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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 09.08.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-189808093
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-18980809
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-18980809
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- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-08
- Tag 1898-08-09
-
Monat
1898-08
-
Jahr
1898
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und wird nächsten- in Benutzung kommen. Dagegen wird der alte Fußweg rechtsseitig der Bahnlinie gar bald verschwinden. In der Nähe der Station nehmen die Dammschüttungen jetzt kolossale Dimensionen an. Ein hinter der Station wegslihrender Ncbendamm muß deshalb ausgesührt werden, weil man ander- nicht so bequem von den oberhalb der Station lagernden Stein- vvrräten entnehmen könnte, was unterhalb der Station später zur Packlagerbildung erforderlich wird. In großer Menge und Schnellig keit kann dann mittelst Maschine tran-porliert werden. Unterhalb der neuen Betonbrücke an der Chaussee am Mendeschen Grund stücke, wenige Meter entsernt von der ersteren Brücke, erblickt man ein neue- BrückengerUste. ES macht sich behuf- geeigneterer Chaujsecrichtung eine zweite Betonbrückc nötig. Dieselbe wird sich tunnelarlig zu gestalten haben, da eine bedeutende Chaussceunter- sührung unter der jetzigen Bahnlinie und überhaupt unter der ganzen Bahnterrainbreitc weg vorgenommen werden muß. Die tunnelartige Betonbrückc wird ungefähr eine Länge von 40 m haben. Am ersten Hause recht-, oberhalb der jetzigen Bahnlinie, also am Ende des Bauplanes, wird die Brücke auslanfen und die Chaussee einmünden. Die jetzige Chausseerichtung ist nur interimistisch und wird am Ende des Baues wieder verlassen wer den. Gegenwärtig arbeiten die Bagger draußen in Ebersdorf. In der Nähe des Bahnwärterhäuschens wird jetzt tüchtig ge baggert und daS angckauste Terrain entsprechend erhöht, um daS gehörige Niveau herzustellcn. Da hinten werden später die Ma- schinenhäuscr erstehen. — In dem um 1/2I I Uhr abends aus dem Bahnhöfe Erlau eintreffendcn Güterzuge war am Freitag, vermutlich durch Funken aus dem Lokomotivschornstcine, ein mit Pappe beladener Wagen in Brand geraten. Die zirka 400 Zentner betragende Ladung war für die Lauenhainer Papierfabrik bestimmt. In der Station anglkommen, wurde der brennende Wagen ausrangiert und zunächst mittelst der Bahnhofs-Feuerspritze tüchtig mit Wasser begossen, worauf ihn die Maschine auf ein totes Gleis stieß, woselbst die weiteren Löschungsoersuchc vorgcnommcn wurden, die aber aus Mangel an ausreichendem Wasser erfolglos blieben. Der Waggon mit Ladung wurde bis auf daS eiserne Gerüst ein Raub der Flammen. — Mehrere ausländische Arbeiter pflückten am Mittwoch un- erlaubtcrwcise von den von dem Handelsmann Winkler in Grund bei Mohorn gepachteten Kirschbäumen. Winkler beauftragte seinen etwa 20jährigen Sohn, die Diebe zu vertreiben. Als dieser bei den Kirschbäumen ankam, stach ihn einer der Diebe, der vom Baume hcrabgesprungen war, in die Hand und in den Arm. Zwischen den Leuten, die Winkler zu Hilse eilten, und den aus ländischen Arbeitern entspann sich alsbald ein Kampf, in dem die Ausländer derart mit dem Messer umgingen, daß die Feuerwehr zur Unterstützung der Einheimischen herbeigerufen werden mußte. 6 Messerhelden sind in der Nacht noch dingfest gemacht worden. Durch die Gendarmerie wurden am Donnerstag 5 Personen der Behörde zugesührt. Winklers Zustand erforderte seine Aufnahme im Krankenhause. — Zu dem Leichenfund im Wald« bei Sebnitz wird weiter' berichtet: In der linken Brust des Leichnams, von dem beide Beine abgerissen waren, befand sich eine Schußwunde. Das Projektil war eine Kugel im Durchmesser von etwa 5 Millimeter. Die Ermordete war ziemlich korpulent, dürfte im Alter von etwa 23 Jahren gestanden und, nach der Kleidung zu schließen, in guten Verhältnissen gelebt haben. Die Kleidung bestand aus einer rotgestreiftcn Bluse, einem karrierten Schafwollklcid mit schwarzer Bordeneinfassung. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Ermordete eine Touristin war, die sich auf einem Ausfluge befand. Die Erhebungen werden eifrig fortgesetzt. — Nach einer weiteren Mel dung dürste die Leiche schon 3 bis 4 Monate im Freien gelegen haben. Der Fundort befindet sich an der Grenze des Thomas- waldeS und Nixdorser Busches bei der sogenannten Schwedcn- schanze. — Ucber einen eigenartigen BetrugSsall wurde vor dem Schöffengerichte zu Reichenbach verhandelt. Ein Netzschkauer Hausbesitzer hatte längere Zeit, insbesondere am 18. Juni, infolge geringen Ausdrehens des Ausflußhahncs seiner Wasserleitung den Wasserstrahl so schwach laufen lassen, daß wegen des geringen Druckes die Wasseruhr nichts anzeigte. Auf diese Weise wurde sekrctär dahin beschicden worden, nach dem Examen anzufragca. Er bestand cs mit Auszeichnung und — bekam von Klarn einen Korb. Tas war der Schlag, den der Stolz des jungen, hochstrebenden Mannes nicht überwinden konnte. Mit Groll im Herzen mied er fortan das Nachbarhaus, machte dann sein juristisches Examen und war nun Assessor beim Kriminalgerichte in M., wo er bereits von der Staatsanwaltschaft als fähiger Kopf erkannt und zur Beförderung vorgeschlagen worden war. Es wurde auch als eine große Bevorzugung angesehen, daß ihm die erste Beurteilung des Riehlschen Falles übertragen worden war und zugleich als Zeugnis seiner eminenten Bcsähigung für das kriminalistische Fach. „Rudolf kam mir gleich sehr herzlich entgegen", fuhr der Stadlsckretär mit sichtlicher Gcnugthuung fort, „die Geschichte hat natürlich sein lebhaftes Interesse erregt, da er den alten Riehl so gut gekannt und ihn stets sür einen durch und durch ehrenwerten Charakter gehalten hat." „Hält er das Beweisstück sür vollgiltig zur Anklage?" fragte Klara erregt. „Darüber kann er sich natürlich als Beamter nicht äußern, doch scheint er, und das ist ein wesentlicher Vorteil sür Riehl, ihin ein großes Interesse entgegen zu bringen und entschlossen zu sein, nach Beweisen sür seine Schuldlosigkeit zu suchen. Richt kann dcm Himmel in der That dafür dankbar sein, daß Rudolf Steinmann zuerst seine Sache in die Hand bekommen hat." „Ja, ja, bas ist wirklich eine Fügung Gottes, und ich freue mich von Herzen aus seinen Besuch. Rudolf war stets ein guter Junge." Ter alte Brandner sah seine Tochter halb vorwurfsvoll an. „Er ist brav und gut", sagte er mit Nachdruck, „und seine künftige Frau unbedingt zu beneiden." „Ich wünsche ihm die Beste meines Geschlechts, Väterchen!" erwiderte Klara wehmütig lächelnd, „und vor allen Dingen eine Frau, welche ihn so liebt, wie er's verdient und deren ganzes Herz ihm gehört." „Ja, ja, ich kenne die Phrasen", murrte der Vatcr, „möchte wohl wissen, wem Dein wählerisches Herz 'mal gehören wird. Werde diese Stunde wohl nicht erleben, möchte Dir aber doch zu be denken geben, mein liebes Kind, daß die Jugend rasch entflieht, und cs mir wahrlich nicht angenehm wäre, wenn cs Dir erging« eine nicht unerhebliche Ermäßigung des zu zahlenden Wasserzinses erzielt. In dem Gebaren dcS Hausbesitzers erblickte da« Gericht vollendeten Betrug und erkannte aus eine entsprechende Geldstrafe. — Nur gemütlich! Vor längerer Zeit fuhr ich einmal, so wird im „Hannov. Cour." erzählt, vom Leipziger Bahnhof hin aus nach Plagwitz, allerdings bei greulichem Schmutz. Etwa 150 Meter vom Ziele entfernt, hielt mein Kutscher an und sagte ganz treuherzig: „Nu seh n Se nur einmal den Dreck, ich muß weeß Kneepchen zwee Stunden an der Kutsche rumputzen; wollen Se nicht so gütig sind — und daS Endchen loofen?!" Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Bezüglich der Gestaltung der handelspolitischen Be ziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von 'Nordamerika haben die preußischen Handelskammern eine Um frage über die Ansichten und Wünsche der kaufmännischen Kreise veranstaltet, lieber da- Ergebnis dieser Umfrage ist zu berichten, daß in den Interessentenkreisen zwar anerkannt wird, die Verwen dung von Kampszöllen könnte unter Umständen nutzbringend und geboten sein, und bei einem Zollkriege zwischen Deutschland und Amerika werde vielleicht das letztere eine erheblichere Einbuße er leiden als Deutschland, daß aber trotzdem in jenen Kreisen die Ueberzeugung vorwiege, es liege im Interesse beider Staaten, durch einen gütlichen Ausgleich de» Zollkrieg zu vermeiden. — Staal-sekretär Tirpitz hat in diesen Tagen an die kaiserliche Werfldirektion in Kiel einen Erlas) gerichtet, in welchem er die Behörde auf die auffallende Höhe der bei der letzten Rcichs- tagswahl in der nächsten Umgebung der Werst abgegebenen sozial demokratischen Stimmen aufmerksam macht. Der Staatssekretär kann sich diesen Umstand nicht anders erklären, als durch die An nahme, daß in der kaiserlichen Anstalt zahlreiche sozialdemokratische Agitatoren und Hetzer beschäftigt sein müssen. Er fordert deshalb die Werftverwaltung auf, die so charakterisierten Arbeiter ausfindig zu machen und unverzüglich zu entlassen. Man mag über Ge- sinnungsriechekei rc. denken wie man will, man wird dcm Grund sätze beipflichten müssen, daß in staatlichen Werkstätten nicht Ar beiter beschäftigt werden dürfen, die sich zu einer Partei zählen, deren Endziel die Beseitigung des Staates selbst ist. Von jedem recht und billig Denkenden kann der Erlaß des Staatssekretärs daher nur als durchaus berechtigt, ja als notwendig angesehen werden. > — Die amtliche Veröffentlichung de- Entlassungsgesuchs des Fürsten Bismarck wird von der „Tägl. Rundsch." ange kündigt, um auf diese Weise jeder Legcndenbildung den Boden zu entziehen. Ob die Veröffentlichung, wie dem genannten Blatt versichert wird, schon in 10 bis 14 Tagen oder erst später er folgt, bleibt abzuwarlen. Maßgebend für die Hinausschiebung der amtlichen Veröffentlichung (die von der Buschschen nicht allzu wesentlich abweichen wird) scheint der Wunsch zu sein, daß nicht, sozusagen Noch über dem Särge des Fürsten, eine neue Erörterung dieser Angelegenheit Platz greift. — In der Angelegenheit der unbefugten photographischen Aufnahmen der Leiche des verewigten Fürsten Bismarck wird weiter gemeldet: Es hat sich jetzt herausgestellt, daß es der Förster Spörkel war, der Sonnabend nacht die zwei Photographen unbe rechtigt einließ. Es wurden angeblich zwei Aufnahmen gemacht, mit und ohne Halstuch (?). Der Förster wurde ohne Ruhegehalt entlassen. Auf Verwendung des Grafen und der Gräfin Rantzau unterblieb die beabsichtigte Verhaftung, lieber die Entdeckung des Schuldigen will ein Berliner Berichterstatter folgendes erfahren haben: Die That wäre wohl niemals ans Tageslicht gekommen, denn den bald erschienenen Photogrammcn konnte man die unlautere Herkunst nicht beweisen. Nur die alte Wanduhr, die dem toten Helden so manche glückliche Stunde verkündet, hatte getreulich Wacht gehalten, sie allein redete eine beredte Sprache, da die schuldbeladenen Menschen schwiegen. Sic, die der Photograph in blindem Eifer mit fixierte, sie zeigte mit unerbittlicher Genauigkeit die Stunde, in der der Frevel geschah: ein Viertel nach Zwei! Der um diese Zeit die Totenwache gehalten, mußte der Schuldige sein. Die Vermutung crwics sich als richtig, da der ungetreue wie dem Storch, der alles verschmähte und zuletzt mit einem Frosche vorlieb nehmen mußte." „Brauche ich denn überhaupt um jeden Preis zu heiraten, beziehungsweise mit einem Frosch vorlieb zu nehmen, Vater?" versetzte Klara sehr ernst, „ich denke gar nicht daran, meine Frei heit in irgend einer Weise zu verkaufen — und halte einen Schwur sür zu heilig, um ihn wie eine Bagatelle zu behandeln. Ein Eheband zu knüpfen, mag leicht genug sein, aber cS sein Lebelang zu tragen, ohne daß es zur eisernen Kette wird, das ist cin Kapitel, in welchem nur die echte Liebe sich bewähren kann. Ohne diese, welche auf Gegenseitigkeit sich gründet, werde ich niemals einem Mann angehörcn, niemals lieber Vatcr!" „Ja, mir soll's schon recht sein, wenn Du eine alte Jung fer durchaus werden willst", brummte der Stadtsekrctär, sich zu seinem Mittagsschläfchen zurechtsetzend. „Der Rudolf Steinmann wird sicherlich eine bedeutende Karriere machen und sich eine Frau aus der hohen Aristokratie wählen können. Wenn's Dich nur nicht später recht bitter gereut, den braven Jungen abgewiesen zu haben. Jetzt ist es natürlich zu spät, der beißt nicht wieder an —" Die letzten Worte kamen nur noch halbveistündlich über seine Lippen, da er schon »ach wenigen Minuten eingeschlafen war, wie sein lautes Schnarchen bewies. ' Klara war bei den unverblümten Worten des Vaters sehr blaß geworden. Sie zog sich in ihr Stübchen zurück, um ihre innere Aufregung zu beruhigen und ihre Gedanken zu ordnen. Sie hatte sich gegen Rudolf Steinmann nichts vorzuwcrscn und empfand doch cin stilles Unbehagen, ihm jetzt wieder gegenüber zu treten, da sie nicht recht wußte, wie sie ihn empfangen sollte, um nicht von ihm falsch beurteilt zu werden. Ihre Fenster gingen Gartcnwärts, mit einem weiten Aus blick in die Ferne. Sie konnte auch von hier den Riehlschen Garten und die unheimliche Schlucht mit der Ruine genau beobachten. Gedankenvoll an eines der geöffneten Fenster tretend, blickte sic hinaus, fuhr aber plötzlich erschreckt zurück, als sie auf der hinter ihrem Garten befindlichen Promenade zwei Herren in an gelegentlicher Unterhaltung sah. Die Vorhänge rasch zusammen ziehend, nahm sie cin Fernglas zur Hand und richtete dasselbe ungeschen aus die Herren. Ans ihrem hübschen Antlitz wechselten Purpurglut und Blässe, während ihr Herz bis zum Zerspringen klapste. /Ä. Diener alrbald selbst ein Geständnis ablegt«. — Die Hamburger Photographen hatten in der „Voss. Ztg." in spaltenlangen In seraten angekündigt, daß Interessenten für den Ankauf der von ihnen auf so unrechtmäßige Weise erworbenen Photographien, für dic sie die kleine Summe von 51000 Mark forderten, sich im „Hotel Bristol" zu Berlin melden möchten. Oesterreich-Ungar«. — Di« Tinge drängen zur Entscheidung, sogcrn man die letztere in Wi«n auch wegen der im Winter stattfindenden JubiläumS- feierlichkeiten bi- aus da- neue Jahr hinau-geschoben hätte. Der Anlaß zu d«r schleuüigen Klärung der Verhältnisse liegt nicht etwa in einer zärtlichen Rücksichtnahme auf die Deutschen, son dern lediglich in der Notwendigkeit, mit Ungarn so schnell al- möglich ins Reine zu kommen. In der dcm ungarischen Mini sterpräsidenten Banffy nahestehenden Presse wird ausgesührt, daß Ungarn ein neue- Provisorium auf ein Jahr nicht einsühren und daß eS mit einem Oesterrcich, da- mit dem 8 14 regiert wird, auch keinen endgiltigen Au-gleich abschließen könne. In sehr ausfälliger Weise wendet sich die ungarische Regierungspresse ins besondere gegen die Deutschen Oesterreichs, deren Lage tief be dauert, es zugleich aber als ausgeschlossen bezeichnet wird, daß Un garn ihnen helfen könne. Kennzeichnen die Preßäußerungen wirk lich die Stimmung der ungarischen Regierung, war wohl anzu nehmen ist, dann muß das Kabinett Thun schleunigst zu Thaten übergehen. Tie neuliche Angabe, daß ein Staatsstreich in Vor bereitung sei, wird also wohl begründet gewesen sein. — Die „N. Fr. Pr." bemerkt zur Situation: Ueber das, wa» in nächster Zeit geschehen wird, vermag niemand Auskunft zu geben, weil bisher weder in Oesterreich noch in Ungarn hier über eine endgiltige Entscheidung getroffen wurde. Mit einem Staatsstreiche brauche man noch nicht zu rechnen. Im Gegenteil habe der Gang der Verhandlungen sogar eine kleine Annäherung gebracht. Den Beratungen der beiden Ministerpräsidenten, die während der letzten Tage der vergangenen Woche in Wien statt- sanden, sei eine größere Bedeutung beizumcssen. Am Sonntag waren Graf Thun und Baron Banffy in Ischl, um dem Kaiser über -den Stand der Dinge Vortrag zu halten. Die „N. Fr. Pr." beurteilt die Situation, wie man sieht, äußerst optimistisch. Leider ist bezüglich der Entwickelung der politischen Lage in Oe sterreich-Ungarn der Optimismus nur so wenig als möglich ange bracht. Frankreich. — Esterhazy kann sich den geriebensten Hochstaplern an die Seite stellen, wenn wahr ist, was sein Vetter Christian ihm nachsagt: Christians Vater war 1896 als zweiter Bürgermeister von Bordeaux gestorben. Er hinterließ dcm Sohne zwar einen berühmten Namen, Würde und Titel eines Grafen Esterhazy, aber nur cin kleines Erbe. Da erinnerte sich seiner aber der Vetter in Paris, Graf Walsin Esterhazy, und gab ihm allerlei gute Ratschläge. Er machte ihm klar, daß es für ihn ganz verfehlt sei, sein kleines Kapital in Orientalen und Türken anzulegen oder in anderen Staatspapicren. „Du sprichst von Spekulationen," sagte er, „aber ich rate Dir, spekuliere niemals, denn jede Spekulation kann schief gehen. Ich werde dieser Tage," schrieb er ihm nämlich weiter, „durch Vermittelung meines Freundes Rothschild eine Summe in ein Unternehmen von vollkommenster Sicherheit stecken, das er selbst führt. Ich werde sagen, daß ich noch mehr hineinsteckcn möchte, und ich weiß, daß er damit einverstanden sein wird. Ich verbürge Euch mindestens 25 Prozent, monatlich zahlbar, wohl verstanden, nicht monatlich 25 Prozent, sondern 2 Prozent und ein Bruchteil. Und da mir daran gelegen ist, daß Ihr Euch ja nicht beunruhigt, so verbürge ich Euch persönlich mit meinem Ver mögen Euer ganzes Kapital, sodaß, was auch kommen könnte, Ihr keinerlei 'Nachteil haben könnt. Aber ich thue es nur unter der einen Bedingung, daß Ihr Euch diese Bürgschaft geben laßt. Also wohlverstanden, sür 20000 FrcS. habt Ihr 5000 FrcS. Zinsen, die ich Euch verbürge mitsamt voller Sicherheit Eures Kapitals." Der gute Vetter Walsin, sagten sich Christian und seine Mutter, er wird unS und den Minen Esterhazy zu Ehren bringen. Sie sandten ihm di« 20000 FrcS. und in der Folge noch 18500 Frcs. dazu. Und wie versprochen, erhielten sie monatlich ihre 2 Prozcnt Zinsen und einen Bruchteil, 25 Prozent im Jahre. Da auf einmal, es war am Ende vorigen JahreS, Es waren der Assessor Rudolf Steinmann und der flotte Volontär Adolar Hamburt, ersterer schien sehr ernst und gemessen zu sein, während der ehemalige Offizier sich augenscheinlich in einer sehr heiteren, ja übermütigen Stimmung befand. Jetzt trennten sich die Herren. Der Assessor ging in die Stadt. Herr Adolar schlenderte, seine Reitpeitsche schwingend, der Schlucht zu. In diesem Augenblicke kam die Riehlsche Magd, die alte Nette, des Weges daher. Klara bemerkte mit einer gewissen Ge- nugthuung, daß Rudolf Steinmann, der ein sehr stattlicher Herr geworden war, die Alte anredete und an ihrer Seite weiter schritt. Er war ja ein Kind dieses Städtchens und immer ein Lieb ling des „Riehlschen HauS-JnventarS", wie sie allgemein genannt wurde, gewesen. Ucber diese Beobachtung hatte Klara den Volontär aus den Augen verloren. Sie richtete das Fernglas überall hin, spähte dann mit ihren scharfen Augen nach der Schlucht hinüber, doch nirgends war etwas von Herrn Adolar zu entdecken. Wo mochte er nur geblieben sein? — Mit einer entschlossenen Miene rückte sie ihren Sessel ans Fenster, postierte sich derartig, daß sie selber ungesehen daS Riehlsche HauS genau beobachten konnte und blieb hier unbeweglich, wie cin Soldat auf Vorposten, sitzen. Bewegte sich nicht dort etwas oben bei der Ruine? Sie blickte durchs Fernrohr — richtig, «S war der Volontär. Mit wem mochte er dort reden? — Ach, mit dem kleinen Eckensteher Olsen. Sie stiegen beide jetzt herab, nun standen sie bei dem Riehlschen Garten — Fräulein Agnes kam aus dem Hause, sie sah so züchtig, so trauervoll au» in ihrem schwarzen, hochmo dernen Kleide. Der Volontär, dessen hohe Gestalt den Gartenzaun überragte, zog grüßend den Hut und schien ihr etwa- zuzurufen, worauf sie cin Sträußchen pflückte und eS hinüberreichte. Sicherlich war dasselbe sür den kleinen Olsen, der als Blumennarr ja überall bekannt war, bestimmt gewesen. Noch ein höflicher Gruß und Herr Hamburt ging weiter. ES war nicht- geschehen, wa- auch nur den Schatten eines Verdachtes auf Agnes Riehl hätte werfen können. Und doch war Klara Brandner sehr blaß geworden, und ihre Augen blickten starr in djt Fern«, al- sähen sie dort rin nebel haft-schreckliche- Gespenst. (Fortsetzung folgt.)
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