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8MMU zur ZUG« ÄcheilW Nr. 222. zu Nr. 43 des H»«MatteS. 1929. v-auII--,I mit »rr «-Mungir-t B'-ub- i» Dresden. La«dtagsverhandl«ngtn. 1V«. Sitzung. Dienstag, den 19. Februar 1929. Stellv. Präsident vr. Eckardt eröffnet die Sitzung 13 Uhr 7 Minuten. Am Regierungstische Ministerpräsident Heldt, die Minister I)r. Apelt, vr. Bünger, Elsner, vr v. Fumetti und Weber sowie Regierungsvertreter. Bor Eintritt in die Tagesordnung werden zwei Schreiben des Ministerpräsidenten verlesen, das eine betr. die Verordnung über Baudarlehen aus der AufwertungSstcuer vom 29 Januar 1929, die das Arbeits- und Wohlfahrtsministerium im Einvernehmen mit den Ministerien der Finanzen und des Innern er lassen hat und die im Ministerialblatt Nr. 1 vom 7. Fe bruar 1929 veröffentlicht ist, und das andere betr. eine Verordnung des Justizministeriums über die fünfte Änderung des Gesetzes über die Ge richtskosten vom 9. Februar 1929, die der Aus führung des Rcichsgesetzes zur Andcruug der Gebühren ordnung für Gerichtsvollzieher vom 14. Juli 1928 (Neichs- gesetzbl. I S. 197) dient und in der nächsten Nummer des „Sächsischen Gesetzblattes" veröffentlicht wird. Hierauf wird in die Tagesordnung eingctretcn. Punkt 1a: Wahl eines Mitgliedes in den Auf sichtSrat der LandeSsiedlungSgesellschast « Sächsisches Heim" an Stelle der verstorbenen Krau Abg. Schilling. Hierzu liegt ein Vorschlag der Sozialdemokratischen Fraktion vor, Frau Abg. Martha Schlag zu wählen, ein Vorschlag der Altsozialdemokratischcu Fraktion, Herrn Abg. Hagen zu wählen, uud eiu Vorschlag der Reichspartci des Deutschen Mittelstandes, Herrn Abg. Großmann zu wählen. Der erste Wahlgang ergibt, daß für Frau Schlag 41 Stimmen, für Hagen 4 und für Großmann 45 Stimmen abgegeben worden sind. Es hat also niemand die^ unbedingte Mehrheit erhalten. Stellv. Präsident vr. Eckardt: Nun bestimmt unsere Geschäftsordnung in §72,1: „Insoweit sich bei dem ersten Wahlgang keine unbe dingte Mehrheit ergibt, sind die drei Abgeordneten, die die meisten Stimmen erhalten haben, zur engeren Wahl zu stellen." Tann bestimmt Zifs. 2: „Wird auch bei dieser Wahl keine unbedingte Mehr heit erreicht, so entscheidet zwischen den beiden Abge ordneten, die die meisten Stimmen in der engeren Wahl erhalten haben, eine zweite engere Wahl." Ich halte es für überflüssig, daß wir nach Punkt 1 nochmals über die drei Abgeordneten abstimmcu lassen. Ich würde also, wenn das Haus zustimmt, sofort nach Punkt 2 über die beiden Abgeordneten abstimmcn lassen, die die meisten Stimmen erhalten haben; das sind Großmann und Fran Schlag. Ist daS Haus mit dieser Regelung einverstanden? - Es ist eine Stimme dagegen, daher müssen wir abermals mit Stimmzetteln abstimmcn über die drei Abgeordneten, die jetzt zur Wahl gestanden haben. Die Wiederholung der Wahl ergibt, daß 44 Stim men für Herrn Abg. Großmann, 42 für Frau Abg. Schlag und 4 für Herrn Abg. Hagen abgegeben sind. Nunmehr findet die eigentliche Stichwahl zwischen den beiden Abgeordneten, die die meisten Stimmen in der engeren Wahl erhalten habe», und zwar zwischen Großmann und Frau Schlag statt, deren Ergebnis ist, daß Abg. Großmann (Wirtsch.) mit 45 Stimmen ge wählt wird gegen 44 Stimmen, die auf Frau Abg. Schlag entfallen. Dazu ist ein weißer Zettel abgegeben. Das Ergebnis wird auf der Rechten mit Beifall begrüßt. - Abg. Schwarz (Soz. — zur Abstimmung): Ich habe dagegen gestimmt, daß ein zweiter Wahlgang sofort die Entscheidung bringen soll. Ich wünsche nicht, daß die Geschäftsordnung so ausgelegt wird, denn die Geschäftsordnung enthält klare Bestimmungen und die Bestimmungen in 8 72 sind so klar gefaßt, daß selbst ein einstimmiger Beschluß des Landtags meines Er achtens nicht gerade günstig wäre. ES könnte sich in anderen Püllen wiederholen, und die Geschäftsordnung sollte meines Erachtens respektiert werden, denn ein ermüdeter Landtag kann sonst in gegebenen Situa- tionen erreichen, daß man die Geschäftsordnung umbiegt, selbst gegen den Willen derjenigen, die die Geschäftsordnung aufgestellt haben. Punkt 1b: Wahl eines Mitgliedes in den Vor- standSrat de» Hhgienemnfeum» an Stelle de» ver» storbenen Uba. Mente. Stellv. Präsident vr. Eckardt: Die Sozialdemo kratische Fraktion schlägt vor, an Stelle des verstorbenen Abg. Menke die Ausschüsse wie folg zu besetzen: den Prüfungsausschuß durch Herrn Abg. Mucker, den Rechts- ausschuß durch Herrn Abg. Kautzsch, den Untersuchungs ausschuß Böhlen durch Herrn Abg. Tempel, den Beamten- und Befoldungsausschuß durch Herrn Abg. Güttler, den Untersuchungsausschuß für das Gefängmswesen durch Herrn Abg. Böchel. . , Weiter schlägt die Fraktion vor, rn den Vorstands rat des Hygicnemuseums an Stelle des verstorbenen Abg. Menke Herrn Abg. Weckel zu entsenden. ES wird einstimmig demgemäß beschlossen. Punkt 2: Vorschlag eines Mitgliedes für die Wahl in den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft Sächsische Werke an Stelle des verstorbenen Abg. Menke. Auf Vorschlag der Sozialdemokratischen Fraktion wird Herr Abg. Graupe (Soz.) einstimmig gewählt. Punkt 3: Zweite Beratung über die Anträge des Abg. Böchel u. Gen. — Drucksache Nr. 193« - uud des Abg. Reimer u. Geu. — Drucksache Nr. 1940 —, betr. die Ungültigkeit der letzten Landtagswahl und die Auslösung des Landtags. (Schriftlicher Bericht des PrufttugsausschusfeS, Drucksache Nr. 1113 ) Der Inhalt des schriftlichen Berichts des Ausschusses ist im Hauptblatt der „Sächsischen Staatszeitung" Nr. 40 vom U». 2. 29 ausführlich wiedergcgebeu. Außerdem ist der Sachverhalt aus den Tageszeitungen zur Genüge bekannt. Ber.-Erst. Abg. Schmidt (D. Vp.) verweist auf den schriftlichen Bericht uud bittet als Berichterstatter der Mehrheit, den Antrag der Mehrheit anzunehmen, wie er in der Drucksache Nr. 1113 vorgeseheu ist, der Landtag wolle beschließe», 1. der Antrag, dir LaudtagSwahlen vom 31. Okto ber 192« für ungültig zu erkläre«, wird abge lehnt. Dio Wahlen werden erneut für gültig erklärt. II. Die Anträge auf Auslösung des Landtags wer den abgclehnt. Mitber.-Elst. Abg Dennhardt (Soz) nimmt Bezug auf den schriftlichen Bericht der Minderheit und bittet um Anuahme des Antrags der Minderheit: der Landtag wolle beschließen, die am 31. Oktober 1926 stattgesundene Wahl des sächsischen Landtags ist nngültig; der Landtag löst sich ans. Abg. Lchreiber-Oberwürschnitz (Lppos. Komm.): Der sächsische Landtag entspricht schon seit langem nicht mehr der politischen Struktur der Bevölkerung draußen im Lande. Die Auflösung des Landtags ist aber nicht eine Frage, die im Prüfungsausschuß gelöst wird, wo man sich hinter juristische Spitzfindigkeiten steckt, son dern eine Machtfrage, die davon abhängt, wie lauge die Arbeiterklasse draußen im Lande dem Spiel der Re gierungsparteien noch zusicht. Es wäre nicht notwendig gewesen, einen meterlangen Bericht znsammenzustellen, sondern cs hätte für die Mehrheit genügt, zu sagen: Wir haben kein Interesse an der Auflösung, wir wollen unter allen Umständen zusammenbleiben. Das wäre wenigstens eine eindeutige und klare politische Stellung nahme gewesen. Wir als Kommunistische Fraktion stehen auf dem Standpunkt, daß die Auslösung des Landtags eine Aufgabe der Arbeiterschaft ist, daß es Aufgabe der Arbeitelklasse ist, diese Regierungskaolitiou zu beseitigen, die einzig und allein die Interessen derjenigen wahr nimmt, die von der Arbeiterschaft leben. Wir fordern darum als Kommunistische Partei die Arbeiterschaft draußen im Lande auf, durch Kampf um ihre Inter- essen diesen Landtag zu beseitigen. Abg. Opitz (Komm.): Für uns ist die Auflösung des sächsischen Landtags keine juristische, sondern eine poli tische Frage. Wir haben diesen unseren Standpunkt schon wiederholt in diesem Hause dargelegt, und wir haben von vornherein nicht die Illusion gehabt, als wenn der Staatsgerichtshof dazu übergehen würde, diesen Landtag und diesen Bürgerblock "zu beseitigen. Dieser Bürgerblock kann nur beseitigt werden durch den Aufmarsch der Massen der Arbeiterklasse. Die Besei- tiguug des Bürgerblocks ist eine Frage des Klassenkampfes und hängt nicht ab von der Entscheidung des Staats gerichtshofs. Von diesem Gesichtspunkt gehen wir auch an den Bericht heran, der vom Prüfungsausschuß vor- liegt. Die Bürgerblockregierung sagt sich: so billig kommen wir nicht wieder zu einer parlamentarischen Mehrhei*. Allein die Furcht vor den Massen, allein die Angst vor dem Massenurteil über diesen Landtag hält diesen Bürgerblock zusammen, und alle anderen Dinge sind natürlich juristische Spitzfindigkeiten. Wir Kommunisten werden nicht nur für die Auf lösung mit aller Entschiedenheit wirken, sondern wir begrüßen auch die Auflösung. Wir haben dann eine Gelegenheit, bei den Neuwahlen im Landtage unseren Standpunkt vor den breiten Arbeitermassen darzulegen. Für uns sind die Neuwahlen zum sächsischen Landtag ein Mittel zur Aufrüttelung der breiten Arbeitermassen, ein Mittel, um den breiten Arbeitermassen zu sagen, in welcher Lage sie sich befinden, ein Mittel, um den breiten Arbeitermassen aufzuzeigen, in welcher Situation wir leben, ein Mittel, um den breiten Arbeitermassen Ziel und Weg zu zeigen, wie sie imstande sind, den Bürgerblock und den sächsischen Landtag zu beseitigen; und wir werden bei dieser Neuwahl nicht den Kürzeren ziehen, sondern wir werden auf alle» Gebieten gewinnen als Kommunistische Partei. Die sächsischen linken Sozialdemokraten werden bei diesem Wahlkampfe am schlechtesten wegkommen, denn wir haben bei der Auflösung des Landtags Gelegen heit, auf die Politik der sächsischen Sozialdemokraten hinzuweisen. Wir werden den breiten Massen zeigen, wie sich die linken Sozialdemokraten verhalten haben anläßlich der Panzerkreuzerkampagne, in der Frage der Durchführung der Massenstcueru des Fiuanzministcrs Hilferding usw. (Sehr richtig! b. d. Komm. — Lachen b. d. Soz.) Und der Magdeburger Parteitag der sozial demokratischen Partei wird uns weiteres Material liefern. Der Magdeburger Parteitag wird ein klares Bekenntnis wieder werden für diese Republik, für viesen kapitalistischen Staat, und wird auch ein klares Bekenntnis ablegen für die imperialistische Politik der Sozialdemokratischen Partei. Wir fordern auch eine Neuwahl aus anderen Gesichtspunkten, uud zwar wegen des Kampfes, den die Kommunistische Partei gegen den Reformismus in ihren eigenen Reihen hat. Die eine Gruppe, die die reformistische Theorie der Kommunistischen Partei ver tritt, erscheint im Landtage nur noch deswegen, weil sie die Mandate der Kommunistischen Partei geraubt hat. (Lachen b. d. Oppos. Komm.) Wenn sie den Mandatraub nicht durchgeführt hätte, wäre sie nickt mehr hier in diesem Landtage. Von diesen Gesichts punkten aus wollen wir eine Neuwahl. (Bravo! b. d. Komm) Abg. Ne« (Soz): Aus dem Berichte der Mehrheit leuchtet die innere Unsicherheit der Mehrheitsparteieu, die hinter diesem Berichte stehen, hervor. (Sehr richtig! v. d. Soz.) Die Mehrheit geht sogar so weit, offenbar Unrichtigkeiten in ihrem Berichte zu bringen, die nicht nur auf eine Unrichtigkeit zurückznführen sind, sondern auf Uuwahrhafligkeit. Die NegieruugSparteieu legeir es sogar aus eine Stimmungsmache an, um beim Staats- gcrichtshof eine Wirkung zu erzielen. Es ist Sache der Mehrheit, mit diesen Mitteln zu arbeiten. Aber ich muß mich auch dagegen wehren, daß uns der Vorwurf gemacht wird, daß wir in dieser Sache unehrlich gehandelt hätten. Ich will unseren Stand punkt hier nicht noch einmal auseinauderctzen, ich habe das ani 15. Januar reichlich getan. Wir wissen, daß das Recht für uns ist, und diese Erkenntnis ist nicht nur in unseren Reihen, sondern die ist weit verbreitet auch in den Reihen der Parteien, die die Regierung tragen. Weite Kreise der Regierungsparteien haben dieses fort gesetzte Geraufe zwischen den Koalitionsparteien gründ lich bis an den Hals hinan satt. Deshalb ist der Aus spruch eines prommcntcn Führers der Wirtschaftspakte« in« Prüfnngsausschuß ganz richtig, daß alle rechtlichen Erwägungen beiseite gestellt werden, daß hier nur der politische Wille entscheidet, und daß dieser politische Wille dahiu geht, daß die Mehrheit sagt, wir »vollen hier bleiben, solange cs möglich ist. Jede andere Arynmentation würde eine Heuchelei sein. Aber die Wählerschaft draußen wird sich merken, wie sich die Dinge hier abgespielt haben, daß die Koalition eben, weil der glückliche Umstand, daß die ASPD. bei den Wahlen von 1926 vier Mandate errungen hat, sie an die Macht gebracht hat, diesen glücklichen Umstand mög lichst lange ausnützeu will. Wenn der Landtag noch ein Fünkchen Gerechtigkeitsgefühl besäße, müßte er schon aus dem Grunde hellte unseren Anträgen zustimmen, weil offensichtlich die frühere Gültigkeitserklärung der Wahl, die ja die jetzt gegebene Rechtslage nicht berück sichtigen konnte, falsch war, mit der Rechtslage nicht vereinbar war. Meine Parteifreunde haben ja die Wahlen von vornherein angefochten, sie konnten Ende 1926 natürlich nicht auf die Gründe kommen, die der Staatsgerichtshof erst am 17. Dezember 1927 aus gesprochen hat, aber sie haben darauf hingewieseu, daß die Wahl verfälscht worden ist dadurch, daß die ASPD. wider Gesetz und Recht den ersten Platz auf den« amtlichen Stimmzettel erhalten hat. Damit ist eine Verfälschung der Wahl unzweifelhaft angegeben. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Jeder also, der in der Mehrheit rechtlich denkt, müßte schon aus Rechtsgründen sich unseren Anträgen an schließen. Selbstverständlich gebe ich mich dieser Täu schung nicht hin. Ich hoffe aber, daß der Staats- gertchtshof diese Koalition auseinanderjagt. (Bravo! b. d. Soz.) Nach dein Schlußwort des Berichterstatters und einer persönlichen Bemerkung des Abg. Nebrig (Soz) wird in namentlicher Abstimmung zunächst der Antrag der Ausschußmehrheit unter I mit 49 gegen 41 Stimmen bei 9 fehlenden Abgeordneten angenommen und in weiterer namentlicher Abstimmung der zweite Teil des MinderheitSantragS: „Der Landtag löst sich anf- mit demselben Stimmenverhältnis abgelehnt.