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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 09.09.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-189809096
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-18980909
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-18980909
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-09
- Tag 1898-09-09
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Monat
1898-09
-
Jahr
1898
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ab« dal H«rz «ird nicht mehr froh und warm, wenn der Blick in der Runde umherfchweift. Auch im Menschen beginnt el zu Herbstein. Da ist eS kein Wunder, wenn daS Bedürfnis nach dichteren Hüllen sich bemerkbar macht, wenn der längere Ausent- halt im Freien die Gefahr unangenehmer Erkältungen mit sich bringt, wenn die lange kaum in Anspruch genommene Lampe in Zimmer und Flur schon um 7 Uhr das scheidend« Tage-licht er setzen muh und die Frage nach der Ergänzung de- hautlichen Brennmaterial- eine sehr aktuelle Bedeutung gewinnt. Dem Ein fluß dieser Erscheinungen kann sich selbst ein stoische- Gemüt nur schwer entziehen! -f Die am 1. Oktober 18V8 fälligen Zin-scheine der 3>/,- proz. Hypothekenpsandbriefe der Sächsischen Bodenkreditanstalt in Dresden werden nach einer im Inseratenteil unserer vorliegenden Rümmer befindlichen Bekanntmachung bereits vom 15. September d. I. ab «ingelöst. P Lichtenwalde. Da- nun leider zum zweiten Male ver- regnet« Konzert deS Chemnitzer Sängerbundes und der Stadtkapelle daselbst soll .nunmehr bei halbwegs günstigem Wetter bestimmt nächsten Sonntag, 11 September, im Park zu Lichtenwalde statt finden. Das Publikum, welches schon am 28. August Eintritts geld gezahlt hat, erhält ohne weiteres gegen Vorzeigung des da maligen Programm- Zutritt zum Park. P Rtedrrwiesa. Nach 7 Jahren wurde am 2. September hier wieder einmal ein Schulfest gefeiert, das, begünstigt von dem herrlichsten Wetter, in schönster Weise verlief. Nach einem Um zuge durch den Ort und nachdem sich die Kinder auf dem Fest platze durch Kaffee und Kuchen gestärkt halten, folgten Vogel schiehen und Spiele in bunter Mannigfaltigkeit bis zum Herein brechen der Dunkelheit. Auch für Belustigung der Erwachsenen war hinreichend gesorgt. Unter den auch von auswärts zahlreich Erschienenen bemerkten wir besonders Se. Exzellenz Graf Vitzthum von Eckstädt auf Lichtenwalde nebst Frau Gemahlin, Herrn Su perintendent Fischer-Chemnitz, Herrn Schulrat Dachselt-Chemnitz u. s. w. Da- Fest schloh mit einem von einem Gemeindemit glied« gesch«nklen prachtvollen Feuerwerk. In dem schönen Ver laufe de-Ganzen werden alle Geschenkgeber wie Helfer, Lehrer wie Kinder volle Befriedigung für das von ihnen Dargebotene gefun den haben. — Bäckermeister Friedrich Starke in Roßwein, der Eigen tümer des vor einigen Tagen im Tiefengrund daselbst niederge brannten Wohnhauses, wurde gestern vormittag unter dem Verdacht der Brandstiftung verhaftet und in das Amtsgerichtsgefängnis ge bracht. — Die Manöver in der Rochlitzer Gegend sind am Montag leid« von Unglück begleitet gewesen. Bei einer Attacke der 17er Ulanen südöstlich von ZschoppelShain gegen Infanterie stürzten mehrere Reiter mit den Pferden. Ein Ulan wurde dabei leider so schwer verletzt, dah er gestorben sein soll. — Beim Fensterputzen stürzte dieser Tage die Ehefrau eines Gteuerbeamten in Dre-de« infolge eines Schwindelanfallcs aus der 2. Etage ihrer Wohnung herab und wurde tot im Hose auf- grfunden. — In der Mittagsstunde des gestrigen Tages hielt man in d« Töpferstrahe in Dresden einen Mann an, der — vermutlich au- Eifersucht — dreimal mittelst Revolvers nach einem Mädchen geschaffen hatte. Die aus Böhmen gebürtige, im 20. Lebensjahr stehende Weißnäherin Rosa Klier, die bei ihrem einen eigenen Hausstand führenden Brud« auf der Töpferstraße wohnt, unter hielt nämlich mit dem etwa 24jährigen Zimmerpolier Wilhelm Niewald ein Liebesverhältnis, das auS zunächst nicht bekannten Ursachen von feiten des Mädchens gelöst wurde. Am Mittwoch hatte nun Niewald das Mädchen an ihrem Arbeitsplatz an der Zinzendorfftraße erwartet, es nach Hause begleitet und von ihm schließlich die Geschenke (Uhr, Ring rc.) zurückgesordert. Das Mädchen sagte ihm die Rückgabe zu, verließ ihn und schritt der Thür ihres Wshnhauses zu. Sofort feuerte Niewald 3 Schüsse auS einem hervorgezogenen Revolver in kurzer Entfernung auf die Klier ab und verletzte sie am Kopse, an der linken Seite und am Rücken, in der Hauptsache durch Schrotmunition. Er wurde von einem Kriminalschutzmann und einem Anwohner sofort fest genommen und dem Polizeigcwahrsam zugesührt. DaS ver wundete Mädchen wurde verbunden und in das Stadtkranken- hauS gebracht. — Am Sonntag verstarb in Zwickau ein 65jähriger Berg- noch einmal hienieden gesehen zu haben. Und da, ach, auch mein alt« Freund Brandner — wie gnädig ist Gott gegen mich." Er nahm von allen Abschied mit einer so heiteren, seligen Ruhe, daß d« Doktor scherzend meinte, er wolle ihn doch noch wied« auf die Beine bringen. Als Riehl den Pfarrer erblickte, streckte er ihm die Hand ent gegen und bat, man möge ihn nun mit dem Herrn Pfarrer und sein« Tochter allein lassen. „Oder willst Du Dich lieber Deiner Freiheit erfreuen, mein Kind?" fragte er zärtlich. „Ich bleibe bei Dir, mein teurer Vater", erwiderte Agnes, „wie sollte ich Dich jetzt verlaffen können?" Die Herren blickten sich überrascht an und gingen. AgneS aber durchlebte eine Stunde, welche einen entscheidenden Einfluß aus ihr ganzes Leben haben und ihr das Apostelwort, daß ein Herz ohne die echte, lautere Liebe, welche aus Gott stammt, nichts ist als ein tönend Erz und eine klingende Schelle, zur klaren Erkenntnis bringen sollte. -st -st Der alte Riehl starb in der folgenden Nacht. Die Nachricht, daß der Mörder des Knaben entdeckt, daß er ein in der Schlucht verunglückter Zigeuner und bereits bei Nacht und Nebel eingescharrt worden sei, durcheilte wie ein Lauffeuer die Stadt und es begab sich auch bei dieser Gelegenheit wieder wie überall, daß kein Mensch jemals an die Schuld des guten, alten ManneS geglaubt haben wollte. Es wurde eine großartige Leichenfeier, ein Ehrenzeugnis der schönsten Art, welche- dem Toten ausgestellt wurde von hoch und niedrig, von reich und arm, die sich auch fast alle schuldig sühlcn mußten, das lange, ehrenhafte Leben eines Mitbürgers wie mit einem Schwamme au-gelöscht und dem ungeheuerlichsten Verdachte nur zu willig beigestimmt zu haben. Die beiden Eckensteher, Schumacher und Naumann, gestanden jetzt, daß sie in jener Nacht, von der Berührung de- Hundes ausgeschrcckt, einen Mann beobachtet Kälten, welcher daS Grab ge öffnet und augenscheinlich die Absicht gehabt haben müsse, die kleine Leiche herauSzunehmcn. Sic wären dann aus ihn zuge- treten und hätten in ihm den Herrn von Hamburt auf Rauten- hos erkannt, Ln Hund habe ihnen nichts gethan, nicht einmal bei invalid an den Folgen ein« Unachtsamkeit. Er hatte aut einer Flasche, in d« « Bi« vermutete, die aber eine Lauge zur Rei nigung von Metallen enthielt, getrunken und dadurch eine Ver brennung der Speiseröhre erlitten, wodurch sein Tod herbeigesührt wurde. — Der Tischlermeister Eger in GerSdorf bei Lugau, über dessen Bcrinögen vor kurzem das Konkursverfahren eröffnet worden ist, sollt« wegen betrügerischen Bankerott- verhaftet werden, zu ivelchem Zweck sich zwei Gendarmen, sowie d« OrtSdien« nach der Wohnung EgerS begaben. Nachdem dieser für verhaftet er klärt worden war und den Hütern des Gesetzes folgen sollte, bat er, seine Toilette noch etwas in Ordnung bringen zu können und begab sich aus den Dachboden des HauseS, von wo er sich mittelst einer Wäscheleine herabließ und flüchtete. Sein Entweichen wurde zwar sosort bemerkt, doch gelang es nicht, seiner wieder habhaft zu werden. — Die Einverleibung des Dorfes Hasclbrunn in Plauen i. V. ist vom Stadtgemeinderat zu Plauen am Dienstag beschlossen worden. — Gesundheitsregel« für September. Da es vielfach sehr schwer ist, giftige und ungiftige Pilze von einander zu unter- scheiven, so sei folgendes allgemeine Entgiftungsoersahren angegeben. Vor der Zubereitung als Speise sind die Pilze zu zerkleinern und mit einer Mischung von Salz, Weinessig und heißem Wasser zu übergießen. Man läßt sie dann ganz kurze Zeit in dieser Flüssig keit brühen und gießt diese dann ab. Darauf sind die Pilze sorgfältig mit kaltem Wasser auszuwaschen. Hierdurch werden den Pilzen die Giftstoffe entzogen, ohne daß die Nahrungsbestandteile verloren gehen. Die Gistwirkungen der Pilze zeigen sich zuweilen erst nach vielen Stunden. Gegen sie sind anzuwenden: Brech mittel, Abführmittel (Ricinusöl), Milch, starker schwarzer Kaffee und Gerbsäure. — Nach dem Genuß von neuem Brot stellen sich mitunter Kopfschmerz, Gliederschmerz und Zittern ein. Das Korn ist dann ungenügend gereinigt und daS Mehl enthält Mutterkorn, Kornrade u. s. w. Wiederholen sich diese erwähnten Erscheinungen ohne erkennbaren Grund, so achte man auf ihr Zusammenfalle» mit dem Brotgenuß und beziehe das Brot anderwärts. — Das Obst, welches Kind« erhalten, muß völlig ausgereist und tadellos sein. Fallobst ist unbrauchbar für Kinder. Ferner sollte das Kernobst, wie Acpfel und Birnen, denselben nie ungeschält verab reicht werden. An den Schalen hasten, wie nachgewiesen, schon während des Hängens am Baum zahlreiche Pilzkeime, die der Ge sundheit mindestens nicht zuträglich sind. Außerdem geht das Obst durch verschiedene Hände, sodaß es hier mit Krankheitskcimen beladen werden kann, die Entzündungen der Mundschleimhaut hervorzurufcn im stände sind. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Kais« Wilhelm hat über den Schutz Arbeitswilliger auch in diesem Jahre wieder ein entschiedenes Wort gesprochen, gleichwie er vor Jahressrist in Bielefeld den Schutz der Arbeits willigen gegen Streikende proklamierte. Aus dem ihm zu Ehren von der Provinz Westfalen veranstalteten Festmahle in Oeynhausen sprach der Kaiser in eingehender Weise über die Bedeutung der nationalen Arbeit und die Pflicht der Regierenden, dieselbe zu schützen und zu fördern. Die betreffende Stelle der kaiserlichen Rede lautet: „Wie alle, die industriellen Betrieben obliegen, so haben auch Sie ein wachsames Auge auf die Entwickelung unserer sozialen Verhältnisse, und Ich habe Schritte gethan, so weit cs in Meiner Macht steht, Ihnen zu helfen, um Sie vor wirtschaft lich schweren Stunden zu bewahren. Der Schutz der deutschen Arbeit, der Schutz desjenigen, der arbeiten will, ist von Mir im vorigen Jahre in der Stadt Bielefeld feierlich versprochen worden. Das Gesetz naht sich seiner Vollendung und wird den Volksver tretern in diesem Jahre zugehen, worin jeder, er möge sein wer er will und heißen wie er will, der einen deutschen Arbeiter, der willig wäre, seine Arbeit zu vollführen, daran zu hindern ver sucht oder gar zu einem Streik anrcizt, mit Zuchthaus bestraft werden soll. Die Strafe habe Ich damals versprochen, und Ich hoffe, daß das Volk in seinen Vertretern zu Mir stehen wird, um unsere nationale Arbeit in dieser Weise, soweit es möglich ist, zu schützen. Recht und Gesetz müssen und sollen geschützt ihrer Witterung geknurrt, weil sie, wie auch der kleine Olsen, ihn zu häufig schon an sich gelockt und gefüttert hätten. Das Tier wäre so klug wie ein Mensch und ihnen zugcthan gewesen. Ham burt habe einen heillosen Schrecken bekommen, sich aber dann damit ausgercdet, daß der Hund das Grab aufgefunden und er sich nur von dem Inhalte desselben habe überzeugen wollen. Er möge nicht gern dabei genannt werden und würde es gut be zahlen, wenn" sie nach der Stadt gehen und den Fund anzeigen wollten. „Wir konnten nichts Strafbares darin finden", setzte Schu macher mit einem erhabenen Achselzucken hinzu, „und sind aufs Verdienen angewiesen. Fanden es auch ganz natürlich, daß der junge Herr keine weiteren Scherereien davon haben wollte, ob gleich er sich sehr lumpig gegen unS bewiesen hat —" „Das war Euch ganz gesund", bemerkte der Assessor, „wes halb sollt« d« kleine Olsen denn die ganze Geschichte geträumt haben?" „Weil wir dem Saufaus nicht trauten", rief Schumacher mit Verachtung, „der hätte alles verraten." Diesmal kamen sie mit der erlittenen Hast und einer strengen Verwarnung davon, weil der Volontär keine größere Schuld aus sich geladen hatte, als die des Verschwcigens, was freilich, sobald man sein« habhaft geworden, scharf geahndet werden sollte, so scharf, wie das Gesetz es irgend zuließ, darüber war man in richterlichen Kreisen vollständig einig. Rudolf Steinmann hielt die Gewissenlosigkeit des gebildeten Mannes strafbarer als die That deS halbwilden Zigeuners, weil ohne die Rückkehr dieses Menschen Riehls Name für immer mit Schmach und Schande bedeckt ge blieben wäre. Sein berechnetes Schweigen hatte den unglücklichen Greis vor der Zeit ins Grab gebracht. Es war dem jungen Manne kaum möglich, sich seiner Liebe, seines GlückcS zu freuen, weil der heimliche Stachel, daß jener Elende, welcher auch AgneS RiehlS LcbenSglück untergraben, viel leicht noch ungestraft sich Klaras Gunst rühmen durste, ihm keine Ruhe ließ. Mit heimlichem Bangen ließ Klara ihn aus ihren Armen, als er Abschied von ihr nahm, um, wie er beiläufig erklärte, den Spuren seiner Detektiv zu folgen, da ihm nach dem Schlußakt deS Riehlschen DramaS verlange. (Fortsetzung folgt.) werden, und soweit werde Ich dafür sorgen, daß sie aufrecht er halten wrrden." — Ein Ehreadenkmal läßt der Kaiser dem Fürste« vt»- marck im Berliner Dom setzen. Mit der Herstellung ist Pros. BegaS beauftragt. Die Entwürfe sind soweit gefördert, »aß sie dem Kaiser nach sein« Rückkehr nach Berlin oorgelegt werden können. BiSmarck wird in Kürassieruniform auf einem Sarkophag ruhen, von symbolisierenden Figuren umgebcn. Kandelaber sollen da« Marmormonument flankieren. — Die Kallert« Friedrich kam bekanntlich aus einem Spazier ritt in Kronberg dadurch zu Fall, daß ihr Pserd vor einem Dampf pflug scheute und sie auS dem Sattel glitt, wobei die Kaiserin eine leichte Handverstauchung erlitt. Ihr Befinden blieb jedoch so gut, daß sie spater eine Ausfahrt unternahm. — Die diesjährigen Kaisermanöver förderten einige beachtens werte Zwischenfälle zu Tage, Über welche die „V. Z." schreibt: „Zunächst mußte cs ausfallen, daß der frühere Reichskanzler Graf Caprivi zu dem militärischen Schauspiel nicht geladen worden war, obgleich er Ches des ostsriesischen Jnfant«»«rgimentS Nr. 78 ist. Caprivi ist seit seiner Verabschiedung wohl Domherr von Brandenburg geworden, in der Nähe deS Kaisers aber ist er nie wieder gesehen worden. Merkwürdig ist auch die Ansprache des Kaisers an den General v. Mikusch, den Kommandeur des 7. Armeekorps. Der Kaiser sprach von den kampferprobten "GShmn Westfalens und von der herrlichen Weise der Söhne Bückeburgs, von den lippeschcn Landeskindern, die vor ihm unter Waffen standen, sprach er nicht. Bemerkenswert ist endlich die Nach richt, wonach der Kaiser eine Abordnung deS westfälischen Bauern vereins unter der Führung des Frhrn. v. Landsberg empfangen hat. Der westfälische Bauernverein steht in agrarischem Gegen satz zum Zentrum, und noch vor zwei Jahren, bei der Einweihung deS Denkmals auf dem Wittekindberge, lehnte der Kaiser eS ab, den Freiherr» zu sehen." — „Zum Reichstag-Wahlrecht" überschreibt die „P-Ztg." eine Zuschrift des Grafen Mirbach, die einen Artikel deS Herrn v. Helldorf über die Gefahr des allgemeinen gleichen und direkten Wahlrechts bespricht, in der es u. a. heißt: Der schwerste Scha den liegt darin, daß die Notwendigkeit, an die Stimmung der breitesten Massen zu appellieren, das geistige Niveau des ganzen politischen Lebens herabdrllckt, die parlamentarischen Sitten und die Presse verschlechtert. Es ist eine Frage der Zeit, wie lange unsere Zustände diese rohe Institution aushalten; in Erörterungen darüber, wie dem Unheil gesteuert werden kann, will sich Herr v. Helldorf in seinem Artikel nicht cinlassen, er begnügt sich vielmehr damit, die Ansicht des Fürsten Bismarck, die dieser ihm gegenüber nach seinem Ausscheiden aus dem Amte wiederholt zum Ausdruck gebracht, zu rekapitulieren. Darnach hat sich Fürst Bismarck dem Herrn v. Helldorf über das Reichstagswahlrecht folgendermaßen ausgesprochen: „Mir erschien es notwendig, um das Deutsche Reich ein sehr starkes demokratisches Band zu legen, wegen der Gefahr, welche ich in partikularistischcn Neigungen deutscher Fürsten an nahm. Ich gebe aber jetzt zu, diese Befürchtung, diese damalige Annahme war eine irrige. Liegt in dem gegenwärtigen Reichs- tagswahlrccht eine Gefahr für das deutsche Volk, so muß es auch die Kraft haben, dieses Band zu zersprengen." Indem He« v. Mirbach vorstehendes in der „-f-Ztg." veröffentlicht, bemerkt er, daß die Frage einer Modifikation des Reichstagswahlrechtcs trotz der Abwehr des vr. Lieber nicht von der Bildfläche verschwinde. Da die Anregung zur Abänderung des Reichstagswahlrechtcs aber nur von den beiden konservativen Parteien gegeben wird, so ist im Reichstage kaum irgend welche Aussicht aus Annahme eines bezüglichen Anuages. Daß aber von der Regierung ein das Wahl recht betreffender Gesetzentwurf an den Reichstag gelangen sollte, ist nicht zu erwarten. — Der Chefkonstrukteur unserer Marine Wirkt. Geh. Admiralitätsrat Prof. Dietrich ist im Alter von 55 Jahren ge storben. Seit 1867 hat er bei der Konstruktion und dem Bau fast sämtlicher Schiffe unserer Flotte mitgewirkt. Der Verstorbene besaß außer zahlreichen deutschen Auszeichnungen auch die goldene englische Medaille. — Der Entwurf eines allgemeinen deutschen Fleischschau gesetzes, das einem dringenden volksgesundheitlichen Bedürfnis entspricht, ist im Reichsamt des Innern bereits ausgearbeitet worden und den maßgebenden Verwaltungen zur Prüfung zugegangen. Der Reichstag wird sich in seiner kommenden Session also mit diesem bedeutungsvollen Gesetzentwurf zu beschäftigen haben. Oesterreich-Ungar«. — Große Ereignisse werfen ihren Schatten voraus; daß in Oesterreich große, folgenschwere Dinge bevvrstehen, steht über allem Zweifel fest. Das erste positive Anzeichen des kommenden Stur mes ist die Erklärung des Handelsministers Baernreither, von den Geschäften zurückzutretcn, da infolge der Haltung deS Grafen Thun gegen die Deutschen sein Verbleiben im Kabinett unmöglich sei. Daß in Oesterreich der Konflikt unvermeidlich und der Staatsstreich die einzig denkbare Lösung des Wirrwarrs sei, weiß man auch in Budapest, woselbst man alle Vorbereitungen trifft, um den Weg des Selbstbcstimmungsrechts in dem Augenblicke zu betreten, wo die Unmöglichkeit der parlamentarischen Herbeiführung deS Aus gleichs zur Thatsache geworden ist. Baron Bauffy meinte freilich, daß er sich aus Gründen des politischen Anstandes nicht über daS äußere Vorgehen Ungarns im Einzelnen äußern könne, solange die Aktionsunfähigkeit des österreichischen Parlaments nicht fest- gestellt sei; was er aber von dem Reichsrat in Wien erwartet, hat er mit dieser Aeußerung aber doch hinlänglich tlargestellt. Frankreich. — Die Enthüllungen dauern fort. Kriegsminister Zurlinden hat im Ministerratc mitgetcilt, daß die infolge der Fälschung Henrys eingeleitete Ermittelung die Spur anderer verbrecherisch« Handlungen gewisser Generalstabsoffiziere bloßgelegt habe. Der Kriegsminister legte ferner den Entwurf zur Reorganisation deS ErkundungsbüreauS vor. Nach demselben sollen GencralstabS- osfiziere zu den Polizeidiensten, welche bisher von dem Erkun- dungsbüreau verrichtet wurden, nicht mehr verwendet werden. D« „Aurore" zufolge sei die Verhaftung du Paty de ClamS be schlossen worden. Esterhazy ist, wie mehrere Berichterstatter be haupten, seit zwei Tagen aus der Wohnung, welche er mit seiner Geliebten Pays inne hatte, verschwunden. Er sei ins Ausland entflohen. Da eS feststeht, daß die sranzöfische Regierung di« Wiederaufnahme des Prozesses will, beginnt man sich in Frank reich mit der Rückkehr des Hauptmanns Dreysu» zu beschäftigen. DrcysuS würde üb« Holländisch Guyana nach Frankreich gebracht. Dies ist der kürzeste Weg, der zwanzig Tage in Anspruch nimmt. Die Entscheidung des Kassation-Hofes ist nicht vor Mitte Oktober zu «matten. DaS neue Kriegsgericht tritt vorau-sichtlich in de« letzten Novembertagen zusammen.
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