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»4 8MKÜU zm AsW MszÄW Nr. 10. zu Nr. 159 des HauptAattes. 1929. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauste in Dresden. Landtaftsverhandlungen. (Fortsetzung der 6. Sitzung von Dienstag, den 8. Juli 1829.) Abg. vr. Dehne (Dem. — Fortsetzung): Wir würden gezwungen sein, unsere Neutralität auf. zugeben und uns gegen die Regierung zu wenden, wenn sie in lebenswichtigen und bedeutsamen Fragen unseres Landes im Sinn unserer politischen Gegner, die gleichzeitig die politischen Gegner dieser Verfassung sind, sich entscheiden würde. Um es noch deutlicher zu sag-n: wir wollen keine Verschlechterung der Beziehungen oes Landes Sachsen zum Reich (Sehr gut b. d. Dem.), wir wollen keinen reichsfeindlichen Partikularismus in gar keiner Weise und in gar keiner Beziehung. Wir wollen keine reaktionäre Kulturpolitik, und wir würden es nicht dulden, daß etwa offenbaren Verächtern unseres republikanischen Staates Ämter als Hüter und Ver treter dieses Staates anvertraut werden. (Sehr gut! b. d. Dem.) Und schließlich noch eins: wir würden es keine Stunde dulden, daß die Negierung etwa rassenhetzerische Be strebungen fördert oder ihnen auch nur stille Duldung gewähren würde. (Sehr gut! b. d. Dem.) In der Finanzpolitik insbesondere werden wir scharf darauf sehen, daß die gesetzlichen Rechte des Landtags gewahrt werden, und wir werden allen Bestrebungen, die verfassungsmäßigen Wirkungen des Parlaments auszuschalten und da oder dort durch Verordnungen zu regieren, wo sie gerade notwendig sind, entgegen treten. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Das von dem Herrn Ministerpräsidenten verlesene Programm der Negierung bewegt sich ja seinem Wort laute nach in der Richtung der von uns geäußerten Wünsche. Wir werden abzuwarten haben, wieviel da von in die Tat umgesetzt wird. Solange die Regierung auf dieser Bahn bleibt und die Vorsicht beobachtet, sich nicht auf Abwege drängen zu lassen, werden wir sie arbeiten lassen und nicht gefährden, bis die Zeit ge kommen und reif ist, eine Mehrheitsregierung an ihre Stelle zu setzen. (Lebhafter Beifall b. d. Dem.) Stellv. Präsident I)r. Eckardt; Ich gebe dem Hause bekannt, daß die Sozialdemokratische und die Kommu nistische Partei namentliche Abstimmung über diesen Punkt beantragt haben. Abg. Knnz (Natsoz.): Aus dem, was Herr vr. Dehne hier ausführte, geht klipp und klar hervor, daß erstens einmal die Demokratische Partei einen außerordentlich großen Wert auf die Besetzung des Innenministeriums und des Kultusministeriums gelegt hat —ein Beweis da für, daß die Demokratische Partei in diesen beiden Ministerien den Schlüssel der Macht sieht — und daß sie anderseits in Anschauung der Regierungspraktiken des Herrn vr. Apelt natürlicherweise auch bereit und in Zukunft gewillt ist, diese Macht vor allen Dingen gegen uns Nationalsozialisten auszunutzen, weniger gegen die mehr oder weniger renitente Linke. Wenn ich mir die Re- gierungspraxis des Herrn vr. Apelt überlege und dabei bedenke, daß wir in Zwickau in unseren Geschäftsstellen während dieser Regierungstätigkeit des Herrn vr. Apelt innerhalb drei Wochen nicht weniger als 21 Haus suchungen zu verzeichnen hatten, so ist das ein Beweis, wie Sie (zu d. Dem.) das demokratische Prinzip auf- fassen und durchführen. Da haben wir Ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir gestehen Ihnen, die Sie heute schon zur absoluten Bedeutungslosig- keit als Splitterpartei herabgesunken sind (Zurufe b. d. Dem.), einfach nicht mehr das Recht zu, in irgendeiner Weise oder Form oder irgend an einer Stelle au der Gestaltung des Geschicks des sächsischen Volkes teilzunehmen. (Gelächter b. d. Dein.) Im übrigen beweist die Entwicklung, daß Sie zwischen den beiden Extremen, die sich immer mehr auswirken, zwangsläufig als Partei und Weltanschauung zermalmt werden müssen. (Lachen b. d. Dem.) Die Entwicklung geht einfach dahin, und es ist unsere Aufgabe, diesen Entwicklungsprozeß nur noch zu beschleunigen. (Er neutes Lachen b. d. Dein.) Sie können Gift darauf nehmen, meine Herren Demokraten, daß wir alles tun werden, was geeignet ist, Ihnen das Lebenslicht aus zublasen. (Heiterkeit b. d. Dem. — Abg. vr. Dehne: Schaden Sie sich nur an der Lunge nicht! — Zuruf b. d. Soz.: Mit Rathenau haben Sie begonnen!) Was die bürgerlichen Parteiführer oder Fraktions redner hier vorgetragen haben, bewegt sich ja durchaus im Nahmen der von Herrn Bünger abgegebenen Re gierungserklärung, bringt nichts wesentlich Neues, sondern findet sich mit der Regierungserklärung als die Oltimaratio ab. Mehr interessiert mich schon das, was der Herr Abg. Böchel sagte, daß dieses Kabinett, das sich als ein Fachkabinett mit Fachministern darstellt, gewisser- maßen nur eine Tarnung einer reinen volkspartei lichen Regierung sei. Eins steht jedenfalls fest, ohne damit das Kabinett für alle Zeiten verteidigt zu haben, daß zwei reine Beamte in diesem Kabinette vertreten sind und daß diese uns auf Grund ihrer Laufbahn und Erfahrung jedenfalls mehr Gewähr für eine objektive Behandlung ihres Amtes geben als irgend ein Reichskanzler Müller, der alsReichskanzler keine Quali- fikation niit sich gebracht hat. (Gelächter b. d. Soz.) Und Im übrigen, was ist in der Reichsregierung los? Diese Neichsregierung, die heute mit der Volkspartei auf der einen und Ihren Ministern auf der anderen Seite eine so famose Finanzpolitik treibt, die wagt auch nicht als große Koalition aufzutreten. Sie bezeichnet sich als Kabinett der Köpfe — K. d. K. — und behauptet, daß das nur Fachminister seien. Nun, das, was Herr Hilferding sich in den letzten Monaten der Inflation geleistet hat, beweist gar nichts für seine fachliche Eignung. Für Sie hat aber ein Ostjude mehr Qualifikation zum Finanzminister als viel leicht der sächsische Finanzminister Weber. (Lebhafte Zurufe b. d. Soz.) Im übrigen folgert die Sozialdemokratie und auch die KPD. aus der Tatsache, daß wir der parlamen tarischen Situation Rechnnng tragen und Herrn vr. Bünger als Ministerpräsidenten unsere Stimmen ge geben haben, daß wir kapitalistisch eingestellt wären, daß wir Schoßhündchen des Kapitalismus wären. Ja, meine lieben Sozialdemokraten, ich glaube, die Bin dungen, die wir mit der Regierung eingegangen sind — tatsächlich bestehen gar keine, aber wenn sie be stünden —, wären dann immer noch nicht so groß wie die Bindungen, die Ihr Herr Hilferding mit Herrn Stresemann eingegangen ist. (Lebhafte Zurufe b. d. Soz) Demzufolge müßte Ihre bürgerliche Infektion und Ihre kapitalistische Bindung eine viel größere sein als bei uns hier im Landtage. Tas muß man den Herren immer wieder sagen, denn was Sie da oben im Reiche treiben, ist keine marxistische Finanzpolitik, sondern das ist eine Bank- und Börsenpolitik (Leb- hafte Zurufe b. d. Soz ), und die Nutznießer sind nicht das Volk und die Parteien, sondern einzig und allein die Banken und das Großkapital. Die ganze Haltlosigkeit Ihres Systems ist es schließlich auch gewesen, die Severing mit veran- laßt hat, angesichts des Falles des Nepublikschutz- gesetzes nun mit dem Diktaturparagraphen zu drohen. An sich schon ein Nonsens. Sie haben sich damals in den Zeiten Ihrer Entwicklung über das Sozialistengesetz der reaktionären bürger lichen Regierung maßlos aufgeregt. Heute haben Sie bewiesen, daß auch Sie nur mit Ausnahmegesetzen re gieren können und daß Ihnen in dem Augenblick, wo das Ausnahmegesetz fällt, auch daS Herz in -ie Hosen taschen fällt, und nun appelliert der kleine Herr Seve ring an den § 48 und versucht, die Republik, aufgebaut auf den 9. November 1918, mit diesen! Paragraphen zu retten. Glauben Sie mir eins: Diese Gummiknüppel- Diktatur, die Sie gegen jeden, die an irgend einer Stelle Widerstand gegen das System predigt, aufgerichtet haben, wird Ihnen selbst zum Verhängnis werden, und die Schutztruppen, die Sie sich herausgebildet haben, nämlich das Reichsbanner, ist zu absoluter Bedeutungs losigkeit herabgesunken. (Lachen b. d. Soz.) Es ist bezeichnend, daß inan in diesem Parlament schon beginnt, nach dem Sinn einer Wahl zu suchen. Tas ist sehr bezeichnend. Anscheinend sind die Herren sich doch alle im klaren darüber, daß die Wahl unsinnig war; sonst hätte man keinen Grund, nach dem Sinn oder Unsinn der Wahl zu suchen. Es ist auch ganz müßig, danach zu fragen, wer eigentlich als Sieger aus dem Wahlkampfe hervorgegangen ist, Sie (z. d. Komm.), jedenfalls nicht und Sie (z. d. Soz ), jeden falls auch nicht. Der Gewinn von zwei Man- baten, den Sie zu verzeichnen haben, geht ja nur auf Kosten dec Kommunisten. (Widerspruch und Un ruhe links.) Das ist eine innere Verschiebung, die uns absolut nicht interessiert. Jedenfalls beweist der Aus- gang der Wahl, daß es Ihnen nicht gelungen ist, den Mehrzugang an Jungwählern auf Ihre Partei und Liste zu vereinigen, sondern daß die anders wohin gegangen sind. Diese Massen der Jungwähler haben wir eben letzten Endes erfaßt (Widerspruch und Lachen links.), und die sind es letzten Endes gewesen, die uns ins Parlament gebracht haben, obwohl sie vielleicht bei Ihnen geschult worden sind. (Lachen b. d. Soz.) Wir Nationalsozialisten sehen aus der Wahl und dem damit verbundenen Gewinn unserer Bewegung klar und deut lich, daß das Volk beginnt, hellhörig zu werden, und ein- sieht, daß mit diesem Geschwätz und Gerede im allgemeinen und besonderen das Volk nicht gerettet werden kann. (Sehr richtig!) Aus dieser Tatsache und aus unserer grundsätzlichen Einstellung heraus ergibt sich unsere Stellung zum Parlament schlechthin. Wir sehen im Parlament und seiner Betätigung nicht die Möglichkeit, ein Volk, das in so außerordent liche Umstände hineingeraten ist und in so außerordent lichen Zusammenbrüchen sich befindet, mit Hilfe des Parlaments aus diesen Zusammenbrüchen herauszuholen. Das wird nicht möglich sein, nie und nimmer, weil das Leben des sächsischen und des deutschen Volkes von außenpolitischen Gesetzen und Bindungen diktiert ist. Es ist notwendig, die außenpolitischen Gesetze abzuwarten oder abzuändern. Das wird das Entscheidende sein. Infolgedessen ist eS viel notwendiger, die Volkskraft als einheitliches Ganze zu mobilisieren und in den Dienst des Volkes und Vaterlandes zu stellen, als hier stunden- lang über nebensächliche Dinge im Parlament zu reden. (Lebhafte Zurufe und Unruhe.) Trotzdem werden wir der Lage Rechnung tragen und unsere parlamentarische Betätigung natürlicherweise nicht einstellen. Daß wir darüber hinaus alles das, was an notwendiger und verantwortungsreicher Arbeit getan werden kann im Sinne des Volkes, nicht im Sinne einer Partei, tun werden, das ist für uns selbstverständlich, und aus diesem Gesichtspunkte und aus diesen Erwägungen heraus haben wir uns auch leiten lassen bei der Regierungsbildung. Eins können Sie uns wahrhaftig nicht verübeln, daß wir uns heute nämlich auf den Standpunkt stellen, daß der Marxismus, der vom Ausbruch der Revolution an bis zum heutigen Tage seine Unfähigkeit "lallen Dingen bewiesen hat, vom Staatsgeschick ausgeschaltet werden muß. Infolgedessen stellen wir uns auf den Standpunkt, daß auch in das Sachsenparlament kein Marxist mehr hereingehört. (Lachen und Zuruse links.) Daß auf der anderen Seite, je weiter die Wahl weg geht, die Neigung, hier Angleichungen vorzunehmen, immer größer wird, darüber bin ich mir auch im klaren, ebenso darüber, daß früher oder später aus der Stellung der Demokraten, aus ihrer Schlüsselstellung heraus eine Angleichung kommen muß, weil die Deutsche Volks- Partei früher oder später doch umfällt. Darüber bin ich mir auch im klaren, daß fie ebenfalls ihre heute so hoch gespannten Erwartungen und Forderungen zuruck schrauben wird. In dem Augenblick, wo die allgemeine Linie zur großen Koalition hergestellt und gefunden ist, in diesem Augenblick fallen auch die besonders scharf herausgestellten Forderungen der Deutschen Volkspartel, wie sie heute hier und im Ausschüsse fortgesetzt wieder aufgestellt werden. Damit ist unsere Stellungnahme im großen und ganzen herausgearbeitet. Eins steht fest, wir haben dem Kabinett Bünger in keinem Falle eine Aktivlegitimation gegeben. Wir sind zu dem Kabinett Bünger in keinerlei feste Verbindung getreten, sondern haben nur ganz bestimmte Forderungen aufgestellt, zu deren Erhebung und Aufstellung wir uns berechtigt fühlen. Ebenso wie die Demokraten mit vier Mann das Innenministerium und das Kultus ministerium fordern, mit demselben parlamentarisch demokratischen Rechte machen wir auch unsere Forde rungen geltend, wenn wir hier schon überhaupt einmal Forderungen erheben. (Abg. Dobbert: Was wollen Sie denn haben?) Wir wollen kein Ministerium haben! Unsere Beziehungen zu dem Kabinett werden nicht stets gute sein, sie werden im besten Falle korrekt sein, und in dem Augenblick, wo wir sehen, daß das Kabinett das Gesamtwohl des sächsischen Volkes stets wahrt und die entsprechenden Gesetze, Verordnungen und Verfügungen erläßt, die im Sinne der Lösung der Not des Volkes liegen, wird auch dieses Kabinett unsere Unterstützung haben. Daß wir uns hier nicht von kleinlichen Sparsamkeitsrücksichten leiten lassen, darauf können Sie ebenfalls Gift nehmen; Warum? Weil wir Herrn Hilferding nicht das Recht zubilligen, dem sächsischen Staate einfach 10 Mill. RM. zu entziehen. Tas Recht hat er nicht. Gegen eine derartige Beeinträchtigung wenden wir uns aufs schärfste, weil wir erstens wissen, daß sie mit der Notwendigkeit in keinerlei Zusammenhang steht, sondern darüber hinaus diktiert ist von allgemeinen reparations- politischen Verpflichtungen, die die Neichsregierung eingegangen ist, auch neuerdings eingsgangen ist im Noungplan, der, davon bin ich sowieso überzeugt, angenommen werden wird. Auch die Volkspartei wird ihn annehmen. (Lebhafte Zurufe.) Meine Herren, ob ich vonr Poungplane etwas verstehe oder nicht, darüber können wir uns persönlich miteinander aussprechen. Eines steht jedenfalls fest, diejenige Re gierung, dasjenige System, das über 60 und mehr Jahre hinaus ein Volk verpflichtet, jährlich inr Durch schnitt weit über 2 Milliarden M. zu bezahlen, ist wert, daß es beseitigt wird. Sie können für die kommende und nächstkommende Generation diese Unterschrift einfach nicht leisten, weil Sie gar nicht wissen, ob die kommende Generation noch fähig sein wird, diese Lasten aufzubringen, oder noch Willens sein wird, diese Lasten aufzubringen. Tas ist die Kunst eines Staatsmannes nicht, die Forderungen oder un geheueren Folgerungen der eigenen Politik den nach kommenden Geschlechtern aufzuerlegen und die Lasten und Schulden daraus. Das ist keine Staatspolitik im Sinne der Erhaltung eines Volkes, sondern eine Staatspolitik im Sinne der Vernichtung eines Volkes. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß, wenn 60Jahre lang 2 Milliarden jährlich dem internationalen Bank- und Börsenkapital an den Hals geworfen werden, auch Geld da sein muß, um das innerpolitisch Notwendige zu leisten, sowohl auf sozialem als auf wirtschaftlichem und anderem Gebiet. Infolgedessen legen wir uns in dieser Beziehung keine Rücksicht auf, wenn wir sehen, daß ein Notstand dringend Abhilfe erheischt. In der selben Weise stehen wir auch der Negierung Bünger gegenüber. Wir werden in dieser Beziehung bestimmt nicht kleinlich fein, dessen können Sie versichert sein. Nun zu dem Letzten, was außerordentlich viel Staub aufgewirbelt hat, zu dem Brief von Mücke! Ich ver sichere, was Herr Mücke getan hat, steht in keinerlei Verbindung und Übereinstimmung mit unserer Fraktion (Abg. Müller (Planltz): Sie schwindeln! Es ist doch Ihr Parteigenosse!) Präsident (unterbrechend); Herr Abg.Müller(Planitz), ich rufe Sie zur Ordnung. Abfl. Kunz (fortfahrend): Ich stelle weiter fest, daß alle diejenigen, die glauben, daß dieser Schritt des Herrn Mücke für uns irgendwie von Bedeutung ist heretngefallen sind, und daß wir irgend welche Zu sicherungen nicht gemacht haben. Ich komme zum