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84» j- stimmungen gibt, daß sie aber nach den verschiedensten Richtungen auSgelegt werden können. Es muß in diesem Zusammenhänge auch gesagt werden, daß hier die freien Gewerkschaften dem Unter nehmertum und der Regierung die größten Möglichkeiten gegeben haben, in verschärftem Maße gegen die Arbeiterschaft vorzustoßen. ES ist deshalb auch kein Wunder, wenn das Vertrauen der Arbeitermassen zu den Gewerkschaften geringer wird (Lachen b. d. Soz.). Wir wissen ja, wie groß die Zahl der Mitglieder der freien Gewerkschaften im Jahre 1922 war und wie groß sie heute ist. Man kann nicht sagen, daß die Leute aus irgendwelchem JndisferentiSmus aus den Gewerkschaften herau-gegangen siud, sondern sie sind herausgegangen, weil sie mit den Gewerkschaften un- zufrieden waren, weil die Gewerkschaften nicht den Versuch unternommen haben, gegen die Verlängerung der Arbeitszeit anzukämpfen, ja, sie haben gesagt, im Interesse der Erhaltung der deutschen Wirtschaft ist eS notwendig, daß jetzt der Achtstundentag beseitigt wird. Ein Vertreter der Sozialdemokratie hat dann auch bei den Ausschußverhandlungen verlangt, daß die Ratifizierung des Washingtoner Arbeitsabkommens durchgesührt werden soll, weil das eine Besserung dar. stelle. Ich bin darüber allerdings anderer Meinung. Selbst wenn heute die Ratifizierung des Washingtoner Abkommens erfolgte, würde daS au den Arbeitszeit- Verhältnissen in Deutschland nichts ändern, denn auch in diesem Abkommen ist der starre Achtstundentag nicht verankert, auch dieses Abkommen läßt grenzenlose über, arbeit zu. Aber jetzt kann man mit dieser Ratifizierung noch innerhalb der Arbeiterschaft operieren und ihr weismachen, daß dann eine Besserung eintreten könnte. Wir werden also als Kommunistische Fraktion dem Antrag Nr. 739 zustimmen, aber wir erklären auch, daß es nicht dabei bleiben darf, sondern, wenn das durch geführt werden soll, was beantragt ist, ist es auch not- wengig, daß die Gewerkschaften mobilisiert werden und endlich einmal einen ernsten Kampf für Jugend- und Frauenschutz und auch für kürzere Arbeitszeit führen. Ich möchte aber noch einige Bemerkungen machen zu dem Reichsgesetzentwurf über die Sonderfürsorge für Saisonberufe, denn diese Frage hängt ja sehr eng mit der Erwerbslosigkeit zusammen. Da muß man zu nächst feststellen, daß man mit diesem Gesetze einem weiteren Abbau der ErwerbSlosenunterstützung seine Zustimmung gegeben hat. (Sehr wahr! b. d. Komm.) Es kann auch nicht geleugnet werden, daß dieses Gesetz den Reichsarbeitsminister Wissell zum Vater hat und daß die Sozialdemokraten ihm zugestimmt haben. (Zurufe b. d. Soz.) Die Vertreter der Kommunistischen Partei haben im Sozialpolitischen Ausschuß des Reichstages dem Entwürfe für tue Sonderfürsorge für Saison berufe nicht zugestimmt; es ist ein ganz bewußter, groß angelegter Schwindel von Seiten der Sozial- demokratie und ihrer Führer innerhalb der Gewerk schaften, wenn sie so etwas behaupten Damit soll nun der Abbau der Unterstützung für d!e Erwerbslosen bemäntelt werden. Wir wenden uns gegen diese neue Sonderbestimmung, weil sie eine erschreckende Un gerechtigkeit darstellt, die selbst durch die unwahren Behauptungen der reformistischen Gewerkschaftsführer und ihrer Presse nicht aus der Welt geschafft werden kann. Nun hat Herr Abg. Ferkel verschiedenes gegen die Kommunistische Partei -um Ausdruck gebracht, vor allem behandelte er die Frage des JndisferentiSmus, die durch die Kommunisten großgezogen würde. Ich behaupte, dadurch, daß die Führer der Gewerkschaften keine ausreichenden Löhne, sondern immer nur Hunger löhne mit dem Unternehmertum abgeschlossen haben, ist der JndisferentiSmus innerhalb der Arbeiterschaft vor allen Dingen großgezogen worden, denn die Arbeiter haben dadurch das Vertrauen zu den Gewerk schaften verloren. Die Gewerkschaften dürfen keine Unterstützungsvereine sein, sondern müssen Kampf organisationen sein, die noch fester stehen müssen als die Organisationen der Unternehmer. Bezeichnend ist auch, daß die beiden Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion, die hier gesprochen haben, die Einführung des gesetzlich verankerten Achtstundentages ablehnen. Bei der ungeheuren Notlage und der großen Erwerbs losigkeit in der heutigen Zeit ist es unbedingt not wendig, daß diese 3 Millionen Erwerbslose, die heute vorhanden sind, in den Betrieben untergebracht werden, und das ist zum größten Teil möglich, wenn der Acht stundentag als Maximalarbeitstag durchgeführt wird. Im übrigen möchte ich erklären, daß wir bei der Behandlung der Erwerbslosenanträge im Ausschuß noch besonders dazu Stellung nehmen und das tun werden, was im Interesse der Erwerbslosen notwendig ist, um den Erwerbslosen praktisch zu helfen. Abg. Opitz (Komm): Zu den hahnebüchenen Aus führungen deS Abg. Härtel möchte ich sagen: ich weiß nicht, woher er seine Weisheit bezüglich der Spankorb industrie geschöpft hat. Unsere Anträge stützen sich auf die Angaben der Korbmacher selbst und auf An gaben des Verbandes des Lohn- und Hausgewerbes, der in einer Eingabe vom Jahre 1927 die Notlage des Spankorbgewerbes in eindeutiger Weise dargelegt hat. Außerdem haben wir Zuschriften von den Korbmachern selbst. Die Korbmacher haben mir wiederholt in öffentlichen Versammlungen die von uns gemachten Angaben bestätigt. Unsere Anträge verlangen nichts anderes als eine Notaktion, um den Korbmachern zu helfen. Wir stimmen den sogenannten Konkurrenz» anträgen der Kommunistischen Opposition zu (Heiter keit), aber wir bilden uns nicht ein, daß mit der Er richtung von Fabriken in Pockau-Lengefeld die Notlage der Korbmacher anders wird. Damit ist die Aussprache geschlossen und die heutige Tagesordnung erledig;. (Schluß der Sitzung 17 Uhr 37 Minuten.) mit aller Entschiedenheit, verbitten muß. Ich alaube, daß Herr Schladebach auch arbeitet, aber ich weiß nicht, welche Arbeit er leistet. Man lagt, daß es Kapitalisten gibt, deren Arbeit lediglich darin besteht, das Geld zu versaufen und zu verfressen, das die Arbeiter für sie erschafft haben. (Lebhaftes Sehr richtig! links.) Ob Herr Schladebach zu dieser Kategorie gehört, weiß ich nicht, aber ich möchte ihm ein für allemal sagen: wenn derartige Ausführungen von der rechten Seite diese- Hauses immer wieder gemacht werden, dann sollte eS uns nicht wundernehmen, wenn die Erwerbslosen mit diesen Leuten einmal richtig deutsch reden (Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm.), d. h. deutsch in guter, derber Bau handwerkersprache den Leuten beibringen, was man solchen niederträchtigen Argumenten entgegenhalten muß. Denn ich bin der Ansicht, auch die Kapitalisten wissen, daß die Erwerbslosigkeit eine Tatsache ist und daß die Arbeiter gern arbeiten wollen, wenn man ihnen Arbeit gibt. Es gibt keinen Arbeiter, der es vor zieht, die Bettelpfennige der Unterstützung zu nehmen, wenn er lohnende Arbeit bekommen kann. (Sehr rich tig! b. d. Oppos. Komm.) Aber es gibt Kapitalisten, die die Not der Arbeitslosen dazu ausnutzen, um den elenden Lohn, den die Arbeiter beziehen, herabzu drücken und die Arbeitszeit maßlos zu verlängern. (Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm.) Damit bin ich gleich bei einer anderen Frage an gelangt, nämlich bei der Frage der Überstunden arbeit, und da muß man sagen, daß in dem Jahres bericht der sächsischen Gewerbeaufsichtsbcamten ein sehr reichhaltiges Material vorhanden ist, das uns beweist, daß es sächsische Unternehmer gibt, die es bei den Arbeitern durchsetzen, daß sie täglich 10, 12 und 16 Stunden arbeiten müssen. Ich bin der Ansicht, daß die schärfste Strafe für die Unternehmer, die die Arbeiter zu solchen Überstunden zwingen, am Platze ist, und daß die Entschuldigungen der Regierung, die hier vorgetragen wurden, völlig ungenügend sind. Wir müssen sie ablehnen und mit aller Entschiedenheit be kämpfen. Wir werden uns im Ausschuß noch eingehend mit diesen Fragen beschäftigen. Wir werden zu den An trägen in sachlicher, aber entschiedenster Weise Stellung nehmen. Wir werden alles tun, um im Parlamente und außerhalb des Parlaments für die Rechte und die Interessen der Arbeiter zu kämpfen. (Bravo! b. d. Oppos. Komm.) Abg. Raget (Komm.): In dem Antrag Nr. 739 wird festgestellt, daß jugendliche Arbeiter und Frauen durch Verordnungen und Verfügungen der Kreishauptmann- schäften und Gewerbeaufsichten länger haben arbeiten müssen, als es eigentlich gesetzlich gestattet ist. Dadurch muß sich die Erwerbslosigkeit ganz automatisch steigern. Die Arbeitszeitverordnung, die im April 1927 geschaffen wurde, läßt eben leider solche Bestimmungen zu. Es ist heute so in Deutschland, daß eS zwar gesetzliche Be