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Sächsische Staatszeitung : 23.02.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-192902233
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19290223
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19290223
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-02
- Tag 1929-02-23
-
Monat
1929-02
-
Jahr
1929
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 23.02.1929
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Die VenrfSorganisatsonen, namentlich die »er kauf- »ä»n1sch«n Angestellten, habe« Bemühungen der ver schiedenste» Art eingeleitet, um hier Hilfe zu vermitteln. Ern Verband hat sich v. für etwa 100 stellenlose Kaufleute bemüht, indem er sich an 808 bedeutendere Firmen in Mitteldeutschland, verteilt auf viele Orte des mitteldeutschen Industriegebiet», schriftlich wendete. Er nahm eine groß« Anzahl Arbeitgeberverbände dabei zu Hilfe, die er ebenfalls bat, den Dingen ihr Interesse zuzuwenden, und ersuchte, bei Bedarf auf diese ihre Arbeitskraft anbietenden älteren kaufmännischen Ange stellten zurückzukommen. Nach Verlauf von längerer Zeit mußte diese Organisation bekennen, daß sie in keinem einzigen Falle den bündigen Nachweis hat führen können, daß die ganzen Bemühungen auch nur irgend einen praktischen Erfolg gezeitigt haben. Wie in anderen Fällen, wo sich Not in besonderem Maße und besonderer Art zeigt, so stellt sich auch hier eine Einrichtung vor, die vorglbt, eine Notgemeinfchaft der älteren Angestellten und sonstiger Bedrängten zu sein. ES möchte vor dieser Einrichtung geradezu gewarnt werden. Die Aufgabe, die stellenlosen älteren Ange stellten zu betreuen, kann nur den alten bewährten Standesorganisationen zufallen. Die Ursache dieses ganzen Elends liegt darin, daß sich im gesamten Arbeit-- und Wirtschaftsleben sehr viel verschoben hat. Einmal werden gegenwärtig in Deutsch land einige Millionen Erwerbstätige mehr beschäftigt als in der Vorkriegszeit. Es ist ferner zu beobachten, daß die Zahl der weiblichen Kräfte, namentlich im kaufmännischen Berufsstande, im Steigen begriffen ist. Dann die völlige Umgestaltung der kaufmänntfchen Bureautechnik; die Technisierung deS Buchhaltungs- wefeuS und anderer Arbeitsvorgänge ist ja hinreichend bekannt. Ferner tritt hinzu eine als schwere Unge rechtigkeit empfundene Tatsache, die viel Erbitterung mter den stellenlosen älteren Angestellten auszulöfen scheint, da- ist die Tatsache, daß es viele sogenannte Doppelverdiener gibt. Es kann keine Rede davon sein, daß die Wirtschaft heute älterer, erfahrener Kräfte entraten könnte. Der GehaltSuuterschied wird sicherlich oft mehr als aus gewogen. Ältere Angestellte zeichnen sich tn der Regel ourch Umsicht, durch Überblick und durch einen Vorrat an Kenntnissen aller Art aus. Trotzdem werden heute in der Hauptsache jugendliche Kräfte angeforvert. Man möchte fast glauben, die Arbeitgeber hätte eine gewisse Psychose befallen. Sie wollen alle jugendliche Kräfte. lAbg. Geiser: Sie wollen alle billige Kräfte!), die in den meisten Fällen die Bedingungen gar nicht erfüllen können, die an sie gestellt werden. Auch amtliche Mit teilungen, wie z. B. der Reichsarbeitsmarktanzetgcr, weisen auf dieselben Erscheinungen hin. Es bestehe, wird dort gesagt, sogar gelegentlich Mangel an solchen jugendlichen Arbeitskräften, wie sie hier gefordert werden, während die alten beiseite stehen und unter keinen Um ständen Berücksichtigung erfahren. Ich kenne den Einwand der zu hohen Tarifgchälter und der nicht antastbaren Tariftcchnik. Da in zu sagen, daß sich der Durchschnitt der Angestelltengehälter doch nur unwesentlich von dem guter Facharbeiter oder Durchschnittsarbeiter unterscheidet. Ich habe eine An zahl solcher jetzt geltenden Gehaltssätze für die An gestellten Dresdens und Ostsachsens auf den Tisch des Hauses niedergelegt. Daraus ist zu eikennen, daß namentlich für jugendliche Angestellte die Gehälter zum Teil noch unter dein Einkommen etwa der gewerblichen Arbeiter zu liegen scheinen. (Abg. Geiser: Das ist ganz allgemein so, die werden noch viel mehr ausgebeutet!) Daß unter dieser Entwicklung bei Eltern und Berufs anwärtern sich Abneigung gegen den Kaufmannsberuf einstellt, wird verständlich. Es tritt der alte Ubelstand noch hinzu, daß für die kaufmännische Lehrlingsausbil dung nicht die straffen und richtigen Bestimmungen bestehen, wie sie etwa für die Ausbildung der Gewerbe lehrlinge in Deutschland gelten. Wenn jemand im Be sitze der bürgerlichen Ehrenrechte ist, dann genügt das eigentlich, um das Recht für sich in Anspruch zu nehmen, Kaufmannslehrlingc auszubilden. Es ist da ein Nach wuchs gezüchtet worden, und die Ausbildung von Lehr lingen m eiuem Ausmaße betrieben worden, das dem Bedürfnissen heute nicht entspricht, das viel zu weit geht, und so stehen wir heute vor Verhältnissen, die geradezu unerträglich sind. Die Reichsregierung hat auf einen Beschluß des sozialpolitischen Ausschusses dem Reichstage am 20. De zember 1927 eine Denkschrift über die Lage der älteren Angestellten unterbreitet. Nach dieser Denkschrift ver- spricht sich die Retchsregierung von dem, was jetzt im allgemeinen begehrt wird, nämlich einen Einstellung-- zwang für ältere Angestellte einzurichten, nicht gerade viel. Freilich verhehlt sich auch die Denkschrift nicht, daß ein Stadium kommen kann, wo dieser Gedanke ernstlich wird erörtert werden müssen. Die Organisationen selbst fordern gegenwärtig wohl lückenlos den gesetz lichen Beschäftigungszwang (Sehr richtig l links.) und ver- sprechen sich von dieser Einrichtung wirkliche und wesent liche Abhilfe. (Abg. Siegnoth: Das einzige Mittel!) Gleichzeitig wild von einigen dieser Verbände ge fordert, die Grenze für den Bezug deS AlterSruhe- geldes aus der Angestelltenversicherung von 65 auf 60 Jahre herabzufetzen. ES will scheinen, al- wäre diese- Mittel wirklich geeignet, schnell und wirksam sich au-zuwirken. Ob freilich die zu erwartende Alters rente aus der Angestelltenversicherung in allen Fällen hinreichen wird, um den Lebensunterhalt zu sichern, da- bezweifeln wir. Aber ich möchte glauben, wenn in diesen Fällen sonst auch aus öffentlichen Kassen, etwa aus der ErwerbSlofenfürforge noch Gelder zu- geschossen würden, damit Arbeitsplätze von über 60 Jahre alten Angestellten freigemacht werden, so wäre das ein günstiger Fortschritt. Diese Angelegen- heit verdient alle Aufmerksamkeit und gewissenhafteste Untersuchung. Die amtliche Denkschrift des Reichs- arbeitsministerium-, die ich vorhin erwähnte, führt eine Menge Bedenken gegen den Einstellungszwang an. Ich mache mir diese Gesichtspunkte nicht alle zu eigen, aber ein Allheilmittel ist auch der Einstellungszwang nicht. Es handelt sich hier um ein Berussschicksal, dessen Tragik uns dazu verpflichtet, alle Maßnahmen rur Linderung der Notlage der Betroffenen zu er- gnUen. Es kann nach unserem «utraae feder Arbeit- geber, der gewerbesteue,pflichtig ist, sich freiwillig ent- scheiden, die angebotene Vergünstigung zu genießen, wenn er einzelne ältere Angestellte beschäftigt. Die Regierung Hot auf den zweiten Absatz unseres Anträge- Nr. 1043 inzwischen eine schriftliche Bescheidung ge geben; sie macht darauf aufmerksam, daß die gegen wärtigen Bestimmungen des sächsischen Gewerbesteuer- gesetzes eine solche Regelung nicht zulassen. Wir möchten glauben, daß eS richtig ist, wenn dieser An trag dem Haushaltausschutz überwiesen wird, damit dort mit der Regierung gemeinsam untersucht werden kann, in welchem Ausmaß und in welcher Weife etwa für das neue ReichSrahmengefetz die in unserem Antrag zum Au-druck gebrachten Gedanken im Interesse der stellenlosen älteren Angestellten Berücksichtigung finden könnten. (Bravo! rechts ) Abg. Siegnoth (Soz.): Was Herr Kollege Voigt soeben über die Rot der älteren Angestellten gesagt hat, ist vollständig richtig. ES handelt sich hier um eine kleine Gruppe, die nicht in der Lage ist, ihre Not demonstrativ zum Au-druck zu bringen, tue Not deshalb nicht in die Öffentlichkeit tritt. Ich könnte aber ans dem Material, da- auch ich im Besitze habe, noch stundenlang die Aus führungen des Herrn Kollegen Voigt ergänzen, um zu be weisen, wie groß die Not ist. Es gibt Menschen unter diesen Angestellten, die jahrelang in leitender Stellung gestanden haben, die arbeitslos geworden sind und die uun schon 5, 6 oder 8 Jahre, wie ich sie persönlich kenne, von einer AuShilfSstellung zur Arbeitslosigkeit und von der Arbeitslosigkeit wieder in eine neue AuShilfSstellung gehen. Das ist das Los dieser Angestellten. Sie Haven ihre Wohnung vermietet, sie leben mit ihrer Familie in der Küche, und die Möbel wandern langsam zum Altwarenhändler, damit sie wenigsten- einigermaßen ihr Leben fristen können. Wenn man die amtlichen Statistiken verfolgt, so geht heute der ältere Angestellte schon bei 30 Jahren los. Die ganze Sache ist nur eine Lohnfrage, darüber müssen wir uns im klaren sein; weil in den Lohntarifen der ältere Angestellte einen höheren Lohn zn beanspruchen hat, wird er entlassen, ganz gleich, ob er der Wirtschaft 20 Jahre und länger gedient hat, und an feine Stelle wird der jüngere Mensch gestellt, der eben nach dem Tarifvertrag euren geringeren Lohn bekommt. Ich bin der Meinung, daß dieser Vorstoß, den die Deutsche Volkspartei mit diesem Anträge gemacht hat, zu gering, zu gelinde ist, und daß er überhaupt keine Wirkung haben wird. Es sind in der zurückliegenden Zeit schon stärkere Vorstöße unternommen worden. Mit Recht hat Herr Kollege Voigt schon darauf hingewiesen, daß sich die Angestelllenorganisationen, ganz gleich, ob freie Gewerkschaften oder Hirsch-Dunckersche Oiewerk schaften, zusammengesetzt haben, daß sie 1926 schon im Reichstage einen Vorstoß unternommen haben, daß der Reichstag sogar einen Unterausschuß ein gesetzt hat, der das ganze Material behandelt und beraten, konkrete Anträge gestellt und sogar schon Gesetzentwürfe auSgearbeitet hat. Die brauchten also nur inl Reichstage verabschiedet zn werden, und die Not der älteren Angestellten wäre nach meinem Dafürhalten behoben, denn die Arbeitsämter hätten, wenn diese Ge setzentwürfe Gesetz geworden wären, die Möglichkeit, die Leute eben zu vermitteln. Mir ist bekannt, daß Arbeits ämter extra zu diesem Zweck ganz bestimmte Personen eingestellt haben, also gerissene Menschen, Reisende, die auf dem Wege des Außendienstes die Arbeitgeber be arbeitet haben und ihnen im gewissen Sinne einen arbeitslosen Angestellten aufgeschwätzt haben. Der Er folg ist am Jahresschlüsse gleich Null gewesen. Ter Herr Kollege Voigt hat uns das Beispiel von: Dentsch- nationalen Handlungsgehilfenverband hier vorgetragen, der nach meinem Dafürhalten immer noch mit den Arbeitgebern, wenigstens in freundschaftlicher Beziehung, die meiste Verbindung hat. Was hat er in Mittel deutschland erreicht? Nichts. (Lebhaftes Hört, hört! links.) Wenn es dieser Organisation nicht gelungen ist, etwas zu erreichen, wie soll es da den freien Gewerk schaften möglich sein, vielleicht auf demselben Wege etwas zu erreichen, wo sich diese Organisationen doch immerhin mit dem Unternehmertum in einen! gewissen Kampfe befinden. Es bleibt also tatsächlich nur das eine Mittel übrig, zu dem sich sämtliche Angestclltenorganisationen durch gerungen haben, der Einstellungszwang. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Es sind eine ganze Reihe Mittel damals von den Angestelltenoraanisationen vorgeschlagen worden: die Meldepflicht, da-'Verbot der Chiffreanzeige oder zunk mindesten eine Bestimmung, daß der Unter nehmer, wenn er den Angestellten nicht einstellt, ihm seine Bewerbungspapiere wieder zurückschickt. Alle diese Dinge sind aber nicht durchgeführt worden. Durchgeführt worden ist vom Reichstage lediglich ein gewisser Kündigungsschutz, der aber bei der akuten Notlage der Angestellten wirkungslos wird. Die Sozial demokratische Fraktion hat schon im Jahre 1927 hier im sächsischen Landtag einen Antrag eingebracht, der sich mit dieser Materie befaßt hat. Der Landtag hat damals unserem Anträge zugestimmt. Der Antrag lautet: 1. Eine Verordnung zu erlassen, welche bestimmt, daß die staatlichen Betriebe und Behördenstellen verpflichtet sind, einen bestimmten Prozentsatz älterer arbeitsloser Arbeiter und Angestellten einzustellen. 2. Bei der ReichSregierung dahin zu wirken, daß ' baldigst entsprechend dem Art. 163 der Reich-- verfaffung etn Gesetz zum Schutze der älteren Arbeiter und Angestellten geschaffen wird, welches nicht nur gewisse KündigungSveichränkungen, son dern auch die Verpflichtungen zur Einstellung enthält. Wir sind damals im Jahre 1927 also schon genau zu demselben Resultat gekommen wie heute. Helfen kann nur der BeschäftigungSzwang. Diese Schutzmaßnahme besteht eben darin, daß die Arbeitgeber und die Behörden verpflichtet werden» wenn sie eine bestimmte Anzahl von Personen beschäftigen, auch einen in Not geratenen älteren Angestellten mit zu beschäf tigen. ES wäre nur notwendig, auf 1000 Be ¬ schäftigte einen älteren Angestellten zu beschäftigen. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Mit einem Schlage wäre bann all dle Not unb all da- Elend und all die Serag beseitigt, und all di« Tränen, die jetzt vergossen werden, wären behoben. Man kan« nicht kommen und sagen, daß die Wirtschaft und die Behörden da- etwa nicht tragen könnten. Wir fragen heute die Regierung zunächst einmal, wa» sie auf unseren Antrag Drucksache Nr. 236 hin, der im Dezember 1927 angenommen worden ist, getan hat. Wenn die Regierung in dieser langen Zeit den Versuch unternommen hätte, festzustellen, wo in Sachsen es möglich ist, bet den Behörden noch einen älteren Angestellten zu beschäftigen, dann, glaube ich, dürften wir in Sachsen stellenlose ältere Angestellte nicht mehr haben. Ich habe auch nichts davon erfahren, daß die Behörden angewiesen worden sind, die Arbeitsämter zu benutzen. Aber wir erfahren tagtäglich in unserer Praxis, daß da- Umgekehrte der Fall ist, daß es Be hörden in Sachsen gibt, die sich gar nicht daran kehren, ob es ein Arbeitsamt gibt oder nicht. Die Polizei verwaltung in Chemnitz z. B. hat sechs oder acht Per sonen eingestellt, von denen sie einige aus anderen Arbeit-Verhältnissen herausgenommen hat. (Hört, hört! b. d. Soz.) Als das Arbeitsamt bei dem Chemnitzer Polizeipräsidenten Rückfrage hielt, mußte ihm das der Polizeipräsident bestätigen. Und warum aber sind diese Leute eingestellt wordeu? Weil es sehr gute Fuß ballspieler waren. (Lebhaftes Hört, hört! und Lachen links.) In Chemnitz besteht nämlich bei der Polizei ein Polizeisportverein,und der brauchte tüchtigeFußballspieler, damit er mit den übrigen Fußballorganisationen den Wettkampf bestehen konnte. (Lebhaftes Hört, hört! links.) Damit er das konnte, sind aus Glauchau und auch aus Chemnitz solche Fußballspieler, die weder Polizisten noch Verwaltungsbeamte sind, aus dem Arbeitsverhältnis herausgenommen und bei der Polizei ««gestellt worden, und die älteren arbeitslosen Angestellten hatten wieder einmal das Nachsehen. Man hat unS nun zwar ver sprochen, daß das nicht mehr vorkommen soll, ob es aber so ist, weiß ich nicht. Schon aus diesem Grunde aber hätten wir die Regiernng zu fragen, was sie zu tun gedenkt, daß solche Dinge verhindert werden. Wie groß der Pessimismus in dieser Frage schon ist, sehen wir daran, daß einer der größten Vorkämpfer dafür, daß für die älteren Angestellten endlich etwas geschaffen wird, der Oberregierungsrat Benda, der bei der Reichsanstaltshauptstelle in Berlin beschäftigt ist, nnd der, wenn man seine Artikel von vor 2 und 3 Jahren liest, darin noch immer die Hoffnung aussprach, daß es gelingen müsse, diesen kleinen Kreis von Menschen irgendwie unterzubringen, im Anfang dieses Jahres schon so sehr Pessimist geworden ist, daß er selbst nicht mehr daran glaubt, daß die Wirtschaft in Deutschland irgendwie einen Finger rühren wird, um diese An gestellten unterzubringen. Und das ist der Vertreter einer Reichsstelle, nämlich der Reichsanstalt für Arbeits vermittlung, und Arbeitslosenversicherung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, diese älteren Angestellten in irgendeiner Form unterzubringen. Darum sage ich: Wenn schon an dieser Stelle so ein grenzenloser Pessimismus vorhanden ist, kann man nicht mit solch kleinlichen Palliativmittelchcn kommen, wie sic uns heute die Deutsche Bolkspartei vorgetragen hat. Wir sind aber bereit, im Ausschüsse mitzuarbeiten, um brauchbare Wege und Vorschläge zu finden. (Bravo! b. d. Soz.) Abg. Hentschel (Wirtsch ): Der Gegenstand, der hier verhandelt wird, ist ein sehr ernster Gegenstand. Er ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet. Die Arbeits losigkeit der älteren Angestellten ist geradezu eine chro nische Erscheinung, die von Konjunkturschwankungen nur in wenigen Momenten beeinflußt wird. Zum anderen ist die Arbeitslosigkeit dieser älteren Angestellten dadurch gekennzeichnet, daß die Arbeitslosigkeit diese Leute zu der Zeit trifft, wo an den Hau-Halt, an die Unter- haltungspflichtcn und Kosten größere Anforderungen gestellt werden, zu der Zeit, wo die Kinder aus der Schule kommen und nun eine besondere Bildung be kommen sollen. ES muß aus diesem Grunde heraus das Schicksal der älteren Angestellten ganz besonders tragisch sein. Wir werden heute zu dem Anträge der Deutschen Bolkspartei eine kritische Stellung nicht einnehmen. Wir müssen das eine aber feststellen, daß der Grund und der Zweck deS Antrages, durch Ermäßigung der Gewerbesteuer gleichsam im Sinne der besonderen Be lohnung die Angelegenheit zu bekämpfen und zu regeln, zweifelsohne einer ernsten Erwägung im Ausschüsse bedarf, und wir sind bereit, an dieser ernsten nnd ein schneidenden Frage im Ausschuss« mitzuarbeiten. (Bravo! rechts.) Abg. Frau Mich-Beil (Dem.): Wir stimmen der Tendenz deS Antrages der Deutschen Bolkspartei rück haltlos zu. Die Not der älteren Angestellten ist seit Jahren so bekannt, daß eS sich erübrigt, hier noch aus führlich darauf einzugehen. Nur eine statistische Tat sache, auf die in der Debatte bisher noch nicht hin gewiesen worden ist, und die mir doch bedeutsam erscheint: Im September 1928 ist nach den damaligen Feststellungen bei der Beratung dieser Dinge im Reichstage mitgeteilt worden, daß jeder Krisenunterstützungsempfänger ein Angestellter ist, während sonst nur jeder siebente Arbeits lose ein Angestellter ist. Ans dieser Tatsache geht ganz klar hervor, wie ungeheuer groß die Not bei den älteren Angestellten ist. ES ist hier wiederholt von den Verhandlungen des Reichstag- gesprochen worden, aber die allerjüngsten Verhandlungen sind leider nicht erwähnt worden. ES hat am 5. Februar d. I. im Reichstag in einer Voll sitzung eine lange Debatte stattgefunden, in der die Frage der Arbeitslosigkeit Gegenstand der Tagesordnung war. Da hat gerade der Vorsitzende des Gewerkschafts bundes der Angestellten, der demokratische Abg. Schneider, ausführlich zu diesen Dingen Stellung genommen, und er hat mit Recht darauf hingewiesen, daß ja doch letzten Ende-, und da- muß vielleicht in diesem Zusammen hang« auch ausgesprochen werden, die ganze Lage unserer deutschen ReparationSlast mit eine Ursache ist für die Zustände, wie wir sie haben, und e- ist damals bei dieser Aussprache von allen Parteien zugegeben worden, die Leidtragenden an all dem, was heute wieder in Pari verhandelt wird, werdenletztenEndeS die Arbeitslosen sein.
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