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?r LaMGieilU W WM Äch^W Nr. 16. zu Nr. 165 des Hauptblattes. 1929. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der S. Sitzung von Freitag, den 12. Juli 1929.) Ber.-Erst. Abg. Tobbert (Soz. — Fortsetzung): Eine Debatte hat auch noch die Frage der Nach richtenstelle der Staatslanzlei hervorgerufen. ES wurden von der Seite der Bolkspartei wegen angeblichen nicht guten journalistischen Funktionierens der Nachrichtenstelle der Staatskanzlei Beschwerden er- hoben, auch in Verbindung mit der, sagen wir, journa listischen Ausgestaltung der Staatszeitung. Der Antrag des Berichterstatters, das Gehalt des Ministerpräsidenten und den Versügungsbetrag zu streichen, ist abgelehnt worden. Angenommen worden sind die aus der Drucksache Nr. 88 ersichtlichen Anträge. Der Antrag, die Münchner Gesandtschaft mit dem 31. März 1930 wegfallen zu lassen, ist nicht nur von der Sozialdemokratischen Fraktion, sondern auch von dem Herrn Kollegen Buck von der Alten Sozialdemo kratischen Partei und dem Vertreter der Demokratischen Fraktion unterstützt worden. Ich habe nun im Auftrage der Sozialdemo, kra tischen Fraktion einige politische Bemerkungen zu machen. Zunächst ganz weniges über die Münchner Ge- sandtschaft! Wir bestreiten politisch und etatmäßig die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Münchner Gesandtschaft. Wir haben vielmehr jetzt und früher den Standpunkr vertreten, daß diese Münchner Gesandtschaft wie ein Stückchen Mittelalter in unsere Zeit noch hineinragt, und daß wir, die wir auf dem Standpunkt stehen, daß man von der Neichsreform nicht nur reden soll, sondern auch danach handeln muß (Sehr wahr! b. d. Soz ), diese Münchner Gesandtschaft aufheben wollen. Ich bin nicht der Auffassung, daß im Zeichen eines glücklicherweise immer einheitlicher werdenden Deutsch lands diese Münchner Gesandtschaft noch aufrechterhalten werden soll. Wenn Herr Heldt seinerzeit erklärt hat, daß ja auch der Freistaat Preußen eine Gesandtschaft in München unterhalte, so habe ich damals schon darauf hingewiesen, daß man doch das Verhältnis Preußen und Bayern schon allein aus historischen Gesichtspunkten gänzlich anders behandeln muß als das Verhältnis Sachsen und Bayern. Aber davon einmal ganz ab gesehen, wenn überhaupt der Gedanke in Bayern stärker verbreitet werden soll, daß auch Bayern sich, mehr und mehr als ein Glied der deutschen Republik fühlen soll, dann wäre es notwendig, daß die preußische Regierung ebenfalls einen Schritt vorwärts ginge in der Richtung, der Reichsreform zu dienen, und sich zu der Frage seiner Münchner Gesandschaft anders einstellte. Dann einige Worte zur Berliner Gesandt schaft! Wir sehen ein, daß momentan «roch die Not wendigkeit vorhanden ist, die Berliner Gesandtschaft aufrechtzuerhalten. Aber es muß doch an dieser Stelle iin Zusammenhang mit dem Problem Verwaltungs- resorm gefragt und geprüft werden, ob der jetzige Apparat der Berliner Gesandtschaft nicht übersetzt ist (Sehr wahr! b. d. Soz.), ob man hier nicht einmal iin Zusammenhang mit einer allgemeinen Verwaltungs- resorm überprüfen muß, ob Ersparnisse möglich sind. Ich werfe diese Frage lediglich auf und möchte es mir versagen, nähere Bemerkungen daran zu knüpfen. Ich glaube, daß bei Erledigung des Gesamtthemas Ver- waltungsreform und Neichsreform auch diese Dinge einmal in den Kreis unserer Betrachtungen gezogen werden müssen. Nun einige Worte zur Nachrichtenstelle der Staatskanzlei, Worte, die notwendig stark politisch und politisch zugespitzt sein müssen! Wir haben im Wahlkampfe gesehen, daß die Nachrichtenstelle der Staatskanzlei faktisch neu besetzt wurde, indem der Herr Direktor Albert von den Sächsischen Werken, ein ja in der sozialdemokratischen journalistischen Welt nicht ganz unbekannter Herr (Sehr gut! b. d. Soz.), zum Leiter der Nachrichtcustelle während der Zeit bestimmt worden ist in Gemeinschaft mit dem Herrn Prof. Ur. Böhm, als der Herr Oberregierungsrat Block in die Ferien gegangen war, und wir haben gesehen, daß die Ernennung der Herren Albert und Böhm eine Wirkung gehabt Hat, die die Väter dieser Ernennung sicherlich auch ausdrücklich bezweckt haben, nämlich die Sozialdemokratische Partei mit einem Trommelfeuer von Gehässigkeiten und Verleumdungen zu überschütten. (Sehr wahr! b. d. Soz.) Wir müssen an dieser Stelle noch einmal, wie eS schon in unserer Presse und glück licher Weise auch von der anständigen bürgerlichen Presse geschehen ist (Sehr gut! b. d Soz.), energisch dagegen protestieren, daß Steuergelder von Steuer zahlern, daß Staatsgelder dazu verwandt worden sind, um die Sozialdemokratische Partei nicht sachlich, sondern unsachlich und gehässig bis auf das äußerste zu bekämpfen. Wenn der Kampf ein sachlicher gewesen wäre, dann würden wir kein Wort darüber verlieren. Wir wissen, daß im politischen Kampfe Gegensätze aus- getragen werden müssen. Sie sollen sachlich ausgetragen werden. Aber das, was Herr Direktor Albert und was der Herr Prof. Vr. Böhm unter der Verantwort lichkeit der damals noch amtierenden Regierung in die Öffentlichkeit herausgcschleudert haben, daS ist einfach ein Skandal, ein so ungeheuerlicher Skandal, daß man nur sagen kann: wenn daS noch einmal passiert, dann ist eine Regierung, die da- duldet, in den Augen der anständigen Menschen und Parteien nicht nur Sachsens, sondern ganz Deutschlands und der ganzen Welt gerichtet. Ter Kampf, der ausschließlich nur gegen die Sozial demokratische Partei geführt worden ist, hat nicht die Früchte getragen, die die Herren Kämpfer damit er- zielen zu können glaubten, im Gegenteil, die Sozial demokratische Partei hat trotz dieses gehässigen Kampfes und, vielleicht könnte man sogar sagen, wegen dieser Tatsache, daß sie im Brennpunkte des politischen Trommelfeuers der Rechten gestanden hat, zwei Man- date gewonnen. Aber einmal davon abgesehen stehen wir auf dem Standpunkte, daß die Gelder der Steuer- zahler nicht zum Kampfe gegen eine Partei, gegen eine Opposition verwandt werden dürfen. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß jedes Maß von politischer Anständigkeit gewahrt werden muß. Wir benutzen diese Gelegenheit, zu sagen, daß wir uns mit Verachtung von solchen Kampfmethoden abwenden, wie sie damals im Wahlkampfe von der Nachrichtenstelle der Staats- kanzlei angewendet worden sind. (Lebhafte Zustimmung b. d. Soz.) Nun noch eins in diesem Zusammenhangs, was zwar eng mit dem Kapitel „Staatszeitung" zusammen hängt, aber auch in diesem Zusammenhänge mit einem Satze erwähnt werden darf. Wenn man glaubt, mit den Notizen und Artikeln, die eine Staatskanzlei sozu sagen amtlich liefert, auch die Staatszeitung journa listisch auspäppeln zu können, so müssen wir auch von diesem Gesichtspunkte aus sagen, daß selbst die Jauchen kübel der Staatskanzlei nicht geeignet gewesen sind, irgendwie der Staatszeitung ein besseres und aktiveres journalistisches Gepräge zu geben. Nun zur allgemeinen Politik nur wenige Worte! Das Kap. 18, Gesamtministerium, enthält ja auch den Titel „Ministerium der auswärtigen Angelegen heiten", und da mnß in diesem Zusammenhänge denn doch einmal politisch folgendes gesagt werden. Aus den Mitteln dieses Titels werden auch die sächsischen Vertreter im Reichsrate bestritten. Und im Reichs rate werden sich demnächst ja allerlei politische Ereig nisse vollziehen. Die Frage des Yonng-Planes steht zur Debatte, und wir haben uns ja in diesem Hause schon einmal darüber unterhalten, wie sich denn die sächsische Negierung dazu stellen werde. Tie Sozialdemokratische Partei und selbstverständlich auch die Sozialdemo kratische Fraktion steht dem Young-Plan äußerst kritisch gegenüber. Sie ist sich darüber klar, daß dieser Young- Plan trotz gewisser Erleichterungen, die wir anerkennen, ein kapitalistischer Plan ist (Lebhafte Zustimmung b. d. Soz.), darum behaftet mit allen Schwächen, behaftet mit allen Fährnissen und Gefährlichkeiten eines solchen Planes. Aber jede Regierung, und dazu gehört auch die sächsische Regierung, die ihre Vertreter im Neichs- rate zu instruieren hat, muß sich ernstlich fragen, ob man cs verantworten kann, den Young Plan trotz seiner Gefährlichkeiten, trotz eines kapitalistischen Charakters von vornherein abzulehnen. Und da stehen wir auf dem Standpunkte, daß man, wenn man ernsthaft eine Prüfung der Tinge vornimmt, sagen muß: die Er leichterungen, die der Young-Plan bringt, die auch uns nicht genügend erscheinen, würden doch dazu dienen können, eine gewisse Entspannung der politischen Ge- samtlage in Europa und in der ganzen Welt herbei- zuführcn. Aus diesem Grunde müssen verantwortungs- bewußte Negierungen an das Studium des Young- Planes Herangehen und ihre endgültige Stellungnahme von dein Ergebnis solcher Erwägungen abhängig machen. (Lebhafte Zustimmung b. d. Soz) Nun ist ja in diesem Hause und im Lande als Charakteristikum bekannt, daß der Herr Ministerpräsident, der unsere gegenwärtige Regierung führt, mit Hilfe der Nationalsozialisten gewählt worden ist, die politisch in schärfster Gegnerschaft zum Young-Plan stehen und die gar nicht erst den Versuch machen, ernstlich zu über legen und nachzudenken, ob nicht schließlich doch der Young-Plan eine Basis bietet, die zur Annahme dieser Erleichterungen, die im Young-Plan vorgesehen sind, führen können, sondern den Young-Plan von vornherein in Bausch und Bogen ablehnen, und der Herr Minister präsident soll sich verpflichten — so wird es ja dar gestellt —, den Young-Plan im Reiche abzulehnen; wenigstens scheint das eine der Voraussetzungen zu sein, unter denen der Herr Ministerpräsident gewählt worden ist- Ich glaube, der Herr Ministerpräsident würde der Sache des Landes und würde auch seinem Parteifreund vr. Stresemann einen Dienst erweisen, wenn er einmal von der Tribüne des Hauses aus seine Stellungnahme zum Young-Plan präzisierte. Das, glaube ich, müßte im Interesse der NeichSpolitik, im Interesse unserer aus- wärtigen Politik und auch im Interesse unserer Innen politik in diesem Hanse einmal klargestcllt werden. Damit kann ich zum Schluß kommen. Wenn wir dieses Gesamtkapitel etattechnisch annehmen, aber gegen das Gehalt des Herrn Ministerpräsidenten stimmen, so wollen wir damit unsere politische Einstellung zum Ausdruck bringen. Wir sind der Meinung, daß der Herr Ministerpräsident vr. Bünger und sein Kabinett nicht die Mehrheit dieses Haufes vertritt und auch nicht die Mehrheit unseres sächsischen Volkes hinter sich hat, und nach demokratischen und parlamentarischen Grund sätzen dürfte deshalb eine solche Regierung überhaupt nicht existieren können. Aber die Kompliziertheit der Verhältnisse in diesem Hause macht ja anscheinend alles ' Unmögliche möglich, und deshalb wollen wir noch einmal klar und scharf zum Ausdruck bringen, daß wir zu dieser Regierung des Herrn Ministerpräsidenten, weil sie keine Mehrheitsregierung ist, weil sie dem Willen der Mehr heit des sächsischen Volkes nicht entspricht, in Opposition stehen, und daß wir sagen: Es wird der Tag und es wird die Stunde kommen, wo die Sozialdemokratische Fraktion, wo die Sozialdemokratische Partei einmütig und geschlossen die Führung der Regierung nicht nur, sondern auch die Führung der sächsischen Politik in jeder Beziehung übernehmen wird. (Beifall b. d. Soz. — Abg. Dieckmann: Warum haben Sie das nicht schon getan, wenn Sie das wollen?) Präsident: Es ist ein Antrag vom vr. Wilhelm eingegangen: Die Regierung zu ersuchen, mit der Reicher.-gierung und den betreffenden Länderregierungen Fühlung zu nehmen in der Richtung, daß die Gesandtschaften der Länder untereinander aufgehoben werden. Abg. vr. Wilhelm (Wirifch. — zur Begründung): Herr Kollege Tobbert hat der Meinung Ausdruck ge geben, daß auch Preußen seine Gesandschaft in Bayern abbauen könne, daß also mit anderen Worten in ganz Deutschland zwischen den einzelnen Ländern derartige formelle Legationen nicht mehr aufrechtzuerhalten sind. Diesem Sinne und diesem Gedanken dient mein Antrag. Wir sind der Meinung, daß, wenn schon Gesandtschaften abgebaut würden, das dann überall geschehen muß. Wir sind der Meinung, daß dieser unser Antrag den Ausschußantrag erübrigt. Abg. vr. Tehue (Dem.): Ich möchte nur eine kurze Be merkung zur Staatskanzlei machen. Die Staats kanzlei hat nach unserem Gefühl im Laufe der Jahre einen Umfang und eine Art angenommen, die von dem abweicht, was sie eigentlich war und sein sollte. Sie ist durch Übernahme eigentlicher Verwaltungsausgaben zu einer Art Ressort geworden neben, ja man kann sogar sagen, über den anderen Ressorts. (Sehr richtig! b. d. Dem.) Das entspricht weder unseren staatsrecht lichen Verhältnissen noch den tatsächlichen Bedürfnissen. Wir möchten, daß hier eine Rückentwicklung stattfindet, und wir glauben, daß der gegenwärtige Zeitpunkt des halb dazu sehr geeignet ist, weil der gegenwärtige Ministerpräsident gleichzeitig Ressortsminister ist. Wir glauben, es ist infolgedessen für ihn leicht und leichter wie für seine Vorgänger, die Staatskanzlei wieder zu den: zu machen, was sie sein sollte, nämlich zu einem Büro des Ministerpräsidenten. Tas wird dann gleichzeitig noch eine andere gute Wirkung haben. Es wird vielleicht dahin führen, daß die Stellung des Kabinetts der Staatskanzlei gegenüber deutlicher hervor tritt, als es bisher war, d. h. wir wünschen, daß es dann nicht vorkommt, daß dort, wo eigentlich das Kabinett sprechen möchte, in Wirklichkeit nur der Ministerpräsident und die Staatskanzlei spricht. Wir haben unseren! Ge fühl nach zuviel Staatskanzlei und zu wenig Kabinett gehabt. Tas erscheint uns weder verfassungsrechtlich richtig, noch politisch gut. (Bravo! b. d. Dem.) Abg. Renner (Komm.): Tie Rede des Herrn Abg. vr. Dehne fällt aus dein Nahmen seiner sonstigen Ver tretung der Negierung, auch der Staatvkanzlei, solange die Demokraten Regierungspartei ivaren, sehr wesentlich heraus. (Widerspruch b. d. Dem.) Solange Herr Minister vr. Apelt mit im Kabinett gesessen hat, haben wir von demokratischer Seite noch nicht gehört, daß sich die Staatskanzlei zu sehr zu einem eigenen Ressort über den Ressorts ausgewachsen habe. (Abg. vr. Dehne: Mein lieber Herr Nenner, das habe ich schon vor Jahr und Tag gesagt!) Tie Tinge sehen eben, wenn man an der Negierung beteiligt ist, anders aus, als wenn man sich in der Opposition befindet. Tann möchte ich zur Frage der Tätigkeit der Staatskatt zlei während der Wahlen sprechen. Der Herr Abg. Dobbert hat schon darauf hingewiesen, daß der Direktor der Sächsischen Werke, Herr Albert, in die Staatskanzlei geholt wurde, um dort einen politischen Kampf für die damaligen Regierungsparteien zu führen. Der Kampf ist aber nach einer anderen Richtung aus- gegangsn, als die Regierungsparteien es wünschten, denn er hat nicht verhindern können, daß der Bestand der Alten Sozialdemokratischen Partei um 50 Proz. reduziert worden ist und daß der Bestand der Demo- kroten und der Aufwertungspartei ebenfalls zurück- gegangen ist. Dann hat HerrAbg. Tobbert inbezugaufdieWahlpropa- ganda der Staatskanzlei an den anständigen Menschen appelliert. DiesenAppell konnte er sich eigentlich schenken, denn seine Partei würde es nicht anders gemacht Habens Wir streiten uns um die Frage anständig oder un anständig überhaupt nicht herum; dieser Begriff bleibt immer relativ, und deshalb hat es keinen Zweck, diese Dinge moralisch auStragen zu wollen. Ich möchte nur feststellen, daß auch die Sozialdemokratische Partei mehr als einmal mit den Mitteln des Heimatdienstes eine einseitige Propaganda getrieben hat, auch die Gewerk schaften, der Zentralverband der Angestellten usw.; auch da handelt eS sich um Mittel, die von den Steuer zahlern zusammengetragen werden. Aber ich habe noch ein anderes Beispiel. Durch die sozialdemokratische Presse gingen in den lebten Tagen ununterbrochene Mitteilungen über die Differenzen, die zwischen Clar» Zetkin, der Kommunistischen Internationale und dir