Volltext Seite (XML)
t.. le» MiaKilU W AWn ZtMtzeilmli 22. zu Nr. 254 des Hauptblattes. 1929. veauftragt mlt der Herausgabe NeglerungSrat vrauße in Dresden. Erklärung g folgende ab: Landtagsverhandlungen. IS. Sitzung. Dien-tag, den 2S. Oktober 1S2V Präsident Weckel eröffnet die Sitzung 13 Uhr 26 Min. Am Regierungstische Ministerpräsident vr. Bünger, die Minister Elsner und Weber sowie Regierungs vertreter. Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt Abg. Edel (Soz.) Die Sozialdemokratische Fraktion erhebt erneut vor dein Lande schärfsten Protest gegen die Gewaltmethoden, mit denen die Mehrheit des Landtages verflicht, den Raub des Nevolutionsfeiertags durchzusetzeu. Im Rechtsausschuß hat die Mehrheit einen Bruch der Geschäftsordnung an den anderen gereiht. .(Lebhaftes Sehr richtig l b. d. Soz.) Der Minderheit wurde das Recht auf Mitbericht erstatter streitig gemacht (Sehr richtig! b. d. Soz.), und sie konnte es nur in schwerem Kampfe durch- setzen. Dies geschah, obwohl 8 38 Abs. 5 der Geschäfts ordnung klar und eindeutig sagt: Beabsichtigt eine Minderheit des Ausschusses einen anderen Antrag als die Mehrheit zu stellen, so hat sie ein Recht darauf, daß ihr Antrag und feine Begründung ebenfalls gedruckt wird. Den Berichterstattern ist keine Möglichkeit gegeben worden, sich in einer angemessenen Frist auf ihre Berichterstattung vorzubereiten. Das Petitionsrecht der sächsischen Bevölkerung ist in gröbster Weise miß achtet worden. (Hört, hört! b. d. Soz.) Dem Landtag unterbreitete Entschließungen wurden im Rechtsausschuß nicht einmal zum Portrag gebracht. (Hört, hört! b. d. Soz.) Eine Diskussion darüber wurde unterbunden. (Hört, hört! b. d. Soz.) Man schellte nicht.vor den Versuch zurück, in die Vorlage der Regierung zur Aufhebung des 9. No vember als gesetzlichen Feiertags einen Antrag auf Aufhebung mich des 1. Mai als gesetzlichen Feiertags hineinzubringen (Pfui! b. d. Soz.), obwohl klare Berfassungsbestimmungen diesen, Vor gehen entgegenstehen. Als letzten Gewaltakt hat die Mehrheit des Rechtsausschusses der Minderheit das Recht auf gleichmäßige Behandlung ihrer schriftlichen Berichte streitig gemacht. Dabei besagt § 39 Abs. 3 der Geschäftsordnung: Im Falle des § 38 Abs. 5 kann die Minderheit ihren Antrag durch einen aus ihrer Mitte gewählten Berichterstatter vertreten lassen. Der Ausschuß hat mit Mehrheit beschlossen, lediglich den Bericht der Mehrheit entgegenzuuehmen. (Hört, hört! b. d. Soz.) Dieser Bericht ist infolge der Eile, in der er angefertigt wurde, in jeder Hinsicht unzulänglich. (Hört, hört! b. d. Soz.) Deswegen hat die Sozialdemokratische Fraktion im Rechtsansschuß folgenden Antrag zur Abstimmung ge stellt : Der von Herrn Abg. Eberle erstattete „Bericht" kann als solcher nicht gelten, da er nur einen Aus zug aus den Protokollen darstellt, er wird abgelehnt. Herr vr. Eberle hat einen neuen Bericht zu erstatten, wobei ihm die im vorigen Landtag erstatteten Be richte als Muster dienen können. (Sehr gut! b. d. Soz. — Lachen b. d. Dnat.) Der Antrag ist abgelehnt worden. Wir verlangen nun in aller Öffentlichkeit gleichmäßige Behandlung der Berichte der Minderheit, wie es durch die Geschäftsordnung und durch jahrelangen Brauch zwingend vorgeschrieben ist. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Wir protestieren schon jetzt gegen die Ausschaltung der Minderheitsberichte. In welcher Form die Ver handlungen des Rechtsausschusses geführt worden sind, geht drastisch daraus hervor, daß sogar die Abstimmung über einen Minderheitsantrag, weil dieser angeblich nicht vorhanden war, verweigert wurde und erst nach scharfem Kampfe durchgesetzt werden konnte. Gegen die Gewaltmethoden der Mehrheit des Rechtsausschusses legen wir um so mehr Verwahrung ein, als die von der sozialdemokratischen Minderheit zur Streitfrage der Aufhebung der proletarischen Feiertage vorzubringenden Argumente für die Arbeiter schaft von größtem Interesse und von größter Bedeutung sind. (Lebhaftes Sehr richtig! b. d. Soz.) Deswegen beantragen wir erneut, daß sich der Altesten ausschuß mit der Rechtslage befaßt. (Sehr gut! b. d. Soz.) Abg. Renner (Komm): Ich habe zuerst folgende Erklär« ng zu der Erklärung der Sozialdemokratischen Fraktion in der vorigen Sitzung abzugeben: In der Sitzung des Landtages vom 24. Oktober hat der Vertreter der Sozialdemokratischen Landtags Unternehmertum und Staatsapparat folgen werdens Sie kämpft deswegen gegen diese reaktionären Be- strebungen in ihrer Gesamtheit und fordert tue Ar-, beiter auf, diese Vorstöße in Massenkundgebungen und durch die Auslösung von Wirtschaftskämpfen und po litischen Streikbewegungen zurückzuschlagen. Unbeschadet dieser ihrer Haltung wendet sich die Kommunistische Landtagsfraktion aber auch aller Entschiedenheit gegen die Vergewaltigung der gefchäfts- ordnungsmäßigen Bestimmungen und erhebt gegen das Vorgehen der Mehrheit des Rechsausfchusses hrer- (Zuruf b.^Natsoz.: Ihr Kämpfer für Recht und Freiheit!) Präsident: Der Vorstand schlägt vor, dem Anträge der SPD. stattzugeben und jetzt eine Altestenausschuß sitzung abzuhalten. Da Widerspruch gegen diesen Vorschlag nicht erhoben wird, wird die Sitzung 13 Uhr 46 Minuten unter brochen. Nach Wiederbeginn der Sitzung um 15 Uhr 25 Mi nuten wird sofort in die Tagesordnung eingetreten. In Erledigung zu Punkt 1: Vorschlag eines Mit- gliedeS für die Wahl in den Aufsichtsrat der Lied- lungS- und Wohnungsfiirsorgegesellschaft „Sächsisches Heim", G. m. b. H., in Dresden an Stelle des ver storbenen Abg. Schreiber, wird einstimmig an Stelle des verstorbenen Abg. Schreiber (Landv.) Herr Abg Schladebach (Landv.) vorgeschlagen. Punkt 2 der Tagesordnung: Wahl eines außer ordentlichen Ausschusses gemäß 8 15 der Geschäfts ordnung des Landtags zur Förderung und Über wachung der Kunst- und Personalpolitik sowie des Geschäftsbetriebes der Staatstheater. Es werden einstimmig in diesen Ausschuß gewählt: die Abgg.Böchel, Tobbert, Güttler, Hartsch,Bogel und Frau Schlag von der SPD., vr. Blüher upd Voigt (D. Vp), Scheffler und Siegel (Komm.), Enterlein und Günther (Wirtsch), Vr. Eberle und Siegert (Dnat ), Kunz (Natsoz), vr. Wallner (Bolksr.) und vr. Kastner (Dem.) Punkt 3 der Tagesordnung: Erste Beratung über die Vorlage Rr. 5, den Geschäftsbericht der Landes» Vrandversicherungsanstalt auf das Jahr 19L8 betr. Abg. Schneider (Komm): Zu der Vorlage Nr. 5 wird die Kommunistische Partei im Ausschuß folgenden Entschließungsantrag einbringen und dort noch eingehend begründen: Ter Landtag wolle beschließen: die Regierung zu beauftragen, dem Landtage baldigst eine Vorlage zur Abänderung des Gesetzes über die Landes-Brandversicherungsanstalt vom 1. Juli 1910 sowie der dazugehvrenden Dienst anweisungen und Vorschriften vorzulegen, nach der Gesetz, Dienstanweisungen und Vorschriften wie folgt geändert werden: 1. Die Festsetzung der Versicherungsbeiträge erfolgt einheitlich nach dem Wert der Brandversicherungs summe 2. die Brandversicherungskasse hat einen Fonds bereit zustellen, aus dein a) zur Reparatur alter, stark zerfallender Gebäude, zur baulichen Ausbesserung Zuschüsse bis zu 75 Proz des Brandkasseuwertes zur Verfügung gestellt werden, d) zur Ncuerstelluug von vollständig zerfallenen und abbruchnotwendigen Gebäuden die volle Brandversicherungssumme als Baukostenzuschuß gewährt wird; 3. Gebäude, deren Brandversick-erungswert 12000 RM. übersteigt, werden von diesen Bestimmungen aus geschlossen. Wo mehrere Gebäude mit geringerem Wert in einer Hand vereinigt sind, erfolgt ebenfalls Ausschluß. Das Gesetz vom l. Juli 1910 ist unter den heutigen Verhältnissen überholt. Erstens einmal wird heute um ungefähr 100 Proz. teurer gebaut als vor dem Kriege. Die Baukostenzuschüsse, die für verfallene Gebäude bei der Erstellung von harter Dachung und Brandgiebeln gewährt werden, betragen jetzt sozusagen bloß noch die Hälfte gegenüber der Zeit vor dem Kriege. Weiter ist Tatsache, daß die Brandkassenbeiträge längst nicht mehr den gegebenen Verhältnissen entsprechen. Die Grundlage zur Einziehung der Brandkassenbeiträge ist vollständig überholt. Eine Härte besteht darin, daß der Besitzer von alten Gebäuden, für die ununterbrochen schon feit 200 Jahren Brandversicherungsbeiträge bezahlt wurden, jetzt die Brandkassenbeiträge noch weiter bezahlen muß. Wenn eine Rechnung darüber ausgestellt würde, so glaube ich, daß sicher festgestellt würde, daß der Brandkassenwert Mr diese Gebäude schon vollzählig abgetragen ist. Es rst doch m der allgemeinen Bersicherungspraxis üblich, daß für diejenigen, die eine langjährige Versicherung abgeschlossen haben, mit der Länge der Zeit auch Dividenden bzw. eine Verringerung der Beiträge er setzen. Aber hier bei der LandeS-BrandversicherungsanfM, fraktion eine Erklärung abgegeben, in der die Be hauptung aufgestellt wurde, daß die Vertreter der Kommunistischen Landtagsfraktion im Rechtsausschuß gegenüber dem Vorstoß der Mehrheit zur Hebung der bestehenden gesetzlichen Feiertage am 9. November und 1. Mai eine solche Haltung eingenommen haben, daß damit eine Unterstützung der bürgerlichen Mehr heit gegeben gewesen wäre. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Die Kommunistische Landtagsfraktion weist diese Behauptung mit aller Entschiedenheit zurück. Die Vertreter der Kommunistischen Partei haben im Aus schuß ausdrücklich erklärt, daß sie gegen die Ansetzung der Rechtsausschußsitzung protestieren, daß sie den Vorstoß der sächsischen Reaktion mit aller Entschieden heit zurückweisen und eine Mobilisierung der Arbeiter gegen die sächsische Reaktion einleiten. Die Vertreter der Kommunistischen Landtagsfraktion erklärten die ausdrückliche Unterstützung des Vorgehens der sozial demokratischen Vertreter. Die Vertreter der Kommunistischen Landtagsfrak- tion haben dabei im Ausschuß die besondere Einstellung der KPD. zum 9. November besonders betont. Sie haben darauf hingewiesen, daß der 9. November keineswegs der Ausgangstag für einen Sieg der proletarischen Revolution darstelle, sondern daß sich an ihn anknüpfen die Niederknüppelung der revolutio nären Bewegung der Arbeiterschaft. Die Vertreter der Kommunistischen Landtagsfraktion haben — wie das schon im Plenum durch ihren Redner geschehen war — auch im Rechtsausschuß erklärt, daß sie die Haltung der Sozialdemokraten als eine Täuschung der Massen kennzeichnen. Die Sozialdemokraten lehnen es ab, der Reaktion Massenkundgebungen und politische Streikbewegungen entgegenzustellen. (Zuruf b. d Soz.: Tas wissen Sie ja gar nicht!) Die KPD. bezeichnet das Einsetzen solcher Maß nahmen als die einzig mögliche Kampfbasis, den Vor stoß der Reaktion zurückzuweisen. Eine solche Haltung der kommunistischen Vertreter bedeutet eine schärfere Kampfansage gegen die Reaktion. Bei der Einleitung eines solchen Kampfes stellen sich die Sozialdemokraten und Gewerkschaften in eine Front mit der bürgerlichen Mehrheit gegen die Kom munistische Partei. Dieses Verhalten der Sozial demokraten zeigt vor der breiten Öffentlichkeit, wer dem Bürgertum Hilfsdienste leistet, nicht die Ver treter der Kommunistischen Partei, sondern die Sozial demokraten. Tas Auftreten der Vertreter der KPD. zeigt auch in dem jetzigen Kampfe gegen die sächsische Reaktion die Kommunistische Partei als die einzige Vertreterin der Interessen der werktätigen Mafien. (Lachen b. d. Soz.) Neben dieser Erklärung habe ich eine zweite Erklärung abzugeben zu dem Verhalten und dem Bor ¬ chen im Rechtsausschutz: Die unterzeichnete Landtagsfraktion erhebt hiermit entschiedenen Protest gegen die gegen alle Be stimmungen der Geschäftsordnung verstoßende Führung der Rechtsausschuß-Sitzungen durch den Vorsitzenden des Rechtsausschusses, den Herrn Vizepräsidenten v. Hickmann, und gegen die durch die Mehrheit des Ausschusses durchgeführte, mit dem Wortlaut der Ge ¬ schäftsordnung nicht zu vereinbarende Auslegung der gefchäftsordnungsmäßigen Bestimmungen. Nach dem 8 38 Abs. 5 steht einer Minderheit des Ausschusses das Recht zu, daß Anträge und - Be gründungen solcher Minderheiten neben den Anträgen und Begründungen der Mehrheit ebenfalls gedruckt werden. Der 8 39 Abs. 3 gibt der Minderheit das Recht, ihren Antrag durch einen aus ihrer Mitte ge wählten Berichterstatter vertreten zu lassen. Stellte schon die gesamte Geschäftsführung während der Beratung der Vorlage Nr. 13 und der Anträge Nr. 137 und 201 eine ununterbrochene Vergewaltigung der Minderheit dar, so ist die Tatsache, daß der Vor sitzende des Ausschusses mit Zustimmung der Mehrheit für heute, den 29. Oktober, vorm. ^/,10 Uhr eine Sitzung einberief, obgleich sich der gesamte Ausschuß darüber klar war, daß es den Minderheitsbericht erstattern unmöglich war, bis zu diesem Termin einen schriftlichen Bericht zu erstatten, ein offensichtlicher Verstoß gegen die Bestimmungen des 8 38 Abs. 5. (Sehr richtig! b. d. Soz. u. Komm. — Widerspruch b. d. Dem. u. b. d. D.Vp.) Die Kommunistische Landtagsfraktion ist sich keines wegs darüber im unklaren, daß die bürgerliche Mehr heit zur Durchsetzung ihrer Interessen vor einem Bruch der gefchäftsordnungsmäßigen Bestimmungen nicht zurückschreckt. Die Kommunistische Partei weiß, daß die Durch führung eines Kampfes für die Interessen der Arbeiter, daß Kämpfe gegen die reaktionären Vorstöße nicht auf dem Boden des Parlaments, fondern nur im außerparlamentarischen Kampf auszutragen sind. Die Kommunistische Partei hat auch die Massen der Arbeiter darüber keineswegs im unklaren gelassen. Sie führt eine außerparlamentarische Mobilisierung gegen den reaktionären Vorstoß durch. Die Kommu nistische Partei kämpft nicht um den 9. November als einen Feiertag des Proletariats, aber sie weiß, daß diesem Vorstoß, der eine Machtprobe des Bürgertums darstellt, weitere außerparlamentarische Angriffe durch