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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 21.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-189810214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-18981021
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-18981021
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-21
-
Monat
1898-10
-
Jahr
1898
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beleben? Bon einer dreifachen Mauer ist die Wunderstadt mit ihren 15- bi» 20000 Einwohnern umgürtet. Zwischen den Mauern befinden sich Paläste und Baulichkeiten, sowie umsang reiche Gärten und erst hinter der dritten Mauer befindet sich das innerste Wdiz, die eigentliche Residenz Abdul Hamids und nur 200 w davon entfernt liegt der Merasfim-KioSk, der für das deutsche Kaiscrpaar zur Wohnung bestimmt ist. Zwei Thore führen nach der kaiserlichen Merasfim-Refidenz. In dem Palast sührt eine breite Mannortreppe zu den Gemächern hinauf. Auf dem Fond der Treppe befindet sich eine Galerie für da» Orchester. Drei Empsangsalons stehen dem Kaiserpaar zur Verfügung. In jedem befindet sich als größte Sehenswürdigkeit ein Riesenteppich, woran 3000 Hände Tag und Nacht fast 14 Monate lang ar beiteten. Die Möbel sind im italienischen Barockstil, die rcichge. schnitzten Stühle 1m hoch, die Sophas 2 m hoch und 4 in breit. Ferner sind in jedem Salon an den Decken drei alte Krystall-Lustres von unschätzbarem Werte, in weiß und rosa ge halten, und an den Seitenwänden befinden sich 7 Kandelaber. Salon und Arbcitskabinett des Kaisers und der Kaiserin sind teilweise im Stile Louis XV., teilweise in englischer und italienischer Renaissance ausgeführt. Stur in den Prioatgemächern wurde Bilderschmuck, fast durchwegs erster französischer Meister, plaziert, während die Repräsentationsräume mit riesigen Porzcllanvasen, Szenen aus dem letzten griechisch-türkischen Kriege darstellend, ge schmückt sind. Der Merassimpalast hat eine eigene elektrische Be leuchtung. Der Bau des Palastes kostet 25000 Psund und die innere 'Neueinrichtung 30000 Psund. Oertliches und Sächsisches. Frankenberg, 20. Oktober 1898. P Wenn es nach der alten Wetterregel geht, so haben wir im nächsten Sommer viel Nässe zu erwarten, denn es heißt: „Nach St. Gallus Verkünden, wird sich der nächste Sommer be finden" und „Ist St. Gallus trocken, so folgt ein Sommer mit trockenen Socken". Am diesjährigen St. Gallustag, am Sonntag, regnete cs nun bekanntlich ziemlich arg. Ucberhaupt war unser diesjähriger Jahrmarkt wenig vom Wetter begünstigt, denn auch am Montag, dem Haupttag, war das Weiter sehr regnerisch, in den späteren Abendstunden und den Nachtstunden goß es sogar unermüdlich in Strömen. Daß der Dienstag dafür sonnig und schön war, dürste die Marktverkäufer leider nur wenig für die Einbuße am Haupttage entschädigt haben. Aber schon gestern trat wieder ein Witterungsumschlag ein. Dem trüben Tage folgte in den späteren Abendstunden starker Regen. Auch heute ist das Wetter regnerisch, wiederholt war sogar leichter Schneefall bemerkbar, der aber natürlich auf dem durchweichten Boden keine Spur hinterließ. P Vom 18. Oktober ab sind die Teilnehmer an der hiesigen Stadtfernsprechetnrichtung zum Sprechverkehr mit Gera (Reuß), Greiz, Weida und Hirschberg (Saale) zugelassen. Zugängig zum Sprechverkehr mit Frankenberg sind in diesem Jahre ferner noch die Stadtfernsprecheinrichtungen in Bad Elster, Flöha, Gerings walde, Hainichen, Jägersgrün, Johanngeorgenstadt, Lausigk, 'Ner chau, Ronneburg, Schellenberg und Zwenkau. — Gleichzeitig sei auf die in dem hiesigen Postamt befindliche öffentliche Aern- sprechstelle, welche nach den gemachten Erfahrungen immer noch nicht hinreichend bekannt ist, nochmals besonders Hingeiviesen und dieselbe der Benutzung des Publikums empfohlen. -j- Die Wintcrsaison mit ihren Konzerten, Vcreinsvergnügun- gen rc. ist eröffnet. Zu den erlesenen Genüssen, welche uns wäh rend dieser Hochflut von festlichen Veranstaltungen geboten wer den, gehören wohl unbedingt die Winter-AbonnementSkonzerte unserer vortrefflichen Stadtkapelle, deren erstes heute, Donnerstag, abend, im Saale der „Hochwarte" abgehalten wird. Wie stets, ist auch diesmal das Programm sorgfältigst und abwechslungsreich zusammengestellt. Wir können aber nicht umhin, aus demselben zu erwähnen, daß heute abend als ganz neu zu Gehör gebracht werden: Vorspiel zum III. Akt a. d. Oper „Das Heimchen am Herd" von C. Goldmark und zwei Streichquartette: „Traumver loren" und „Bosnische Legende" von Komszak. Erwähnt sei noch, daß, wie üblich, dem Konzert Ball folgt. -f- Wie der Chemnitzer Handels- und Gewerbekammer vom königl. Ministerium des Innern mitgetcilt worden ist, hat auf Anregung der großherzogl. badischen Regierung der kaiserl. Gou verneur von Deutschostafrika Proben von Zeugstoffen, welche nach dort für den Gebrauch der Eingeborenen eingeführt worden sind, beschafft. Diese Mustersammlung ist der Handels- und Ge werbekammer sür wenige Tage zur Vcrsügung gestellt worden und liegt sür die beteiligten Gewerbetreibende» bis Sonnabend, den 22. Oktober, und zwar vormittags von >/,9 bis 12 Uhr und nachmittags von ^3 bis >/,6 Uhr auf dem Büreau der Kammer, Theaterstraße 80 I, zur Ansicht aut. Interessenten werden hier aus ausmerksam gemacht. -f Eachsensttftung. Unentgeltlicher Arbeitsnachweis sür gediente Soldaten. Das Stellenangebot ist auch in diesem Monat so groß, daß jeder ehemalige Soldat, wenn er nur ernst lich arbeiten will und im Notsalle nicht wählerisch ist, durch die Sachsenstistung Stellung erhallen könnte. Die näheren Adressen der Geschäftsstellen können aus jedem Kompanie-, Eskadron- und Batteriegeschästszimmer, sowie bei jedem Bezirkskommando und Meldeamt erfragt werden. Auch im „Kamerad" werden sie monat lich einmal veröffentlicht. -f Flöha. Ueber die Eingemeindung der Ortschaften Plaue und Gückelsberg in die Gemeinde Flöha fanden in einer am Montag abend im Verhandlungssaale der kgl. Amtshauptmann- schaft Flöha unter Vorsitz des Herrn Amtshauptmann v. Locben abgehaltenen gemeinschaftlichen Sitzung der Gemeindevorstände und Gcmcindcratsmitglieder von Flöha, Gückelsberg und Plaue mit Bernsdorf erneute Verhandlungen statt, die sich aber zerschlugen, weil die Mehrheit deS Gemeinderats zu Plaue der Einverleibungs frage ablchncnd gegenüberstand. Eine in dieser Hinsicht für Sonnabend, den 15. d. M., geplant gewesene Versammlung der Gemeindeglieder von Plaue war seitens der kgl. Amtshauptmann schaft Flöha verboten worden. — Pastor Börner in Schellenberg ist in Großschirma zum Pfarrer der dortigen Kirchgemeinde erwählt worden. — Ein Deserteur von der französischen Fremdenlegion, ein Schuhmachergeselle aus Königstein, ist dieser Tage in Bremen im Freihafen mit den, deutschen Dampfer „Oldenburg" angekommen und an die Polizei abgcliefert worden. Der Genannte hat sich im Oktober 1893 in Mezieres sür die Fremdenlegion anwerben lassen und wurde nach Algier verschickt, wo er bis Juni dieses Jahres gedient hat, dann ist er zusammen mit 3 Kameraden — einem Deutschen, einem Belgier und einem Oesterreichcr — deser tiert und hat sich in Tanger bei der deutschen Gesandtschaft ge meldet, die ihn mit dem Dampfer „Oldenburg" nach Deutschland geschickt hat. Hier wird er der Militärbehörde als unsicherer Heerespflichtiger überwiesen. — Auf noch unerklärte Weise brach am Dienstag früh in dem Wohnhaus des Rentners Lockner in SchweikerShain bei Waldheim ein Brand aus, der das Gebäude bis auf die Um fassungsmauern cinäschcrte. Der Brandkalamitose, sowie sein mit im Hause wohnender Sohn hatten versichert; gerettet konnte säst nichts werden. — Ein Einbruch, dessen Beute die Diebe aber nicht fort schaffen konnten, da sie gestört wurden, ist nachts in Reichenbach i. V. auSgeführt worden. Aus dem Kontorraum der Firma Moritz Merkel jun.-Mylau, welche einen Wcbsaal im Liskowskyschcn Fabrikgebäude in der inneren Reichsstraße in Pacht hat, haben freche Burschen nach Ausschneidung eine» Fensters eine eiserne Kassette, die verschiedene Wertsachen und etwas Geld enthielt, über die Nottreppe heruntergeschafft bis in den Garten, worauf sie aber ihre Thätigl it einstellen mußten; die Kassette wurde am Morgen unversehrt ausgefunden. Die Polizei hat sofort umfassende Recherchen zur Ermittelung der Einbrecher, denen jedenfalls auch der vor acht Tagen in einer anderen Fabrik ausgeführte Diebstahl aufs Konto zu setzen ist, eingcleitet. — Am Dienstag abend kurz nach 6 Uhr wurde aus dem Ladeplatz des oberen Bahnhofes in Plauen i. V. ein in den dreißiger Jahren stehender verheirateter Handarbeiter dadurch er drückt, daß er zwischen einen mit Möbelstücken beladenen Möbel transportwagen und einen Güterwagen, die näher zusammengedrückt wurden, kam. Der Verunglückte war sofort eine Leiche. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Die Stelle des preußischen Gesandten beim Vatikan wird der „N. A. Z." zufolge nun doch schon in allernächster Zeit wieder besetzt werden. Das Regierungsorgan meldet nämlich, daß als Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Herrn v. Bülow sicherem Vernehmen nach der bisherige Gesandte des Reichs bei der schweizerischen Eidgenossenschaft, frühere Staatssekretär im Aus wärtigen Amte, Frhr. v. Rotcnhan, auscrsehen sei. An seine Stelle tritt der bisherige preußische Gesandte in Oldenburg, Vv. Alfred v. Bülow. Dieser soll durch den bisherigen Ministerresi denten in Luxemburg, vr. Grafen Henckel v. Donnersmarck, er setzt werden, an dessen Stelle als Gesandter der bisherige vor tragende Rat im Auswärtigen Amte, Geh. Legationsrat IN-. Mumm v. Schwarzenstein, kommen soll. Aus der Ernennung des Herrn v. Rotcnhan zum Botschafter beim Vatikan, die, wie gesagt, demnächst vollzogen werden wird, geht hervor, daß drr Konflikt wegen der ProtcktoratSirage beigelegt worden ist. — Wie gemeldet wird, hat der Reichstagsabgcordnetc sür Pleschen-Jarotschin, I)r. v. DziembowSki (Pole) sein Mandat niedergelegt, und zwar, wie- es heißt, infolge deS moralischen Druckes der polnischen Volkspartei, welche seine rechtmäßige Auf stellung bemängelte, v. Dzienibowski gehört zur sogenannten pol nischen Hofpartei. — Zu dem geplanten Attentat gegen Kaiser Wilhelm wird weiter berichtet, daß nach amtlicher Feststellung jede der bei den Bomben 2 Psund Knallqueckfilber und 26 Revolverpatronen von großem 6-Kaliber enthielt. Die Bomben selbst bestehen aus galvanisiertem Eise», das mit Bleidraht umsponnen ist. Die Auf findung der Bomben geschah in dem Magazin eine- Italieners zu Alexandria. Die Sprcngwerkzeuge waren in einer Kiste ver packt. Mit der Ueberbringung der Bomben nach Jaffa war ein aus Triest gebürtiger Italiener beauftragt. Dieser hatte sich an Bord des sür die Verschiffung der Bomben ausersehenen Dampfer» als Kellner in Dienst nehmen lassen. Eine gleiche Stellung hatte er sich schon in dem Hotel Bristol in Jaffa verschafft, um dort in unauffälliger Weise die Bomben für die zu ihrer Verwendung bestimmten Teilnehmer des Verbrechens aufzubewahrcn. — In folge der Aufdeckung deS Komplotts gingen sowohl der Konstan tinopeler Polizei als auch der in Palästina die strengsten Wei sungen zu. Die Vorsichtsmaßregeln wurden verdoppelt. — Der Gesetzentwurf zum Schutze Arbeitswilliger, der gegenwärtig in der Vorbereitung begriffen ist, bildet nach der Münchener „Allg. Ztg." z. Z. den Gegenstand kommissarischer Beratungen zwischen den verschiedenen, bei der Ausarbeitung be teiligten Stellen. Trifft diese Meldung zu, so sind auf die Um frage des Grafen Posadowsky nunmehr die Antworten aller Einzcl- staatcn eingegangen, womit der schwierigste Teil der Voi arbeiten für den Gesetzentwurf erledigt ist, sodaß die weitere Arbeit derart wird gefördert werden können, daß der Entwurf dem Reichstage in der bevorstehenden Session unterbreitet werden kann. — Bismarcks rusflche Politik. Das frühere Mitglied des Ministerrates und der Oberpreßvcrwaltung, Stremruchow, ver öffentlicht in dem Journal „Rußkaja Starine" eine Erinnerung an seine erste Begegnung mit dem Fürsten Bismarck in Gastein 1879. Bismarck beklagte sich über die russische Presse, die ihn heftig angreife. „Was soll ich denken", sagte der Kanzler, „von Ihrer Presse, deren Ansicht geteilt wird von einigen Ihrer Staats männer. Kaiser Alexander II. hat sich persönlich in einem Ge spräch mit General Schweinitz in diesem Sinne heftig geäußert. Ich weiß nicht, womit ich die heftige Stimmung der russischen Presse, Gesellschaft und Regierung verdient habe. Ich habe doch ehrlich alle Verpflichtungen gegen Ruhland, sowohl bis zum Be ginn des orientalischen Krieges, als auch zur Zeit des Berliner Kongresses erfüllt. Deutschland hatte freundschaftliche Neutralität versprochen und auch gehalten; cs hat sich sogar sür Oesterreich in diesem Sinne verbürgt. In Berlin endlich habe ich alle For derungen der russischen Bevollmächtigten erfüllt. Als eine scharfe Meinungsverschiedenheit anläßlich der Batumfrage hervortrat, ging ich zu Salisbury. Disracli war gerade krank und Salisbury spielte damals, nebenbei gesagt, die Rolle eines Untersuchungs richters über Kürst Gortschakow und Graf Schuwalow. Ich er klärte ihm (Salisbury) ganz offen, wenn die Batumfrage nicht im russischen Sinne gelöst werde, würde am nächsten Tage der Kongreß geschlossen werden. Ich that also alles, was ich konnte und was ich für meine Pflicht hielt. Ich konnte unmöglich mehr russisch sein als die Ruffen selbst, nicht royalistischer als der König selbst und nicht katholischer als der Papst. Wozu also die Ausfälle? Was hat Fürst Gortschakow gegen mich? Eher hätte ich Ursache, unzufrieden mit ihm zu sein. Er war es, der mir vor mer Jahren einen Schabernack gespielt hat, als cs sich da rum handelte, kaum einen Thaler auszugcben, um den Krieg mit Frankreich wieder zu beginnen. Ich aber habe das alles vergessen. Während des Kongresses befand ich mich mit Gortschakow im besten Einvernehmen, jetzt agitiert er gegen mich, während Ihre Presse hetzt. Diese hat Sie zum orientalischen Kriege geführt, sie wird Sie noch Gott weih wohin bringen. Freundliche Beziehungen zwischen unseren beiden Nationen sind ebenso naturgemäß wie notwendig, sodaß es geboten ist, sie zu erhalten, nicht aber zu zerstören. Die Freundschaft Frankreichs", sagte Bismarck zum Schluß, „ist gewiß eine angenehme Sache, doch kann man sich auch in der Berechnung irren." Vorstehende Unterhaltung war auch Kaiser Alexander II. bekannt, der sie sehr interessant nannte. Oesterreich-Ungarn. — Der österreichisch-ungarische Botschafter in Petersburg, Prinz Franz Liechtenstein, wird demnächst von seinem Posten ab- berusen und durch den bisherigen Botschaftsrat Grafen Welsers- heimb ersetzt werden. Schönheit, mit großen, dunkel-brennenden Augen, hatte soeben einen Zug gethan. „Das Gaslicht blendet," sagte sie in einem Italienisch, dem man ihre 'Neapolitaner Herkunft «nhörte. Dabei nestelte sie an den Schnüren, welche die Vorhänge vor dem Erker zusammen- hielten, bis sie herabficlcn und dem Licht des Kronleuchters den Zugang fast gänzlich verwehrten. Nun lehnte sie sich in den Sessel, lehnte das schöne Haupt aus die Lehne zurück, daß das milde Licht der roten Ampel voll und rosig über die clsenbleichen, klassisch-edlen Züge fiel und die kleinen, weihen Zähne zwischen den halbgeöffneten Lippen schimmern ließ. Die Blicke des Mannes waren längst von den bunte» Figuren ab aus das Weib ihm gegenüber geglitten und hingen jetzt an ihren halbgcschlossenen Lidern mit den langen, sanft gebogenen Wimpern. „Nun, Signor Giovanni", fragte sie endlich, ohne sich zu rühren, „haben Eie Ihren Zug noch nicht gethan?" „Ich sehe, Sie werden mich matt machen, Arianna." Sie schlug die Augen voll auf, lachte hell und heiter wie ein Kind und ries: „Sehen Sie, die Schülerin ist Ihnen über den Kops gewachsen. Und doch ist kaum ein Monat vergangen, seit Sic mich die- Spiel gelehrt." Nun richtete sie sich auf. „Aber ich bin gutmütig, ich habe Ihnen einen Ausweg offen gelassen." Dabei beugte sie sich über ein Tischchen, daß ihr Haar seine Stirn berührte und der warme Hauch ihres Mundes seine Wange streiste. „Gehen Sic mit Ihrem Springer dahin. Den nehme ich Ihnen dann freilich durch diesen Turm, doch Sie gewinnen dadurch Zeit, Ihre Königin unter den Schutz jener Bauern zu stellen, und alle Gesahr ist beseitigt. So" — sie ordnete schnell die kleinen Figuren — „nun weiter." Er hatte ihre Hand ergriffen — sic war weich und kühl — sie einen Augenblick gegen seine Stirn gedrückt, und sagte: „Ich kann nicht, Arianna, ich bin dennoch matt." Sie sah mit einem sprühenden, fragenden Blick zu ihm auf. Dann entzog sic ihm ihre Hand. Ihre Lippen kräuselten sich verächtlich. „O ja, ich weiß eS wohl, Sic sind matt — matt- hcrzig." Eie sah, wie es bei ihrem letzten Worte in seinen Augen zornig ausblitzte. Schnell mischte sie die Figuren unter einander und rief in ihrer gewöhnlichen, heiteren Weise: „Also das Spiel ist auS. Ich bin es Ihnen lange schuldig gewesen, nun habe ich mein Wort eingelüst. Danken Sie diese Schachpartie der Migräne Ihrer Frau Schwester, da im Grunde ihr dieser Besuch zugedacht war. Doch irre ich nicht, so erwarten Sic heute Ihre deutsche Wirtschafterin. Ist sie bereits angckommcn und sind Sie mit ihr zufrieden?" „Sie irren, Madame, ich erwarte nicht eine Wirtschafterin, sondern eine Dame, welche die Güte haben will, meinem Hause die fehlende Herrin zu ersetzen." Sie stampfte ungeduldig den Teppich mit dem kleinen, schwarzen AtlaSstiesel. „Mein Lieber, waS ist sie denn anderes. Sie werden sie doch bezahlen, wie alle anderen Domestiken. Haben Sie die Person bereits gesehen?" „Nein." „Aber eine Photographie von ihr?" „Auch das nicht." „DaS war unvorsichtig, mein Freund. Sic könnte sehr hübsch oder auch sehr häßlich sein, eines so unangenehm als da- andere. Doch wahrhaftig, diese Wirtschafterin verspricht eine sehr wichtige Person zu werden, da wir schon, ehe wir sie noch gesehen, volle fünf Minuten von ihr gesprochen haben." „Madonna, ich sagte Ihnen bereit« —" Nun war die Ironie plötzlich wie ausgelöscht auS ihrem Ton und Blick. Sie war wieder ganz das verwöhnte, lieben-würdige Kind. „O, ich weiß alles, was Sie mir je gesagt, und was ich noch außerdem weiß, daß Sie heute in einer grausig schlechten Laune sind, und daß die arme Arianna mit all ihrer so oft bezaubernd genannten Liebenswürdigkeit doch nicht imstande war, die Wolken von dieser Stirn zu verscheuchen." Leise, wie ein Hauch, war die schmale, weiße Hand bei diesen Worten über seine Stirn geglitten. Jetzt hielt sie ihm dieselbe zum Kusse hin, indem sic ihm ein Lebewohl zunickte. Im Vorzimmer winkte sic dem ihrer harrenden Diener, ihr den Mantel umzugcbcn. Als dieser sich beeilte, ihr denselben um die Schultern zu legen, öffnete sich eine Thür und Rose trat, von einem Diener gefolgt, ein. Sie neigte sich grüßend gegen die Unbekannte, aber nicht das leiseste Neigen des stolzen Haupte» wurde ihr zur Erwiderung. „Guten Abend," sagte Signora Arianna mit kaltem Tone und führte ihre goldene Lorgnette an die Augen. Unter diesem impertinent musternden Blick, der langsam über ihre schlanke Ge stalt und das lang nachschleppendc schwarze Gewand glitt, richtete das junge Mädchen sich nur noch höher auf. Ihre Mundwinkel zogen sich herab und dunkle Röt« des Unwillens trat in ihre vorher bleichen Wangen. Endlich wandte sie sich an den Diener: „Welche ist die Thür zum Bibliothekzimmcr?" Als ihr dieselbe bezeichnet wurde, schritt sie, ohne die Signora noch mit einem Blick zu streifen, an ihr vorüber und öffnete die Thür. Signora Arianna sah ihr mit einem haßerfüllten Blicke nach: „Bei dem wunden Herzen der Madonna, da» war keine Wirt schafterin — das war eine Dame, jung, schön und vornehm." Sic grub die kleinen, weißen Zähne in die Unterlippe, daß e» sie schmerzte. (Fortsetzung folgt.)
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