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Freitag, den 2L Oktober 1888 57. Jahrgang -rf4«i«t it«N4 mit AuSnabme d«r Sonn-und Festtage, abend« sür den sol- genden Tag. Preis vierteljährlich 1 M. 50 Ps., monatlich 50 Ps., Einzelnummer SPs. Bestellungen 'erden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Aus gabestellen, sowie allen Postanstalten angenommen. A»fer«t--«»ttzre»r Einspaltige Petit-Zeile oder deren Raum lOPs.; im amtlichen Teile pro Zeile 30 Pf.: „Eingesandt" und Reklame unter dem RedaltionSftrich 2b Ps. — Komplizierte Inserate »ach beson derem Taris. — Für Nachweis und Offerten - Annahme werden pro Inserat 2bPs.extra berechnet Amtsblatt der Königlichen Amtshauptmannschaft Flöha, des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Norberg in Frankenberg i. Sa. — Druck nnd Verlag von C. G. Noßberg In Frankenberg I. Sa. Die Aufgabe von Inseraten ersuchen wir im Interesse der rechtzeitigen Fertigstellung und Ausgabe unseres Blattes gefälligst so zeitig als möglich erfolgen zu lassen. Größere Inserate erbitten wir bis vormittags 8 Uhr, «ährend kleinere Inserate bis 11 Uhr mittags Aufnahme finden. Für später einlausende Anzeigen können wir eine Garantie des Abdrucks in der bezüglichen Abendnummer nicht übernehmen. Lxpvckttilo» «>v» V»g«blatt»>. Zwangsversteigerung. Die im Grundbuche auf den Namen Friedrich Moritz Wagner eingetragenen Grundstücke, 1. das zur Ausübung der Gastwirthschaft benutzte Erbgericht, bestehend in Wohngebäude mit gewölbtem Stall, Keller, Vergrößerung mit Nothtreppe und Abtrittanbau, 11 Acker 184 Ouadratruthen Fläche enthaltend, Nr. 23 des Brandcatasters, Nr. 100, 101, 102, 105, 308, 309, 310, 311, 312, 313, 314 und 315 des Flurbuchs und Folium 21 des Grundbuchs für Niederlichtenau, geschätzt aus 35 932 M. —«, 2. das Hufengut, von 29 Acker 59 Ouadratruthen Fläche, Nr. 451, 452, 453, 454 und 455 des Flurbuchs und Folium 22 des Grundbuchs für Niederlichtenau, geschätzt auf 20277 M. — sollen an hiesiger Amtsgerichtsstelle zwangsweise versteigert werden. Hierzu ist der 28. Oktober 1898 Vormittags 10 Uhr als Bersteigerungstermin, sowie der 1. November 1898 Vormittags 10 Uhr als Termin zu Berkiindung des Bertheilungsplans anberaumt worden. Eine Ueberficht der auf den Grundstücken lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisfel kann in der Gerichtsschreiberei des unterzeichneten Amtsgerichts eingesehen werden. Frankenberg, am 24. September 1898. Königliches Amtsgericht. Ass. Vr. Bähr. Günther, Sekr. Orientreise des deutschen Kaiserpaares. Unser Kaiserpaar ist in Konstantinopel mit großer Begeiste rung ausgenommen worden. Nicht nur der Sultan, sondern auch die dortigen Deutschen, die Türken und die in Stambul ansässigen Engländer wetteiferten, um den Majestäten einen großartigen Empfang zu bereiten. Der Einzug Kaiser Wilhelms und der Kaiserin Auguste Viktoria glich denn auch einem Triumphzug. Die Begrüßung des Herrscherpaares durch den Sultan trug einen wirklich herzlichen Charakter. Die freudige Stimmung, die in Stambul über den Besuch des deutschen Herrscherpaares herrscht, spiegelt sich in einer Auslassung des türkischen Blattes „Sabah", daS in deutscher Sprache u. a. schreibt: „Der Besuch Kaiser Wilhelms II. besiegelt am Ende dieses Jahrhunderts zugleich sür das kommende die sympathischen und wohlwollenden Gesinnungen, welche seit Karls des Großen Beispiel jeder schwertkundige deutsche Kaiser unserem Stamme bewies, als ein Zeichen wirklicher Fürsten größe, die über kleinliche Sorgen der Mißgunst, über peinliche Erwägungen unberufener Köpfe kühnen Fußes hinwegschreitet, nur der Begeisterung des Herzens folgend. Der Ausdruck der unab hängigen, menschlich edlen Gesinnung des Kaisers weckt Begeiste rung in unserem ganzen Reiche und jeder Osmane begrüßt mit dem Sultan stolz bewegten Herzen- den Kaiser de- mächtigen deutschen Reiche- und die Kaiserin Auguste Viktoria, das glänzende Vorbild weiblicher Tugenden. Gott der Herr beschütze die Pfade, welche st« wandeln, und segne ihr zielbewußtcS und kräftiges Handeln zur Erhaltung friedlicher Nachbarschaft unter den Völkern der engen Erd«! Gott der Herr erhalte zum Segen der ganzen Welt da- Feuer der Liebe im kaiserlichen Herzen, dessen göttliche Flamme über die Unterschiede der Sprachen, Sitten und Trachten hinweg die Völker zu binden vermag." Vom Mdiz-Kiosk, vom Galataturm und vom Artillerie-Arsenal weht die deutsche Fahne. DaS Kaiserpaar äußerte sich beim Frühstück in der deutschen Botschaft hocherfreut über den Empfang. Weder die Kaiserin, noch der Kaiser lassen erkennen, daß sie eine mehrtägige, stürmische, strapaziöse Seereise überstanden haben. Nach dem Frühstück nah men di« Majestäten den Vortrag mehrerer Gesangsstücke von deut schen Handwerkervereinen entgegen. Bei der Vorstellung einer Deputation der unter deutschem Schutze lebenden Schweizer be tont« der Kaiser, seine Politik in Beziehung auf die Türkei sei ganz diejenige seines Großvaters, die jetzt ihre Früchte trage. Lie In der Krand««g des Ledens. Roman von I. von Werth. 17. g-ils-tung. (Nachdruck v-rdolen.) 10. In jener Stacht, als Benno die schmerzlich-sehnsuchtsvollen Verse in das Heulen des HerbststurmeS Hinausjang, saß sie, der alle jene Melodien galten, in Mäntel und Decken gehüllt, in einem Coupee deS Schnellzuges, der sie hinausführte in die ferne Fremde, welche ihr die Heimat ersetzen sollte. Sie hatte kein Auge für die land schaftlichen Schönheiten, welche, in den engen Rahmen des Fensters gefaßt, an ihr vorüberzogen. Ihr Herz war so bang und be klommen. Wie würde sich ihre Zukunft gestalten? Und würde es ihr gelingen, Zufriedenheit zu erlangen und innere Befrie digung tzu erwerben? Die Fragen wiederholte sic unaufhörlich in fast selbstquälerischer Art und die Verzagtheit ihres Herzens wuchs, je mehr sie sich ihrem Bestimmungsort näherte. Don der Grenz station aus hatte sie dem Konsul die Stunde ihrer Ankunft tele graphisch gemeldet. Endlich, nach einer langen, ermüdenden Fahrt, war sie am Ziel. Als sie dann aber, Plaid und Reisetasche am Arm, in dem Gewühl auf dem Perron stand, mitten zwischen der drängenden, lärmenden, rufenden, stoßenden Menge, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden sollte, do fühlte sie sich unsäglich einsam, so von aller Welt verlaffen, daß sie am liebsten in Thränen ausgebrochen wäre. Ohne cs recht zu wissen, hatte sie sich von dem Strome mit forljühren lassen, um bald darauf an der anderen Seite des Gebäude», unter der sich lang hinstreckenden offenen Halle, von neuem ratlos stehen zu bleiben. Da trat ein Diener in einfacher aber geschmackvoller Livree an sie heran und bald darauf saß sie in den seidenen Polstern einer Equipage. Die zwischen ihm und dem Sultan bestehenden trefflichen Beziehungen bewiesen, wie zwei Reiche trotz der Verschiedenheit in Raffe und Religion in freundschaftlichem Verhältnis zu gegenseitiger Förde rung stehen können. Nachher besuchten die Majestäten die deutsch« Schule in Pera. Der Kaiser freute sich über die Entwickelung der Schule, ganz be sonders darüber, daß alle im letzten Jahre Absolvierten die Prü fung für den Einjährigen-Dienst bestanden haben. Bemerkenswert fand eS der Monarch, daß die Schule auch von Angehörigen fremder Nationalitäten viel besucht wird. Der Kaiser ließ sich verschiedene Lieder vorsingen, darunter den „Jäger auS Kurpfalz". Besonderen Eindruck machte der Vortrag eines eigens gedichteten „FestliedeS". Die Kaiserin unterhielt sich sodann mit den Kin dern, während der Kaiser mit den zum Empsang erschienenen Herren über Eisenbahnbauten sprach. Unter großen Ovationen verab schiedete da» Kaiserpaar sich nach längerem Verweilen. Die frem den Botschafter und Konsulate in Pera hatten geflaggt. Am Dienstag abend fand beim Sultan große Galatafel statt. Die Kaiserin trug ein prachtvolles Kleid auS Silberstoff und ein herrliches Diadem. Der Kaiser hatte die Paradeuniform des 1. Garderegiments z. F. angelegt, dazu das Band des Jmtiazordens. Der Sultan war in Marschallsuniform mit dem Bande des Schwarzen Adlerordens erschienen. An der kaiserlichen Tafel saßen 36 Personen, an einer zweiten Tafel 120 Personen. DaS Tisch arrangement war großartig. Man aß von silbernen, stark ver goldeten Tellern. Trinksprüche wurden nicht gewechselt, da der Sultan keinen Wein trinkt. Der Sultan hatte die Kaiserin zur Rechten, den Kaiser zu Linken und unterhielt sich mit beiden Ma jestäten während des ganzen Mahles angelegentlich. Nach Auf hebung der Tafel unterhielt der Sultan sich längere Zeit mit dem Staatssekretär Staatsminister v. Bülow und anderen Herren vom kaiserlichen Gefolge, während Kaiser Wilhelm den Großvezier, den Minister des Acußern und eine Anzahl türkischer höherer Militärs inS Gespräch zog. Kaiser Wilhelm gab mehrfach seiner Genug- thuung über den ihm hier bereiteten herrlichen Empfang Ausdruck. — Die Stadt war auf das Prächtigste illuminiert. An einem erleuchteten Gerüst gegenüber der Hamidie-Moschee prangte die Inschrift „Kaiser Wilhelm II. lebe hoch!", was, wenn man die Landessitte in Betracht zieht, sehr bemerkenswert war. — Kaiser Wilhelm überreichte vor der Tafel dem Sultan zwei künstlerisch ausgefühlte Statuetten, Kaiser Wilhelm I. und Kaiserin Augusta darstellend. Der Sultan verlieh den selten verliehenen Nischan- Fahrt ging durch viele, meist breite, schöne Straßen, bis der Wagen endlich in einem quadratsörmigen,^von einem Sänlengange um gebenen Hofraum hielt. Das hellcrleuchtete Treppenhaus mit seinen geschmackvollen Dekorationen erzählte von dem bedeutenden Reichtum des Besitzers. Rose ließ ihren Blick in dem hohen Raume musternd umher- glciten, während sie di«, mit weichen Teppichen überkleideten Marmorstufen hinanschritt. Oben und unten auf den Pfeilern des Geländers standen in Heller Bronze ausgcführtc Figuren: ein in Lumpen gehülltes lockiges Mädchen, das eine Fackel über seinem Haupte schwingt. Sie waren wahrhafte Kunstwerke, jene beiden lichttragenden Gestalten. Das Antlitz hielten sie hinauf gerichtet zu dem, allerdings stark bewölkten, Himmel, in den ein weniger als mittelmäßiger Maler den Plafond umgewandelt. Dieser Künstler mußte eine besondere Vorliebe für pausbackige, stumpf nasige Engelköpfe gehabt haben, denn wo es die Wolkenbildung nur irgend gestattete, lugten sie in allen nur erdenklichen HalS- vcrrcnkungen hervor. An der freien Wand dort hingen einige Oclgemälde, Alpenlandschaften von einigem Wert, neben einer von Orangerien umstellten Grotte. Dort spie ein Delphin einen seinen Wasserstrahl in eine Muschel von weißem Marmor, in der eine Menge Goldfischchen munter umherschwammen. Das leise, sanfte Rauschen des Wassers paßte gut zu dem flackernden Schein der Gasflammen und dem feinen undefinierbaren Duft, wie man ihn bisweilen in Zimmern und Gängen alter Schlösser findet. Die drei hohen, gewaltigen Bogenfenster sahen jetzt dunkel aus, aber bei Tage, wenn die Sonne darauf schien, machten sie dem hohen, kühlen Raum einen warmen, bunten Schimmer verleihen. Al- Rose oben angelangt war, öffnete sich eine Thür. In dem bi» zur halben Höhe dunkel getäfelten Vorzimmer empfing ein anderer Jftikar-Orden auf Brillanten an Graf Eulenburg, vr. v. Lucanut und General Hahnke, den Großkordon deS O-manie-OrdenS mit Brillanten an Bülow, den Großkordon des Meschidie in Brillanten an Frhrn. v. Marschall und zahlreiche andere Auszeichnungen an die Herren und Damen. — Kaiser Wilhelm verlieh dem Bot schafter Frhrn. v. Marschall die Brillanten de- GroßkreuzeS zum Roten Adlerorden. Dem deutschen Delegierten im Verwaltun--- rat der türkischen Staatsschulden, Geh. Legation-rot Lindau, wurde der Charakter eines Wirk!. Geh. Legation-rate- mit dem Range der Räte I. Klaffe verliehen. * * Tie Wohnung des deutsche« Kaiserpaares im Nildiz-Kiost. Vom Mldiz-KioSk (Sternenpalast) d«r Residenz de- Sultan- Abdul Hamid hat man draußen zumeist sehr unklare Vorstellungen. Allgemein verbindet man damit ein mehr oder weniger weitläufige«, im orientalischen Stil gehaltenes Schloß. DaS trifft indessen, wie der „Frkf. Ztg." aus Konstantinopel geschrieben wird, nicht zu. Bis vor 25 Jahren lag das immense, dicht an di« Stadt Konstantinopel grenzende Plateau von Aildiz beinahe wüst und unbewohnt da. Nur am 1. Mai belebte es sich, wenn Griechen und Armenier dort frische Blumen suchten, um damit ihr« Kirchen und Kapellen zu Ehren der Jungfrau Maria zu schmücken. Heute nach einem Vierteljahrhundert ist Dildiz, seitdem dieser auch stra tegisch bedeutsame Punkt vom Sultan Abdul Hamid al- Residenz gewählt wurde, nicht nur der bestgepflcgte und gesundeste Stadt teil, sondern eine förmliche Stadt für sich geworden. Ungezählte Millionen sind in dieser Zeit verausgabt worden, um ein Wunder werk zu schaffen, wie ein ähnliches nicht besteht. Wie wäre «S auch möglich, wo anders als an die Ufer deS Bosporus diese ernsten Pinien- und Zedcrnhaine und dazwischen lachende Orangen- und Zitronengärten Hinzuzaubern, die sich mehrere tausend Meter breit längs der mcereoerbindenden Wasserstraße hinziehen, während an den bald sanft, bald steil aussteigenden Höhen die zahlreichen Marmor- und Backsteinbauten — Paläste, Kioske, Moscheen, Arse nale, Kasernen und Werkstätten — aufgcführt sind? Wie wäre auch ein Herrscher, dessen Budget nicht so unbegrenzt ist, wie daS des türkischen Sultans und muselmanischen Khaliftn, im stand« gewesen, aus jenen öden Höhen eine entzückende Welt belebter Seen und Teiche, in deren klaren Fluten sich die Tanne und Trauerweide schwermütig spiegeln, zu schaffen und die künstlichen Felsen, Grotten und Kaskaden mit den kostbarsten Singvögeln zu Diener ihr Gepäck. Er geleitete sie durch mehrere reich möblierte Zimmer und Säle, über einen Korridor, bis er endlich eine Thür öffnend, stehen blieb. „Dieses hier ist Ihr Zimmer, gnädiges Fräulein." Wie gern hätte Rose nun eine Stunde des Alleinseins gehabt, um ihre Gedanken zu sammeln, die neuen Eindrücke zu ordnen. Kaum hatte sie jedoch Hut und Mantel abgenommen, als daS Kammermädchen, ein zierliches französische- Kammerkätzchen, er schien, um das Auspacken der Sachen von Mademoiselle zu über nehmen. Gleich darauf kehrte auch der Diener zurück, um zu fragen, ob die Signora im Speisesaal oder auf ihrem Zimmer zu speisen wünsche. Die Zeit des Diner- war bereits vorüber. Rose bat, nur einen Teller Suppe und ein wenig Fleisch auf ihr Zimmer zu bringen. Dann wurde ihr gemeldet, der Herr de» Hauses erwarte, sic beim Thee begrüßen zu können. Signora Paccinini aber habe Migräne und bedauere, sie heute nicht mehr zu sehen. Rose wechselte ihre Toilette, wobei Babette ihr behilflich war, und sich mit einer beneidenswerten Zungenfertigkeit in ihrem Schweizer-Französisch bemühte, Mademoiselle mit den Verhältnissen und der Tagesordnung de- Hause» bekannt zu machen. Als Rose nach der Herrin des Hauses fragte, sah Babette sie einen Augen blick verwundert an und entgegnete: „Madame? O, davon spricht man nicht gern. Das ist ein großes Unglück sür den Herrn." Ros« hielt es nicht sür ratsam, weiter zu fragen. Da ihr« Toilette beendet war, ließ sic sich nun nach dem Bibliothekzimmer führen. Dort pflegte sich der Konsul um dics« Zeit gewöhnlich aufzuhalten. Heute saß er auch wieder im Erker desselben vor einem Schach tischchen. Seine Partnerin, ein schwarzhaarige» Weib von üppiger