Volltext Seite (XML)
2«7 Freitag, den 18. November 18S8 57. Jahrgang Erscheint ttgllch mit Ausnahme der Sonn-und Festtage, abends für den sol- gcndcn Tag. Preis vierteljährlich 1 M. 50 Ps., monatlich 50 Ps., Einzelnummer bPs. Bestellungen "erden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Aus gabestellen, sowie allen Postanstalten angenommen. Anserat-Hevühren! Einspaltige Petit-Zeile oder deren Raum 10Ps.; im amtlichen Teile pro Zeil- 30 Ps.; „Eingesandt" und Reklame unter dem Rcdaktionsstrich 25 Pf. — Komplizierte Inserate nach beson derem Taris. — Für Nachweis und Offerten - Annahme werden pro Inserat LüPs.extra berechnet Amtsblatt der Königlichen Amtshauptmannschaft Flöha, des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Norberg in Frankenberg I. Sa. — Druck und Verlag von C. G. Roßberg In Frankenberg I. Sa. Bekanntmachung. Die unter dem Viehbestände des Gehöftes Cat.-Rr. 31 von Niederwiesa ausgebrochene Maul> und Klauenseuche ist erloschen. Königliche Amtshauptmannschast Flöha, am 14. November 1898. von Soeben. Seidel. Bekanntmachung. Am heutigen Tage ist der nachstehend näher beschriebene unbekannte männliche Leichnam hier angeschwommen und polizeilich ausgehoben worden, waS mit dem Bemerken andurch bekannt gemacht wird, daß die nacherwähnten Kleidungsstücke bei dem Unterzeichneten zur Ansicht bereit liegen. GunnerSdorf, den 16. November 1898. Eichler, Gem.-Vorstand. Beschreibung des Leichnams: 165 ein groß, vollständige Zähne, anscheinend in den niittlercn Jahren, stark in Fäulnih übergegangen. Kleidung: Graugestrickte Jacke, graugcstrciste Stoffhosen, graue Weste, rothgestreistes Hemde und einen Stiefel und eine graue Socke. An Effekten: 1 schwarzes Geldtäschchen mit 3 M. 34 Pfg., 1 Schlüsselring mit 5 Schlüsseln, 1 Uhrschlüssel und I Päckchen Primtabak. Wahl- und Generalversammlung Montag, den 28. November a. c., Abends 8 Nhr in Hugo Meyers Restaurant. a) Tagesordnung der Wahlversammlung. 1. Wahl von 123 Vertretern der Kaffenmitglieder zu den Generalversammlungen 1899/1900. 2. Wahl von 62 Vertretern der Arbeitgeber zu den Generalversammlungen 1899/1900. d) Tagesordnung der Generalversammlung. Neuwahl der ausscheidenden Vorstandsmitglieder. Die Vertreter der Herren Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden gebeten, vollzählig zu erscheinen, da bei einer nicht zu Stande kommenden Wahl nach 8 49a des Statuts di« Vertreter der Kaffen mitglieder von der Oberbehörde ernannt, während die Arbeitgeber für die nächsten 2 Jahre ihrer Vertretung verlustig gehen würden. Frankenberg, den 17. November 1898. Der Vor st and. Julius Kröysky, z. Z. Vorsitzender. Nachabonnements auf -as Tageblatt für den Monat November nehmen unsere Tageblattausträger und unsere bekannten Ausgabestellen in Stadt und Land entgegen. Lxpeckltlo» sl«» Die Eröffnung der italienischen Kammer hat gestern stattgefunden; das italienische Parlament ist also ei nige Wochen später als das französische zusammcngetreten. Ein Vergleich der Lage beider Staaten ist daher zeitgemäß. Italien und Frankreich haben gegenwärtig sehr von einander verschiedene Ministerien. Das französische Ministerium ist vollständig zivili- stisch zusammengesetzt, da auch die Posten des Kricgsministcrs und des Marineministers durch Nichtmilitärs besetzt sind; das italie nische Ministerium trägt einen militärischen Charakter, da nicht nur der Kriegs- und Marineminister, sondern auch der Minister präsident und der Minister deS Auswärtigen Militärs sind. Trotz dem zittert man in Frankreich vor einer Vergewaltigung durch ehrgeizige Generäle, während in Italien das Militär seine Aus gabe nur darin sieht, die Ruhe im Innern und das Ansehen nach Außen aufrecht zu erhalten. Während in dieser Hinsicht das italienische Ministerium mit größerer Ruhe an die parlamentarischen Arbeiten Herangehen kann als das französische, so ist es in man nigfachen Beziehungen übler daran. Die italienische Finanzlage ist eine so heikele, daß sie zu großer Vorsicht im Staatshaushalte zwingt, die Erwerbs- und Arbeitsverhältnisse der unteren Bevölkerung sind außerordentlich schlecht, die Steuerlast ist drückend. Dazu kommt, daß naturgemäß das italienische Ministerium darin,. daß die gefährlichsten Anarchisten aller Länder italienischen Stammes sind, eine Schmach für Italien sieht, und es ist deshalb sehr erklärlich, daß gerade von der italienischen Regierung der Vor schlag einer Konferenz gegen den Anarchismus ausgcgangen ist. Will die italienische Regierung die Zahl der italienitchen Anar chisten verringern, so wird sie weniger Wert auf die Konferenz als auf eine dem Lande förderliche parlamentarische Thätigkeit legen müssen. Das Ministerium scheint die Notwendigkeit einzu sehen, denn es will der zusammentretenden Kammer eine Reihe sehr wertvoller Gesetze vorlegcn. Äon großer volkswirtschaftSpoli- tischer Bedeutung ist die Absicht der energischen Kolonisierung der Campagna und Sardinien-, und der Hebung Süditaliens durch Schaffung besserer Verkehrswege. Von finanzpolitischer Bcdeu- In der Kra«d«ug des Kevens. Roman von I. von Werth. SS. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Während in Roses Zimmer Babette und Savina beschäftigt waren, den wahrscheinlichen schlimmen Folgen ihres Sturzes in den See vorzubeugen, nach den Vorschriften des Arztes, den man schnell au» Como herbeigerusen, stand Johannes mit Alessandro bei Günthers Leiche. Er hatte versucht, die Augen deS Toten völlig zu schließen, aber vergebens. Dann hatte er dem Diener gewinkt, den Inhalt der Tasche zu untersuchen. Es fanden sich mehrere Schriftstücke. Sie waren zu durchnäßt, um sie sogleich entfalten und ihren Inhalt prüfen zu können. Johannes befahl, sie aus sein Zimmer zu bringen. Dann sand sich noch Uhr und Börse und «in Portefeuille. Dasselbe enthielt mehrere Briese und ein kleines Bild, eine Photographie jenes Gemäldes im Ahnensaal auf Strahleneck, das Günther vor einigen Monaten aütz det Heimat und endlich in den Tod getrieben. Der Konsul nahm die Sachen an sich und ging hinaus in das obere Stockwerk der Villa. Vor der Thür von Roses Schlaf zimmer schritt er auf und nieder, bis der Arzt heraustrat. Aus eine Frage nach RoseS Ergehrn erwiderte dieser: „Dem Fieber wird nicht mehr ganz vorzubeugen sein. Sie muß in letzter Zeit entsetzliche Aufregungen durchlebt haben. Ich hoffe jedoch, die anscheinend sehr kräftige und gesunde Natur der jungen Dame wird es schnell überwinden. Jetzt braucht sie nur Ruhe, unge störte Ruhe. Di« Dienerinnen haben sie soeben zu Bett gebracht. Jetzt muß sic noch «ine heiße Limonade genießen und dann zu schlafen versuchen. Ihre Kräfte sind bis aus da» Aeußerste er- Mpst. Dat wird ' ihrem Zustand zu statten kommen, und ihr tung ist das geplante Börsengesetz und die Einführung einer pro gressiven Einkommensteuer. Die letzterwähnte Äorlage schlägt zu gleich in das soziale Gebiet. Eine weitere soziale Maßnahme soll die Regelung der Frauen- und Kinderarbeit sein. Schließlich zeigt eine Vorlage über die Temporaliensperrung, die aufsässigen Bischöfen gegenüber in Anwendung gebracht werden soll, daß die Regierung den im vergangenen Jahre begonnenen Kampf zwischen Staat und Kirche im Notfall energisch weitersühren will. Das Programm des Ministeriums ist also recht ausgedehnt, aber man wird dadurch etwas mißtrauisch gemacht, daß auch frühere Ministerien schon die besten Reformen geplant haben, ohne daß etwas Wertvolles zu stände gekommen wäre. Denn wie werden sich die Volksvertreter zu den beabsichtigten Gesetzen stellen? Der Senator Saracco, ein Anhänger Crispis, hat sich mit Ent schiedenheit gegen Steuerreformen erklärt. Seiner Meinung nach würde das italienische Volk durch eine Veränderung des Steuer systems nicht beruhigt, sondern erbittert werden, und die Finanzen würden in Unordnung geraten. Auch gegen Maßnahmen zur Verbilligung der notwendigen Lebensmittel spricht sich dieser Po litiker mit der größten Kaltblütigkeit aus, trotzdem die Brotprcise enorm hoch sind, besonders wenn man sie mit den niedrigen Ar beitslöhnen vergleicht. Ein anderer Politiker, der Deputierte und frühere Minister Colombo, will von der Hebung der Landwirt schaft nichts wissen, trotzdem Italien ohne eine blühende Land wirtschaft nicht bestehen kann. Denn Italien wird nie wie Eng land ein so blühender Industriestaat werden, daß ohne allzu große Gefahr für den Bestand des Landes die Landwirtschaft ver nachlässigt" werden könnte, ganz abgesehen davon, daß schon die Natur vurch die klimatischen Bedingungen und die vorzüglichen Bodenverhältnisse Italien aus die Landwirtschaft hingewiesen hat. Die Aeußerungen der erwähnten Politiker sind darum von beson derer Bedeutung, weil es sich hier nicht um zwei beliebige Par lamentarier handelt, sondern um Männer von großem Einfluss« und um Männer, bei deren hervorragender Stellung man auch politischen Scharfblick annehmen sollte. Das Unglück für Italien will cs aber, daß den Männern, die ihrer Begabung nach eine hoffentlich Schlaf bringen. Im Nebenzimmer mag eines der Mädchen wachen und dafür sorgen, daß jedes störende Geräusch in der Nähe der Signora vermieden werde." Der Doktor versprach dann, am Abend noch einmal nach Rose zu sehen, und entfemte sich, nachdem er ein ärztliches Attest über das Ableben des Barons Günther von Frohreich auf Herrndorf im Schwarzwalde ausgestellt hatte. Johannes begab sich in sein Zimmer und begann mit dem Durchlesen der in Günthers Portefeuille vorgefundenen Briefe. Der erste, der ihm in die Hand fiel, trug die Unterschrift „Hans von Frohrcich". Das mußte jener Onkel sein, von dem ihm der Baron bis weilen erzählt. Aus jenem Schreiben ersah der Konsul, daß jener alte Herr der einzige, näherstehendc Verwandte des Verstorbenen war. Er berichtete deshalb den Unglücksfall telegraphisch an ihn und bat, ihm seine Wünsche mitzuteilen. Ter zweite Brief war von einem Freunde, einem Maler, wie cs schien. Er lieh den Leser «inen tiefen Blick in das Liebesleben des armen Toten thun. Johanne» starrt« noch lange auf das Schreiben, nachdem er es zu Ende gelesen. „Glücklicher", murmelte er dann, „Dir wurde, was nur Auscrwählten beschieden, Du durftest in der schönsten Stunde Deines Lebens sterben." Er nahm den letzten Bries zur Hand. Er war von dem Schlohverwalter aus Strahleneck. Wie kam dies Schreiben hier her? Es waren mehrere e.rg beschriebene Blätter. Eifrig las er, und je weiter er kam, desto mehr nahmen seine Züge den Aus druck tiesstcr Verwunderung an. Und freilich, es war wundersam genug, was der Schloßverwaltcr berichtete. Er sprach von dcm rüstigen Forlschreiten der Arbeiten im Schloß und erzählte dann, hohe Einsicht besitzen, der Scharfblick durch den Eigennutz ge trübt wird, und daß die politischen Ehrbegriffe derart herabge drückt sind, daß man nichts darin findet, wenn Männer, deren Eigennutz sie in di« schmutzigsten Angelegenheiten verwickelt hat, wieder eine hervorragende politische Stellung einnehmen. So soll Herr Giolitti, der durch die Banca-Romana-Affaire so heillos kompromittiert wurde, in der nächsten Kammer den Vorsitz im Budgetausschuß einnehmen. Der Mann also, der so für die ei gene Tasche zu wirtschaften sich bemüht hatte, soll «inen wichti gen Einfluß darauf ausüben, wie die von der Allgemeinheit auf gebrachten Mittel am besten für die Allgemeinheit verwendet werden. So braucht man kein Pessimist zu sein, um doch hinter di« großen Erwartungen, die durch die verständigen Gesetzentwürfe angeregt werden, ein ebenso großes Fragezeichen zu setzen. Und doch wäre es sehr an der Zeit, wenn endlich einmal durch eine vernünftige Gesetzgebung der Notlage des italienischen Volkes ein Ende gesetzt würde. Wenn in irgend einem Lande, so zeigen sich in Italien die Schattenseiten des parlamentarischen Systems in der charakteristischsten Weise. Oertliches und Sächsisches. Frankenberg, 17. November 1898. -j- Vom 14. November ab hat die Botenpost zwischen hier und Sachsenburg nachstehenden veränderten Gang: ab Franken berger Postamt Wochentags 7 Uhr 45 Min. vormittags und 3 Uhr 45 Min. nachmittags mit Ankunft in Sachsenburg 8 Uhr 40 Min. bez. 4^Uhr 40 Min.; Sonntags 7 Uhr 45 Min. vor mittags, Ankunft 8 Uhr 40 Min. — Ab Sachsenburg Wochen tags 11 Uhr vormittag» und 6 Uhr 20 Min. nachmittags mit Ankunft in Frankenberg 11 Uhr 50 Min. bez. 7 Uhr 10 Min. (Postamt) und 7 Uhr 20 Min. (Bahnhof). Sonntags 12 Uhr 10 Min. mittags mit Ankunft in Frankenberg (Postamt) 1 Uhr. -j- Wie eine in voriger Woche erlassene amtliche Bekannt machung besagt, läuft mit morgen, Freitag, die Frist zur Er daß man beim Dekorieren der Zimmer, welche die verstorbene Frciin bewohnt, den altmodischen Schreibtisch durch einen neuen habe ersetzen wollen. Durch die Ungeschicklichkeit der Arbeiter sei das alte Möbel die Treppe hinabgestürzt und arg beschädigt worden. Durch die Erschütterung bei dcm Sturz habe sich ein geheimes Fach geöffnet, dessen Vorhandensein niemand, als die Freiin selbst, gekannt. In demselben haben sich dann zwei Doku mente vorgcfunden. Dieselben seien von gerichtlicher Seite geöffnet worden. Das eine war ein Testament der Freiin, zwei Jahre nach dcm Tode ihres Gemahls abgcfaßt, in welchem sie Fräulein Rose Ternoff zu ihrer Unioersalerbin einsetzt und, im Falle ihrer Minderjährigkeit, Herrn Professor Gröner zu ihrem Vormunde ernennt. Das zweite Dokument, aus dem Jahre 1813 stammend, ent hielt die vom Könige Friedrich Wilhelm dem Dritten eigenhändig unterzeichnete Bestimmung, daß der jedesmalige Besitzer von Dorf und Schloß Strahleneck, welchem dasselbe durch Erbschaft zuge fallen, seinem Namen den der Freien und Edlen von Stein hin- zuzusügen habe, um denselben vor dcm gänzlichen Erlöschen zu bewahren und den Besitz mit ihm zu verbinden. Gerichtliche Abschriften dieser Dokumente seien dem Schreiben bcigesllgt. Johannes griff eifrig nach den durchnäßten Schriftstücken. Ta» Wasser hatte sic arg beschädigt, aber mit einiger Mühe ließ sich der größte Teil dcs Inhalts noch entziffern. In einem bci- gcsügten Erlaß wurde Fräulein Rose Ternoff aufgefordert, von ihrem Eigentum Schloß und Kut Strahleneck und dcm damit verbundenen Titel einer Freiin von Stein Besitz zu ergreifen. Der Konsul hatte lange, wie von einem Traum befangen, auf die Papiere niedergcstarrt. Ein schmerzliche» Lächeln legte sich um