Volltext Seite (XML)
57. Jahrgang Freitag, den II. November 18S8 L«L o Bezirks-Anzeiger Amtsblatt der Königlichen Amtshmchtmannschaft Flöha, des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg. Anserat-Hc-ü-renr Einspaltige Petit-Zeile oder deren Raum 10 Ps.; im amtlichen Teile pro Zeile 30 Ps - „Eingesandt^ und Reklame unter dem Nedaktiousstrich 25 Ps. — Komplizierte Inserate nach beson derem Tarif. — Für Nachweis und Offerten - Annahme werden pro Inserat 25Ps.extra berechnet -»scheint tägklch - mit Ausnahme der Sonn, und Festtage, abends für den fol ¬ genden Tag. Preis vierteljährlich 1 M. 50 Ps„ ! monatlich 50 Pf., Einzelnummer 5Ps. Bestellungen "erden in unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Aus gabestellen, sowie alle» Postanstalten angenommen. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Norberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von C. G. Rossberg in Frankenberg I. Sa. LS Bekanntmachung, Militär-Einquartierung betr. Die Auszahlung der Entschädigungsgelder für die im August dieses Jahres hier stattgesundene Militär-Einquartierung erfolgt in der Zeit vom 12. bis mit 18. November vieses Jahres von 2 bis 6 Uhr Nachmittags im hiesigen Einwohnermeldeamt, Rathhaus, I. Obergeschoß links, Zimmer Nr. 7. Empfangsberechtigte haben zur angegebenen Zeit die ihnen zustehenden Beträge gegen Rück gabe der Öuartierbillets persönlich zu erheben. Frankenberg, am S. November 1898. Einquartierungsamt. Stadtrath Stephan. Bö. Bekanntmachung. Geordneter Maßen hat in diesem Jahre eine Ergänzungswahl des KirchenVor- standes stattzufinden. Es scheiden aus hiesigem Kirchcnvorstande aus die Herren Jnspcctor Birkner, Bürgermeister vr. zur-. Mettig, Postvirector a. D. Rotzbach, Friedensrichter G. Schiebler, Rentner Weber in Frankenberg, Gemeindenorstand Eichler in Gunnersdorf, Gcmeindcvorstand Gelbricht m Neudörfchen und der durch Tod ausgeschicdene Mühlcnbcsitzer E. Zietzler in Hansdorf. Die dem Kirchenvorstande noch angehörigen Mitglieder sind wieder wählbar. Listen für die Anmeldung zur Wahl, ohne welche eine Theilnahme an derselben nicht zulässig ist, liegen von morgen, Dienstag, 8. November, bis Dienstag, 22. November, mit Ausschluß der Sonntage, von Vormittag 11 bis ^1 Uhr aus auf der Pfarre und bei den Herren Kirchenvorständen Justizrath Reinholdt und Fabrikant R. Vogelfang; für Gunners- dorf bei Herrn Restaurateur Nerge, für Hausdorf bei Herrn Gemeindevorstand Fischer, für Neudörschen bei Herrn Gemeindcvorstand Gelbricht. Bei der Anmeldung für die Listen ist an zugeben der vollständige Name, Stand, Wohnung und Alter des sich Anmeldenden. Stimmberechtigt sind alle selbstständigen Hausväter der vier oben genannten Orte hiesiger Kirchfahrt, welche das 25. Lebensjahr erfüllt haben, sie seien vcrheirathet oder nicht, mit Ausnahme Solcher, die durch Verachtung des Wortes Gottes oder unehrbaren Lebenswandel durch nachhaltige Besserung nicht wieder gehobenes Aergerniß gegeben haben oder von der Stimmberechtigung bei den Wahlen der politischen Gemeinde ausgeschlossen sind. Diejenigen, welche die Taufe oder die Trauung unterlassen haben, verlieren Stimmbercchtigung und Wählbarkeit auf so lange, als diese Versäumniß in der Beobachtung der kirchlichen Ordnung durch deren nachträgliche Erfüllung nicht gesühnt ist. Die Wähler haben ihr Augenmerk auf Männer von gutem Rufe, bewährtem christlichen Sinn, kirchlicher Einsicht und Erfahrung zu richten. Gott lasse das Vorhaben zu unserer Gemeinde Bestem ausschlagen. Frankenberg, den 7. November 1898. Der Kirchenvorstand. Oberpf. Lesch, Vors. Generalversammlung der Ortskrankenkasse zu Ober- und Niederwiesa. Sonnabend, den 19. November, Abends 8 Uhr in Bntters Gasthof in Oberwiesa. Tagesordnung. 1. Ergänzungswahl der ausscheidenden Vorstandsmitglieder. 2. Wahl der Rcchnungsrevisoren. 3. Verschiedenes. Um recht zahlreiches Erscheinen bittet Niederwiesa, den 9. November 1898. der Vor st and. Hermann Ranft, Vorsitzender. Frankreichs Niederlage in der Faschoda-Frage. In einem Stimmungsberichte aus Paris bespricht ein Mit arbeiter der „K. Z." die durch den Ausgang der Faschoda-Frage geschaffene Lage Frankreichs und sein Verhältnis zu Deutschland u. a. folgendermaßen: Wer als Deutscher in Paris lebt, kann, wenn er seine eigene Person und sein Vaterland ausschließlich im Auge behält, sich nur freuen, wenn gelegentlich in der einen oder anderen Form eine Faschoda-Angelcgenheit auftritt; sie lenkt die Menge von Haß, die gemeiniglich über uns sich ergießt, zeitweise auf unsere eng lischen Vettern ab. Ihnen kann das kaum schaden; sie sind breitschulterig genug, ihn zu tragen; wir aber wundern uns, wenn wir hören, daß für die Franzosen wir Deutsche nur Gc- legenheitsgegner, die Engländer dagegen die eigentlichen Erbfeinde Frankreichs seien. Da ein so blutrünstiger Chauvinist, wie Lucien Millcvoye in der „Patrie", sich diesen Stoßseufzer gestattet, so muß cs doch wohl wahr sein. Aber vorläufig, so lange der Schmerz über Faschoda andauert, schwimmen wir Deutsche zu Pari- in einigermaßen erträglichem Fahrwasser. Es wird uns sogar angedeutet, daß wir unter Umständen mit den Franzosen Hand in Hand arbeiten könnten; wir brauchen nur die diploma tische Frage betreffs Aegyptens beim Sultan anzuregen und hinter unS wird sich ganz Frankreich wie ein Mann zusammenscharcn. Wir wären also auf dem besten Wege, die Bundesgenossen der Franzosen zu iverden. Der „Eclair", der wahrhaftig sonst kein gutes Wort für unS hat, läßt sich dementsprechend denn auch schon aus Kairo berichten, daß der Sultan mit dem Kaiser sich ins Einverständnis gesetzt habe, und daß die Beziehungen der deutschen und französischen Vertreter in Kairo — es ist wohl der Graf Wolff-Metternich gemeint — an Herzlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen; daraus wird denn geschloffen, daß die beiderseitigen Interessen in Kairo identisch seien; sie richteten sich gemeinsam gegen die britische Besetzung. Und auf der Versamm lung deS Kolonialvereins bemerkte der frühere Unterstaatssekretär Eugene Etienne, nachdem er die Engländer wegen ihrer verstockten Feindschaft gegen die Franzosen in Anklagezustand versetzt, daß es auch noch andere Nationen gäbe, mit denen Frankreich sich geschäftlich gut verständigen könne; zu diesen Nationen gehören in erster Linie natürlich wir selbst. Freuen wir uns daher dieses, vielleicht nur kurzlebigen günstigen Windes; ob seiner Seltenheit ist er doppelt willkommen. Viel weniger als wir, scheinen die Russen zu diesen guten Geschäftsleuten, von denen Etienne spricht, zu gehören. Es hat zwar, wie sich dies gehört, der neue Pre mierminister Dupuy in seiner Antrittsrede die kostbare russische Bundesgcnossenschaft herausgcstrichen, aber die Kammer soll diese Bemerkung mit eisigem Stillschweigen ausgenommen haben; und anderwärts lesen wir von allerhand Sticheleien gegen diese Bun desgenossenschaft: man betäube damit die französischen Ohren, die Früchte aber blieben sorgfältig verborgen. Das Gefühl der Ver lassenheit geht so weit, daß niemand fast den Mut zu haben scheint, das Wort: „Rußland hilf" offen auszusprechen, während umgekehrt das Liebeswerben um Deutschland vernehmlich zu un seren Ohren dringt. Seit der großen Niederlage von 1870 hat man keine ähnliche Demütigung durchgemacht, eine Demütigung ohne Schwertstreich und Blutverlust. Damals streckte man die Waffen nach heldenmütiger Gegenwehr, der Fürst Bismarck war unerbittlich, aber Frankreich sah wenigstens, wenn cs Land abtrat und Kriegsentschädigung zahlte, auf eine ehrenvolle Verteidigung zurück. Heute aber hat es sich dem Machtworte eines englischen Premiers zu fügen, einem nur in der Form verhüllten Ultimatum ohne mildernde Umstände; und darob verhüllt denn der Stolz Frankreichs verzweifelnd sein Haupt. Brennus, der sein Schwert in die Wagschale warf, war für die Römer kaum weniger ver haßt, als Lord Salisbury den Franzosen, weil er ihnen den Ab zug aus Faschoda ohne jedwede Entschädigung zumutete. Die Wunde schmerzt, schmerzt tief und nachhaltig. Es war nicht so sehr ein Keulcnschlag auf den Kopf — so drückt sich der „Fi garo" aus —, als eine tief ins Fleisch gestoßene rotglühende Nadel. Und wenn sich wenigstens- aus der Zurücksetzung irgend ein versöhnendes Element ergäbe, wie es sich sonst die Nationen aus Höflichkeit wohl zugestehen! Als im Jahre 1885 gelegent lich des Zwischenfalles in der Penschdeh-Oasc die Engländer das halb gezogene Schwert wieder in die Scheide steckten, erleichterte ihnen Alexander III. den Rückzug, indem er Gladstone versprach, den Fall einem Schiedsgerichte zu unterbreiten. Von diesem Schiedsgerichte war in Wirklichkeit nie die Rede, es war eben nicht ernstlich gemeint; aber Gladstone konnte darob das afgha nische Buch schließen, das er versprochen nicht eher zu schließen, bis England die nötige Genugthuung zu teil würde. Jetzt aber ist es denselben Engländern nicht eingefallen, den Franzosen die goldene Brücke zu bauen, über die ihre wunde Eigenliebe den Rückzug hätte antreten können. Es bleibt ihnen vorläufig nichts anderes übrig, als unter die Faschoda-Geschichte einen Strich zu machen. Man braucht nur die Auslassungen zweier ernster Blätter, wie der „Temps" und das „Journal des Dcbats" es sind, zu beherzigen, um sich über die Tragweite der Niederlage in französischen Augen klar zu werden. „Wir haben den Englän- In -er Krandrmg des Lebens. Roman von I. von Werth. z«. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Nun kamen die Tage der Rekonvalescenz, wo dem Genesenden die Erde doppelt schön, die Sonne doppelt golden und das Leben so köstlich» so begehrenswert erscheint. Von welcher liebevollen Sorgfalt war er auch umgeben. Rose wußte ihm jeden Wunsch an den Augen abzusehen. Nichts, was ihm eine Bequemlichkeit gewähren, eine Freude bereiten konnte, fehlte. Sic dachte an alles, sie sorgte für alles. Und Johannes? Er hatte unwill kürlich seine Zeiteinteilung darnach gemacht: Stunden, in denen Rose um ihn war, wo er ihre liebe Stimme hörens sie sehen durfte, und Stunden, während welcher sic ihm fern blieb, in denen er nur von ihr träumen, an sie denken konnte. In solchen ein samen Stunden, wenn nur ein Diener im Vorzimmer auf den Ton seiner Klingel wartete, dann ließ er das ganze wohlige Ge fühl der beseligenden Gewißheit ihrer Liebe auf sich wirken und träumte, wie er diese süße, junge Blume an seinem Herzen hegen wolle, wenn er erst seine volle Kraft wicdergewonnen. Er ver tiefte sich immer mehr in die ganze Seligkeit dieses Zukunstbildes, er träumte. Da legte Clements einen Brief vor ihn hin. Johanne- öffnete ihn, noch immer da- traumhafte Lächeln aus den Lippen. Plötzlich erbleichte er. E- war einer der Briefe, welche regel mäßig alle vierzehn Tage au« F. eintrafen. Ihm war, als höre er seine Fesseln klirren, und fühle den schmerzhaften Druck der Handschellen. Wo waren nun seine glänzenden Luftschlösser und alle seine erträumten Seligkeiten? * * * Die Genesung des Konsuls machte gute Fortschritte. Der Arzt war zufrieden unv erlaubte, daß er jetzt die Nachmittagsstunden im Garten zubringe, wo unter dem warmen Sonnenschein ein frisches, fröhliches Keimen und Sprossen erwachte. Rose leistete ihm dann meist Gesellschaft, während die beiden kleinen Mädchen bei dem Professor ihre Musikstunden nahmen, und Signora Pacci- nini eine Spazierfahrt machte. Johanne- saß dann Rose gegen über in einem bequemen Lehnstuhl, in der schattigen Dämmerung des kleinen Pavillons. Draußen auf dem Kieswege, der den Hügel hinauf zum Eingang führte, lag goldiger, warmer Sonnenschein, und jenseits desselben stand ein hohes, dichtes Gebüsch vcn blühendem Rotdorn, die Zuglust und neugierige Blicke von dem Innern des Pavillons zugleich abhaltend. Rose blickte in das ernste Gesicht des Konsuls, da- noch so deutlich die Spuren der kaum überwundenen Krankheit trug. Ohne daß sic es^wußte, traten ihr bei diesem Anblick große Thräncn in die Augen. „Bitte", wandte er sich zu Rose, „wollen Sie wohl so gut sein, mir einmal diesen Abschnitt vorzulesen?" Dabei bezeichnete er «ine Stelle in dem Buche, das aufgeschlagen aus seinen Knieen lag. „Gern," erwiderte sie und trat zu ihm. Al« sie sich nieder beugte, das Buch zu nehmen, hob er sanft ihr Gesicht empor und sah ihr in die thränenfcuchtcn Augen. „Sie müssen nicht weinen", sagte er leise, „Thränen in Ihren Augen thun mir weh." Dann nahm er ihr Köpfchen zwischen beide Hände und drückte einen leisen Kuß auf ihre Stirn: „Liebe, liebe Rose." Sie nahm das Buch und las, aber ihre Stimme zitterte, ihre Gedanken waren nicht bei dem, was ihre Lippen sprachen. Sie verlor bisweilen die Zeile und stockte. Endlich legte sie daS Buch auf den Tisch und stammelte: „Verzeihen Sic, ich kann jetzt nicht." Sie hatte die Augen niedergeschlagen, tiefe Röte lag auf den Wangen. So saßen sie eine Weile schweigend einander gegenüber. Da näherten sich draußen Schritte auf dem Kieswege. Rose erhob sich und ging hinaus. Ein Diener meldete Baron Frohreich. Rose wandte sich zurück zu dem Konsul. „Herr von Froh reich ist hier, wird Ihnen sein Besuch angenehm fein?" Johannes bejahte und Rose ging dem Gaste entgegen. Günther war auf dem Balkon hinausgetreten und eilte, als er Rose kommen sah, die Treppe hinunter. „Wie glücklich ich bin, Sie endlich, endlich wicderzusehen, Fräulein Ternoff," ries Günther und ergriff ihre Hand. Dies Glück klang so hell aus seiner Stimme, blickte so voll aus seinen Augen, daß jede Andere cs wohl bemerkt hätte. Roses Herz aber pochte noch so heftig, daß sic nichts hörte, als seine Schläge. Sie erwiderte freundlich: „Ich hoffe, daß cS Ihnen gut gegangen ist all die Zeit, seit wir uns nicht mehr gesehen." „All die Zeit", erwiderte der junge Mann in seinen Gedanken. „Die Zeit ist ihr auch lang geworden, seit wir un« nicht gesehen. Sic hat meiner gedacht, vielleicht sich nach mir gesehnt. O, ich