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kise in der Justiz- Die haben wir, weil die Justiz einseitig eingestellt ist, nicht so unabhängig ist, wie es aewünscht werden müßte. Daß Herr Abg. Siegert den Recht-standpunkt in dieser Frage so betont, hat seine guten, nicht rechtlichen, sondern politischen Gründe. Aber auch wenn man sich auf den reinen Rechisstand- punkt beruft, kann man die Vorlage so, wie sie vor liegt, kaum billigen. Auch der Herr Kultusminister schob ja die Angelegenheit auf die sog. gesetzliche Grund lage. Er behauptete, in der Vorlage wäre der Kirche nur das zugebtlligt, was sie nach Recht und Gesetz zu beanspruchen hätte. Ja, wenn das richtig wäre, frage ich mich, wozu dann die Vorlage, wenn der Landtag einfach die Vorlage schlucken muß, wozu dann die Be ratung? So liegt die Sache trotz der ungünstigen Rechtslage, die durch die Reichsverfassung für uns ge geben ist, unserer Meinung nach keineswegs. Und wenn man die Bestimmungen im einzelnen durchgeht, so wird auch jeder aufmerksame Leser der Vorlage, insbesondere des Vertrages, den der Herr Ministerpräsident mit den beiden Kirchen geschlossen hat, darauf kommen, wo gewissermaßen die Achilles ferse dieses Vertrages enthalten ist. Man kann über den Vertrag dasMotto schreiben: Die Kirche hat einen guten Magen. Der Kirche werden ohne weiteres, weil man davon ausgeht, daß cs sich um Staatsleistungen handelt, Gelder in Form einer Rente bewilligt, auf die sie meiner Ansicht nach keineswegs einen rechtlichen Anspruch hat, auch wenn man, wie ich, durchaus auf dem Boden der Reichsverfassung steht, daß die Kirche abzulösen ist und daß, wie die Rechtsprechung festgestellt hat, die Ablösung gleich Aufhebung der Staatsleistung gegen Entschädigung bedeutet. Es ist schou vom Herrn Volksbildungsminister darauf hingewiesen worden, daß die rechtliche Verpflichtung des Staates, die ja in der Verfassung gegeben ist, auch durch den bekannten Schiedsspruch des Reichsgerichts ausgesprochen worden ist. Der Schiedsspruch des Reichs gerichts wird auch in der Vorlage an einer Stelle erwähnt, und es wird dort gesagt, daß der Staat auf Grund Gewohnheitsrechtes verpflichtet sei, Zuschüsse zur Besoldung der Geistlichen aushilfs weise insoweit zu gewähren, als eine den Zeitverhält- nissen entsprechende Besoldung in der einzelnen Ge meinde nicht aus der Pfründe oder sonstigen Stiftungs mitteln bestritten und von der Gemeinde, insbesondere auch durch Kirchensteuern, nicht aufgebraucht werden könne. Also in diesem Schiedsspruch findet sich ganz deutlich eine Beschränkung der Ablösung der bisherigen Staatsleistungen ausgesprochen, nämlich eine Be schränkung insoweit, als die Kirchensteuern dazu nicht ausreichen, die Besoldung der Pfarrer zu decken. Auf dieses Moment nimmt die Vorlage in keiner Weise Bezug, und es wird deshalb für die Beratung im Rechtsausschuß zu fordern sein, daß ganz anderes Zahlen material beigebracht wird, als es in der Vorlage ge schehen ist. Insbesondere weise ich darauf hin, wie die Verfasser der Vorlage eingestellt waren, nämlich durchaus kirchlich, das geht auch aus dem einen Posten der Rente, nämlich dem Posten von 144260 M. hervor. Dort sind ohne weiteres 50000 M. mit eingestellt, die der Kirche bisher zll dem Zwecke gewährt worden sind, daß sie alljährlich die Synode abhalten kann. Es ist deshalb auch in den früheren Etats bei diesen Posten von 50 000 M. aus drücklich bemerkt: künftig wegfallend. In dieser Vor lage wird aber die Rechtslage so dargelegt, als ob die 50 000 M. für alle Ewigkeit an die Kirche zn zahlen seien, obwohl nach der Rechtslage davon doch gar keine Rede mehr sein kann, wenn wir eben eine Trennung zwischen Staat und Kirche haben, und diese Trennung ist doch jetzt vorhanden, sodaß es uns ganz gleichgültig sein kann, wenn man nur die Staatsintercssen in den Vordergrund kehrt, wie die Instanzen der Kirche all jährlich zusammentreten. Macht das besondere Gelder notwendig, so müssen diese Gelder eben von der Kirche aufgebracht werde» und können keineswegs in der Rente mit abgegolten werden. Ebenso wird in keiner Weise ausreichend begründet, warum, soweit die Pfarrbesoldung in Frage kommt, der Stand des Jahres 1913 maßgebend fein soll. Die Verfassung schützt bestenfalls auch nach Auslegung der kirchenfreundlichen Juristen doch den Stand, der ge- geben war, als die Reichsverfassung in Kraft trat. Man kann also meiner Ansicht nach bei diesem Posten nicht auf das Jahr 1913 zurückgreifen, sondern bestenfalls auf das Jahr 1919, den Tag des Inkrafttretens der Verfassung. Wenn ich vorhin den Schiedsspruch des Reichsgerichts erwähnte, und wenn auch die Kirchen steuer damit abgcstellt worden ist, so muß doch darauf hingewiesen werden, daß die Kirche ja nach Inkraft treten der Reichsverfassung das Besteuerungsrecht er halten hat. Tas ist also ein Novum für die Kirche ge wesen, das insbesondere bei der Aufwertung nicht außer Betracht bleiben kann. Die Kirche hat da Einnahmen, die sie früher im Jahre 1913 nicht gehabt hat. Infolge dessen geht es nicht an, die Posten ganz willkürlich, wie man es braucht, in einen Topf zu werfen — mal nimmt man die Zahl aus dem Jahre 1913, mal nimmt man spätere Zahlen. Ich glaube, schon diese Bemerkungen besagen, daß die Vorlage so, wie sie vorliegt, durchaus nicht unbesehen hingenommen werden kann und nicht hingenommen zu werden braucht, auch wenn man sich auf die Rechtslage beruft. Ganz übel ist, wenn man noch weitere Einzel heiten aus dieser Vorlage bringt, die Maßnahme, daß bei Bemessung der Rente — das ist in § 3 — künftige Stellenverminderungen im Besoldnngsetat des Staates unberücksichtigt bleiben sollen. Wenn also der Staat Not leidet und vielleicht die Hälfte seiner Staats beamten entlassen würde, so würde das ohne jeden Einfluß auf die Rente sein; die Kirche brauchte an dieser Notlage des StaateS nicht teilzunehmen, denn es ist ausdrücklich vorgeschrieben, daß Stellenver minderungen im Besoldungsetat außer Ansatz bleiben sollen auch bei der künftigen Bemessung der Rente. Ich glaube, das ist ein Punkt, den auch, wenn sie auf die Wählerschichten hören, einige Parteien in der Mitte dieses Hauses nicht werden mitmachen können. Dann möchte ich noch Hinweisen auf dis Schönheit-- fehler, die die Vorlage hat. Einmal werden die ordent ¬ lichen Gerichte bestellt, um Streitfragen zwischen Staat und Kirche auszutragen: ein andermal wird ein be sondere- Schiedsgericht bestellt, nämlich wenn eS sich darum bandeln sollte, einmal diese Rente zu kapitalisieren. Ich weiß nicht, warum einmal die ordentlichen Gerichte sprechen sollen, das andere Mal ein Schiedsgericht. Wir müssen hier fordern: entweder Schiedsgerichte in allen Streitfällen oder ordentliche Gerichte in allen Streit- fällen, aber nicht einmal Schiedsgericht und einmal ordentliches Gericht. Wie kirchlich eingestellt die Verfasser der Vorlage ind, sieht man auch noch aus einer anderen Bestimmung ehr deutlich, nämlich aus der Bestimmung im Schluß- atz von 8 ll- Da wird einmal in § 11 das, was bis- jer die Kirche in Benutzung hatte, in ihr Eigentum ibertragen. Dann heißt eS aber, auch alle landeskirch- ichen Akten seien der Kirche zu überweisen. Vom Staatsinteresse aus muß man dagegen ganz energisch Widerspruch einlegen, denn bis zum Jahre 1876 hat die Kirche eine Staatsaufgabe zu erfüllen gehabt insofern, als sie die Geburtsregister, Heiratsregister und Sterbe- register zu führen hatte. Das war eine übertragene Staatsaufgabe, und insoweit gehören die Kirchenbücher dem Staate und nicht der Kirche. Diesen selben Grund satz muß man auch bezüglich gewisser Schulakten be haupten. Im Jabre 1873 hörte die Identität zwischen Kirchenvorstand undSchulvorstand auf, und mmdestenS von da an gehören die Schulakten nicht der Kirche, sondern der Schule. Welche Nachteile das für die Schule im einzelnen hatte, sehen wir aus den Prozessen um dort sogenannte Kirchenschullehen. Da ist es den weltlichen Behörden, den Schulbezirken nicht möglich, den Rechtszustand für die ordentlichen Gerichte aufzuhellen, weil die Akten fehlen. Angeblich sind sie verschwunden, nicht aufgehoben usw. Jedenfalls werden sie nicht zur Stelle geschafft. Des- halb ist das eine ganz gefährliche Bestimmung. Sie sieht ganz harmlos aus, ist aber bezeichnend für den Geist, von dem der ganze Vertrag getragen wird. Auch sonst ergeben sich ganz eigenartige Divergenzen zwischen dem Vertrag und der Begründung, ein Zeichen dafür, daß den Verfassern bei der Begründung nicht ganz wohl war, diese Vorlage dem Landtage schmack haft zu machen. Z. B. heißt es in 8 2, daß diese ein malige Abfindung von 2000000 RM. zur Abfindung der rückständigen Forderungen dienen soll, die bisher die Kirche angeblich an den Staat hat. In der Begründung werden die 2000000 NM. aber ganz anders begründet, Seite 13 sinket sich die entsprechende Stelle. Dort werden sie in der Hauptsache gewährt, damit sich die Kirche Grundstücke kaufen kann, damit sie die Kirchenbehörden unterbringeu kann. In Abs. 4 des 8 2 am Schluß da gegen heißt es ganz im Gegenteil zu dieser Begründung, daß die Landeskirche in einem Zeitpunkte der zwei Jahre nach Inkrafttreten des Vertrages eintritt, auf Ansprüche wegen ihrer Unterbringung verzichtet, also nur noch 2 Jahre in ihren jetzigen Räumen belassen wird. Das heißt, dann hat sie keine Ansprüche mehr. Doch werden ihr nach der Begründung ausdrücklich 2000000 RM. gegeben, damit sie Grundstücke kaufen kann, also entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des Vertrages. DaS sind also alles Punkte, die in keiner Weise dazu angetan sind, die Vorlage Nr. 73 unbesehen hinzunehmen. Ergibt sich bei der Beratung im Rechtsausschusse, daß Abänderungen tatsächlich nicht gemacht werden können, weil die beiden Kirchen die Verträge schon unterschrieben haben, so wird die Vorlage abzulehnen sein, denn wie sie jetzt vorliegt, kann die Vorlage in keinem Falle von meinen Parteifreunden hingenommen werden. Die Vorlage Nr. 74 ist noch viel gefährlicher als die Vorlage Nr. 73, obwohl sie sich viel harmloser gibt. Auch bezüglich der Vorlage Nr. 74 hat der Herr Kultus minister ausgeführt, daß eigentlich die Vorlage nichts Neues brächte, daß sie nur gewisse neue Formen brächte für Dinge, die jetzt schon vorhanden wären, und daß dort, wo jetzt eine Regelung nicht da wäre, ein maß voller Mittelweg beschritten worden sei. Ich kann diese Meinung des Herrn-Kultusministers nicht teilen, und es war ja auch sehr charakteristisch, daß auch der Herr Kollege Siegert der Vorlage Nr. 74 durchaus freundlich gegenüberstand, er hatte zwar einiges zu bemängeln, aber er war bereit, diese kleinen Ausstellungen hinzu nehmen, wenn diese Vorlage recht schnell Gesetz werden ollte. Diese Gesetzesvorlage ist für meine Partei voll- tändig unannehmbar. Sie will zwar den Grundsatz, ;aß der Staat von der Kirche zu trennen sei, den der Art. 137 der Reichsverfassung in seinem ersten Absatz ausspricht, verwirklichen helfen, sie tut das aber in einer durchaus unvollkommenen Weise, so daß man diese Vorlage unbedingt ablehnen muß. Die Vorlage ist durchaus getragen von einer kirchenfreundlichen Ein stellung, nicht einmal von einer staatsrechtlichen Ein stellung; wenn sie von einer staatsrechtlichen Einstellung getragen wäre, so würde sie nicht an den Beratungen vorübergegangen sein, die anläßlich der deutschnationalen Anträge, die das Steuerrecht der Kirche rückwärts revidieren wollten, im Rechtsausschuß stattfanden. Bei der Beratung dieser Anträge war es ja charakteristisch, daß sich im Rechtsausschuß eine Mehrheit gefunden hatte, die deutschnationalen Anträge abzulehnen, daß, wenn ich mich recht erinnere, Herr Bethke mit seinen Parteifreunden und ebenso die Demokraten gegen die Anträge, also gegen die Koalitionsgenossen gestimmt haben. Inwieweit die inzwischen abgelaufene Zeit hier eine Umstellung herbeigeführt hat, kann ich natür lich nicht beurteilen, aber die beidenanwesenden Herren Vertreter dieser Parteien werden es mir gewiß nicht übelnehmen, wenn ich da nur die schwärzeste Prognose stellen kann; denn gerade die Regierungsvorlage be- weist, daß diese Regierungsparteien doch mit ihr ein verstanden gewesen sein müssen und jetzt bereit sind, Dinge zu schlucken, die sie früher nicht schlucken wollten. Ich möchte darauf Hinweisen, wie einseitig kirchlich die Vorlage eingestellt ist; man könnte sagen: die Vorlage ist getragen von dem Standpunkt, daß jetzt wieder die Kirche als Staat im Staate stabilisiert werden muß, das ergibt sich aus dem Wortlaut jedes einzelnen Paragraphen. Schon bei 8 2 geht eS los, wo von der evangelisch-lutherischen Landeskirche ge sprochen wird, obwohl wir eine solche Landeskirche nach der jetzt gegebenen Rechtsprechung nicht mehr haben; wir haben jetzt noch eine Bereinigung einzel ¬ ner Kirchgemeinde«, die juristische Person hat, aber keine Landeskirche mehr. Und so, wie Z 2 anhebt, so geht e- durch die ganze Vorlage hindurch. In keiner Weise werden auch die altliberalen Grundsätze in der Vorlage berücksichtigt, die mindesten- die Demokraten noch haben müßten, und die man kurz auf die Formel bringen kann, die Cavour ihr gegeben hat: eine freie Kirche in einem freien Staat. Davon kann gar keine Rede sein. Der Staat wird hier fast in jedem Para- graphen an die Kirche gebunden, was für staatsrechtlich eingestellte Personen einfach unerträglich ist. Allerdings geht die Verbindung mit dem Staate, die hier besteht, auch so weit, daß auch hier wiederum in gewissen Sachen dem Staate ein Einspruchsrecht in innerkirchliche An gelegenheiten geschaffen wird. Ich muß erklären, daß auch, soweit der Staat in innerkirchliche Angelegenheiten hereinsprechen will, meine Parteifreunde nicht dafür zu haben sein werden. Wenn man schon die Trennung von Staat und Kirche herstellt, so muß die Kirche bei der Verwaltung innerklrchlicher Angelegenheiten völlig frei sein. Ich von meinem Standpunkt aus sage daher: § 21 muß aus der Vorlage heraus. Den Staat geht es überhaupt nichts an, was die Kirche mit ihren Mitgliedern macht. Ein Mitglied kann noch so sehr verunrechtet werden: wer nicht einverstanden ist mit der Verunrechtung durch die Kirche, der mag aus der Kirche austreten. Das ist unser Standpunkt, nicht der Standpunkt, den Herr Kollege Renner vorhin vertreten hat. 8 3 spricht davon, daß die Kirche behördliche Funktionen haben soll. Auch das muß abgelehnt werden von meinem Standpunkt aus. Ebenso muß abgelehnt werden, daß der Staat bei Dienststrafverfahren gegen über Geistlichen helfen soll. Das geht den Staat nicht das geringste an. Ganz unannehmbar ist von mir von staatsrechtlichen Grundsätzen aus, daß die Kirche oder eine Einrichtung der Kirche, eine Dienststrafbehörde, berechtigt sein soll, die Zeugen vor sich zu vereidigen. Das ist ein Eingriff in die staatliche Hoheit, der nie und nimmer geduldet werden kann und der abzulehnen ist. Ganz schlimm ist aber die Vorlage, soweit sie das bisherige Kirchen anstrittsgesetz verschandelt. Es wird da gesagt, man müßte die Angehörigen der Kirche vor übereilten Kirchen- auStritten bewahren, deswegen die jetzt eingeführte Frist von einem Monat. Ich habe gar kein Verständnis dafür, daß der Staat sich schützend davor stellen muß, daß jemand übereilt den Kirchenaustritt erklärt. Wenn der Austritt übereilt war, so isf es ja furchtbar einfach; dann mag man ja seinen Eintritt wieder erklären, dann ist der Schaden repariert. Durch die vorgeschlagene Regelung ist weiter auch eine ganz unerhörte Belastung der Staats behörden gegeben. Das Standesamt soll binnen 3Tagen die Kirche benachrichtigen, zu dem durchsichtigen Zweck natürlich, damit dann der betreffende Pfarrer hingeht und dem Ausgetretenen oder vielmehr dem, der auS- treten will, die Hölle heiß macht oder,wasnochschlimmerist, seiner Frau die Hölle heiß macht (Sehr richtig! links.), daß die dann auf den Mann einwirkt, damit er dann seine Anstrittserklärung zurücknimmt. Dazu können wir in keiner Weise die Hand bieten. Aber ganz schlimm ist die Belastung der Standesämter. Hier wird, damit die einmonatige Frist eingehalten werden kann, vor geschrieben, daß die Benachrichtigung innerhalb dreier Tage erfolgen soll. Das ist praktisch überhaupt gar nicht möglich. Den: Standesamt Leipzig z. B. werden an einem Tage manchmal 30 bis 50 Austrittserklärungen abgegeben. Es würde also eine ganz unerträgliche Belastung der Standesbeamten sein, wenn sie innerhalb dreier Tage all diese Austrittserklärungen an die Kirche weiterzugeben hätten. Die Standesbeamten haben ja noch mehr zu tun, als Kirchenaustrittserklärungen entgegenzunehmen, und sie haben dringlichere Auf gaben zu erledigen, insbesondere Geburtsanzeigen und Sterbefälle zu bearbeiten. Mit welchem Rechte kommt denn der Staat dazu, seine Behörden so zu belasten und auch unnötige Ausgaben zu schaffen, nur damit' die Kirche denen, die attstreten wollen, in ihrer Weise beikommen kann? Am allerschlimmsten aber ist der Punkt, daß der Staat bei dieser vorgeschlagenen Regelung sich gewisser maßen um eine Prinzipale Frage drückt, nämlich um die Frage, wie ich Mitglied einer Kirche werden kann. (Sehr richtig! links.) Um diese Frage dürfte er sich nicht drücken, nachdem diese Frage im Rechtsausschuß früher eine so ausschlaggebende Rolle gespielt hatte; denn in diesen Ausschußanträgen war ausdrücklich ge fordert worden, daß der Staat oder die Regierung ein Kircheneintrittsgesetz vorlegen solle. Zwar hat der Herr Kultusminister ausgeführt, die Frage fei doch in der Vorlage enthalten, aber in sehr versteckter Form. Es heißt nämlich in § 12: Die Verfassungen der NeligionSgesellschaften müssen über den Beginn der Mitgliedschaft Vor schriften enthalten, die jedoch die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht beeinträchtigen dürfen. Zu diesem Paragraphen läßt sich also die Begründung m ganz unzulänglicher Weise aus. Es ist auch ungefähr die kürzeste Begründung, die zu diesem Paragraphen gegeben wird. Es heißt dort nur: Der Kirche muß das Recht gewahrt bleiben, über den Erwerb der Mitgliedschaft allein Vorschriften zu erlassen. DaS ist an und für sich ganz richtig, aber für die jetzt gegebene Übergangszeit muß allerdings der Staat hier Vorsorge treffen. Mindestens mußte er in dem Sinne Vorsorge treffen, daß er nachprüft, wie sich denn die jetzt gegebenen Verfassungen der Kirchen zu dieser Frage stellen. Und da kommen wir auf den merkwürdigen Standpunkt, der von der Kirche vertreten wird: die Kirche sagt, Sachsen hat 5 Millionen Einwohner, davon sind 250000 Katholiken, davon sind soundso viele Freidenker, Baptisten, Methodisten usw. Rechnet man auf alle diese anderen 1 Million Angehörige, so sind 4 Millionen der Staatsangehörigen Mitglieder der evangelischen Kirche. DaS ist durchaus falsch, denn es hat ein Staatsrechtler namens Meß in Weimar nach gewiesen, da- weder die Taufe, noch die religiöse Er ziehung, noch die Konfirmation, noch die Abstammung die Kirchenmitgliedschaft begründe, und wenn diese Auf- (Fortsetzung in der Beilage.)