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57. Jahrgang Mittworb, den » November L8S8 2«» o Bezirks - Anzeiger Amtsblatt der Königlichen Amtshauptmannschaft Flöha, des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg Einspaltige Petit-Zeile oder deren Raum 10Ps.; im amtlichen Teile pro Zeile 30 Ps.; „Eingesandt" und Reklame unter dem Rcdaktionsstrich 2b Pf. — Komplizierte Inserate nach beson derem Tarif. — Für Nachweis und Offerten - Annahme werden pro Inserat 2bPf.extra berechnet Erscheint ttgNch mit Ausnahme der Sonn-und Festtage, abends für den fol- genden Tag. Preis vierteljährlich 1 M. b0 Ps„ monatlich bO Pf., Einzelnummer bPs. Bestellungen '-erden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Aus- gabcstellen, sowie allen Pvslanstalten angenommen. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Romberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von C. G. Noßberg I» Frankenberg I. Sa. ls Die Aufgabe von Inseraten ersuchen wir im Interesse der rechtzeitigen Fertigstellung und Ausgabe unseres Blattes gefälligst so zeitig als möglich erfolgen zu lassen. Größere Inserate erbitten wir bis vormittags 8 Uhr, während kleinere Inserate bis 11 Uhr mittags Ausnahme finden. Für später einlaufende Anzeigen können wir eine Garantie des Abdrucks in der bezüglichen Abendnummer nicht übernehmen. Bekanntmachung. öS« 18. rrs«si«t»sit v-, findet von Nachmittags Uhr an »akeivtU«!»« 8«I»U88«8 im hiesigen Verhandlungssaale statt. Königliche Amtshauptmannschaft Flöha, am 5. November 1898 von Loebe« » Frankreichs Rückzug aus Faschoda. Unter den telegraphischen Meldungen der letzten Tage befand sich eine Note der Pariser „Agence Havas": „Die Regierung be schloß, die Mission Marchand in Faschoda nicht aufrecht zu hal ten. Dieser Beschluß wurde vom Ministerrate nach eingehendster Prüfung gefaßt." Die genannte Agentur ist offiziös und ver öffentlicht nichts ohne Billigung durch die französische Regierung. Damit wird, wie der „Dresdn. Anz." schreibt, also gleichsam of fiziell bestätigt, daß Frankreich vollkommen und bedingungslos nachgiebt, wie cs in den letzten Tagen wiederholt als das wahr scheinliche Ergebnis der Sachlage hingestcllt wurde. Damit ist weiter gesagt, daß nicht nur die Faschodafrage erledigt ist, son dern daß auch die ägyptische Frage, die Anwesenheit englischer Truppen am Nil, zur Zeit nicht weiter aufgeworfen wird. Ja, im Grunde hat England mit seinen Ansprüchen auf das Protek torat über Aegypten einen neuen Triumph gefeiert und dieselben befestigt. Wenn sein bloßes Drohen genügte, um die Franzosen, die schon eingetroffen waren, hinauszutreiben, so ist daS ein fol genschwerer Präzedenzfall für die Zukunft. Die englischen Rü stungen sind mit Bezug auf den Faschodafall nunmehr gegen standslos geworden. Der „W. Z." berichtet man über die Sache noch aus London vom 4. November: „Obwohl die englische Ad miralität offenbar eine ungewöhnliche und rege Thätigkeit entfaltet, so sollte man sich doch davor hüten, dis Dinge durch das Ver größerungsglas der englischen Jingobiälter, ja seiner Presse und Telegraphenagenturen überhaupt zu betrachten, und dabei nicht vergessen, daß die meisten kontinentalen Agenturen ihre englischen Nachrichten nicht von eigenen Korrespondenten, sondern einfach aus englischen Agenturen beziehen, die ihrerseits wieder, wenig stens in nationalen Fragen, vx oMcio oder freiwillig offiziös find und ausschließlich im englischen Interesse arbeiten. Die eng lische Regierung will aber ganz offenbar im gegenwärtigen Augen blick mcht nur Frankreich, und in zweiter Linie Rußland, sondern ganz Europa imponieren, zumal letzteres eine kostenlose Beigabe ist. Nun zeigt aber schon ein selbst oberflächlicher Vergleich der veröffentlichten Angaben, daß ein großer Teil derselben übertrie ben, ein anderer einsach erfunden ist. Es ist immer dieselbe Ge schichte: jede Agentur und jedes Blatt will und muß um jeden Preis etwas anderes, eigenes bringen — die Leser selbst verlan gen eS so, und zwar bei Strafe des Abfalles — und da schlichte Fakta, namentlich in solchen Dingen, meist Gesamtgut sind, da sie fast auSnahmloS aus denselben amtlichen Quellen fließen, so wird eben, sei es vom Reporter, sei cs von der Redaktion selbst, erfunden. Seit vier Tagen giebt notorischerweisc die Admiralität keine Nachrichten mehr aus, die der Druckerschwärze wert wären; die Zeitungen sind, wie bekannt wird, aufgcsordert, sonstwie er haltene Informationen nicht zu veröffentlichen. Was soll da wohl noch zu melden sein? Bezeichnenderweise kommen auch alle Sen sationsnachrichten aus den äußersten Winkeln dcs ErdballeS, von wo ein Dementi nicht zu erwarten ist oder doch leicht als un- In der Krandung de» Ledens. Roman von I. von Werth. S2. Fortsetzung. (Nachdruck verdaten.! Während Günther mit ihrem Tuche sorgsam den Schnee aus RoseS Nacken entfernte, berührte er leise und unbemerkt mit seinen Lippen den dicken Knoten des braunen Haares, das damals unter dem Wcihnachtsbaum, als er sie zuerst erblickte, in dicken Ringeln um ihr« Schultern gefallen. Als sie das Tuch dankend und doch ein wenig verwirrt aus seiner Hand zurücknahm, kamen di» Kinder wieder den Hügel heraus. „Onkel Froh>eich", ries Carlo, „wir wollen Fräulein Rose umzingeln und gcsangen nehmen. Dann muß sie sich auslösen." Im nächsten Augenblicke schon nar cs geschehen. „Was »erlangen meine gestrengen Ucberwindcr", fragte Rose demütig, „das ich thun soll, um meine Freiheit zurückzukausen?" „Onkel Frohrelch muß es bestimmen," rief Lia. „Die Gefangene soll uns ihr schönstes Lied singen," erwiderte Günther. „Ja, ja", Carla klatschte vergnügt in die Hände, „und dann soll sie einen Tanz spielen, damit wir mit dem Onkel Frohrcich tanzen können." „Wenn die Gesangene ihr Ehrenwort giebt, die Bedingungen zu ersüllen, wollen wir sie frei lassen," schlug Günther vor. Die Hände lösten sich und lachend eilten sie alle dem Hause zu. Auf dem Balkon trat ihnen der Konsul entgegen. „Ich muß in einer Stunde verreisen", sagte er und schaute mit wehmütigem Entzücken in Roses frische« Antlitz mit den großen, glänzenden Augen. Er nahm ihre Hand, von der sie eben den feuchten Handschuh abgestreist, und suchte sie in den kontrollierbar zurückgewiesen werden kann. Richtig ist, daß die Admiralität erstens die englische Küstenvertcidigung bereitstellt, und außer den 35 Torpedozerstörern, welche in kleine Abteilungen von je vier Böten zerlegt werden sollen, das viel erwähnte „Spezial- Aktionsreservegeschwader" zusammenzieht, das nun endgiltig wie folgt zusammengesetzt ist und Admiral Sir Compton Domoille unterstellt wird. Kriegsschiffe: „Alexandra", „KolossuS", „Rod ney", „Bcnbov", „Collingwood", „Thunderer", „Nile", „Howe", „Sanspareil", „Trafalgar"; Kreuzer: „Galatea", „Severn", „Austral", „Mclampus". Und daS ist alles. Selbst dieses Ge schwader hat trotz aller gegenteiligen Meldungen noch nicht ein mal Kohlen eingenommen. Alle übrigen Meldungen auS dem Mittelmeere, besonders aber aus dem Indischen und Stillen Ozean, müssen mit ungeheurer Vorsicht ausgenommen werden, will man sie nicht sicherheitshalber gleich von vornherein in das Reich der „Erfindungen" verweisen." Der in Philadelphia erscheinende „Rekord" meldet, daß große Kohlenkontrakte für die britische Regierung daselbst abgeschlossen worden seien. Die Kohlen sollen sofort nach Britisch-Westindien, Kingston, Bermuda, St. Lucia und Demerara befördert werden. Auch in St. Thomas sollen Kohlen in allen Schiffen aufge speichert werden. Zwei britische Kriegsschiffe sollen nach Phila delphia beordert worden sein, um daselbst einigen Reparaturen unterworfen zu werden, welche man sonst gewöhnlich in Halifax oder Bermuda vornimmt. Aus Paris schreibt man über den Rückzug Frankreichs: Po litisch birgt er eine ganze Menge Zündstoff in sich. Wie die französische Regierung im Innern mit dieser Angelegenheit ins reine kommt, erscheint fast wie eine Nebensache, da auf den 4. November sowohl der Rückzug von Faschoda, als auch die Ver trauensabstimmung der Kammer für eben diese Regierung fallen. Die Regierung hat erklärt, „mit Methode und Würde zu arbei ten". Sie kann sich damit herauSreden, daß die bekannten „wich tigeren Ziele" von dieser Methode und Würde verlangen, daß so gefährliche weitliegende und weitgehende Streitfragen, wie ein Krieg mit England um Faschoda ist, friedlich beglichen werden müßten. Es ist kaum anzunehmcn, daß trotz aller harten Worte in Parlament und Presse die eben fertig gewordene Regierung Faschodas wegen wieder gestürzt werden sollte, denn das wäre erst recht der Krieg mit England, aber einen starken Riß wird die Sache zurücklasjrn, und schon jetzt erklären orleanistische Blätter, wie der „Soleil", daß bei dieser „unbedingten Friedensliebe der französischen Parlamentarier" die Nationalehre geopfert werde. Zähneknirschend wird sich das auch mancher Republikaner im stillen Kämmerlein sagen, und der weitschauende Politiker wird die An sicht gelten lassen müssen, daß England nach diesem glänzenden Erfolge künftighin alles wagen werde. England habe den großen Vorteil eines Söldnerheeres, während in Frankreich die unbe dingte Friedensliebe in Verbindung mit der allgemeinen Wehr pflicht jeden Krieg hindert. So tönt eS aus den Reihen der Opposition. Das ist eine bittere Ungerechtigkeit, denn daS „na- seinen zu erwärmen, während er fortfuhr: „Meine Schwester läßt Sie bitten, heute mit den Kindern mit ihr zu dinieren. Und, Herr Baron", wandte er sich an Günther, „wenn Sie nicht« Besseres vorhaben, würde meine Schwester sich freuen, Sie gleich falls bei sich zu sehen. Sie werden freilich sonst niemand Kei ihr finden." Günther nahm die Einladung erfreut an. Während Rose und die Kinder die Kleider wechselten, saß er drinnen im Salon, scheinbar in die Betrachtung eines Journals vertieft, aber seine Gedanken weilten noch immer draußen im Schnee. Ehe Rose in den Salon ging, that sie erst noch einen Blick in den Koffer dcs Konsuls, zu sehen, ob der Diener beim Packen nichts vergessen." Sie fand alles in gehöriger Ordnung und legte nur noch das Buch hinein, in welchem er dcs Abends gern zu lesen pflegte. Dann ging sie, ihr Wort einzulösen. Sie sang daS alte, süße Lied von den beiden KönigSkindcrn. Als sie ge endet hatte und aufblicktc, sah sie den Konsul an der Thür lehnen. Sic drückte die Hand auf das Herz und ihre Lippen flüsterten: „Johannes!" Hatte sie doch an ihn gedacht, während sie sang. Er war gekommen, sich zu verabschieden. Herzlich küßte er seine Kinder und hielt lange Roses Hand in der seinen. ES war, als würde es ihm schwer, zu gehen. Zur selben Zeit, als Rose mit Günther und den Kindern die kleine Hintertreppe Hinabstieg, um sich zu Signor- Paccinini zu begeben, drückte Johannes sich in die Ecke seines CoupecS. Er dachte schaudernd an sein Reise ziel: da» Irrenhaus zu F. Wenn er aber di- Augen schloß, sah er «ine schlanke Gestalt mit srischrotcn Wangen und glän- zcnden Augen. Ihre Hand ruhte in der seinen, und ihm war, al» hörte er sie fingen: tionale" Heer Frankreichs hat unter der dritten Republik mehr Kriege als jeder andere Staat in derselben Zeit geführt, inTong- king, Dahome, Sudan, Madagaskar u. s. ». Dabei hat eS sich unausgesetzt auf einen großen Krieg vorbereitet, der ganz allein die Absicht Frankreichs rst. Es ist der große „Revanchekrieg", der das alte chinesische Wort an Frankreich zu Schanden macht: „Da» Wasser hastet nicht an den Bergen, und die Rache nicht an einem großen Herzen." Gerade dies« sonstige kriegerische Be- thätigung der französischen Republik macht den Rückzug Frank reichs in Sachen Faschoda» — eine Demütigung, wie sie Frank reich seit 1870 nicht erlebt habe, sagen französische Blätter — zu einer sehr verdächtigen Angelegenheit. Im geschäftlichen und politischen Leben giebt man häufig Vorteile auf, um dafür größere zu erlangen. Hat der russische Leiter de» Auswärtigen, Graf Murawjew, bei seinem.neulichen Aufenthalte in Pari» größere Vorteile in Aussicht gestellt, falls Frankreich jetzt vor England zurückweiche? Und welche? Naiv wäre eS, zu glauben, Mu rawjew hätte den Bundesgenossen nur gebeten, den Abrüstungs- Vorschlag des Zaren jetzt nicht durch einen englisch-französischen Krieg zu stören. Welche geheimen Absichten aber auch die fran zösische Regierung zu dem Rückzug« geleitet haben mögen, da» eine ist sicher, daß Frankreich sich zu weit vorgewagt hatte, al» «S in Verbindung mit Abessinien England» Stellung in Aegypten gewissermaßen von hinten angreifen wollte. Dieser jahrelang vor bereitete Schlag ist mißglückt, gleichzeitig aber auch der mutmaß liche Plan des Prinzen Heinrich von Orleans, die Hilfe Abessi niens für Frankreich am oberen Nil in» Feld zu führen und dann beim Besteigen des französischen Throne» dem jungen französischen Königreiche Aegypten als Brautgeschenk in den Schoß zu legen. Vielleicht werden jetzt Engländer und Abessinier noch am oberen Nil aneinander geraten, aber Frankreich und mit ihm Rußland ist aus der Partie ausgeschieden, England sitzt fester denn je in Aegypten. Der Riß zwischen Frankreich und England ist aber tiefer denn je geworden, denn das wird Frankreich England nicht vergessen, daß dasselbe es jetzt schmachvoll durch daS Joch hat kriechen lassen. Diese vertiefte britisch-französische Feindschaft bildet in der That einen neuen Faktor in der Weltpolitik. Oertliches und Sächsisches. Frankenberg, 8. November 1898. f Neuartige Hundert- und Tausend-Markscheine werden demnächst in den Verkehr gelangen. Diese neuen Reichsbanknoten tragen das Datum 1. Juli 1898 und weisen verschiedene Ab weichungen von den alten Scheinen auf. So ist z. B. der Pflanzensaserstreifen nicht rechts, sondern links vom Datum gesetzt; bei den Hundert-Markscheiner. ist er rot, bei den Scheinen zu 1000 Mark grün gefärbt. Ferner haben die neuen Scheine noch ein zweites Wasserzeichen, welches abwechselnd einen großen Buch staben des lateinischen Alphabets in sich birgt. -j- Zu Ausflügen, insbesondere ins Alpenland, ist allerdings „Es waren zwei AönigSkindcr, Die hatten einander so lieb, Sie konnten zusammen nicht kommen, DaS Wasser war viel zu tief." Und dann dachte er wieder an die Irrsinnige und starrte nieder auf den schmalen Goldreif an seiner Hand, der sein Leben mit dem jener verkettete. * * * Vierzehn Tage waren vergangen, seit der Konsul abgereist war. Zufolge eines Briefes, der gestern an Signora Paccininis Adresse gelangt, wurde er heut« zurückerwartet. Rose saß im Schulzimmer der Kinder. Ein Buch, in welchem sie zu lesen ver sucht, lag aufgcschlagcn auf ihren Kniecn und sie erklärte Carla eben eine grammatikalische Regel. Als die Kleine sie verstanden hatte und zu ihrer Arbeit zurückgekchrt war, nahm Rose ihre Lektüre nicht wicder auf. Sie konnte ihre Ged«nken doch nicht bei dem behalten, was sic las. Immer wieder schaute sie auf die Uhr und lauschte hinaus in den dunklen Abend. Sie hatte heute da» Diner eine Stunde später bestellt und auch Signora Paccinini hatte versprochen, daran tcilzunehmen. Doch da, war das nicht das Rollen eines Wagens? Ja, jetzt wurde das eiserne Hosthor geöffnet und er lenkte mit schallen dem Husschlag unter den Säulcngang des HofeS. „Schnell, schnell, meine Lieblinge, die Federn fortgelegt, der Papa kommt," ries Rose und im nu waren die kleinen Mädchen au» der Thür. Rose eilte ihnen nach. Erst im Vorzimmer blieb sic stehen, während Carla und Lia schnell die Treppen hinunter sprangen. Weiter durfte sie ihm wohl nicht entgegen gehen? Mit gesenktem Kopfe schlich sic bis an di« Thür, wclche in o«n Salon führt«, zurück. Dort wollte sie ihn erwarten. Jetzt kam.