Volltext Seite (XML)
AMKilW zv AWe« NlilitzeitW Nr. 208. zu Nr. 13 des Hauptblattes. 1929. Beauftragt mit der Herausgabe ReglerungSrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. Vorbemerkung der Tchriftleitung: Die ans der Kommunistischen Partei auSgefchtoffenen Abgg Böttcher, Lieberasch, Rötzscher. Schreiber und Siewert haben fich zu einer neuen Kommunistischen Fraktion zufammeugetan und nennen sich bis aus weiteres „Oppositionelle Kommunisten" (abgekürzt: Oppos. Komm.). SV. Sitzung. Dienstag, den 15. Januar 1S2S. Stellv. Präsident Vr. Eckardt eröffnet die Sitzung 13 Uhr 7 Minuten nachmittags. Am RegierungStifche Ministerpräsident Heldt, die Minister vr. Apelt, Elsner, vr. v. Fumetti, vr. Kaiser, vr. Krug v. Nidda und Weber, sowie Negierungsvertreter. Bor Eintritt in dH Tagesordnung begrüßt Stellv. Präs. vr. Eckardt die Abg. Frau Ida Bauer aus Leipzig-Paunsdorf, die an Stelle der verstorbenen Land tagsabgeordneten Frau Martha Schilling in den Land- tag eingetreten ist. Hierauf erhält das Wort zu einer Erklärung der Abg. Böttcher. (Lebhafte Zurufe und Unruhe.) Abg. Böttcher (Oppof. Komm.): Meine Damen und Herren! Ihre Katzenmusik können Sie sich sparen (Zuruf b.d. D. Vp.: Den Jammer haben Sw!); sie ist weder originell, noch dürfen sie Sensationen erwarten. Die Krise in der KPD. zwingt uns, mit dem nach stehenden Manifest vor die Arbeiterschaft Sachsens zu treten Jahrzehntelang auf dem linken Flügel der deut schen Arbeiterbewegung für die proletarische Revo lution kämpfend, werden wir von der jetzigen Führung der KPD. nichts weniger als des Rene gatentums und der Liquidierung des Kommunismus bezichtigt. (Sehr wahrt b. d. Kpmm.) Der Kampf der Opposition innerhalb ier KPD. ist bereits über den Rahmen der Parteiorganisation hinausgewachsen. (Abg. Renner: Sehr richtig!) Unser Kampf ist täg liches Diskussionsthema unter den kommunistischen sozialdemokratischen Arbeitern in den Betrieben und Gewerkschaften. Tie ossiziöfe kommunistische Presse und die sozialdemokratischen Führer sind sich dann einig, daß wir uns „auf dem Wege zur SPD." be- finden. (Lachen b. d. Soz. — Abg. Nenner: Sehr richtig!) Dabei werden Ursache, Verlauf und Er gebnisse unserer Opposition schematisch verglichen mit den bisherigen oppositionellen Bewegungen im Lager des Kommunismus. Keine Verdrehung, Ver leumdung und Lüge ist dumm genug, sie »miß den noch zur Verdächtigung und Herabsetzung unseres Vorgehens herhalten. (Hört, hört! b. d. Soz.) Der politische Zweck unserer Opposition und nicht zuletzt auch die Kampfesweise unserer Feinde innerhalb und außerhalb der KPL. zwingen uns, vor der gesamten Arbeiterschaft unsere Sache zu vertreten. Dabei lassen wir uns von dem alten marxistischen Grundsatz leiten, daß alle taktischen Streitfragen innerhalb der revolutionären Avantgarde des Proletariats Gemein- gut aller derjenigen sein muß, denen der Kampf um die Befreiung der Arbeiterklasse kein bloßes Lippen bekenntnis bedeutet. (Abg. Siewert: Sehr richtig!) Die Ursachen der gegenwärtigen Krise in der KPD. Zorn, Enttäuschung und Mißmut haben zahlreiche ehrliche revolutionäre Arbeiter gepackt, als sie sahen, daß sich die Kommunistische Partei, ihr Glaube und ihre Zuversicht in schweren inneren Kämpfen ver zehrt, weil es die Führung der Arbeiter nicht ver stand, Korruptionserscheinungen in proletarischer Weise zu liquidieren (Abg. Dobbert: Hört, hört!) und weil zum Hohn die besten Elemente, die gegen die Korruption kämpften, aus der Partei herausgeworsen wurden. (Lebhaftes Hört, hört! b.d. Soz) Eins ist klar: unmittelbar kann nur der Gegner aus dieser Spaltungstaktik der KPD -Führung Gewinn ziehen. (Abg. Siewert: Sehr richtig!) Doppelt ist deshalb die Opposition in der KPD. notwendig und politisch begründet. Weil wir die Notwendigkeit dieser Opposition bejahen, deshalb setzen wir alle Kräfte ein, um die Arbeiterschaft für uns zu gewinnen, des halb werden w»r kämpfen bis -um Sieg! (Abg. Renner: Bis zum Schiffbruch!) Die Wurzeln der Opposition liegen in der gegen wärtigen politischen Situation in Deutschland. Noch immer befinden wir uns im Wellental zwischen zwei Revolutionen. Der erste große Anlauf der proletarischen Revolution nach dem Zusammenbruch im Jahre 1918 ist von der Bourgeoisie zurückgeschlagen. Der Kap»- tali-muS hat seine große, unmittelbar mit Krieg und Inflation zusammenhängenden Erschütterungen über- wunden. Mit dieser Rationalisierung Hand m Hand ging die Verschärfung der Vertrustung und Monopo lisierung des deutschen Kapitalismus. Der Versuch einer imperialistischen Revision des Versailler Ver trage- soll die Großmachtsteüung der deutschen Bourgeoisie wiederherstellen. Die imperialistische Politik der herrschenden Klasse Deutschlands bedingt jedoch gleichzeitig das Wachstum der Widersprüche der kapitalistischen Stabilisierung, die Erhöhung neuer Kriegsgefahren und eine stetig zunehmende Ver schärfung der Klassengegenfätze. Die gesamte Epoche des Imperialismus ist absterbender Kapitalismus. Der Sturz des Kapitalismus erfolgt jedoch nicht von selbst. ES gibt für die herrschende Klasse kerne ausweglose Situation, solange ihr das Proletariat nicht die Herrschaft entreißt. (Sehr richtig! b. d. Komm.) Noch ist dieser Zeitpunkt nicht gekommen. Die deutsche Arbeiterklasse befindet sich gegenwärtig noch im Stadium der Sammlung zur Vorbereitung des zweiten Anlaufs der proletarischen Revolution Aus dieser Einschätzung der Lage gilt es, die taktischen und strategischen Schlußfolgerungen für den Kampf der Arbeiter zu ziehen. Die jetzige Führung der KPD. versteht nichts von den tatsächlichen Kräfteverhältnissen des Kapitalismus in der gegenwärtigen Situation Sie erklärt die reale Einschätzung des bestehenden Kräfteverhältnisses für Opportunismus. Die gegenwärtige Stabilisierung des Kapitalismus wird als „verfaulte" Stabilisierung dargestellt und das unmittelbare Heranreifen einer neuen akut revolutionären Situation verkündet. An die Stelle einer bewußten Stärkung der in der Epoche des Imperialismus ständig wachsenden Widersprüche und der Verschärfung der Klassengegensätze setzt die jetzige Führung der KPD. die passive Hoffnung auf den mechanischen Zusammenbruch des Kapitalismus. (Abg. Kautzsch: Sehr richtig!) Aus dieser unmarxisti schen Einschätzung der politischen und ökonomischen Kräfteverhältnisse gelangt die Führung der KPD. zu einerTaktik, die den Schwierigkeiten des revolutionären Kampfes ausweicht und an die Stelle leninistischer Arbeit in den Gewerkschaften und Masseorganisationen Offensivphilosophie setzt und die Unorganisierten feiert als bessere Revolutionäre wie die Organisierten. (Hört, hört! b. d. Soz. — Abg. Nenner: Dieses Dokument werden wir aufheben!) Auf Grund dieser falschen Einschätzung werden die gegenwärtigen Kämpfe der Arbeiterklasse in Deutsch land als Offensivkämpfe bezeichnet. Die Führung der KPD. erklärt den durch die reformistische Niederlagen strategie verlorenen Ruhrkampf als Durchbruchsschlacht der revolutionären Gewerkschaftsopposition und betont, daß die Mehrheit der Arbeiterklasse die Politik der reformistischen Führer vollständig erkannt habe, so daß eine Anwendung der Einheitssronttaktik nicht mehr notwendig sei. Die falsche Einschätzung der politischen und ökonomischen Lage in Deutschland führt zwangs läufig zu jener Politik der ultralinken Phrase und Einflußlosigkeit, wie sie durch den jetzigen Kurs des KPD.-Zentralkomitees gekennzeichnet wird. Die Hauptaufgabe der Kommunisten in der gegen wärtigen Situation besteht in der Eroberung der Mehrheit der entscheidenden Schichten des Proletariats für den revolutionären Klassenkampf. Diese Aufgabe steht praktisch vor den deutschen Kommunisten in der Form der Zurückdrängung des reformistischen Ein- flnsses, der Vernichtung der Sozialdemokratie als ausschlaggebende Macht innerhalb der deutschen Ar beiterklasse. Die Hauptstütze der Koalitionspolitik und Wirtschaftsdemokratie sind neben der SPD die Gewerkschaften. (Sehr richtig! b. d. oppos. Komm.) Mit Hilfe der Gewerkschaften wird die re formistische Ideologie auch in breite Schichten poli- tisch unorganisierter Arbeiter getragen. Die Gewerk schaften werden von den mit der kapitalistischen Re publik verbündeten sozialdemokratischen Führern als Bollwerk gegen die Revolution eingesetzt. Die Rede Stalins in der Präsidiumssitzung des EKKJ. stellt die deutschen Kommunisten erneut vor die Frage der Gewerkschastsfpaltung. Schon mehr fach, so auf dem Heidelberger Parteitag und in der Ruth-Fischer-Periode, standen die deutschen Kommu- nisten vor dieser Frage. Alle Experimente der Grün dung selbständiger Gewerkschaften sind elend zusammen- gebrochen. Wer fich von den Massen isoliert, kann vorübergehend gewerkschaftliche Splitterorganisationen schaffen, niemals aber Massenorganisationen, die einen Machtfaktor darstellen. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Im vollen Umfang gilt heute noch die Forderung Lenins: Um den Massen zu helfen und die Unter- stützung und die Sympathie der Massen zu erwerben, muß man nicht die Schwierigkeiten, die Intrigen, die List, die Beleidigung und Verfolgung seitens der Führer fürchten (die als Opportunisten und Sozialchauvinisten in der Mehrzahl der Fälle direkt oder indirekt mit der Bourgeoisie und der Polizei verbunden sind), sondern unbedingt dort arbeiten, wo die Masse ist. Man muß Opfer bringen, die größten Hindernisse zu überwinden verstehen, um systematisch, beharrlich, hartnäckig-geduldig gerade in den In stitutionen, Vereinen, Verbänden zu propagieren und agitieren, wo proletarische und halbproletarische Massen sind. Die Gewerkschaften aber sind gerade die Organisationen, wo die Massen sind. Diese ein deutige Stellung Lenin- ist unS auch heute noch Richtschnur deS Handeln». ES gilt, die Gewerkschaften au» Werkzeugen de» Imperialismus in Waffen der Revolution zu verwandeln. Dies ist unser Ziel. Zur Erreichung desselben müssen wir aber innerhalb der Gewerkschaften arbeiten und nicht feige davon laufen. (Sehr richtig! b. d. oppos. Komm.) Um ihre Kapitulation vor der Gewerkschaftsbureau- kratie zu verschleiern, erfindet die Führung der KPD. die Theorie, daß die Unorganisierten bessere Revo lutionäre feien als die Organisierten. (Hört, hört! b. d. Soz.) Diese Behauptung führt logisch zur Ver neinung jeder gewerkschaftlichen Organlsationsaroeit. Sie ist ein Freibrief für Passivität und keineswegs geeignet, die Arbeiterschaft zur Opferbereilschaft und Solidarität für ihre eigene Klasse zu erziehen. Diese unleninistifche Theorie biloete die Grundlage für die Strategie der KPD.-Führung im Ruhrkampf. Sie führte dazu, daß die Unorganisierten der Aus gangspunkt für die Bildung von Kampfleitungen wurden. Weil die kommunistische Führung ihre Hauptarbeit nicht in die Gewerkschaften verlegt hatte, deshalb mußten die Kampfleitungen zu einer komödien haften Episode und ihr Abgang beim Ende des Kampfes zu einem opportunistischen Skandal werden. Dieselbe verhängnisvolle Politik der Isolierung von den Massen wird von der Führung der KPD. für die bevorstehenden Betriebrrätewahlen angekündigt. In einer Zeit, in der die Reformisten noch das unbestrittene Monopol der Führung in den Verbänden haben, in einer Zeit abslligender Koniunltur mil Betriebsstillegungen und Massenai bkitswsigkeit fordert die Führung der KPD. die Ausstellung selbständiger Betnebsrätelisten der GewerkschaftsopposiNon in den Betrieben. Diese Taktik ist nichts anderes als das mit revolutionärer Phrase maskierte Davonlaufen vor den Schwierigkeiten einer langwierigen, geduldigen, unerbittlichen Arbeit in den Gewerkschaften und Be trieben. Die völlige Preisgabe der von Lenin ausgear beiteten Strategie und Taktik zur Eroberung der Massen wird begründet mit dem Hinweis, daß die Mehrheit der Arbeiterklasse das Wewn der Reformismus erkannt habe, und daß aus diesem Grunde neue Er fahrungen und selbständige politische Erkenntnisse aus dem eigenen Erleben der Arbeiter nicht mehr not wendig feien. Dabei steht fest, daß die Mehrheit der organisierten Arbeiter sich noch unter rejolmistifcher Führung befindet und daß Millionen Unorganisierter in der Gefolgschaft des Reformismus marschieren, und dies trotz unzLYNger unerhörter und beispielloser Ber- räiereien der reformistischen Führer an den Inter essen der arbeitenden Klassen. Ebensowenig wie die Herrschaft der Bourgeoisie von allein zufammenbricht, ebensowenig bricht die Vorherrschaft des Reformismus von selbst zusammen. Diesen Zusammenbruch herbei zuführen, ist Aufgabe der Konnnunistifchen Partei als der Kraft, die das Proletariat mit den Mitteln deS Klassenkampfes zum Siege führt. Die Methode zur Erreichung dieses Zieles ist die von uns mit Lenin zusammen in ihren Grnndzügen ausgearbeitete Taktik der Einheitsfront. Diese Taktik ist für uns in erster Linie eine Methode zur Akti- visierung und Mobilisierung der Massen. Eine leni nistisch durchgeführte Einheitsfronttaktlk muß in ihrem Ergebnis immer eine Stärkung der Kampfposilionen der Arbeiterklasse zeitigen. Zugleich werden breite Schichten der sozialdemokratischen Arbeiter überzeugt von dem arbeiterfeindlichen Charakter des Reformis mus. Geschieht dies, dann ist auch der Weg frei für eine weitere Linksentwicklung der Arbeitermassen. Wir erblicken in den sozialdemokratischen Arbeitern also nicht billige Objekte unserer Agitation, vielmehr unsere Klassengenossen, ohne und gegen deren Über zeugung und Entschlossenheit die proletarische Revo lution in Deutschland nie siegen wird. Deshalb ist cS uns aufs ernsteste darum zu tun, diese Klassen genossen nicht durch eine verfehlte Politik abzustoßen, wie es die Führung der KPD. tut, sondern sie mit den Mitteln der politischen Überzeugung und geistigen Beeinflussung für den Kommunismus zu gewinnen. Ausgehend von der politischen Reife und den Er fahrungen der sozialdemokratischen Arbeiter gilt es, die rückständigen Schichten auf das Niveau der fort geschrittensten Teile des Proletariats zu bringen. Damit ist schon gesagt, daß unser Weg nicht zu historisch überwundenen Formen zurückführt: zum Re formismus, sondern vorwärts: zur sozialen Revolution. Die Bedingungen der deutschen Revolution. Unser Kampf gegen die Führung der KPD. richtet sich auch gegen die schematische Übertragung des Ver laufs der rnfsischen Revolution auf Deutschland. Die Bedingungen deS politischen Machtkampfe» sind in Deutschland wesentlich andere als in Rußland. Aufgabe einer revolutionären Partei ist in erster Linie, die Strategie des proletarischen Ausstande» und der Massengewmnung unter den Bedingungen der bürger lichen Republik mit allen ihren politischen, ökonomi schen und militärischen Machtmitteln auf Grund eigenen Studiums und selbständiger Erfahrung au-zuarbelten. (Abg. Siewert: Sehr richtig!) Wir befinden unS dabet in voller Übereinstimmung mit Lenin, der immer wieder fordert, daß die Kommunisten ganz bewußt die konkreten Eigentümlichkeiten in Betracht ziehen, die dieser Kampf in jedem einzelnen Lande gemäß den originellen Zügen seiner Wirtschaft, Politik, Kultur, seinem nationalen Bestände, seiner Kolonien, seiner