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Mittwoch, den 7. Dezember L8S8 57. Jahrgang ers«kt»t »«glich mit Ausuahme der Sonn- und Festtage, abend- für den fol genden Tag. Preis vierteljährlich 1 M. 50 Pf., monatlich 50 Pf., Einzelnummer bPs. Bestellungen üerden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Aus gabestellen, sowie allen Postanstalten angenommen. Anserat-Kedühre»- Einspaltige Petit-Zeile oder deren Raum 10Ps.; im amtlichen Teile pro Zeile 30 Pf.; „Eingesandt" und Reklame unter dem Redaktionsstrich 2b Pf. — Komplizierte Inserate nach beson derem Taris. — Für Nachweis und Offerten - Annahme werden pro Inserat 2bPs.extra berechnet Amtsblatt der Königlichen Amtshauptmannschaft Flöha, des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Romberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von C. G. Roßberg in Frankenberg i. Sa. Zwangsversteigerung. Die im Grundbuche auf den Nanien des Müllers Friedrich Eduard Zießler in HauSdorf eingetragenen Grundstücke: 1. das Wohngebäude mit Loh- und Knochenmühle, Folium 29 des Grundbuchs für Hausdorf, Nr. 30 des Brandcatasters, Nr. 87 des Flurbuchs für diesen Ort, geschützt, einschließlich des gangbaren Zeuges und der Wasserkraft, auf 6850 M. — Pf-, 2 dar Wohn- und Mühlengebäude, nebst dem Stallgebäude mit Futterboden, dem Radstubengebäude mit Anbau, dem Scheunengebäude und dem Wa- geuschuppengebäude, Folium 44 des Grundbuchs sür Hausdorf, Nr. 41L des Brandcatasters, Nr. 104s. des Flurbuchs, geschätzt, einschließlich der Mühleneinrichtung und der Wasserkraft, auf 24105 M. — Pf-, 3. Garte«, Feld und Wald, Folium 50 des Grundbuchs für Hausdorf, bestehend aus den Flurstücken 685, 162, 163, 209 und 210, nach dem Flurbuche 5 Acker 207 Oua- dratruthen groß, mit 37,97 Steuereinheiten belegt, geschützt auf 2150 M. — Pf., 4. Feld, Wiese und Wald, Folium 122 des Grundbuchs für Mühlbach, bestehend aus den Flurstücken Nr. 838a, 841, 842 und 843, nach dem Flurbuche 11 Acker groß, mit 181,07 Steuereinheiten belegt und geschützt auf 8250 M. — Pf-, sollen an hiesiger Amtsgerichtsstelle zwangsweise versteigert werden. Hierzu ist der IS. Januar 188V Vormittags 10 Uhr als Anmeldetermin, ferner der 31. Januar 18SS Vormittags 10 Uhr als Bersteigerungstermin, sowie der 7. Februar 18SS Vormittags 10 Uhr als Termin zu Verkündung des Bertheilungsplans anberaumt worden. Die Realberechtigten werden aufgefordert, die auf den Grundstücken lastenden Rückstände an wiederkehrenden Leistungen, sowie Kostenforderungen, spütestens im Anmeldetermine anzumelden. Eine Ueberficht der auf den Grundstücken lastenden Ansprüche und ihres RangverhültniffeS kann nach dem Anmeldetermine in der Gerichtsschreiberei des unterzeichneten Amtsgerichts eingesehen werden. Frankenberg, am 5. Dezember 1898. Königliches Amtsgericht. Aff. Ibr Bähr. Günther, Sekr. In der Dreyfusaffaire liegen Nachrichten vor, die der Angelegenheit eine ganz neue Be leuchtung geben. Aus Berlin wird uns gemeldet: .Der Schleier, welcher bisher über der Wirtschaft im Großen Generalstabe der französischen Armee und der Dreyfussache lag, scheint sich nun mit einem Male lüften zu wollen. Es kommt, wie heute schon bei nahe mit Gewißheit anzunehmen ist, ein „Panama" der Armee an» Tageslicht, welches dem bekannten Zivilpanama kaum nach steht. Ob alle Vorgänge nun auch aktenmäßig sestgestellt wer den, ob sie der Oeffentlichkeit ungeschminkt übergeben werden, da» dürfte allerdings die Frage sein. Wir glauben nicht, daß da» geschehen wird, der Lärm würde zu groß sein, und die Republik hat alle Ursache, darauf zu halten, daß die Armee nicht zu arg bloßgcstellt wird. Hat doch selbst der von seinen Feinden so heftig verfolgte Oberst Picquart im Interesse der Armee da« Aergste bisher verschwiegen. Auch der Kassationshof wird sich be denken, Dinge vor aller Welt zur Sprache zu bringen, die das ganze Ansehen der Republick untergraben müssen. Es spricht da nicht nur die Gerechtigkeit, sondern auch hauptsächlich die Staats raison mit. Die ersten Gerüchte, die auf den Kern der Wahrheit hin wiesen, datieren vom Beginn des Herbstes. Es fehlte aber an allen näheren Beweisen, und auch Oberst Picquart, der hierüber hätte Auskunft geben können, hüllte sich, wie schon gesagt, in Schweigen. Er wurde gesagt, der Chef des Generalstabes, Ge neral Boisdeffre, habe ein so flottes Leben geführt, daß sein Ge- halt bei weitem nicht genügt hätte, er habe sich daher beträcht liche Summen, insgesamt über eine Million Frcs., aus dem ge heimen Dispositionsfonds des GcneralstabeS auszahlen lassen. Und nicht von dem Herrn Chef allein sei diese Finanzoperation auSgeübt, apch noch andere Hochstehende Herren hätten das Be dürfnis verspürt, ihren bedrängten Finanzverhältnissen in dieser Weise Ausbesserung zu verschaffen. — So wurde schon vor mehreren Monaten erzählt. Inzwischen find, wie bekannt, neue Briefe ermittelt, welche beweisen, daß zwischen dem Lunn Esterhazy, dessen Verkehr mit fremden Mili- täibeoollmächtigten in Paris seststeht, dem Obersten Henry, der durch sogenannten unfreiwilligen Selbstmord endete, und dem ver, logenen und liederlichen Obersten Paty du Clam sehr intime Be ziehungen bestanden haben, die augenscheinlich dem Zweck dienten, wichtige militärische Nachrichten um gutes Geld zu verkaufen. Wie tonnten aber diese drei Ehrenmänner so ungeniert walten? Die Antwort lautet: Der Generalstabschef, welcher seine Zuflucht zu den geheimen Fonds nahm, mußte seine Offiziere machen las sen, was sie wollten. So hat er Henry blind vertraut, damit dieser, wie jeder zu der Geldaffaire schwieg. Da haben wir den Kern der Sache. Die erste direkte und ganz bestimmte Behauptung gegen Bois desfre wird jetzt von dem Ehrenmann Esterhazy erhoben; derselbe sagt, BoiSdeffre habe sich pro Monat 8000 Frc». aus dem ge heimen Fond- zahlen lassen. Handgreislich zu beweisen wird das nicht immer sein; wenn diese 8000 Frcs. jedesmal mit dem Ver merk etwa gebucht sind: „zur besonderen Verwendung durch den Herrn Ches", so soll hinterher jemand beweisen, waS damit ge macht ist. Da mußten eben die betreffenden Offiziere selbst spre chen, und daS werden sie im Interesse des militärischen Ansehens schwerlich. Es wird nun auch der Zusammenhang der Dreysusasfaire vollständig klar. Drcysus hat wiederholt gesagt, er habe einer Verräterei im Generalstabe aus die Spur kommen wollen, daher sein ganze» Arbeiten. DaS wurde nicht geglaubt, weil man eine solche Verräterei bei anderen für ausgeschlossen hielt. Aber daß sie bestanden hat, zeigen die Beziehungen zwischen Esterhazy, Henry, Paty du Clam, Dreysus scharf, und darau« würde sich alle» erklären, in der Erforschung dieser Verräterei einen vorzüg lichen Weg zum schnellen Avancement erblickt zu haben, er hat darauf ein tollkühne- Spiel gespielt, da« aber von den wirklichen Schuldigen erkannt wurde, die nun, um der ihnen drohenden Ge fahr der Entdeckung zu entgehen, Dreyfus überlisteten. Oberst Henry verstand sich ja auf manches. Und nachdem Dreyfus ein mal verurteilt war, mußte er eS auch bleiben, die Sicherheit der genannten Ehrenmänner stand auf dem Spiel. Und diese wurden wieder von den großen Herren des Generalstabes protegiert, um jedes Ausschwatzen zu verhindern. Exkapitän Dreyfus hat auch mehr als einmal betont, daß er von dem General Boisdeffre seine Befreiung erwarte. Dreyfus war reich, eS ist möglich, daß er der Gläubiger seine» geldbedürf- tigen Chefs war, e« ist auch möglich und wohl wahrscheinlich, daß er von der wirklichen Verwendung der Geheimfonds Kennt nis hatte. Vielleicht hat er auch dem General Boisdeffre von seinem Bestreben, die Urheber der Verräterei zu entdecken, Kennt nis gegeben, der aber froh war, als er den unbequemen Streber vom Halse hatte. Im Interesse einer Fernhaltung von Dreyfus wurde auch Oberst Picquart schleunigst wieder aus dem General stabe entfernt, da derselbe auf dem besten Wege war, noch nicht die wahren Schuldigen, wohl aber Dreyfus' Unschuld klarzustellen. So fügte sich in dieser Kette Glied an Glied, das Geheimnis der DreyfuSaffaire ist für jeden vorurteilsfreien Menschen klar. An eine aktenmüßige Feststellung vor der Oeffentlichkeit glauben wir, wie gesagt, nicht; der französische Patriot würde aus der Haut fahren, wenn ihm schwarz auf weiß bewiesen würde, wie miserabel es um die militärische Sicherheit seines Vaterlandes be stellt war. Oertliches und Sächsisches. Frankenberg, 6. Dezember 1898. -f An Stelle des sür die Sitzungen der demnächst vor dem Chemnitzer Schwurgerichte beginnenden Sitzungsperiode als Ge schworener mit auSgelosten und auf sein Ansuchen von dieser Mitwirkung dispensierten Herrn Fabrik- und Mühlenbcsitzecs Adolf Reichelt in Sachsenburg ist nachträglich Herr Kaufmann Robert Adolf Max Pönicke in Chemnitz ausgelost worden. -f Weihnachten für unsere Blinden. Wenn die Liebe sich rüstet, den Bedürftigen den Weihnachtstisch zu decken, vergißt sic auch unserer armen Blinden nicht. Der beste Liebesdienst, der im Laufe des Jahres ihnen bekanntlich erwiesen werden kann, ist der, ihnen Arbeit zu beschaffen. Zu Weihnachten aber sind unsere Blinden, soweit sie des Lesens der mit den Fingern zu fühlenden Blindcnpunktschrist kundig sind, am dankbarsten für ein gutes Buch in Punktschrift. Sicherlich erweisen wir allen Freunden unserer Blinden, die diesen eine bleibende Weihnachts- freudc bereiten möchten, einen Dienst, indem wir sie auf die vor züglichen, sehr billigen (33^/, Proz. unter dem Herstellungspreise), von dem „Verein zur Beschaffung von Hochdruckschriftcn für Blinde" (Leipzig) hcrgestellten Blindcnbücher aufmerksam zu machen. ES sind bisher erschienen: Fries, „Büchlein von der Geduld der Kinder Gottes" (geb. 2,40 Mk.) —Körner, „Leyer und Schwert" (geh. 1 Mk.) — „Pharus am Meere de» Leben»" (3 Bde. geb. je 2,50 M. oder 6 Heste (je 1,25 Mk.) — Schiller, „Jung frau von Orleans" (2 Bde., geb. zus. 5 Mk.) — „Braut von Messina" (geb. 3,50 Mk.) — Goethe, „Reineke Fuchs" (2 Bde., geb. zus. 5 Mk.). Sämtliche Schriften sind zu beziehen durch Georg Wiegand, Leipzig, Seeburgstraße 44. Möchten diese Bü cher zum Segen unserer Blinden, als Licht und Trost für ein same Stunden, als gute unterhaltende und belehrende Freunde weite Verbreitung finden. -f Ottendorf. Bei der am 2. Adventssonntage nach dem Vormittagsgottcsdienste stattgefundencn KirchcnvorstandScrgänzungs- wahl wurden die ausscheidcnden Herren Gutsbesitzer Karl Großer und Bäckermeister Richard Geißler in Ottendorf und Gemcinde- vorstand Moritz Löffler in Krumbach mit großer Majorität wieder- gewählt. — Der Rat der Stadt Chemnitz plant die Errichtung einer Diphtherie-UntcrsuchungSstation nach dem Muster, wie sie in Breslau besteht. In den Apotheken werden Untersuchungsfläsch chen au-gegeben. Im Krankenhause erfolgt sofort die Untersuchung des Materials, und nach Feststellung de» Ergebnisses empfängt der HauSarzt die entsprechende Mitteilung. — Ein seit langer Zeit im Dienste der Stadt Chemnitz stehender Rat-vollzieher zog, al« er wegen Veruntreuung von Geldern in der Kriminal-Abteilung vernommen werden sollt«, einen Revolver hervor, setzte denselben blitzschnell an die Schläfe und stürzte alsdann mit durchschossenem Kopfe tot zu Boden. — Eigenartige Gaunerstreiche verübte der am 3. Juni 1875 in Uytkerke (Belgien) geborene Kaufmann Cäsar Franz Coppen». Er tauchte nach einem abenteuerlichen Leben im Sommer dieses Jähret in Chemnitz auf und begann daselbst, nachdem seine Barmittel verbraucht waren, eine sonderbare Thätigkeit. So schrieb er einem Hotelier in Plauen i. V., daß er dessen Hausdiener einen wichtigen Brief an den Generalkonsul in Saigon (Indo china) übergeben habe und zwar mit Geld für Briefmarken und Botenlohn. Nun habe sein Freund in Saigon geschrieben, daß der Brief unfrankiert angekommen sei und Strafporto gekostet habe. Der Hotelier sandte einen Entschuldigungsbrief und 120 Pf. als Entschädigung, obwohl Coppen» niemals in Plauen ge wesen ist. Einem Leipziger Geschäftsmann sandte er ein angeb lich von dem Generalkonsul herrührcndeS, aber von ihm gefälsch tes Schreiben, in welchem dieser sich beklagt, daß eine Sendung Stoff anstatt 6 nur 4 Meter enthalten habe. CoppenS behaup tete nämlich, bei dem betreffenden Kaufmann im Auftrage des Konsuls eingekauft zu haben. Er wisse genau, daß er 6 Meter bestellt und auch bezahlt habe. Natürlich sei von dem Anspruch einer Entschädigung keine Rede rc., aber es liege ihm daran, sich vor seinem Freunde zu rechtfertigen. Der Kaufmann beglich na türlich als anständiger Geschäftsmann die Differenz. Diesen Schwindel versuchte Coppens dann noch in mehreren Füllen. Geradezu gewerbsmäßig aber trat er als Testamentsvollstrecker auf. Auf Briefbogen mit in französischer und deutscher Sprache oor- gcdrucktem Kopfe teilte er einer Anzahl Witwen in der Dresdner Gegend, in der Lausitz und im Erzgebirge mit, daß in Cochinchina ein Farmer gestorben sei, der ihr ein Legat von 1000 Piastern oder 2242 Reichsmark ausgesetzt habe. Er sei nun von der dor tigen Behörde als Testamentsvollstrecker erwählt worden und bitte um Einsendung der Schreib- und KommstsionSgebühren, da er sonst annehme müsse, auf das Legat werde verzichtet. Da nun der Name des verstorbenen Farmers immer ähnlich demjenigen der Adressatin war, so fielen eine ganze Anzahl leichtgläubige Witwen herein und sandten Geld, oder kamen wohl gar selbst nach Chem nitz, um mit dem Herrn Testamentsvollstrecker persönlich Rück sprache zu nehmen. Schließlich wurde die Polizei auf den Gauner aufmerksam und nahm ihn fest, allerdings unter erschwerenden Umständen, da Coppens seiner Fesselung rasenden Widerstand entgegensetzte und auch das Photographieren feiner Person un möglich machte. Schließlich entdeckte man, daß der Verhaftete in seiner Wohnung auch die Fabrikation von falschen Legitimationen betrieb und zwar mit derartigem Geschick, daß er auch die Chem nitzer Behörde zu täuschen verstand. Der gemeingefährliche Mensch wurde mit einem Jahre zwei Monaten Gefängnis und zweijähri gem Ehrverlust, sowie vier Wochen Hast in Strafe genommen. — Von allerorts kommen Nachrichten über den Schaden, der der Sturm in der Stacht zum Sonnabend angerichtet hat. Bis weilen sei er orkanähnlich aufgetreten. So schreibt man aus Chemnitz: Auf manchen Straßen lagen am Sonnabend morgen die von den Dächern herabgeschlcuderten Dachziegel- oder Schiefer stücken in großen Mengen. Fast in allen Stadtteilen wurden Umplankungen, Gartcnzäunc und Fahnenstangen umgelegt und Thorwegc ausgerissen, Gasflammen verlöscht, Latcrnenscheibcn, Fenster, Blechslücke, Hausvcrzicrungsstücke, Firmenschilder und Schaukästen aus die Straße geschleudert. Auch an den Bäumen und Sträuchern hat der Sturm mehrfach Schaden verursacht. In den städtischen Waldungen, Zeisig-, Küch- und Crimmitschauer Wald, sind über 200 Bäume teils entwurzelt und teils umge brochen worden. — In der Nacht zum Freitag wurde in Hermsdorf «in