Volltext Seite (XML)
Abg. Mildeuftretz (Komm: — zur Begründung oer kommunistischen Anträge): Wenn die Kommunistische Landtagsfraktion Veranlassung genommen hat, Anträge zu stellen, die die Lebenslage der Arbeitslosen verbessern sollen, so aus dem einfachen Grunde, weil seit einer Reihe von Jahren ein Hungerfeldzug gegen die Erwerb-- losen geführt wird, den wir als Vertreter des arbeitenden Proletariats nicht billigen können. Wir haben schon damals bei der Schaffung deS Erwerbslosenversicherungs, gesetzes mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, daß durch die Einführung des ErwerbslojenversicherunaS- gejetzes keine Erleichterungen für die Erwerbslosen geschaffen werden, sondern im Gegenteil, daß dieses Gesetz nur geeignet ist, die Lebenslage der Erwerbs losen noch weiter zu verschlechtern. Und wir sehen heute nach kaum einem Jahre des Bestandes dieser Versicherung, daß tatsächlich bereits Verschlechterungen eingetreten sind. (Sehr richtig! b. d. Komm.) Denn heute steht fest, daß 74,1 Proz. der Erwerbslosen sich mit einem Unterstützungssätze von 6 M. bis 15,75 M. begnügen müssen. Ich ersuche also die Landtags mitglieder, einmal selbst zu versuchen, ob einer von ihnen in der Lage ist, mit einem solchen Unterstützungs satz auszukommen. Aber wenn man sagt, schon deshalb sei eine soziale Errungenschaft geschaffen worden, weil dem einzelnen in diesem ErwerbSlosenversicherungsgefetz ein gewisser Rechtsanspruch gewährleistet sei, so hat unS bereits das vorige Jahr bewiesen, wie dieser Rechtsanspruch in Wirk lichkeit aussieht. Das vorige Jahr hat bei der Einführung des Gesetzes über die Sonderfürsorge bet berufsüblicher Arbeitslosigkeit mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß ein Rechtsanspruch tatsächlich nicht besteht, daß dadurch eine bedeutende Verminderung der Unterstützungssätze ein- getretcn ist. Ich darf nur darauf verweisen, daß die Verminderung in der Klasse 7 1,75 M. auSmacht, in der Klasse 8 bereits 2,40 M., in der Klasse 9 3,80 M., in der Klasse 10 4,80 M. und in der Klasse 11 7,20 M. Wenn man das feststellt, so kann man nicht behaupten, daß wirklich in diesem Erwerbslosenversicherungsgesctz tatsächlich soziale Errungenschaften verankert sind. Man sagt: durch die Finanzkrise, die gegenwärtig akut ist, fei eine Änderung des Erwerbslosen- oersichernngsgesetzes unbedingt erforderlich, weil im Laufe des Winters 470 Mill.M. ausgegeben worden sind. 1925/26 hat das Reich für Erwerbslosenfürsorge etwa schon 700 Mill.M. ausgegcden, also einen weit höheren Betrag als fetzt. Wenn wir hier eine Untersuchung anstelle», worauf diese Tinge zurückzuführen sind, so finden wir auch den Schlüssel. Man hat nämlich in der letzten Zeitin Deutschland und besonders unter der gegenwärtigen Regime des sozialdemokratischen Reichsfinanzministers eine fieberhafte imperialistische Rüstung in Szene gesetzt und durchgeführt. Es ist leicht verständlich, daß, wenn man die Gelder für imperialistische Rüstungen verschleu dert, die sich ja letzten Endes nur gegen Sowjetrußland richten, dann für soziale Fürsorge keine Mittel übrig sein können (Sehr richtig! b. d. Komm.) und daß dann selbstverständlich etwas hcrausgefucht werden muß, woran man spart. Aber cs kommt auch noch etwas anderes in Frage. Man will nämlich, nachdem der Vorstoß von den Ar beitgeberverbänden unternommen wordenfist, die Koalition im Reiche nicht gefährden (Sehr wahr l b. d. Komm), deshalb zeigt man sich allen derartigen Anregungen, die von feiten der Arbeitgeberverbände und besonders von der Deutschen Vollspartei, der Vertreterin der Schwerindustrie, herausgcgeben werden, gefügig. Aber immerhin ist es doch interessant, dabei festellen zu müssen, daß es ausgerechnet ein sozialdemokratischer Reichs- sinanzminister ist, der sich nach und nach als der Ver- mögensverwalter der Schwerindustrie und des Trust kapitals entpuppt. (Sehr wahr! b. d. Komm.) Die Verordnung, die am 7. Mai herausgegeben worden ist, hat schon sonderbare Blüten in einzelnen Arbeitsämtern gezeitigt. So ist vom Arbeitsamt Plauen eine Warnung herausgegeben worden, die folgenden Wortlaut hat: In letzter Zeit sind verschiedene Fälle aufgcdeckt worden, in denen Arbeitslose während des Unter- stützungsbezugcs gearbeitet haben, ohne dies zu melden. Außer der Rückforderung der zu viel ge zahlten Unterstützung ist in diesen Fällen Strafanzeige wegen Betrugs erstattet worden. (Lebhaftes Hört, hört! b. d. Komm.) Also weil sie Hunger hatten, werden sie wegen Betrugs angezeigt! (Hört, hört! b. d. Komm.) Und nun kommt das Wesentliche: Die Arbeitslosen werden daher erneut eindringlich auf die Verpflichtung hingewiesen, unaufgefordert an jedem Zahltag zu melden, ob sie Arbeit (auch Heim arbeit und Sonntagsarbeit usw.) verrichtet und welchen Verdienst (auch freie Mahlzeiten usw.) sie dabei er zielt haben. (Lebhaftes Hört, hört! b. d. Komm.) Das läuft letzten Endes darauf hinaus, wenn dieser oder jener aus Mitleid einmal einem Arbeitsloser, eine freie Mahlzeit gewährt, so ist dieser verpflichtet, auch dies dem Arbeitsamt zu melden. (Unerhört l b. d. Komm.) Aber das Wort „usw." läßt sich noch anders deuten. Wenn er außerdem dann noch vielleicht ein Glas Bier oder eine Zigarette oder sonst dergleichen erhalten hat, so ist er verpflichtet, auch das dem Arbeitsamt zu melden. Man kann wohl sagen, daß das einen oflenen Skandal darstellt. (Sehr wahr! b. d. Komm.) Nach dieser Verordnung de- Vorstands der Reichs- anstatt, in der u.a. auch sehr prominente Gewerkschafts vertreter sitzen, auch solche, welche diesem Hause angehören, ist der Arbeit-Vermittler berechtigt, wenn der Arzt fest- Mellt hat, daß dieser oder jener nicht arbeitsfähig ist, zu bestimmen, daß er einfach trotzdem die Arbeit anzrmehmen hat. Wenn er diese Arbeit nicht annimmt, dann wird letzten Endes die Unterstützung eingestellt, und er wird den Wohlfahrtsämtern der Gemeinden überwiesen, die aber tatsächlich zu Wohlfahrtszwecken nicht sehr viel Mittel zur Verfügung haben. Aber noch etwa- andere- versucht man, um Sparmaßnahmen durchzufahren. Die Unternehmerverbände haben z. B. versucht, ein sogenanntes Sofort-Programm zur Reform dnrchzuführen. Was verlangt man in diesem Sofort- Programm? — Nicht mehr und nicht weniger, al- daß im allgemeinen die Bedürftigkeit-Prüfung wieder ein geführt wird. Wer sich noch erinnern kann, früher bei der ErwerbSlosenfürforge, als die Bedürftigkeit-Prüfung noch herrschte, wird wissen, was das heißt. Weshalb wir uns weiter mit aller Entschieden heit gegen diese Verschlechterungen wehren müssen, ist die Tatsache, daß die Erwerbslosenzahl heute noch eine außerordentlich hohe ist. Da für die nächste Zeit überhaupt an eine Beschäftigung-Möglichkeit nicht zu denken ist, halten wir es für unsere Auf- gäbe, als Vertreter der Arbeiterschaft gegen die e Dinge mit aller Entschiedenheit anzukämpfen. W r haben auck bereits im Ausschuß Vorschläge gemacht, wie man den Erwerbslosen helfen kann. Ich möchte nur darauf Hinweisen, daß den Arbeitslosen viel besser gedient ist, wenn ihnen Arbeitsmöglichkeiten gegeben werden. Aber eS besteht eben im kapitalistischen Wirt- schaftssystem nicht die Möglichkeit, Arbeitsmöglichkeit für die breiten Schichten der werktätigen Bevölkerung bereitzustellen, weil durch das mit Hilfe der Gewerk schaften durchgeführte Rationalisierungssystem natur- notwendig ein großer Teil der Arbeiter als dauernd erwerbslos auf dem Arbeitsmarkt vorhanden fein wird. Man hat unsere Anträge im Ausschuß abgelehnt und schleimige Abänderungsanträge gestellt, die nach außen hin als Agitationsanträge erscheinen sollen. Aber wenn man diese Anträge genau besieht, kann man fest stellen, daß cS keine praktische Hilfe für die Erwerbs losen bringt. Deshalb habe ich das Hau- zu ersuchen, unseren Anträgen, die heute als Minderheitsanträge vorliegen, zuzustimmcn, denn nur dadurch wird es möglich sein, einigermaßen den Erwerbslosen Hilfe zu gewähren. (Bravo! b. d. Komm.) Ber.-Erst. über Drucksache Nr. 21,Abg. Arndt (Soz.): Es ist nicht meine Aufgabe, auf" die Ausführungen meines Herrn Vorredner- einzugehen. Ich will nur seststellen, daß er mit den Zahlen etwas kurios umge gangen ist. Es ist nicht ganz richtig, daß das Nerch dieses Jahr nur 400 Mill. NM. aufgewendet hat und der Unterstützungsaufwand heute geringer ist als je. Richtig ist, daß aus Mitteln des Reiches allein 515 Mil lionen im vergangenen Etatjahre gezahlt worden sind. Dazu kommen 68 Mill. M., die die Reichsanstalt selbst aufgebracht hat. Dazu kommt das, was die Länder und Gemeinden aufgebracht haben. Insgesamt sind im vergangenen Jahre für die Arbeitslosenunterstützung und alles, was darum und daran hängt, produktive und dgl. 1533 Millionen verausgabt worden. Jeder natürlich, der in der Sache arbeitet, wünschte, daß noch mehr dafür ausgegeben werden könnte. Aber nun zu den Anträgen selbst. Im Antrag Nr. 6 fordern die Antragsteller die Zurückziehung einer Verordnung der Neichsanftalt. ES handelt sich dabei aber nicht um eine Verordnung der Neichsanftalt, auch nicht einmal um eine Dienstanweisung, sondern lediglich um ein Rundschreiben des Präsidenten der Reichsanstatt, in dem er den Arbeitsämtern gewisse Hinweise für die Durchführung des Arbeitslosenver- sicherungsgesetzes gibt. (Zuruf b. d. Komm.: Wie naiv!) Die Antragsteller find sich über die Rechtsnatur dieses Rundschreibens durchaus nicht im klaren rind scheinen sich auch nicht über das Aufsichtsrecht des Neichs- arbeitsministers im klaren zu sein, denn wenn vom Landtag etwas geschehen sollte, könnte cs nur dann geschehen, wenn der Reichsarbeitsminister, also die auf sichtführende Instanz, die Möglichkeit cinzugreifen hätte. Der kann aber nur dann eingreifen, wenn die Selbst verwaltungsorgane oder der Präsident der Reichs anstalt Gesetz und Satzungen nicht so anwenden, wie es dem Sinne des Gesetzes entspricht, das heißt also, wenn sie gesetzwidrig handeln. (Sehr richtig b. d. Soz.) Das kann man aber von diesem Rundschreiben deS Präsidenten der Reichsanstalt nicht behaupten. Der Ausschuß hat sich daher mit dem Inhalte des Rund schreibens nicht weiter beschäftigen können. Ich glaube aber, auch die Herren Antragsteller werden die Tendenz des Rundschreibens gut heißen müssen, denn das Rundschreiben will doch eine miß bräuchliche Ausnutzung der Arbeitslosenversicherung vermeiden oder beseitigen (Lachen b. d. Komm.), und das liegt doch gerade ganz besonders im Interesse der Arbeiterschaft. (Lebhaftes Sehr richtig! b. d. Soz.) Des halb hat sich der Ausschuß auf den Standpunkt gestellt, daß die Annahme des Antrags Nenner u. Gen. unter Nr. 6 ein Hieb in die Luft, also zwecklos wäre, und empfiehlt seine Ablehnung. Der Antrag unter Nr. 7 berührt eine der brennendsten Fragen der Gegenwart, die wir überhanpt haben. Aber so kann man doch nicht an das Problem Herangehen, wie eS die Antragsteller tun. Der Herr Vorredner hat sich gegen ein Sofort-Programm der Reichsregierung gewendet, er hat aber wohl das Programm der Ber einigung der Arbeitgeberverbände mir dem Sofort- Programm der Neichsregierung verwechselt. (Lebhaftes Sehr richtig! b. d. Soz.) Die Neichsregierung hat zwar die Absicht gehabt, ein Sofort-Programm vorzulegen, aber innerhalb des NeichskabinettS ist darüber leine Einigung zustande gekommen, und im Augenblick liegt es so, daß weder die Reichsregierung noch die maß gebenden Parteien des Reichstags in der Lage sind, zu jagen, was denn nun sofort geschehen soll. Run könnte ja dem sächsischen Landtage das Schicksal der Reichsanstalt gleichgültig sein. Aber der Ausschuß hat sich deswegen mit den Dingen näher beschäftigt, weil es sich um wichtige sozialpolitische Fragen handelt, die die Wohlfahrtspflege und damit auch die Gemeinden auf da- allerinnigste berühren, und es gilt, die Mög lichkeit zu schaffen, die Arbeitslosen im kommenden Winter zu unterstützen. Das, was die Neichsanftalt laufend einnimmt, reicht gerade aus, um rund 800000 Erwerb-lose laufend zu unterstützen. Aber es besteht gar keine Möglichkeit, im Laufe des Sommers so viel anzusammeln, daß auch der Winter damit durch- gehalten werden kann, und es würde dann weiter nichts übrig bleiben, als entweder Zuschüsse des Reiches zu zahlen oder die Unterstützungssätze, o.h. die Leistungen der Reichsanstalt abzubauen. ES ist von verschiedenen Seiten empfohlen worden, durch eine Reform der Arbeitslosenversicherung eine Sanierung von der AuSgabensette her zu versuchen. Ich bin persönlich der Auffassung, daß diese Sanierung«? versuche nickt zum Erfolg führen werden, weil sie niÄ von prinzipieller Bedeutung sind. Die einzige Mög lichkeit, die Neichsanstalt von der Ausgabenseite her zu sanieren, ist die, daß man die Saisonarbeiter aus der Arbeitslosenunterstützung überhaupt herausnimmt. Der Ausschuß mußte sich aber die Frage vorlegen, waS soll aus diesen Saisonarbeitern im Winter werden, wenn sie von der Arbeitslosenversicherung nicht- bekommen können und ein Ersatz dafür nicht geschaffen ist? Nach dem Dafürhalten des Ausschusses würde dadurch eben die Wohlfahrtspflege um so mehr in Anspruch ge nommen werden. Der Ausschuß hat sich deshalb auf den Standpunkt gestellt, daß eine Sanierung der Reichsanstalt von der Ausgabenseite her durch eine starke Nbstreichung der Unterstützungsleistung nicht mög lich ist und kommt insoweit auch dem Antrag Nenner entgegen, der im ersten Halbsatz wenigstens inhaltlich einstimmig angenommen worden ist. Was aber den zweiten Halbsatz anlangt, so steht der Vorschlag de- Ausschusses im direkten Gegensatz zu dem Antrag Nenner. Wenn auch Herr Abg. Mildenstret) hier gesagt hat, dieser Reformvorschlag bezwecke doch weiter nichts als eine Verschlechterung der Arbeitslosen versicherung, so liegen die Dinge doch so, daß irgend etwas geschehen muß, wenn man im Winter nicht zu einer Katastrophe kommen soll. Die Kommunisten laben bisher noch nicht verraten können, wovon die Arbeitslosen im Winter Unterstützung bekommen sollen, wenn die Neichsanstalt versagt und es nicht möglich ist, aus anderen Geldquellen Geldmittel flüssig zu machen. Es würde höchstens eine Belastung der Wohlfahrtspflege und der Gemeinden in Frage kommen, die ich für Sachsen auf mindestens 30 bis 40000000 NM. schätze, und jeder Kommunalpolitiker wird Ihnen sagen, daß die Gemeinden eine solche Belastung nicht ertragen, und daher muß zugesehen werden, auf andere Weife und durch andere Mittel die Reichsanstalt zu sanieren. Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, daß eS rrei Möglichkeiten gibt. Die eine ist die Kürzung der Unterstützungsleistung. Dagegen hat sich der Ausschuß und auch der Antrag Renner gewendet. Die andere Möglichkeit ist die Beitragserhöhung, wenigstens eine vorübergehende Beitragserhöhung, und die dritte Mög- ichkeit sind Zuschüsse des Reiches. Der Ausschuß hat nicht gesagt, welchen Weg der Reichstag gehen soll, und )er Reichstag würde sich wahrscheinlich auch nicht auf )en Weg weisen lassen, den der Ausschuß haben will. Lr geht seine eigenen Wege, aber praktisch bleibt ja chließlich weiter nichts übrig als eine Erhöhung der Beiträge, denn von der dritten Möglichkeit, daß das Keich Zuschüsse zahlen soll so ähnlich, wie es in Eng- and geschieht, wird nirgends geredet, und jeder Mensch weiß, daß infolge der angespannten Finanzlage des Reiches das auch nicht möglich ist. Deshalb hat sich der Ausschuß auf den Standpunkt gestellt, der Reichstag und die Reichsregierung haben die Pflicht, sofort etwas zu unternehmen (Sehr wahr! b. d. Soz.), und die Vor- chläge, die der AttSschub gemacht hat, sollen vor allen Dingen eine ernsthafte Mahnung an die Neichsregierung und an den Reichstag sein, etwas zu tun, damit Länder und Gemeinden und vor allen Dingen die Arbeitslosen im Winter nicht vor eine Notlage gestellt sind, die selbst vom Reichstage sicher nicht gewollt wird. Nun enthält der Vorschlag des Ausschusses noch einen Abs. 2. Dieser Abs. 2 ist im Ausschüsse nur mit einer geringen Mehrheit angenommen worden. Die Antrag steller und die Mehrheit des Ausschusses haben sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Errichtung von Ersatz kassen auch zur Sanierung der Reichsanstalt beitragen könnte. Die Minderheit ist entgegengesetzter Auffassung: Sie verwirft nicht nur die Herausnahme ganzer Berufs gruppen aus der Neichsanstalt aus prinzipiellen Grün den, weil sie der Auffassung ist, daß die Einheit der Reichsanstalt und der Arbeitslosenversicherung eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die Arbeitslosen versicherung überhaupt ist, sondern sie sagen sich auch: im Augenblick hat das keinen faktischen Nutzen, denn die BerufSgruppcn, die dabei in Frage kommen — in dem Vorschlag sind genannt die Angestellten und die Landarbeiter — würden die Neichsanstalt nicht stark entlasten. Viele Reformvorschläge gehen ja auch darauf hinaus, daß es nicht nur darauf ankomme, die Reichsanstalt finanziell gesunden zu lassen, sondern auch dafür zu sorgen, daß durch eine vernünftige Fassung des Ge setzes die Arbeitsmoral nicht beeinträchtigt wird; also man wendet sich gegen die mißbräuchliche Ausnutzung der Arbeitslosenversicherung. Es ist nicht zu bestreiten, daß auch die Arbeitslosenversicherung nicht gegen mißbräuchliche Ausnutzung gefeit ist. (Zuruf b. d. Komm.: Was ist Mißbrauch?) Mißbrauch der Arbeitslosenversicherung liegt wie ber jeder anderen Versicherung vor, wenn ein Mensch Unterstützung be kommt, der dazu nicht berechtigt ist. Mißbräuchliche Ausnutzung des ArbeitSlosenversichcrungsgesetzes ist z. B, wenn ein Landwirt seinen Sohn einem anderen Landwirt gibt; damit dort ein Scheinarbeitsverhältnis besteht, auf Grund dessen im Winter der Sohn Arbeits losenunterstützung bekommt. (Sehr richtig, b. d. Soz.) Es ist notwendig, daß Vorkehrungen gegen solche Miß bräuche geschaffen werden, und zwar erscheint dem Ausschuß das, was der Reichstag oder wenigstens einige Parteien des Reichstags und die Neichsregierung wollen, nicht gangbar zu sein, daß man die Reform des Arbeitslosenversicherungsgefetzes mit der Sanierung der Reichsanstalt verbindet, der Ausschuß ist vielmehr der Meinung, daß auf diesem Gebiete sofort etwa- geschehen muß. Der Antrag Nr. 8 behandelt die Krisenfürsorge, die von meinem Vorredner gar nicht gestreift worden ist. Die jetzige Regelung der Krisenfürsorge läuft am 29. Juni d. I. ab. Bis jetzt hat die ReichSregierung noch nicht viel zur Neuregelung getan. Der Ber- waltungsrat der Reichsanstatt, der zu dieser Frage ge hört werden muß, ist erst für den 28. Juni einberufen worden, also einen Tag vor Ablauf der Krifensürsorge- verordnung. Da nun der Ablauf der Krisenverord- nuna besonders für die Gemeinden einfach untragbar ist, hat der Ausschuß geglaubt, auch deshalb eine ernste Mahnung an die ReichSregierung richten zu müssen: