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Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat vraube in Dresden. 8MMIU M AW« ZtmtzeitW Nr. 2. zu Nr. 140 de» Hauptblattes. 1929. Landtagsverhandlungen. 2. Hitzung. Dienstag, den 18. Juni 1S2S. Präsident Weckel eröffnet die Sitzung 13 Uhr 20 Min. Am Regierungstisch Regierungsvertreter. Präsident: Die Sitzung ist eröffnet. Zu Punkt 1 der Tagesordnung: Wahl des Ministerpräsidenten hat ums Wort gebeten Herr Abg. Renner. (Bravo-Rufe auf der Tribüne.) — Ich bitte die Tribüncnbesucher, jede Beifallskundgebung zu unterlassen, sonst muß ich die Tribünen räumen lassen. (Zurufe auf der Tribüne u. a.: Weckel ist erledigt!) Abg. Renner (Komm.): Wir haben schon in der vorigen Sitzung unsere Stellung zur Wahl des Land- tagspräsidenten klargelegt und haben darauf hingewiesen, unter welcher Situation der Landtag zusammentritt. Wir stellen fest, daß diese Situation gekennzeichnet ist durch die Zuspitzung der Gegensätze im imperialistischen Lager, die wachsende Krisengefahr und die Verschärfung der Klassengegensätze. Wir stellen fest, daß der Ausgang der Pariser Reparationsverhandlungen zeigt, daß die Gegensätze im imperialistischen Lager und zwischen den kapitalistischen Staaten sich keineswegs durch irgend welche Verhandlungen beseitigen lassen, sondern daß diese Gegensätze und Spannungen anwachsen und größer werden. Die jetzt in Paris erfolgte vorübergehende Verständigung zeigt keineswegs das Gegenteil von dem, was wir oben feststellten, sondern zeigt nur die Gemein samkeit der kapitalistischen Länder und ihrer Interessen gegen die proletarische Revolution und den Befreiungs- kampf der Arbeiterklasse. Die Tributverpflichtunyen, die den deutschen Kapitalisten auferlegt worden sind, sollen durch diese auf dem Wege deS kriegerischen An- griffs gegen den ersten Staat der Arbeiter und Bauern und durch Niederwerfung und gesteigerte Ausbeutung der deutschen Arbeiterschaft herausgeholt werden. Ganz deutlich ist den deutschen Unterhändlern in Paris, den Beauftragten deS deutschen Kapitals erklärt und klar gemacht worden, daß mit der Niederwerfung der Arbeiter- und Bauernrepublik der Sowjetunion und der Tributpstichtigmachung der Sowjetunion eine Er leichterung der Zahlungen der deutschen Imperialisten eintreten würde und könne. Die deutschen Kapitalisten haben zwar in Paris keine bedeutenden und direkten Erleichterungen erhalten, aber dafür die ganz deutliche Aufforderung zur Einreihung in die kapitalistische Front gegendie Sowjetunion. Siehaben die Erklärungbekommen, daß sie sich durch die Einreihung und die Einleitung kriegerischer Verwicklungen solche Erleichterungen zu verschaffen vermögen. ES muß dabei festgestellt werden, daß die deutschen Imperialisten diese Aufforderung der Imperialisten in Paris sehr freudig und willig entgegen genommen haben, und die unter sozialdemokratischer Leitung stehende Hermann-Müller-Regierung hat ja schon durch ihre Protestnote an die Sowjetunion an läßlich der Mai-Demonstration der Moskauer Arbeiter gezeigt, daß sie gewillt und bereit ist, führend sowohl als auch provozierend bei kriegerischen Angriffen gegen die Sowjetunion und bei Kriegstreibereien mitzuwirken. Nm die Kriegstreibereien vor der Arbeiterschaft zu ver schleiern, haben die Bürgerlichen und Sozialdemokraten jetzt im Reichstage die Besprechungen der Pariser Reparationsverhandlungen verhindert. Die Kommu- nistische Partei lenkt die Aufmerksamkeit der gesamten Arbeiterschaft auf diese Kriegsgefahren und insbesondere auf die Rolle, die dabei die Sozialdemokratische Partei spielt. (Sehr gut! b. d. Komm.) Die Kommunistische Partei erklärt den Arbeitern, daß erst der Eintritt der Sozialdemokraten in die Koalitionsregierung im Reiche die Möglichkeit gegeben hat, den Panzerkreuzer zu bauen, die Möglichkeit der Aufrüstung der Reichswehr gegeben hat und die Fortsetzung der aggressivsten Rüstungspolitik ermöglicht. Erst der Eintritt der Sozial- demokraten in die Reichsregierung schuf die führende Rolle der deutschen kapitalistischen Reichsregierung bei der Durchführung eines imperialistischen Kriegspro- grammS und die Einreihung der deutschen Arbeiter in diese Front. Während außenpolitisch die deutschen Imperialisten sich zur aktiven Beteiligung an einem neuen Kriege in der Front gegen die Sowjetunion rüsten, gehen sie im Lande dazu über, die brutalsten Unterdrückungsmaß- nahmen gegen die deutsche Arbeiterschaft anzuwenden und die brutalsten Ausbeutungsmethooen durchzuführen. Die Rationalisierung der Betriebe wird im gesteigerten Maße fortgesetzt. Die Ausbeutung der Arbeiter wird immer mehr gesteigert. Durch den systematischen Wider- stand der Unternehmer gegen jede Lohnerhöhung soll und wird die Lebenslage der Arbeiter ständig weiter verschlechtert. Die Schlichtungspolitik, die hierbei ins besondere von den sozialdemokratischen Ministern durch- gesührt wird, hilft ebenfalls dazu, eine Verschlechterung des Lebensniveaus der gesamten Arbeiterklasse herbei zuführen. Eine neue Welle von Massensteuern und Wucher zöllen ist jetzt in Vorbereitung, während damit ein Ab- bau der Sozialversicherung und der Erwerbslosen- Versicherung Hand in Hand geht. Der Krieg gegen die Sowjetunion, eine gesteigerte Ausbeutung, Lohndruck, Steuerdruck, brutale Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiterschaft, da- sind die Mittel, mit denen die feststellen, daß, während man Demonstrationen der Nationalsozialisten nicht nur erlaubt, sondern auch fördert, während die Nationalsozialisten und Stahlhelmleute zum Stahlhelmtaa in München aufmarschieren konnten, man die Demonstrationen des revolutionären Prole tariats verbietet. (Sehr wahr l b. d. Komm.) Auf dem Magdeburger Parteitag hat die Sozial demokratische Partei ihre Linie festgelegt; dort hat der Parteivorsitzende erklärt, daß die SPD. bereit sei und sich anschicke, ein Regiment der Diktatur einzuleiten und durchzuführen, und der Parteitag hat voll und ganz die Politik der sozialdemokratischen Minister be stätigt und gebilligt, und die linken Sozialdemokraten haben sich wie immer auf jedem Parteitag auch auf dem Magdeburger Parteitag vollständig dieser Politik der Reichsminister unterworfen, ja sie haben sogar noch mehr getan: sie fördern diese Politik durch ihr Auftreten, denn die Seydewitz, Levi und Genossen stellen sich keineswegs grundsätzlich in Widerspruch zum Parteivorstand und seiner Politik, sondern geben ihm nur Ratschläge und machen Vorschläge, wie man diese Politik nur besser durchführen könne. Alle sozial demokratischen Zeitungen in Sachsen, voran die „Dresdner Volkszeitung" haben den sozial-faschistischen Kurs von Magdeburg begrüßt und popularisiert; sie haben dabei gezeigt, daß ihre Scheinopposition nur den einen Zweck hat, die konterrevolutionäre Politik der SPD. zu verschleiern, die Mafien der Arbeiter an die SPD. zu ketten und den Sozialfaschisten zuzu- treiben. Man muß heute schon feststellen, daß die Politik von Hermann Müller, die Politik von Grzesinsli und die Politik von Zörgiebel den Kurs der sächsischen Heldt-Regierung um einige Nasenlängen übertrumpft hat. In Preußen hat man das Konkordat abgeschlossen, in Preußen, in Berlin bekämpft man die Erste Mai- Demonstration; und da muß man schon sagen, daß dort der Kurs noch ein klein wenig schneller betrieben wird als der, weswegen die sächsischen Sozialdemo kraten ihre 23 Renegaten, Arbeiterverräter, Parteiver räter, aus ihrer Partei herausgeschmissen haben. (Zu rufe b. d. Soz.) Ich habe jetzt im Jargon Liebmann- Edel gesprochen, nicht in dem, den ich sonst angewendet habe. Wir haben da» getan, weil man die Tatsache der sozialdemokratischen Politik und das Doppelspiel der Herren Liebmann und Edel ein klein wenig mehr unterstreichen muß. Während des Wahlkampfes haben die Sozialdemokraten, und zwar die linken Sozial demokraten, die wüsteste Kommunistenhetze betrieben' nach der blutigen Niederwerfung (Lachen b. d. Soz.) der Berliner Arbeiter durch den Sozialdemokraten Zörgiebel haben sie gemeinsam mit den Bürgerlichen die wüsteste Bluthetze gegen die Kommunisten betrieben. (Zurufe b. d Soz.) Zum Kampf gegen die Einheits front, zum Kampf gegen die revolutionäre Arbeiter schaft haben sie während deS Wahlkampfes eine ganz positive Einheitsfront des gesamten Bürgerblvl s und der linken Sozialdemokraten betrieben. (Lachen b. d. Soz.) In der Schreibweise über die Maivorgänge hat sich die „Dresdner Volkszeitung" aber auch nicht um einen einzigen Buchstaben vom „Dresdner Anzeiger" unter schieden. Wenn die sächsischen Sozialdemokraten jetzt einen Ministerpräsidenten Vorschlägen und ein sogenanntes Regierungsprogrammaufstellen, so ist daS nichts anderes als ein neues Manöver zur Irreführung der Wähler schaft, während sie in Wirklichkeit auch in Sachsen eine Koalitionsregierung anstreben. Sie haben doch schon vor 3 Jahren ein solches Regierungsprogramm auf gestellt und sie wissen selbst ganz genau, daß sie auf parlamentarischem Wege nicht einmal die schüchternsten Forderungen ihres Programms durchführen können. Außerparlamentarisch aber führen sie nicht nur keinen Kampf um die elementarsten Forderungen der Arbeiter, sondern hindern sogar noch die revolutionäre Arbeiter schaft an jeder Kampfhandlung. Durch die Annahme von Vereinbarungen und Schiedssprüchen zu den elendesten Bedingungen liefern die Gewerkschaftsführer die Arbeiter auf Jahre hinaus der brutalsten Ausbeutung der Unternehmer, dem Hunger und dem Elend aus. Durch die Schlichtung-praxi- deS sozialdemokratischen Arbeitsministers Wissell werden die Arbeiter an das Trnstkapital verkauft und die elementarsten Forderungen der Arbeiter verraten. Gegen die Beseitigung der Erwerbsloscnunterstützung haben sie faktisch nicht nur nichts unternommen, sondern sie leisten bei diesem Abbau aktive Hilfe, sie traten und treten noch ein für die schandbare Staffelung der Unterstützungslätze; sie treten jetzt ein für die Erhöhung der Versicherungsbeiträge und laden damit die Kosten des kapitalistischen Zusammen bruchs auf die Arbeiter ab, während sie gleichzeitig die Kapitalisten entlasten. Aber auch parlamentarisch denken sie nicht daran, etwas für die aufgestellten Forderungen zu unternehmen; haben sie doch im vorigen Landtag gegen alle Forderungen zur Verbesserung des Arbeiterschutzes und der Sozialfürsorge und alle Forderungen der Erwerbslosen mit den Bürgerlichen gemeinsam gestimmt, haben sie niedergcstimmt und damit gezeigt, daß sie eine Einheitsfront mit dem Heldt-Bürgerblock hatten. Wenn diese Sozial demokraten in der Regierung sitzen werden, dann werden sie nach dem Vorbild der Hermann Müller und Zörgiebel die Politik der Heldt-Regierung nur noch brutaler, sortsetzen. (Sehr wahr! b. d. Komm.) , DaS ist unsere Auffassung von der Tätigkeit der Sozialdemo kraten in der Regierung. deutschen Kapitalisten ihre Herrschaft befestigen wollen und ihre Herrschaft auszubauen gedenken. (Sehr wahr! >. d. Komm) Diese Mittel bringen sie in vollstem Um- ange in Anwendung und die Masse der Arbeiterschaft inkt dabei immer tiefer in Elend und Not, sinkt dabei mmer weiter herab, und der große Teil der Arbeiter- chait erliegt den Erkrankungen, und insbesondere die Kinder des Proletariats leiden katastrophal unter dieser Lage in Deutschland. Auch die Masse der arbeitenden Beamten und Handwerker wird in immer gewaltigerem Maße proletansiert. Die industrielle Reservearmee, das Heer der Erwerbslosen wächst ständig an. Die Wohnungsnot und auch die Krankheiten im Prole tariat steigen. Wir haben schon während des Wahlkampfes die deutsche Arbeiterschaft darauf hinaewiesen, daß diese Situation durch keine, ganz gleich, wie geartete Zu sammensetzung eines bürgerlichen Parlaments geändert wird. (Sehr richtig! b. d. Komm.) Wir haben schon während des Wahlkampfes immer und immer wieder betont, wie wir das früher schon festgestellt haben, daß der bürgerliche Parlamentarismus nur die Maske zur Verschleierung der großkapitalistischen Diktatur bestellt, die von den Trustkapitalisten dann beiseite geworfen wird, wenn sie die Zeit zur offenen Diktatur für ge kommen erachten. Die Kommunistische Partei hat auch während des Wahlkampfes den Massen mit aller Klar heit gezeigt, daß eine aus einem bürgerlichen Parlament hervorgegangene Regierung, auch wenn diese in der Form einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung auftreten würde (Sehr gut! b. d. Komm.), nichts an deres sein könnte als eine Vertretung des Trustkapitals. Die Kommunistische Partei hat dabei insbesondere auf die Erfahrungen hingewlesen, die die deutsche Arbeiter schaft mit einem Jahre Koalitionspolitik im Reiche gemacht hat. Die deutsche Bourgeoisie schickt sich jetzt an, ihre Diktatur mit Hilfe der Sozialdemokraten durchzuführen. (Sehr war! b. d. Komm.) Die Sozialdemokraten haben die Maßnahmen der Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiter geleitet. Ter sozialdemokratische Arbeits minister Wissell verhängt jetzt Schiedssprüche, die für die Arbeiterschaft schlechter sind (Sehr wahr! b. d. Komm.) als die Schiedssprüche, die der Zentrumsminister Brauns früher verhängt hat. Die sozialdemokratischen Gewerk schaftsführer gehen dazu über, die Gewerkschaften zu spalten, um die oppositionellen Arbeiter herauszu schmeißen (Abg. Geiser: Das glauben Sie doch alles selbst nicht!), und zwar zu dem einzigen Zwecke, um die Politik im Interesse des Trustkapitals durchführen zu können. Das zeigt sich in Berlin, das zeigt sich auch bei den sächsischen Gewerkschaftsführern. Am 3. Juni haben die Sozialdemokraten in Einheits front mit den Bürgerlichen im Ausschuß des Reichstages den kommunistischen Antrag auf Kinderspeisungen ab gelehnt (Sehr wahr! b. d. Komm.) und sich gleichzeitig bereit erklärt, Wucherzöllen zuzustimmen. Der sozial- demokratische Finanzminister Hilferding führt jetzt über den Weg einer Reichsanleihe die Steuerfreiheit der Großbesitzer herbei, während er gleichzeitig neue Massenbelastungen, den Abbau der Erwerbslosenfürsorge sowie dieErhöhungderErwerbSlosenversicherungsbeiträge durchzuführen bereit ist. Daß dabei ein solcher Ban kerott der Finanzpolitik des Herrn Hilferding heraus kommen würde, hat er sich bei der Einleitung seiner Maßnahmen nicht vorgestellt, was ihn aber wahrschein lich nicht hindern wird, diese Maßnahmen zur weiteren Belastung der werktätigen Bevölkerung und zur Ent- lastung des Kapitals in gesteigertem und weitergehendem Umfange fortzuführen. (Sehr wahr! b. d. Komm ) DaS wird im Gegenteil für ihn Anlaß sein, eine solche Politik verschärft durchzuführen. Am Beginn einer solchen neuen Rationalisierungswelle und angesichts des bevorstehenden neuen imperialistischen Krieges sollen durch diese Methoden die Arbeiter mürbe gemacht und von jedem Kampfe in ihrem Interesse abyeschreckt werden. Diesem Zwecke dient auch der sozial-faschistische Terror, der sich in Unterdrückung der Arbeiter, im Verbot des Roten Frontkämpferbundes, der kommu- nistischen Zeitungen und jeder revolutionären Aktion des Proletariats gezeigt hat. Ihren bis jetzt brutalsten Ausdruck hat diese sozial-faschistische Diktatur ohne Zweifel in den blutigen Maitagen in Berlin gefunden, wo der sozialdemokratische Polizeipräsident Zör giebel die Schuld an 40 Todesopfern aus den Reihen des Proletariats trägt. (Sehr richtig! b. d. Komm.) Im ganzen Reiche haben Demonstrationen stattgefunden, an keiner Stelle war ein Demonstrations verbot und nirgends ist es auch nur zu den geringsten Zusammenstößen gekommen. (Sehr wahr I b. d. Komm.) Nur in Berlin: als die Arbeiter dort ihr seit 40 Jahren erkämpftes Recht auf die Maidemonstration sich nicht haben rauben lassen, hat dieser sozialdemokratische Polizeipräsident unter den Arbeitern das Massaker anrichten lassen. Man muß schon feststellen, daß ein Sozialdemokrat schuld ist an dem Schlachten vom 1. Mai in Berlin, und man muß auch weiter feststellen, daß ein Sozialdemokrat das gemacht hat, was Keudell nicht fertig brachte, nämlich das Verbot des Roten Frontkämpferbundes: Man muß aber weiter feststellen, welche Folge eine solche Politik für die Arbeiterschaft hat, man muß feststellen, daß ein solcher Sozialfaschismus zur Stär kung deS reinen Faschismus der Nationalsozialisten und StahlhelmbewegunH führt, ma« mutz dabei besonders