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Donnerstag, den « Oktober 1888 SSL 57. Jahrgang Amtsblatt der Königlichen Amtshauptmannschaft Flöha, des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg Verantwortlicher Redakteur: Ernst Rochberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von E. G. Nostberg in Frankenberg i. Sa. Anserat-Hetützrenr Einspaltige Petit-Zeile oder deren Raum IOPs.; im amtlichen Teile pro Zeile »0 Ps.; „Eingesandt" und Reklame unter dem Rcdaktionsstrich 25 Ps. — Komplizierte Inserate nach beson derem Taris. — Für Nachweis und Offerten - Annahme werden pro Inserat 25Ps.extra berechnet den Boten und And- M S gabest-llen, sowie I L-- ) I allen Postanstalten 1 1 I? 1 1 angenommen. V V Das deutsch-englische Abkommen. Ueber das in den Blättern schon viel besprochene, aber seinem Inhalt nach auch heute noch nicht bekannte Abkommen Deutsch lands mit England, betreffs der Neuordnungen auf kolonialem Gebiete äußert sich ein Berliner Mitarbeiter der „S. Z." in offenbar zutreffender Weise folgendermaßen: „Durch die Zeitungen geht ein Auszug aus einem Aussatze, den ein „DiplomatikuS" in dec neuesten Nummer der „Fort- nightly Review" auf Grund „ihm zu teil gewordener Informa tionen" veröffentlicht hat. Es wird darin behauptet, daß die beiden Großmächte Deutschland und England mit Portugal Ver handlungen gepflogen hätten, wonach sie zwischen einander das Vorkaufsrecht bezüglich aller portugiesischen Kolonien teilen. Diese Behauptung wird dann durch eine Reihe von Einzelangaben un terstützt, wir wiederholen daraus einiges schon früher Mitgeleilte: „Das Abkommen bestimmt die Gebietssphären der beiden Mächte in diesen Kolonien, setzt die zu zahlende Vergütung und die schließlich nach Abtretung der Kolonien an Portugal zu zahlende Kaus- oder Pachtsumme fest. Auch werden eine Menge Fragen von geringerer Bedeutung bezüglich der Abtretung schon im vor aus geordnet. Kurz, Deutschland und Großbritannien sind ge meinsame Erben der Besitzungen Portugals in Afrika geworden. Vorsichtig haben sie Fürsorge getroffen, daß ihre Interessen nicht kollidieren, wenn die Zeit des Antrittes der Erbschaft kommt. Das erste Ergebnis dieses Abkommens wird die Verpachtung der Delagoabai an Großbritannien sein. Die Kolonien, um welche es sich in dem Abkommen handelt, sind die Provinzen Mosam- bique und Lourenzo Marques an der Ostküste, Angora, Ambriz, Benguela, MossamedeS und Kongo an der Westküste, und die alte, aber kleine Ansiedelung Guinea im Nordwesten. Die ge samten Besitzungen umfassen ein Areäl von 914000 englischen Quadratmeilen. Wir lassen es dahingestellt, ob hier Indiskretion oder der Wunsch, die beteiligten Regierungen aus dem bisher strikte be wahrten Schweigen herauszulocken, das Wort führt. Sicher ist jedenfalls, wie wir nach Erkundigung an zuverlässiger Stelle mel den können, daß die deutsche Regierung auch diese Provokation unbeachtet lassen und sie weder mit einem Dementi noch mit einer Bestätigung bedenken wird. Ebenso wenig wird das deutsch-eng lische Abkommen, mit Portugal dem in Bälde zusammentretenden Kolonialrate vorgelegt werden. Diese kürzlich durch die Blätter verbreitete Behauptung ist durchaus irrig. Die kaiserliche Regie rung hat vor Wochen, als die ersten Nachrichten von dem Ver trage in London austauchten und die abenteuerlichsten Gerüchte nach sich zogen, darauf hindeuten lassen, daß das Abkommen weder ein Bündnisvertrag sei, noch eine Vereinbarung über Streit fragen, bei denen ander« Großmächte interessiert seien, daß der Vertrag sich also nicht auf Aegypten, Kleinasien, China u. s. w. bezieht; es handele sich lediglich um eine Regelung kolonialer An- gelegenheiten im Süden Afrikas, wobei di« Grundlage die gemein sam« Zinsgarantie sür «in portugiesisches Anlehen sei. Mit dieser Angabe wird sich die Wißbegier auch wohl für die nächste Zeit begnügen müssen. Wenn aber so das Geheimnis, des deutsch englischen Abkommens streng gewahrt wird, dann liegt doch der Schluß nahe, daß gewichtige Gründe sür das Schweigen vorhan den find. Der Flut von Vermutungen und Verdächtigungen, Vorwürfen und Angriffen, die von den verschiedensten Seiten ge ¬ gen die Regierung erhoben werden, ruhig und geduldig stand zu halten, ist jedenfalls schwerer als den Mund zu öffnen und die Tadler und Verurteil«! auszuklären. Daß dies Schweigen nicht in einer ängstlichen Geheimniskrämerei oder gar in der Besorgnis, vor die Oeffentlichkeit mit schlechten Resultaten zu treten, seinen Grund hat, kann auf das entschiedenste versichert werden; die wahre Ursache wird seinerzeit auch nicht verborgen bleiben. Hül len sich doch auch die Regierungen von England und Portugal in Schweigen, und die Presse beider Länder respektiert dies in dem Bewußtsein, daß man diplomatische Verhandlungen und Ab machungen nicht auf den Markt bringt, ehe der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Der deutschen Regierung, insbesondere den leitenden Personen, die um das Abkommen genau wissen, liegt es sehr fern, Lob und Anerkennung von der Presse für etwas zu verlangen, das ihr in seinen Einzelheiten nicht bekannt ist und zur Zeit noch nicht mit- getcilt werden kann. Aber billigerweise kann man dann auch fordern, daß Uebereifer und Uneingeweihtheit nicht zu einem TadelSvotum Anlaß geben, dem jede thatsächliche Unterlage fehlt. Die Führung der auswärtigen Angelegenheiten seit Jahresfrist giebt selbst da, wo sie nicht das durch glückliche Ergebnisse wohl gerechtfertigte Vertrauen gesunden haben sollte, jedenfalls nicht das Recht zu dem Verdikt: Ich verurteile die Absichten der Regierung, weil ich sie nicht kenne! Nachdenklich darüber, wohin diese Ver suche der Diskreditierung der eigenen Regierung führen, kann vielleicht die Thatsache stimmen, daß einflußreiche Pariser Blätter mit scharfem Blicke nach Anzeichen spähen, die für eine Trübung der englisch-deutschen Beziehungen sprechen sollen. So bringt der „Temps" vom 25. September unter dem Titel „Kurze Flitter wochen" einen Leitartikel, der mit hämischem Behagen allerlei Be hauptungen und Berichte zusammenrafft, um zu beweisen, daß zwischen Berlin und London manche Mißhelligkeiten die kurze Freude guter und herzlicher Beziehungen schon wieder verscheucht Nachbestellungen s » auf das „T ageblatt" werden für das volle 4. 8 I Quartal noch von allen Postanstaltcn, Boten und Aus- U E gabestellen des „Tageblattes" entgegengenommcn, Monats- Z A abonnements aber nur von den Ausgabestellen und N » Boten. — Wir sind in der Lage, die bereits erschienenen U I Nummern noch nachzulicfern. Ausgabestellen in Frankenberg bei den Herren: » I- krlvckrlvll, Schloßjtraße, ^ll. 6lrUnvr1, Freib. W z Str., k. Ullnvl, Ecke Albert- und Winklerstrahe, kaul N A Lrllutvr, Querstraße, Lvrnlmrtl l-vluurrnn, Chcmn. V Straße, A»x 8»Iirainm, Feldstraße 3, Ott» seltner, Ecke Chemnitzer und Fabrikstraße. U hätten. ES wird dabei jede Utopie deutscher unverantwortlicher Kolonialenthusiasten ebenso inS Treffen geführt, wie daS Ver halten Deutschlands in der Kretafrage, b'as sst ab dvsts üoesri! Und das offiziöse Pariser Blatt lehrt uni in jeder Zeile, wie äußerst unbequem die auswärtige Politik Frankreichs jede freund schaftliche Regelung offener Fragen zwischen England und Deutsch land, auch wenn andere Großmächte dabei nicht beteiligt find, empfindet. Er ist bekannt, daß der Leiter der äußeren Politik Rußlands erklärt, Rußland habe kein Interesse an den Dingen in Südafrika. In direkter Verbindung mit dem Abkommen steht die Meldung der „Daily News", in der erzählt wird, der Gesandt« Trans vaals, vr. Leyds, hab« Berlin verlassen, ohne den Kaiser ge sprochen zu haben. Er habe sich mit dem Versprechen begnügen müssen, der Kaiser werd« ihn ein anderes Mal empfangen. In Abwesenheit des.Staatssekretär» v. Bülow sei vr. LeydS vom Wirklichen Geheimrat v. Derenthall empfangen worden, und zwar mit folgenden Worten: „Namens Seiner Majestät hab« ich Ihnen den dringlichen Wunsch des Kaisers auszudrücken, daß Sie und Ihre Regierung zum mindesten aufhören sollten, in deutschen Zeitungen gegen da» anglo-deutsche Abkommen zu agitieren." vi-. Leyds habe Verwahrung gegen diesen Vorwurf eingelegt, aber Herr v. Derenthall die Achseln gezuckt und kühl geantwortet, er habe sich seines Auftrage» entledigt und könne weiter nichts thun. Diese Nachricht ist vielfach bezweifelt worden, sie scheint aber zum Teil auf Wahrheit zu beruhen, wenigstens ergänzt die über auswärtige politische Angelegenheiten stets gut unterrichtet« „Köln. Ztg." die Meldung der „Daily News" durch nachstehendes: „Leyds drückte sein Erstaunen über die Aeußerung Derenthall» auS. Er wüßte nicht, sagte er, was der deutschen Regierung daS Recht gebe zu dem Verdachte, daß die Regierung von Transvaal deutsche Zeitungen beeinflusse. Dieser Tadel wäre ebenso unbe gründet wie die von der englischen Presse aufgestellte Behaup tung, daß die Regierung von Prätoria einen Teil der Kappreffe bestochen habe, um die Wahlen zu beeinflussen. Herr v. Derent hall zuckte die Achseln und entgegnete kühl: Ich habe mich nur des durch Seine Majestät gegeben«» Befthl» entl«digt, und ich kann nichts weit«r thun. Man kann sich denken, meint „Daily NewS", mit welchen Gefühlen Herr Leyds die deutsch« Haupt stadt o«rli«ß. Di« Berliner Regierung kennt jetzt den wirklichen Stand der Dinge in Transvaal, sie kennt die dort herrschende Mißwirtschaft und die Maßregeln, durch welche die TranSvaal- regierung versucht, den Thatbestand der Welt zu verheimlichen. DaS berühmte Telegramm Kaiser Wilhelms an den Präsidenten Krüger hatte die Buren in den falschen Glauben versetzt, daß Deutschland aus Eifersucht auf England seine Interessen mit den ihrigen identifiziere. Die Buren sühlten sich sicher unter dem Schutze des angeblichen Widerstreite» zwischen England und Deutschland und glaubten, sie könnten ihre Mißwirtschaft weiter- führen. Sie mißachteten deshalb die sehr deutlichen Winke, die aus dem Berliner Kabinett kamen, dessen Aufmerksamkeit auf den Lauf der Dinge in Transvaal durch die Klagen der dort an sässigen Deutschen gerichtet worden war. Zuletzt riß daher dem deutschen Kabinett die Geduld. Es hegt noch immer mit der Unabhängigkeit und Freiheit Transvaals Mitgefühl, aber es be trachtet die Einführung gründlicher Reformen als unaufschiebbar. In diesem Punkte sind alle Ausländer, die Deutschen einge schlossen, einig, und Herr Leyds erfuhr zu seiner großen Ueber- raschung zu Berlin, daß das kaiserliche Kabinett sich entschlossen hat, die berechtigten Forderungen der in Transvaal lebenden Deut schen zu unterstützen." Inwieweit dieser Vorgang eine Schwenkung der bisher von Deutschland dem Transvaal gegenüber verfolgten Politik bedeutet, wird ja die Zukunft lehren. In der Kran-«ng -es Lebens. Roman von I. von Werth. 4. Fortsetzung. . (Nachdruckverboten.) Di« Polonaise war vorüber. Rose sah ein, daß «ine Begeg nung nicht länger zu vermeiden war. Sie trat deshalb, ohne den Arm d«S Doktor» frei zu lassen, an ihre Tante heran. > „Guk, daß wir Lich endlich einmal wieder sprechen können, Kind", rief diese ihr entgegen. „Hier ist Herr Baron von Rotteck, der Dir al» unser Gutsnachbar vorgestellt zu werden wünscht und zugleich Deine Verzeihung erbitten möchte für einen kleinen Fehler, den er sich bei Eurem ersten Zusammentreffen hat zu schulden kommen lassen." Rose hatte zuerst den Kopf in den Nacken geworfen. Ihre blitzenden Augen schienen zu fragen: „Und Du wagst noch, vor mich zu treten?" während sie die Mundwinkel, herabzog. E» war das ein ihr eigentümlicher Zug, ihr Mißfallen auszudrücken. Bei den «orstellenden Worten hatte sie schweigend nur leicht da» Haupt geneigt. Doch endlich blickte sie fragend auf. So hatt« er selbst der Tante gebeichtet? DaS war löblicher gehandelt, als sie ihm zugetraut. Die Tante selbst bat sogar für ihn. Jetzt ergriff «r ehrerbietig ihr, Hand, führte sie an die Lippen und sagte: „Ich würde knieend Ihre Vergebung erflehen, mein gnädige» Fräulein, wenn ich nicht wüßte, daß Sie da» nicht leiden mögen. So bitte ich denn nur, mir zu sagen, was ich thun kann, da» verübt« V«rbr«chkn abzubüß«»." B«i ditsen Worten und der bescheidenen, säst demütigen Hal tung hatten sich die unmutigen Züge de» jungen Mädchen« auf geklärt und lächelnd erwiderte sie: „Ich weiß wirklich keine Buße, die streng genug wä« für Ihr Vergehen, und werde es wohl auch un-ebüßt verzeihen müssen." Wieder ergriff Benno die sein behandschuhte Hand und wollte sie jetzt stürmisch an die Lippen drücken, ein leises „Engel" flüsternd. Da wurde di« Hand zurückgezogen und der „Engel" sagte leicht hin: „Die Herren wünschen doch gewiß auch mit einander bekannt zu werden. Hier Herr Baron Rotteck und dies unser verehrter Freund, Herr Professor Gröner. Doch da kommt Herr von Kahden, mich zum Walzer zu holen." Mit einer leichten Verneigung eilte sie davon, während sich die beiden Männer mit prüfenden Blicken musterten. Sie schienen beiderseitig nicht zufrieden zu sein mit dem, was sie zu bemerken glaubten. Es war mittlerweile dunkel geworden. Die bunten Ballons waren angezündet, und auch der Mond goß sein silbernes Licht über die fröhlich-, bunte Gesellschaft. Von Dienern in den ver schiedensten Livreen waren Fackeln verteilt worden. Mit denen wurde jetzt Quadrille getanzt. Es sah märchenhaft schön aus, wie all diese bunten Gestalten mit den leuchtenden Fackeln die graziösen Touren durchsührten, dazwischen die Herren in den dunk len Gesellschastsanzügen. „Ein Reigen von Erdgeistern und Blumenelfen," lispelte Fräulein von TetterSdors ihrem Nachbar, dem Baron Consott, zu. Als di« Quadrille zu Ende war, trat Doktor Gröner zu Rose und legte einen leichten, langen Mantel von warmem Wollstoff um ihre Schultern. „Es wird kühl", sagte er dabei. „DaS Tanzen hat Sie er hitzt und da gilt es, sich in acht zu nehmen, liebes Kind." Harald wickelte auch eben einen langen Spitzenshawl um Kopf und Schultern seiner Braut, als der ganze Platz plötzlich von Hellem Lichte überstrahlt wurde. Dann folgte «in prächtig arran giertes Feuerwerk. „Eine Ueb«rraschung vom Baron Rotteck", erzählte man. Einzelne Paare waren der Stelle, wo cS abgebrannt wurde, näher getreten. Die schlanken Gestalten hoben sich reizend von dem blendend erleuchteten Hintergrund ab. Rose war ein wenig weiter zurück stehen geblieben. „Man beobachtet besser von hier aus," hatte sie gemeint. Eine Rakete nach der andern stieg zischend in die Lust, hoch oben einen bunten Regen von Sternen ergießend. Da plötzlich ein gellender Schrei. Eine Rakete hatte sich zu früh entladen, hatte den Spitzen schleier Fräulein von Estrows gestreift und in der nächsten Se kunde züngelten Helle Flammen um ihren Körper. Alle Geister gegenwart verlierend, lief sic, von rasender Angst beflügelt, dem dunklen Teil des Platzes zu. Lähmendes Entsetzen hatte sich der Gesellschaft bemächtigt, niemand rührte sich, der Unglücklichen zu Hilfe zu eilen. Da stellte sich ihr eine schlanke Mädcheng«stalt entgegen. Den Mantel von den Schultern zerrend, warf sie den selben über die brennende Gestalt, und riß sie mit schnellem Ruck zu Boden. Schon faßten die Flammen ihr eigene» Kleid, aber schnell erstickte sie dieselben, riß die brennenden Blumen von dem Kopse des Fräuleins von Estrow und umhüllte sie fest mit dem Mantel. Als die Andern herbeieilten, war das Rettungswerk vollbracht. „Tapfere Rose," sagte Doktor Gröner und drückte dem jungen Mädchen die Hand. Da sah er sic schmerzlich zusammcnzuckcn, und im nächsten Augenblick fing Benno sie ohnmächtig in seinen Armen auf. * ' * * Am nächsten Morgen — die Sonne war eben aufgegangen — stand die Försterin mit dem immer freundlichen, roten Gesicht und der immer weißen, steifen Schürze auf dem Fcstplatz. Ob sie wohl auch etwas von dem wcltschmerzlichen Gefühl« empfand, das uns so leicht überschleicht beim Anblick »«rlaffener Festräume? Da hingen noch di« Feston» zwischen den Zw«ig«n, da lagen