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8MBÄU W WM AMitW Mr. 14. zu Nr. 163 des Hauptblattes. 1929. Beauftragt mit der Herausgabe ReglerungSrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der 8. Sitzung von Donnerstag, de« 11. Juli 1S2d.) Ber.-Erst. Mütter (Planitz) (Soz. — Fortsetzung): Die Eingabe der Polizeioffiziere verlangt eine Ver mehrung und höhere Einstufung der Polizeiofsiziere. Da wendet sich die Sozialdemokratische Fraktion gegen die Vermehrung der Zahl der Ossiziere, ist aber damit einverstanden, daß, da einmal die Polizeiofsiziere da sind, sie auch entsprechend bezahlt werden müssen; sie stimmt deshalb der höheren Einstufung zu. Allerdings ist auch dieser Antrag dem Besoldungsausschuß zu über weisen. Zu der wichtigen Frage der Organisation der Polizei sieht der Berichterstatter nur bedingte Fort- schritte in der von der Sozialdemokratischen Partei ge forderten Richtung. Wohl hat sich Herr Innenminister vr. Apelt bemüht, den vom Landtag gestellten Forde rungen entgegenzukommen, grundlegende Änderungen -find indessen nicht zu bemerken. . Hinsichtlich der Frage der Erziehung des poli zeilichen Nachwuchses muß betont werden, daß ein ganzer Teil der Polizeimannschaften seiner eigentlichen Aufgabe, nämlich der Sicherung des republikanischen Staates und des Schutzes der Staatsbürger, dadurch entzogen wird, daß er in Bereitschaften zusammen- gezogen wird, die wiederum weitgehende militärische Übungen machen müssen. Es wird sogar von einem sehr weitgehenden militärischen Drill gesprochen, der diese Abteilungen beschäftige. Festzustellen ist weiter, daß sich das persönliche Ver- hältnis zwischen den Offizieren und den Polizeimann schaften gebessert hat. Wir dürfen mit Bestimmtheit annehmen, daß diese Besserung als ein Erfolg der fort- währenden Kritik der Sozialdemokraten im Landtage in den letzten Jahren anzusehen ist. Weiter darf fest gestellt werden, daß in dem Erlaß des Herrn Ministers vr. Apelt über das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen die Möglichkeit einer weiteren Besse rung zu sehen ist. Ob das allerdings durchgeführt wirb, kann bezweifelt werden, vor allen Dingen dann bezweifelt werden, wenn solche Fälle etwa, wie sie der Berichterstatter anführen konnte, innerhalb der sächsischen Polizei mehrfach vorkommen, daß man die Polizeimannfchaften als Menschen zweiter Klasse schon dadurch behandelt, daß man sie mit „Ihr" anredet. Wenn auch die Zusammenziehung nach Bereitschaften eine Reichsbestimmung ist, und wenn auch von der Durchführung dieser Reichsbestimmung die Zuschüsse an die einzelnen Länder abhängig gemacht werden, so kann man doch über die Art dieser Ausbildung sehr geteilter Meinung sein. Zwischen dem militärischen Drill und der polizeilichen Ausbildung dürfte nach unserer Auf fassung ein außerordentlich großer Unterschied zu machen sein. Aber in dieser Hinsicht besteht gar keine Aussicht auf die Beseitigung des überspannten militärischen Drillsystems in den Bereitschaften; denn nach dem Schreiben des Ministeriums vom 14. Januar wird ja sogar verlangt, auch die Revierpolizei zu der Ausbildung und den Übungen in geschlossenen Verbänden heran zuziehen. Daß dadurch eine ganz besonders starke Be lastung der Polizei eintreten muß, ist selbstverständlich, und daß dadurch die Dienstfreudigkeit der Polizei durch aus nicht gehoben wird, daß damit aber gleichzeitig auch sicher durch diese Überlastung des Dienstes das Publikum schließlich das Opfer einer solchen falschen polizeilichen Erziehung darstellen muß, ist für uns auch klar. In Punkt 4 der von mir erwähnten Verordnung ist deutlich gesagt, worum cs sich hierbei handelt. Bei dem Dienst in geschlossenen größeren Verbänden handelt es sich um die Vorbereitung auf Großkämpfe und darüber hinaus um die Schaffung sogenannter Groß- wachen, die eben für diese Groß- und größeren Kämpfe geschult werden sollen. Damit besteht sür die Masse der Bevölkerung, die zu gegebener Zeit im Einzel fall Polizei benötigt, die Gefahr, daß die Revierwachen der Polizei entblößt werden Der Berichterstatter hat dann in eingehender Weise die bevorzugte Stellung der Polizeiofsiziere bemängelt und vor allen Dingen die Erziehung des Nachwuchses in der soAnannten Polizeiosiizieranwärterschule einer Kritik unterzogen. Die Anwärter werden nach den Mitteilungen der Regierung aus den Kreisen genommen, die sich zur Polizeischule in Meißen anmelden. Von den Anwärtern wird zwar nicht verlangt, daß sie das Zeugnis einer neunstusigen Lehranstalt haben müssen, aber diese werden natürlich außerordentlich bevorzugt. Der Berichterstatter sieht ganz besondere Schwierig keiten darin, daß die Anwärter ausgesucht, isoliert und besonders erzogen werden, um sich zum Offizier ent sprechend weiterzubilden. Weiter wurde die außerordentliche Überspannung des Sportes innerhalb der Polizei bemängelt und kritisiert. Dabei sind wir uns darüber klar, daß selbst verständlich eine gewisse sport iche Durchbildung der Polizei nötig ist. Aber eine olche Sportfexerei, die sich einmal darin zeigt, daß die Polizei fast an jeder größeren sportlichen Veranstaltung teilnimmt, und dar überhinaus darin, daß man aus den Sportorganisationen der Polizei sogenannte Sportkanonen herauszieht, daß man gewissermaßen die Anstellung innerhalb deS Polizei- ISrperS davon abhängig macht, daß eben sportliche Rekorde aufgewiesen werden, schießt über da» Ziel hinaus. Dem müssen wir unS mit schärfster Ablehnung gegenüberstellen. Nicht bloß Sozialdemokraten haben sich gegen eine solche Überspannung der sportlichen Be tätigung der Polizei gewendet, sondern auch Mitglieder anderer Parteien, und sie haben die Hoffnung aus gesprochen, daß in Zukunft in dieser Richtung eine Besserung eintreten möge. Die Kommunistische Fraktion hat sich bei der Aus- schußberatung besonders gegen die Verwendung der Polizei als Bürgerkriegarmee gegen die Arbeiterschaft gewendet. Sie hat ferner dagegen schärfsten Widerspruch erhoben, daß Übungen zur Besetzung von Orten, Orts teilen und Straßenzügen durch die Polizei in größeren Verbänden vorgenommen werden. Insbesondere wandte sich der Sprecher der Kommunistischen Fraktion dagegen, daß man den Musikkapellen des ehemaligen Rotfront- kämpferbuudes die Instrumente beschlagnahmt und rück- sichtslos weggenommen hat. Er wandte sich ferner überhaupt gegen das Verbot von Rotfront in Sachsen. Seine Forderungen faßte der kommunistische Sprecher zusammen im Abbau und in der Beseitigung des Polizeiapparates. Die Konsequenz in der Stellung )er Kommunistischen Fraktion zur Polizei findet Ausdruck in den beantragten Streichungen zu Tit. 4, 12, 15 und 16. Er betonte dann, daß mit der Aufhebung der Kaser- nierung der Polizei ohne weiteres die Grundlage sür die vollkommene Durchführung des Achtstundentages gegeben sei. Der Herr Minister vr. Apelt betonte zunächst im Ausschuß, daß er noch als verantwortlicher Minister sür das Kap. 33 in Frage käme. Er erklärte, daß durch die Schaffung des Polizeibeamtengesetzes die notwendige Umorganisation fast abgeschlossen sei und daß die Aus bildung der künftigen Offiziere ebenfalls entsprechende Regelung erfahren habe. Es sei alles geschehen, um die Polizei höherzuziehen und vor allen Dingen sie zu einem Instrument zu machen, das auch in schwieriger Zeit seine Pslicht erfülle. Soweit Kritik an der Sport beteiligung der Polizei geübt worden sei, erklärte der Minister, daß diese Beteiligung erforderlich sei, da sie den Anregungen des Reiches auf diesem Gebiet ent spräche und vor allen Dingen auf Grund einheitlicher Organisation notwendig sei. Herr Polizeioberst v. Kracht betonte, es müsse unterschieden werden zwischen der körperlichen Schulung, die für alle Beamte von Dienst wegen durchgeführt werde, und dem Sport, der Sache der Sportvereine sei. Daß die sportliche Schulung, soweit sie der Dienst verlangt, auch unsere Zustimmung erfährt, ist selbstverständlich, aber darüber hinaus Mannschaften dem Dienst zu entziehen, um eine ganz bestimmte sportliche Höhe innerhalb des Polizeikörpers zu erreichen, dagegen wenden wir uns, weil dabei der Polizei eine ganze Reihe von Kräften zu den eigent lichen Zwecken entzogen wird. Eine Unterstützung der Sportvereine finde, so sagt der Herr Negierungsver- treter weiter, nur insofern statt, als das Ministerium genehmige, die Einrichtungen, die bestehen, zu benutzen. Die Sportvereine seien zusammengeschlossen in einem Reichsausschuß für Polizeisport, der aus den Vertretern der einzelnen Ländern gebildet werde. Ter Reichs- ausschuß, so betonte die Regierung, schreibe Neichs- polizeimcisterschaften aus, die früher jährlich und jetzt nur noch aller 3 Jahre ausgetragen würden. Dadurch sei bereits eine Besserung in dem von dem Bericht erstatter angeregten Sinne erreicht worden. Er teilte weiter mit, daß auch am Verfassungstage Kämpfe statt- sinden, für die der Reichspräsident Preise gestiftet habe. Auch hiervon könne sich die sächsische Polizei nicht gut ausschließen. Also die Regierung hat eine ganze Reihe von Gründen gefunden, die zu ihrer Rechtfertigung in der Frage der sportlichen Betätigung der Polizei dienen sollen. Durch Herrn Aba. Siegert wurde zum Ausdruck ge bracht, daß die Deutschnationale Fraktion der Streichung bei Kap. 33 Tit. 15 und 16 nur zustimmen könne, soweit sich die Streichung rechtfertigen lasse. Herr Abg. Siegert polemisierte vornehmlich gegen die Anträge der Kommunistischen Fraktion. Er gibt seine Zu- stimmung zu den Anträgen, die eine Erweiterung der dienstfreien Zeit der Beamten anstreben, die ferner die Lehrmittelfreiheit für die Polizeibeamten verlangen, und er verlangt eine Erhöhung der Unterrichtsgelder. Er betont vor allen Dingen, daß das Verlangen der Beamten dahin gehe, eine Vereinheitlichung der ver schiedenen Rechtslage der Polizeibeamten in Preußen und Sachsen herbeizuführeu, und er bringt dabei zum Aus druck, daß die Übernahme der preußischen Verordnung vom 19. Juni 1928 größere Ersparnisse erhoffen lasse. Die Wünsche der Offiziere gingen in erster Linie dahin, eine Stellenvermehrung zu erzielen, weniger auf eine Erhöhung ihrer Bezüge. Er verlangt dann größeren verkehrspolizeilichen Schutz für die Fußgänger gegen die Auto- und Motorradraserei, was übrigens auch von Herrn Abg. Voigt von der Deutschen Volkspartei ver langt wurde. Von dem Abg. Claus, als Vertreter der Demokratie, wurde verlangt, daß alle Fragen, die Besoldungsfragen betreffen, dem Besoldungsausschuß zu überweisen feien. Er mißbilligt die Schaffung von Großwachen. Von dem Sprecher der Deutschen Volkspartei, von dem Kollegen Voigt, wird ebenfalls die Übertreibung des Polizeisportes verurteilt. Soweit die Pflichterfüllung der Polizei in Frage komme, bejahe er sie freudig. Er frage nach Maßnahmen, die die Regierung nach dem einerzeitigen Beschluß de» Landtag», Bekämpfung de» Schmutzes in Wort und Bild, habe eintreten lassen; Die Regierung antwortete darauf, daß sie in dieser Frage weniger zuständig sei. Sie habe aber den ent sprechenden Beschluß an die zuständigen Ortspolizei verwaltungen und an das Wohlfahrtsministerium weitergeleitet. Bon dem Sprecher der Nationalsozialistischen Fraktion wird zum Ausdruck gebracht, daß seine Fraktion nicht mit allen Maßnahmen der Polizei einverstanden fei, und sie seien aus eigener Erfahrung in der Lage, fest zustellen, daß sich die Polizeimethoden nicht immer der strengsten Objektivität gegenüber allen Parteien be fleißigen. Er vermeide es, Einzelfälle anzuführen, um die Aussprache nicht in die Länge zu ziehen. (Zuruf b. d. Natsoz.) Es wäre vielleicht zur Besserung richtiger, wenn sie angeführt würden, denn jede Kritik soll doch, wenn sie sachlich angelegt wird, eine Besserung der Verhältnisse herbeiführen. Es wurde sogar im Ausschuß betont, daß es in diesem Jahre auffalle, daß Beschwerden nicht in solcher Menge wie in den Vorjahren vorliegen. Das beweist eben, daß in dieser Beziehung eine Besserung eingetreten ist. Soweit dieAnträge des Berichterstatterseine Änderung der Besoldung für die Polizeibeamten bedeuteten oder soweit sie den Stellenplan änderten, vertrat die Aus schußmehrheit den Standpunkt, daß alle diese Anträge dem Besoldungsausschuß zu überweisen seien. Die Minderheit sieht darin, daß man alle Fragen, die die Besoldung und den Stellenplan berühren, an den Besoldungsausschuß verweisen will, eine Einschränkung des Etatrechtes, und aus diesem Grunde erscheinen alle Anträge, auch die, die dem Besoldungsausschuß über wiesen werden müssen, auf der heutigen Vorlage, die dem Landtage zugegangen ist, als Minderheitsanträge. Punkt 11: Anfrage des Abg. Renner«. Gen über die Handhabung der Ausweifungsbestimmnngen dnrch die Behörden. (Drucksache Nr. 16.) Die Anfrage Nr. 16 lautet: In letzter Zeit mehren sich die Fälle rigorosester Anwendung der Ausweisungspraxis. Selbst schon lange Jahre, oft Jahrzehnte in Sachsen wohnende Ausländer werden Landes verwiesen. Die Kreishauptmannschast Dresden verfügte sogar kürzlich die Ausweisung eines 9 Jahre alten Kindes. Wir fragen die Regierung: 1. ob sie bereit ist, dem Landtag Auskunft über die Handhabung der Ausweisungsbestimmungen zu geben; 2. ob die Maßnahmen der Behörden auf ihre An weisung erfolgten. Abg. Scheffler (Komm. — zur Begründung): In letzter Zeit hat sich die Ausweisungspraxis ganz bedeutend ver schärft. Im Gegensatz zu früheren Jahren, wo diese Aus weisungen seltener vorgekommen sind, muß man hellte feststellen, daß fast kein Tag vergeht, wo man nicht irgendwo aus dem Lande hört, daß ein Arbeiter es sind fast alles Arbeiter — ausgewiesen wird. Die Ausweisung erfolgt aus zweierlei Gründen: Erstens aus politischen Gründen und zweitens anS Gründen der Arbeitsmarktlage. Wir haben die Tatsache zu ver zeichnen, daß Arbeiter, die jahrzehntelang hier gelebt und gearbeitet haben, ja, die vielleicht hier geboren sind, die sich gar nicht mehr als Ausländer fühlen und natürlich bei ihrem schweren Existenzkämpfe mit der übrigen Arbeiterschaft um die Verbesserung ihrer Lebens lage kämpfen, ausgewiesen werden. (Hört, hört! b. d. Komm.) Seit den letzten Monaten versteckt sich die Aus- weisungspraxis deS Ministeriums aber hinter das sogenannte Neichsarbeitsamt und das LandeSarbeits- amt. Das Landesarbeitsamt vollsührt jetzt die Aus- Weisungspraxis, die früher das Ministerium getätigt hat. In der Öffentlichkeit erscheinen die Aus weisungen etwas humaner, in der praktischen Wirkung aber sind sie brutal. Man geht gegen diese sogenannten Ausländer so vor, daß ihnen vom Landesarbeitsamt oder von den Bezirksarbeits ämtern auf einmal die Arbeitsgenehmigung verweigert wird. Man benutzt die Arbeitsmarktlage, aber das schiebt man nur vor, um die Arbeiter aus weisen zu können. Derartige Fälle haben wir eine Unmenge im Erzgebirge, in Aue, in Schwarzenberg, aber auch in Dresden und Leipzig. Wir sind der Meinung, daß gegen diese Ausweisungspraxis scharf angekämpft werden muß. Es ist weiter Tatsache, daß eS dem Kreishauptmann Abg. Buck Vorbehalten geblieben ist, nicht nur er wachsene Arbeiter auszuweisen, sondern sogar ein Kind von 9 Jahren. (Lebhaftes Hört, hört! b. d. Komm.) Die Mutter des KindeS ist hier verheiratet; sie hat einen sächsischen Staatsangehörigen geheiratet, Hal aber ein uneheliches Kind von einem tschechoslowakischen Staatsangehörigen. Dieser tschechoslowakische Staats angehörige, der in der Tschechoslowakei wohnt, ver weigert die Unterstützung dieses KindeS, und die Frau mit ihrem Mann ist natürlich, weil er Saisonarbeiter ist, nicht jederzeit in der Lage, dieses Kind zu unter halten. Sie hat sich deshalb an die Dresdner Fürsorge gewendet, und deshalb ist da» Kind als lästiger Aus länder erNärt worden. (Härt, hört! b. d, Komm.)