa die Sache selbst bezahlen sollte, so fürchte ich, er würde unter 1^ bis 2 Millionen nicht heraus kommen. Es sind auch Sicherungen dafür geschaffen, daß die öffentliche Hand in diesem Verein nicht majori siert wird. Ich habe Sie im Namen des Ausschusses zu bitten, die in der Vorlage Nr. 6 beantragte Zu stimmung zu der Übernahme der sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen auf den Staat zu erteilen. Es sind im Ausschuß zwei Minderheitsanträge ge stellt worden. Den einen haben Herr Kollege Arndt u. Gen. cingebracht, Verhandlungen aufzunehmen zu dem Zweck, alle Heime auf den Staat zu übernehmen. Wenn wir das beschließen würden, so würde das be- denken, daß der gegenwärtige Plan sich zerschlägt und daß die Sache auf Jahre hinaus unausgeführt bleibt; denn das Geld bringen Sie eben nicht mit und der Staat wird heute für die Sache nicht zu haben sein. Weiter ist dann noch ein Antrag der Kommunisten gekommen, baldigst eine Vorlage vorzulegen, die die Übernahme aller privaten oder halbprivaten Wohl- fahrtSpslegeeinrichtungen auf den Staat Vorsicht. Da haben wir uns gesagt, der Antrag ist sehr schön, solange aber die Herren Kommunisten nicht das Geld dazu mitbringen, bleibt er eine Geste und nicht einmal eine schöne Geste; denn wenn ich in meiner Hand kein Geld habe, ist das auch keine schöne Geste. Ich bitte, den beiden Minderheitsanträgen nicht zuzustimmen. Abg. Wehle (Soz.): Der Herr Berichterstatter hat erklärt, daß, wenn heute die Vorlage nicht angenommen wird, es sich auf Jahre zerschlägt, daß au- dem Krüppel heim etwas wird. Er hat aber gleichzeitig am Anfang seiner Ausführungen betont, daß uns die Vorlage in so später Stunde zugestellt worden ist, daß wir nicht in der Lage waren, unS die Wirkung der Vorlage selbst als solche durchzudenken, daß man überhaupt hätte richtig Stellung nehmen können, mit anderen Worten: Hier ist die Vorlage, stimmt zu, was wir euch sagen, ist richtig, ihr habt ja weiter nichts zu machen, als die Mittel zu bewilligen. So liegen die Dinge nicht ganz. Wir haben eben deshalb, weil wir nicht der Meinung sind, daß das, was in der Vorlage steht, beziehungsweise, was uns von dem Herrn Berichterstatter gesagt worden ist, völlig stimmt, unseren Entschließungsantrag eingebrcht. Wir wollen, wenn wir die Vorlage ablehnen, grund- ätzlich erklären, daß wir jederzeit bereit sind, alle Mittel ür die Krüppelfürsorge zu bewilligen (Sehr richtig! ). d. Soz.), weil wir der Meinung sind, und aus den Erfahrungen, die wir in den einzelnen Bezirksver- bänden gemacht haben, wissen, daß gerade die Krüppel fürsorge eine der allerwlchtigsten Fragen ist Aber gerade deshalb, weil wir der grundsätzuchen Meinung sind, daß alles für die Krüppel getan werden muß, bitten wir, unseren Antrag anzunehmen; dann wird e- nicht Jahre dauern, daß der Staat in der Lage sein wird, eine solche Anstalt zu machen. Ich bitte Sie des halb, die Vorlage Nr. 6 abzulehnen und den von un gestellten Entschließungsantrag anzunehmen. Abg. Frau Glatzer (Komm): Die kommunistische Fraktion stimmt dem Anträge der sozialdemokratischen Fraktion zu, ich möchte aber hervorheben, daß wir hier wie unsere Kollegen im Dresdner Stadtverordneten parlament die Verstaatlichung aller privaten und halb privaten Wohlfahrtspflegeeinrichtungen fordern. Die privaten oder halbprivaten oder freien Wohlfahrts einrichtungen haben von jeher die Not der Mitmenschen al- ihr eigenes Betätigungsfeld betrachtet, weil Not hilfe leisten heißt: Macht auSüben über die unter stützten Menschen. Wir fordern deshalb, weil man die Mittel von Staat und Gemeinden für diese privaten Veranstaltungen wohl fordert, Staat und Gemeinde darin aber nichts zu sagen haben, die Verstaatlichung dieser Institutionen. In der Abstimmung wird die Vorlage Rr. 6 an genommen, die Minderheiwanträge werden abgelehnt. Präsident Weckel: Damit wäre die Tagesordnung erledigt. Wir hätten nun noch die Tagesordnung für die nächste Sitzung zu beschließen. Der Vorstand schlägt dem Landtage vor, sich bis zum 17. Oktober zu vertagen. In dieser Woche werden aber, wie bereits angemeldet, einige Parteien Sitzungen haben. Ich würde da die betreffenden Parteien bitten, mir das mitzuteilen, und ich würde selbstverständlich auf Parteitage ebenfo Rücksicht nehmen wie früher. Ich schlage also vor, sich vorläufig bis zum 17. Oktober zu vertagen, den Präsidenten aber zu ermächtigen, auf die Anträge von Parteien Rücksicht zu nehmen. Abg. Renner: Wir halten die Vertagung bis zum 17. Oktober für zu weit gesteckt und wir ersuchen, die Vertagung nicht länger als bis Anfang September hinauszuschieben. Der Landtag beschließt gemäß dem Vorschlag de» Präsidenten Vertagung bi» zum Oktober. Die Fest setzung der Dagevordnnng wird dem Präsidenten überlassen. Ministerpräsident vr. Bünger: Meine Damen und Herren! Ich habe zum Etat folgende Erklärung ab zugeben. Die Regierung will ungeachtet der Höherziehungen der Ausgabetitel des Haushaltplanes auf das ihr in Art. 43 der Verfassung gegebene Recht, eine Wieder holung der Beschlußfassung zu beantragen, verzichten, da sie es für bedenklich hält, noch länger ohne verab schiedeten Haushaltplan zu arbeiten. Das Gesamtministerium wird den vom Landtag be schlossenen Haushaltplan loyal durchzuführen suchen, hält es aber für seine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß die Kassenlage des Staates es möglicherweise zwingen wird, sich bei den Ausgaben im Gefamtrahmen de- Haushaltplanes die jeweils gebotene Zurückhaltung aufzuerlegen. Es ist natürlich bereit, dem Landtag über die Durchführung des beschlossenen HaushaltplanS gemäß Art. 5 und 23 der Verfassung jederzeit Auskunft zu geben. Präsident: Wir sind am Ende unserer kurzen, aber sehr arbeitsreichen Tagung. Ich danke im Namen des Landtags allen den Mit gliedern der Ausschüsse, die in den letzten Tagen schwere und reiche Arbeit geleistet haben, und der Presse. Allen Damen und Herren wünsche ich aber eine gute Erholung während der Ferien. (Schluß der Sitzung 14 Uhr 20 Minuten ) Druck von B.». Deubner w