Volltext Seite (XML)
denkmal aus schwarzem schwedischen Granit errichten und an dem Wohnhause Keller- eine Gedenktafel an- bringen lassen. — Die „Dr. N." berichten aus Leutewitz bei Dresden: Ein Vogelschießen, welches trotz Ben Akibas „Alles schon dagewesen" als Unikum dasteht, sand am Sonntag in einem hiesigen, gern besuchten Eta- blissement statt. Alles war vorhanden: Vogel, Gäste, Armbrust, Gewinne, gut Wetter und alles sonst zu einem solennen Vogelschießen Nötige, aber — keine Bolzen. „Hol'- der Geyer", dachte man, „runter uß er", der Piepmatz nämlich, und schleunigst rück- entwickelte man sich im schönsten „Atavismus" zur Steinzeitperiode. Einfach! — man warf eben mit handlichen Steinen nach dem Vogel, bis dieser sich in seine Einzelheiten auflöste. Die Bolzenjungen schafften, ihres sonstigen Amtes ledig, unablässig Steine herbei. — Der sozialdemokratische Abg. Schönlank zu Leipzig hat den Landesverband deS Bundes der Landwirte im Königreich Sachsen wegen Verletzung deS sächsischen Vereins- und Versammlungsrechts bei der Staatsanwaltschaft denunziert. Die Anzeige richtet sich gegen die Herren von Frege-Abtnaundorf, Ritter gutsbesitzer R. Schade in Gestewitz und Ritterguts- besitzer Schade in Zedlitz. — In der Nacht zum Freitag in der 2. Stunde wurde ein am Matthäikirchhof in Leipzig wohnhafter Schneidermeister in der Nähe seiner Wohnung von 2 Unbekannten, anscheinend Kolporteuren, angesprochen und ihm eine Broschüre, „Der Mädchenspiegel", zum Kauf angeboten. Der Meister hat auch ein Heft gekauft. Als er kurz darauf seine Hausthüre ausschließen wollte, versetzte ihm einer der Unbekannten einen heftigen Stoß gegen den Leib und riß ihm seine goldne Remontoir- uhr mit Gewalt von der Kette los. Ehe der Beraubte wieder richtig zur Besinnung kam, waren die Unbekann ten verschwunden. Der Thäter ist ca. 26 Jahre alt, mittelgroß, schmächtig, hat kleinen Schnurrbart und ist u. a. mit Hellem Jakett und dunklem Hut bekleidet gewesen. — Wegen Herausforderung zum Zweikampf ist in Zwickau vr. meä. Hindenburg zu 3tägiger und Forstassessor Petermann wegen Kartelltragens zu ein tägiger Festungshaft verurteilt worden. — Aus Glauchau wird berichtet: EL ist schon eine Weile her, da stahl eine Zigeunerin in hiesiger Gegend einen Thaler, um ihren Zweck zu erreichen, der dahin ging, auf einige Zeit im GesängniS unter gebracht zu werden. Hier in dem zwar engen Raum, aber immerhin geschützt vor Wind und Wetter und unterstützt von sachkundiger Hand, genas sie bald eines braunen KnäbletnS. Aus ihren späteren Erzählungen ging hervor, daß auch sie, sowie ihre Mutter, Groß- mutter, Urgroßmutter u. s. w. im Gefängnis geboren wurden, und daß eS in ihrer Familie von jeher so üblich gewesen sei, zu dieser Zeit für ein derartiges sicheres Unterkommen stets Sorge zu tragen. — Nicht weniger als 230 Stück Kreuzottern hat der Reptilienfänger Rindfleisch in Reichenbach i. V. in dieser Saison lebend und unschädlich eingefangen; davon waren 198 Stück weiblichen Geschlechts. Da jede weibliche Kreuzotter gegen 8 bis 18 Junge zur Welt bringt, so kann man sich ungefähr denken, wel chen Schaden diese Tiere verursachen können. — Die Bande des RäuberhauptmannS Karo. Aus Plauen i. V. wird geschrieben: Wie Karl Moor in die böhmischen Wälder zog, so wollte die „Bande des RäuberhauptmannS Karo", welche sich hier vor einiger Zeit aus neun etwa 15 bis 23 Jahre alten Burschen unter Führung des „Arbeiters"" Lang gebildet hatte, nach Italien gehen, um dort ein freies Räuberleben zu führen. Zunächst wollten die Räuber jedoch die hie sige Gegend brandschatzen. Um sich zu einem derar tigen Besuch die so notwendigen Waffen zu verschaffen, brachen einige dieser Burschen (wie wir s. Z. berich teten) in daS hiesige Museum für Altertümer ein, aus dem sie sechs altertümliche Säbel und einen Dolch stahlen. Viel Schaden hat die „Bande" jedoch nicht angerichtet. Nachdem sie noch ein Fernrohr gestohlen, wurden ihre Mitglieder verhaftet, die am Montag vom hiesigen Gericht zu Gefängnis von 6 Wochen bis 1 Jahr 3 Monaten verurteilt wurden, der „Hauptmann" wird noch vor das Schwurgericht gestellt. — Eine große Sonnenfleckgruppe ist seit einigen Tagen sichtbar und rückt mehr und mehr gegen die Mitte der Sonnenscheibe vor. Nach der Beobachtung auf dem Observatorium der Kölnischen Zeitung stellt sich die Gruppe als eine lange Kelle von einzelnen Son nenflecken dar, umgeben von einem zerrissenen, höchst mannigfaltig gestalteten und ungleich dunkeln Hose. Innerhalb dieser ganzen Formation zeigten sich mehr als 20 größere Kernflecke und zahllose kleinere gleich Filamenten, dem größeren anhängend oder diesen um gebend. Dieser ungeheueren Kette von Flecken, die in Wirklichkeit mindestens 10000 Meilen lang ist, geht ein einzelner größerer Fleck vorauf, der von einer strah- ligen Penumbra umgeben ist und äußerst dunkel erscheint. Wie bemerkt, rückt diese ganze Kette von Flecken mehr und mehr in die Eonnenschetbe vor, sodaß sie immer bester sichtbar wird, ja, vielleicht sogar von unbewaff neten Augen vor Sonnenuntergang wahrgenommen wer den kann. Die Erscheinung ist um so merkwürdiger, als das Maximum der Fleckenthätigkeit auf der Sonne schon seit fast zwei Jahren überschritten ist. TageSgefchtchte. Deutsches Reich. — Der Besuch, den der Reichskanzler Fürst Ho henlohe dem auf seinem hannoverschen Gute weilenven deutschen Botschafter in Paris, Grafen Münster, ab gestattet hat, bildet in den politischen Kreisen den Gegenstand lebhafter Erörterung. Es wird dort von keiner Seite bezweifelt, daß dieser Besuch mit dem bevorstehenden Zorenbesuch in Paris in Verbin dung stand. Graf Münster wird sich demnächst auf seinen Pariser Posten zurückbegeben und während der Zarentage in Paris anwesend sein. Dem Reichs kanzler, der eben erst in Breslau mit den maßgeben, den russischen Persönlichkeiten intime Besprechungen gehabt hat, mußte daran gelegen sein, die dort ge wonnenen Eindrücke dem Pariser Botschafter münd lich in eingehender Weise zu schildern und den Gra- fen Münster mit genauen Anweisungen für den be vorstehenden Zarenbesuch zu versehen. — Zwischen Deutschland und Rußland besteht seit kurzer Zeit ein kleiner Zollkrieg. Rußland hat gegen Deutschland mehrere Zollrepressalien angeordnet, denen gegenüber Deutschland, wie im „Hamb. Korr." osfiziöS angedeutet wird, nicht umhin können wird, das Verbot der Beleihung russischer Staatspapiere wieder herzustellen. — Im Reichsversicherungsamt wird, wie verlautet, eine Denkschrift ausgearbeitet, betreffend die finanziel len Ergebnisse der Alters- und JnvaliditätSversiche- rung, welche zunächst dem Bundesrat vorgelegt wer- den soll. — Die Bäckereiarbeiter haben beschlossen, diejeni gen ihrer Kollegen, welche ihre Arbeitgeber wegen Verstoßes gegm die Bäckereiordnung zur Anzeige brin gen und deshalb entlassen werden, als gemaßregelt zu betrachten und demgemäß zu unterstützen. — Der „ReichSanzeiger" meldet: In Ergänzung der ersten schriftlichen Meldung über den Verlust des Kanonenboots „Iltis" berichtet Kontreadmiral Tirpitz an den kommandierenden Admiral noch folgendes: Das Kanonenboot „JltiS" passierte am 23. Juli nach mittags Nordost Schantung den Promontory Leucht- türm unter Dampf mit gesetzten Topsegeln, änderte aber seinen Kurs nach Süden. Um Uhr wurde der „JltiS" vom Leuchtturm aus zuletzt gesehen, er steuerte nach der Ansicht des Leuchtturmwärters einen westlicheren Kurs, als er sonst von den Dampfern ge- wählt wird. Die Angaben der geretteten Leute über die Navigierung sind überaus gering. Dieselben ver- mögen den zu dieser Zeit gesteuerten Kurs nicht an zugeben, da keiner der Rudergänger oder einer der Signalmaate gerettet worden ist. Das Schiff arbeitete stark bei Seegang, nahm auch Wasser über. Die Sturmtrysegel, im Laufe des Nachmittags unterge schlagen, wurden gegen 6 Uhr gesetzt. Die Maschine war in Ordnung. Gegen 10 Uhr wurden die Segel geborgen und für die Maschine befohlen, von großer Fahrt mit 120 Umdrehungen auf kleine Fahrt mit 68—70 Umdrehungen herunterzugehen. Kurz darauf stieß daS Schiff auf und wurde sofort sehr stark leck. Der Maschinen- und der Heizraum liefen voll Wasser, ehe die Feuer herausgeriffen werden konnten; eine Keffelexplosion ist jedoch nicht erfolgt. Die Freiwache befand sich zur Zeit deS Festkommens in den Kojen. Durch den heftigen Seegang wurde daS Schiff fort gesetzt gegen die Felsen gestoßen und trennte sich da- durch in zwei Teile, indem eS dicht hinter den wasser- dichten Schotten durchbrach. Eine Viertel- bis eine Halbestunde darauf brachte der Kommandant drei HurraS auf den Kaiser aus. Der größte Teil der Mannschaft hielt sich bei den Offizieren auf dem Achter schiff auf und stimmte inmitten der überkommenden Brecher nach dem Vorgang des Oberfeuerwerksmaaten Rehm daS Flagglied an. Durch Abfeuern von Ra keten und grünen Sternen wurde versucht, die Auf merksamkeit an Land zu erregen, waS jedoch erfolglos blieb. DaS Achterschiff wurde nach und nach in Stücke geschlagen; nachdem die Masten über Bord gegangen und die Reeling, abgebrochen war, ist eS schließlich gekentert. Von dem Achterschiff wurden nur zwei Mann gerettet, die Brandung warf sie an Land. DaS Achterschiff liegt jetzt in einem Felskessel. Das Vorderschiff hatte sich flach auf Backbordseite gelegt und bot so den Leuten Schutz. Am folgenden Tage wurde ein Mann über Bord gespült und an Land geworfen, während der Resi am 2b. Juli von Chinesen geborgen wurde. Es ist ausgeschlossen, daß außer den als gerettet gemeldeten, noch jemand mit dem Leben davongekommen ist, nachdem 9 Tage seit der Katastrophe verflossen sind. Am 1. August waren 19 Leichen geborgen; eS befindet sich kein Offizier da- runter. Die Zersetzung war teilweise soweit vorge- schritten, daß die Rekognoszierung nur durch die im Zeuge befindlichen Namen möglich war. Einzelne Leichen trugen Zeichen schwerer äußerer Verletzungen. Bisher sind folgende Leichen festgeftellt: Steuermann Hein, Zahlmeisterapplikant Gieseler, Maschinenmaat Fuchs, die Matrosen Kiel, Engler und Fewall. Zur Beerdigung der Leichen ist ein Stück Land nahe dem Leuchtturm angekaust worden. Kontreadmiral Tirpitz rühmt dann daS Verhalten deS Leuchtturmwärters Schwilp und das der chinesischen Bevölkerung des Dorfes Tschuetau. Für die Bergung weiterer Leichen sind Maßnahmen getroffen und Prämien ausgesetzt worden. Die Geretteten werden derzeit noch zur Fest stellung des ThatbestandeS rc. gebraucht, können da her dem nach Europa abgehenden Ablösungstransport nicht angeschlossen werden. Der Bericht ist datiert vom 3. August. Oesterreich-Ungar». — Die AuSgleichsverhandlungen bez. der Beiträge der beiden Reichshälften zu den gemeinschaftlichen Aus gaben sind als gescheitert zu betrachten. Die Auf- lüsung deS Reichstags steht aller Wahrscheinlichkeit nach unmittelbar bevor. — In Pest tagt gegenwärtig der internationale landwirtschaftliche Kongreß, an dem auch deutsche Re gierungsvertreter teilnehmen. Der ungarische Ackerbau- Minister Daramje führte in seiner Begrüßungsrede aus, daß die Landwirtschaft allerorten schwere Tage zu bestehen habe und daß sowohl exportierende wie importierende Staaten unter der Rückwirkung dieser Thatsache in gleicher Weise zu leiden hätten. Die Staaten müßten daher nicht nur alle berechtigten Be strebungen, welche geeignet sind, der landwirtschaft lichen Produktion günstige Bedingungen zu sichern, aufmerksam verfolgen, sondern müßten dieselben auch nachdrücklich unterstützen. Dänemark. — Die Entdeckung der großen Anarchistenver schwörung hat, wie auS Kopenhagen gemeldet wird, den Zaren veranlaßt, seine Reise nach Balmoral um einige Tage zu verschieben und sich statt am Sonn abend erst am nächsten DienStog dorthin zu begeben. Die Glasgower Polizei eniwickelt eine fieberhafte Thätigkeit, um bei der Landung des Zaren jeden Zwischenfall zu verhüten. Die Landungsbrücke in Leith wird abgesperrt werden. Von Glasgow werden 300 Sonverpolizisten nach Lerth dirigiert werden. Auch sonst ist man in England wegen bevorstehender anarchistischer Attentate in Sorge, so teilt z. B. die Bank von England augenblicklich keine Erlaubnisscheine zur Besichtigung der Bank aus. Ob der offenbare Anführer der entdeckten Bande, der in Boulogne ver haftete Amerikaner Tynan, an England ausgeliefert werden wird, ist noch zweifelhaft. Fraukretch. — Die Frau des deportierten Kapitän DreyfuS richtete ein Schreiben an den Ministerpräsidenten und den Präsidenten der Kammer, worin sie das Gerech tigkeitsgefühl der Abgeordneten anruft und die neu liche Behauptung des Pariser „Eclair", DreyfuS sei auf Grund eines geheimen Aktenstückes verurteilt wor den, daS der Vorsitzende deS Reichsgerichts den Rich tern ohne Wissen des Angeklagten und seines Vertei digers vertraulich mitgeteilt habe, als daS Einge ständnis eines Justizverbrechens, begangen durch Offi ziere an einen Kameraden, Hingestell». Die Darstellung, des „Eclaire" fei falsch und DreyfuS unschuldig. — An der zu Ehren deS Zaren zu veranstaltenden Parade in Chalons am 9. Oktober werden 4 Armee korps teilnehmen. Ans dem Orient. Belangreiche Mitteilungen aus Konstantinopel liegen heute nicht vor. Alle Anzeichen deuten auf den baldigen Eintritt von Katastrophen hin. Die allge meine Panik ist eine große. An Ausschreitungen der Türken hat es in den jüngsten Tagen gleichfalls nicht gefehlt. Wohl um die schöne Harmonie nicht zu stören, wird nun türkischerseits gemeldet, die Polizei von Konstantinopel habe an mehreren Orten Dyna- mitbomden entdeckt, die den Armeniern gehörten und zu verbrecherischen Zwecken von diesen verborgen ge- halten worden seien. Möglich, daß diese Mitteilung auf Wahrheit beruht, ebenso möglich aber auch, daß sie der frei schaffenden Phantasie ihren Ursprung ver dankt, sie ist insofern typisch, als sie das feindliche auf gegenseitigen Argwohn basierte Verhältnis zwi schen Türken und Armeniern charakterisiert. Eine Folge dieses Verhältnisses ist die beständige Furcht vor dem unerwarteten Ausbruch eines neuen Krawalls. Die Banken und die Mehrzahl der fremden Geschäfte in der Stadt sind geschlossen, die Konsulate hoben ihre Landsleute aufgefordert, ihre Häuser möglichst nicht zu verlassen. Die Pforte publiziert Kundmach-