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ÄMUMU W AWei AMikig Mr. 17. zu Nr. 248 des Hauptblattes. 1929. veauftragt mit der Herausgabe Negierungsrat Brauste in Dresden. Landtegsderhan-lungen. 1». Eitz««- rienötas. de« LS Oktober 1»2». Präsident Weckel eröffnet in Anwesenheit des Ministerpräsidenten vr. Bünger, der Minister Elsner, vr. -rüg v. Nidda, vr. Mannsfeld und Weber sowie einiger Regierungsvertreter die Sitzung um 13 Uhr 6 Min. und begrüßt zunächst das Haus bei Wiederauf nahme der parlamentarischen Arbeit nach den Ferien. Er gedenkt dann derer, die nicht wiederkommen konnten, »veil sie vom Tode abberufen worden find (Die Abgeord neten erheben sich; die Kommunisten sind nicht im Saal anwesend.), der beiden Abgg. Schwärzend Schreiber- Alischwitz, die unter Aufbietungaller Kräfte, ja ihrer letzten Kräfte in» sächsischen Parlament mitgearbeitet haben und deren Arbeit in» sächsischen Lairdtag und einst auch in der Ge schichte des sächsischen Landtags unvergessen bleiben wird. Ferner teilt der Präsident, während die National sozialisten den Saal verlassen, »nit, daß der Landtag auch sein Beileid beinr Ableben des Reichsaußenministers vr. Stresemann bekundet hat,und zivar durch je einen Draht spruch an die Witwe des Verblichenen und an die Reichs regierung: „Mag das Bild des Verblichenen parteipolitisch verschiedene Züge in den Vordergrund stellen, über alle Verschiedenheiten hinweg aber darf wohl sein Wirke»» für die Völkerverständigung und für de»» Friede»» anerkannt werden." Nachdem hierauf die Kommunisten und National sozialisten unter Zurufen vor» verschiedene»» Seiten des Hauses den Saal wieder betreten haben, begrüßt der Präsident die neucingetretenen Abgeordneten Gewerk- schaftsbeamte)» Tempel aus Freiberg (Soz.), der dem Landtag bereits früher angehört hat, und Gutsbesitzer Winkler aus Weignumnsdorf im Erzgebirge (Landv.) als neue Landtagsmitglieder. - Schriftführer Abg. Günther verliest dann ein Schrei ben des Ministerpräsidenten über die am 1. Septencher erfolgte Wiederernennung des Ministers a. D. Elsner -um Wirtfchaftsminister. Was die Erledigung der heutigen Tagesordnung an langt, so soll »»ach Punkt 1, Wahl des Vorstandes, die sich nach der neuen Geschäftsordnung bei jedem neuen Tagungs abschnitt notwendig »nacht, eine Vertagung der Sitzung um eine Stunde cintrcten, während deren sich die Aus schüsse konstituieren und der neugcwähltc Vorstand zu einer Vorstandssitzung zusammentreten 'sollen, um die Tagesordnung für die nächste Sitzung zu beraten. Abg. Renner (Komm. — zur Geschäftsordnung): Wir wünschen, daß ein Beschluß gefaßt wird, der es dein Vorstande ermöglicht, nach Erledigung der heutigen Tagesordnung die Sitzung fortzusetzen, und zwar mit weiteren Tagesordnungspunkte»». Wir sind der Auffassung, daß die gesamte Lage im »eiche, die Verhältnisse, die sich entwickeln aus der Ausnutzung und der Auslegung des Poung Planes, die Vorstöße der bürgerlichen Reaktion in Verbindung mit diesem Plane, der Vormarsch, den man den faschistischen Legionen gestatten möchte, es notwendig machen, über diese Frage»» zu sprechen, die ir» Dentschland von aus schlaggebender Bedeutung sind und im Zusammenhang stehen mit der Notlage der immer größer werdenden Masse der Erwerbslosen, deren Unterstützung man schändlich abgebaut hat, mit dem Zollwucher, der durch- gesührt wird, und mit der Teuerung und den» stän digen Sinken des Reallohnes für die breitesten Massen der Arbeiter. (Sebr richtig^ b. d. Komm.) Wir haben diese Auffassung, daß man heute diese Fragen besprechen muß, schon in der neulichen Bor standssitzung zum Ausdruck gebracht, und es war auch bei den Sozialdemokraten etwas Geneigtheit vorhanden, zu den polrtischen Fragen, insbesondere zum Poung- Plan Stellung zu nehmen. Aber als gleichzeitig das Gespenst des reaktionären Angriffs der Bünger-Re gierung auf den S. November auftauchte, sind auch die Sozialdemokraten zurückgewichen. (Lachen b. d. Soz.) Inzwischen haben sie zwar in der „Chemnitzer Bolks- stimme" ein wenig Mut zu radikalen Worten gefunden, aber Taten zu realisieren, um diese Vorstöße abzu lenken, dazu haben sie sich nicht aufgeschwunaen. Wir glauben, daß alle diese D»nge in Zusammen hang stehen, und wir ersuchen deswegen, daß unsere Anträge auf Besprechung des Young-Plane-, über die Erwerbslosennotlage und den geplanten Abbau der Er- werbsloscnversicherung, über die Zollpolitik und über die mit den Fragen der Finanzen im engen Zusammen hänge stehende Verwendung der Mittel zum Wohnungs bau noch auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt werden. (Bravo! b. d. Komm.) Abg. vr. vlüher (D. «p. — zur Geschäftsordnung): Ich Kode den Herrn Präsidenten so verstanden, daß nach dem Wiederzusammentritt des Plenums zur Ent gegennahme der Mitteilung«», der Ausschüsse und des zelheitei» werden wir uns bei der Aussprache über die politische Lage unterhalten. Da aber die Wahl des Land tagspräsidentei» in engstem Zusammenhänge mit diesen Maßnahmen steht, ist es notwendig, das, was ich ge sagt habe, zu unterstreichen. (Zurufe b. d. Soz.) Das Bürgertum fordert von den Sozialdemokraten jetzt ein schärferes Marschtempo. Es wird jetzt von den Zeitungen der Bolksparteiler verlangt, daß sie den Machtapparat des Staates stärker einsetzen, daß sie die Durchführung des Finanzprogrammes energischer betreiben, und daß das Phlegma des Hern» HUferding nicht aus reicht. Und die Sozialdemokratie schickt sich an, diese Maßnahmen durchzuführen (Zuruf b. d. Soz.: Wer?), durch ihre Hetze gegen die revolutionäre Arbeiterschaft den Kampf gegen die revolutionäre Arbeiterfchft zu verschärfen und »hre konterrevolutionäre Tätigkeit zu ver schleiern. Deshalb ist es ganz klar und für jeden Arbeiter verständlich, daß es die Kommunistsche Fraktion ablehnt, für die Wahl eines sozialdemokratische»» Vertreters zum Landtagspräsidenten ihre Stimme abzugeben. Wir schla gen deshalb als unsere»» Vertreter den Abg. Herrmann zum Landtagspräsidenten vor (Lachen b. d. Soz.) und »verden nur unseren» Vertreter unsere Stimme geben. (Beifall b. d. Komm ) Abg. vöchel (Soz): Ich wollte nur seststellen, daß die Kommunisten mit ihrem heutige»» Auftreten bei der Eröffnung des Landtags bewiese»» haben, daß sie nach wie vor bereit sind, die Geschäfte des Bürgertums, der Reaktion zu besorgen. (Lachen b. d. Komm.) Wenn inan noch im Zweifel daran gewesen wäre, so hätte das ihre Stellungnahme zu dem Kampf um den 9. November bewiesen. Es heißt schon hie Demagogie auf die Spitze treiben, wenn »»»an, uni seine Stellungnahme zur Wahl eines Sozialdemokraten zum Präsidenten des Landtags zu begründen, aus dem Reiche den sog. Abbau der Erwerbslosenversichcrung herholen muß, ein Gesetz, das bei seinen» Zustandekommen den schärfsten Widerstand der Kommunisten gefunden hat (Lebhafte Zurufe b. d. Komm ), die damals behauptet haben, es se» ein Gesetz zur Knebelung der Arbeiterschaft, und das heute die Kommunisten verteidigen, indem sie angeblich seine Ver schlechterung bekämpfe»». (Lebhafte Zurufe b. d Komm.) Ich stelle fest, daß die Kommunisten gegen die säch- fiche Sozialdemokratie nichts vorzubringen hatten, und daß dadurch ihre Stellung im Kampfe des Proletariats genügend charakterisiert worden ist. Ich schlage den bisherigen Präsidente»», Herrn Abg. Weckel, wieder zum Landtagspräsidentcn vor. Abg. Reimer (Komm): Ich möchte nur eine Fest stellung machen: wir Haber» bei dem Kampfe gegen das Erwerbslosenversicherungsgesetz deswegen gegen dieses Gesetz gekämpft (Lachen b. d. Soz ), weil das Erwerbs- losenversicherungsgesetz die bis dahin bestehende Erwerbs losenfürsorge bedeutend verschlechterte. (Lebhafte Un ruhe b. d. Soz. — Zuruf b. d. Soz.: Das sagst du!) Nachdem die Sozialdemokraten mit den Bürgerlichen zusammen diese Verschlechterung einmal durchgeführt haben, haben sie jetzt zusammen die zweite Verschlech terung durchgeführt. Ihre jetzigen Ausführungen stellen deshalb nichts anderes als eine Demagogie dar. Hierauf wird in Stiuunzettelwahl der bisherige Landtagspräsident Weckel (Soz.) von 95 abge gebenen Stimmen »nit 78 geger» 12 Stimmen der Kom- »nunisten, die auf den kommunistischen Abg. Herrmann entfallen, bei 5 abgegebenen »veißen Stimmzetteln wiedergewählt. Präsident Weckel: Ich danke dem Landtag für das Bettrauen. Durch Zuruf werden hierauf zum I. stellv. Präsi denten Abg. vr. Eckardt (Dnat.) und zum II. stellv. Präsident Abg. v. Hickmann (D. Bp.) gegen die kommunistischen Stimmen gewählt, die bei beiden Posten für ihren Patteigenoffen Herrmann stimmen. Die beiden Gewählten nehmen die Wahl mit Dank an. Als Schriftführer »verden einstimmig durch Zuruf wiedergewählt die Abgg. Claus (Dem), Günther (Wittsch), Herrmann (Komm ), Kautzsch (Soz.) Mucker (Soz.) und vr. Wallner (Bolksr ). Die Gewählten nehmen die Wahl an. Die Sitzung wird hierauf um 13 Uhr 40 Minuten unterbrochen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung 1b Uhr 33 Mi nute,» wird in Punkt 2 der Tagesordnung eingetreten: »«zeige der Ausschüsse über die erfolgte« Wahlen (8 17 der Geschäftsordnung). Die Ausschüsse selbst sind sür die ganze Tagung ge. wählt, bleiben also in ihrer bisherigen Zusammensetzung bestehen. Das Ergebnis der Wahlen der Vorsitzen den und Schriftführer der Ausschüsse ist fol gendes: Prüfung»ausschuß:1.«orfitzender«bg. Scheffler (Komm ), S. Vorsitzender Abg. Huhn (D. vp), 1. Schrift- führ« anstelle der Frau Abg. Thiel (Soz.) Abg. Bogel (Soz.) und 2. Schriftführer Abg. Sachse (Wittsch.). Vorschlags des Vorstandes wegen der nächsten Tages ordnung das Plenum darüber beschließt, wann die nächste Sitzung stattfindet, und mit welcher Tagesordnung. Ich halte es für ausgeschloffen, daß man heute, nachdem die Tagesordnung so beschränkt worden ist und nachdem im Worstande ausdrücklich gesagt worden ist, heute wird weiter nichts behandelt, ohne daß das noch einmal vor bereitet worden ist, in die Beratung der vom Herrn Abg. Renner erwähnten Sachen eintritt. Aber ich glaube, wir könnten uns alle dahin einigen, daß wir morgen eine Sitzung vornehme,» mit der Tagesordnung, über die ja wohl allgemeines Einverständnis besteht, nämlich: Arbeitslose, Doung-Plan, 9. November. Nachdem der Landtag daraufhin beschlossen hat, den Antrag Renner erst nach der Unterbrechung der Sitzung zur Abstimmung zu bringen, wird in die Tagesordnung eingetreten: Wahl des Laudlagsvorstandes. (§8 4, 5 und 6 der Geschäftsordnung.) Abg. Reuner (Komm ): Wir haben schon bei der vorigen Wahl, die ja cigerttlich gar nicht so lange her ist, unsere Stellungnahme zu dem Präsidenten des Landtags dar- gclegt und festgestellt, daß die Wahl des Präsidenten für uns keineswegs eine parlamentarische Angelegenheit ist, die rein geschäftsordnungsmäßig zu betrachten wäre, sondern daß es sich dabei un» Entscheidung von politi schen Fragen handelt. Wir haben aus diesen» Grunde schon bei der vorigen Wahl darauf hingewiesen, daß wir es ablehncn, unsere Stimme einen, sozialdemokrati schen Landtagspräsidenten zu geben. Wir sind heute um so mehr verpflichtet, diese unsere Stellung zu unter streichen, weil inzwischen unter Führung der sozial demokratischen Reichsminister der Abbau der Erwerbs losenversichcrung in einem solchen Maße durchgesührt wurde, daß Hunderttausende von Erwcrl^losen (Wieder spruch b. d. Soz.) jetzt direkt dem Hunger und dem größten Elend ausgeliefert sind. (Zuruf b. d. Soz.: Schwindel!) Diese Leute scheiden nickt nur aus der Erwerbslosenversicherung aus, sondern sie scheiden zum größten Teil auch aus der Krisenfürsorae aus und fallen damit einer geradezu dürftigen Fürforgeunterstützung anheim (Sehr wahr! b. d. Komm ), die ihnen auch noch in vielen Fällen einfalst streitig gemacht wird. (Sehr richtig! b. d. Komm.) Für diesen Zustand, der jetzt ein-- getreten ist, trägt die volle Berantwottung die Sozial demokratische Partei (Lachen links ), die durch ihren Arbeitsministcr im Reiche diese Maßnahmen durchfühtte. Präsident (unterbrechend): Wir sind hier im sächsischen Landtage, und ich bitte den Redner, sich auf sächsische Angelegenheiten zu beschränken. Abg. Reuner (fortfabrend): Ich glaube, daß die sächsische Sozialdemokratische Partei zu der Pattei des Hern, Hermann Müller und der Herren Wissell, Severing und Hilferding gehört, und deshalb ist es wohl selbst verständlich, daß diese Frage auch zur Haltung der Sozial demokratischen Pattei in Sachsen gehört, d,e noch keine Kampfstellung gegen ihre Reichsminister eingenommen hat. Ich will aber etwas anderes seststellen. Damals habe ich hier in, Landtag darauf hingewiesen, daß die Ge werkschaften die Rolle von Strcikbrecheragenten über nehmen Aus dem Lager der Sozialdemokraten tobte damals eine sehr gereizte, künstliche Erregung empor. Jetzt hat sich gezeigt, daß das, was ich damals sagte, vor aller Öffentlichkeit dokumentiert wird- (Sehr richtig! b. d. Komm.) Im Kan^f gegen die Berliner Rohrleger hat die Leitung des Deutschen Metallarbeiterverbandes eine Streikbrecheragentur ausgemacht. (Sehr richtig! b. d. Komm) Präsident (unterbrechend): Herr Abg. Renner, ich rufe Sie zum ersten Male zur Sache. Abg. Re««er (fortfahrend): Ich werde mich durch diesen Ruf zur Sache nicht abhalten lassen, eine allgemeine Kritik zu üben; eine Wortentziehung würde nur dokumentieren, daß Ihnen diese Feststellungen außer ordentlich' unbequem sind. (Lebhafte Zurufe b. d. Soz.) Ich stelle dabei weiter fest, daß Ihr Parteigenosse Zörgiebel diese Streikleitung verhaften ließ (Zurufe b. d. Soz ), daß er also eine Maß,»ahn,e durchgesührt hat, die früher von der Wilhelminischen Regierung ge macht wurde. (Zurufe b. d. Soz.) Dazu stelle ich fest, daß auch aus Sachsen durch den Polizeipräsidenten der Sozialdemokratischen Partei Streikbrecher im Rohrleger kampfe ermittelt wurden. Also es zeigt sich, daß Sie eine Linie vertreten. Am Sonntag hat Ihr Polizei präsident in Berlin den Schutz des nationalsozialistischen Aufmarsches übernommen und die Geyenkundgebung der Arbeiter abgedrosselt, und jetzt bringt man ein Republikschutzgesetz, das das Bismarcksche Sozialisten gesetz in den Schatten stellt, und Sie als Bettreter d'eser Pattei flehen hinter diesen Maßnahmen Ihrer Re- gierung »m Reiche. (Hammer des Präsidenten.) Präsident (unterbrechend): Herr Abg. Renner, ich rufe Sie zum zweiten Male zur Sache und mache Sie auf die Folgen aufmerksam. (Zuruf b.d. Soz.: Das will er doch!) Abg. Renner (fortfahrend:) Sie stehen hinter diesen Maß nahmen Ihrer Regierung im Reiche. Sie unternehmen als sächsische Sozialdemokraten nichts gegen diese Maßnahmen, sondern fördern und unterstützen sie, indem Sie diese Maßnahmen positiv und praktisch decken. Über die Ein-